Description: Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten AgBB - Juni 2002 Vorgehensweise bei der gesundheitlichen Bewertung der Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC und SVOC) aus Bauprodukten 1. Einleitung Die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen beim Aufenthalt in Innenräumen von Gebäuden wird einerseits durch die herrschenden raumklimatischen Bedingungen (vor allem Temperatur und relative Luftfeuchte) andererseits aber auch durch mögliche Verunreinigun- gen der Innenraumluft beeinflusst. Solche Verunreinigungen können aus einer Vielzahl von Quellen stammen. Unter ihnen spielen Bauprodukte vor allem deshalb eine wesentliche Rolle, weil ihre Auswahl häufig nicht im Ermessen der Raumnutzer liegt und weil viele von ihnen großflächig in den Raum eingebracht werden. Für die Verwendung von Bauprodukten gelten in Deutschland die Bestimmungen der Lan- desbauordnungen. Danach sind bauliche Anlagen so zu errichten und instandzuhalten, dass „Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden“ (§ 3 Musterbauordnung, MBO). Bauprodukte, mit denen Gebäude errichtet oder die in solche ein- gebaut werden, haben diese Anforderungen insbesondere in der Weise zu erfüllen, dass „durch chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Be- lästigungen nicht entstehen" (§16 MBO). Auch in der Europäischen Union wurde der Bedeutung der Bauprodukte durch die europäi- sche Bauprodukten-Richtlinie Rechnung getragen, die 1989 in Kraft trat (Rat der Europäi- schen Gemeinschaften, 1989). Während ihr hauptsächliches Anliegen die Beseitigung von Handelshemmnissen ist, enthält sie auch - zumindest in allgemeiner Form - Vorschriften, die gesundheitliche Belange berücksichtigen. Die europäische Bauprodukten-Richtlinie wurde 1992 durch das Bauproduktengesetz1 und die Novellen der Landesbauordnungen in nationales Recht umgesetzt. 1 BauPG1992: Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Um- setzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Ver- waltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Bauprodukte (Bauproduktengesetz – BauPG). Bundesgesetzblatt I, Nr. 39 vom 14.8.92, 1495-1501; Novellierung 1998: Bekanntmachung der Neufassung des Bauproduktenge- setzes vom 28. April 1998. Bundesgesetzblatt I, Nr. 25 vom 8.5.98, 812-819. AgBB - Bewertungsschema für VOC aus Bauprodukten; Stand Juni 2002 Teil 1: Einführung Ein erklärtes Ziel der Landesbauordnungen und der EG-Bauprodukten-Richtlinie ist es dem- nach, die Gesundheit von Gebäudenutzern zu schützen. Eine Konkretisierung dieser Anfor- derungen findet sich in dem von der Europäischen Kommission erarbeiteten Grundlagen- dokument 3, in dem die Vermeidung und Begrenzung von Schadstoffen in Innenräumen, z.B. von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), explizit genannt werden (EC, 1994). Auch der vom Koordinierungsausschuss 03 des Normenausschusses Bauwesen erarbeitete „Leit- faden zur Beurteilung von Bauprodukten unter Gesundheitsaspekten“ dient dieser Konkreti- sierung. Gleichwohl fehlen noch verbindliche und differenzierte Bewertungsvorschriften für eine praktische Umsetzung der gesundheitsbezogenen Anforderungen der Bauprodukten- Richtlinie. Unbestritten ist, dass die Gesundheit von Gebäudenutzern geschützt werden muss, unklar ist aber noch, wie dieser Schutz im einzelnen erreicht werden kann. Zwar gibt es in einer Reihe von europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland, von Seiten verschiedener Hersteller und Verbände den Versuch, dem Anwender und Verbraucher mit Hilfe von Gütesiegeln In- formationen über die Qualität von Bauprodukten zukommen zu lassen, eine offiziell aner- kannte Vorgehensweise zur Bewertung von Bauprodukten aus gesundheitlicher Sicht fehlt jedoch bislang noch in vielen Fällen. Auch nationale und internationale Gremien, insbesondere die European Collaborative Action (ECA) "Indoor Air Quality and its Impact on Man", haben sich speziell mit den Fragen der Bewertung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten bereits beschäftigt. In der ECA sind Ex- perten aus den Ländern der Europäischen Union sowie der Schweiz und Norwegen tätig, die das in Europa verfügbare Fachwissen zu den verschiedensten innenraumrelevanten Themen aufarbeiten und in Berichten zusammenfassen, die so konkrete Angaben enthalten, dass sie als "pränormativ" bezeichnet werden können. Hierzu veröffentlichte die ECA den Bericht Nr. 18 "Evaluation of VOC Emissions from Building Products", in dem als Beispiel ein Bewertungs- schema für Emissionen aus Fußbodenbelägen angegeben ist (ECA, 1997a). Der Ausschuss für die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten (AgBB) sieht es als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, die Grundlagen für eine einheitliche Bewertung von Baupro- dukten in Deutschland bereitzustellen, damit einerseits die Forderungen erfüllt werden, die sich aus den Landesbauordnungen und der Bauprodukten-Richtlinie ergeben, und andererseits eine nachvollziehbare und objektivierbare Produktbewertung möglich ist. Der Ausschuss legt im Folgenden ein Schema zur Vorgehensweise bei der gesundheitlichen Bewertung der VOC-Emissionen aus Bauprodukten, die in Innenräumen von Gebäuden ver- wendet werden, vor. Flüchtige organische Verbindungen nach diesem Schema umfassen Ver- bindungen im Retentionsbereich C6 bis C16, die als Einzelstoffe und im Rahmen des TVOC- Konzeptes (TVOC = Total Volatile Organic Compounds) als Summenparameter betrachtet werden, und schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) im Retentionsbereich ober- halb von C16 bis C22. Das Schema wurde nach einer ersten Veröffentlichung (AgBB 2000) intensiv mit Vertretern von Herstellerfirmen und der weiteren Fachöffentlichkeit diskutiert und in Teilen modifiziert. Der Ausschuss geht davon aus, dass bei Einhaltung der im Schema vorgegebenen Prüfwerte die Mindestanforderungen der Bauordnungen zum Schutz der Gesundheit im Hinblick auf VOC-Emissionen erfüllt werden. Gleichwohl werden Initiativen der Hersteller, emissionsär- mere Produkte herzustellen, unterstützt. Hersteller können deshalb bessere Leistungsparame- ter ihrer Produkte (VOC-Emissionen) deklarieren. 2 AgBB - Bewertungsschema für VOC aus Bauprodukten; Stand Juni 2002 Teil 1: Einführung Der Ausschuss wird nach einer Einführungsphase von 2 Jahren die Erfahrungen der Arbeit mit dem Schema auswerten und in geeigneter Weise berichten. 2. Gesundheitliche Bewertung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten Die Literatur über die Wirkung von Innenraumluftverunreinigungen ist umfangreich (vgl. z.B. ECA, 1991b; Maroni et al., 1995). Die Wirkungen von flüchtigen organischen Verbindungen können von Geruchsempfindungen und Reizwirkungen auf die Schleimhäute von Augen, Na- se und Rachen über Wirkungen auf das Nervensystem bis hin zu Langzeitwirkungen reichen. Hierzu zählen Stoffe mit allergisierenden oder allergieverstärkenden Eigenschaften und insbe- sondere mit cancerogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Potenz. Zur toxikologischen Bewertung von Stoffen aus Bauprodukten können die bereits verfüg- baren Informationen herangezogen werden, die im günstigsten Fall Kenntnisse über Dosis- Wirkungs-Beziehungen enthalten. Daraus lassen sich Konzentrationsniveaus ermitteln, unter- halb derer keine nachteiligen Wirkungen zu befürchten sind. Das umfangreichste Bewertungssystem existiert für den Arbeitsplatz in Form der Maximalen Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte). An Arbeitsplätzen mit betriebsbedingtem Um- gang mit Gefahrstoffen liegen allerdings im allgemeinen sehr viel höhere Stoffkonzentratio- nen vor. Andererseits sind im Verhältnis zum Innenraum kürzere Expositionszeiten zu Grun- de gelegt. Dies muss bei der Übertragung in den bewohnten Innenraum mit entsprechenden Faktoren berücksichtigt werden (ECA 1997a). Die hierauf basierende Vorgehensweise zur Ableitung von Hilfsgrößen zur Bewertung von Bauprodukten, den sogenannten NIK-Werten (Niedrigste interessierende Konzentrationen) wird im Vorwort der NIK-Werte-Liste im Anhang detailliert beschrieben. Die bisher genannten Beurteilungsmaßstäbe basieren auf Einzelstoffbetrachtungen, obwohl die Bewohner von Gebäuden immer einer Vielzahl von Substanzen ausgesetzt sind. Dies wird mit Hilfe der Summenkonzentration der flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC) be- rücksichtigt (Seifert, 1999; ISO 16000 /6 Entwurf Nov 2000). Es sei an dieser Stelle betont, dass ein TVOC-Richtwert aufgrund der schwankenden Zusammensetzung des in der Innen- raumluft auftretenden Substanzgemisches keine konkrete toxikologische Basis haben kann. Die Erfahrung zeigt aber, dass mit steigender TVOC-Konzentration die Wahrscheinlichkeit für Beschwerdereaktionen und nachteilige gesundheitliche Auswirkungen zunimmt (ECA, 1997b). 3. Sensorische Aspekte Da VOC-Emissionen häufig mit Geruchsempfindungen einhergehen, ist die sensorische Prü- fung ein wichtiges Element bei der Bewertung von Bauprodukten. Allerdings kann dieser Aspekt hier bislang noch nicht in die tatsächliche Bewertung eingebracht werden. Anders als bei der chemischen Analyse bestehen noch verschiedene Auffassungen hinsichtlich einer op- timalen Erfassung der geruchlichen Wahrnehmungen. Der derzeitige Stand der Erkenntnisse über Geruchsmessungen in der Innenraumluft wurde in umfassenden Berichten zusammenge- stellt (Fischer et al., 1998; ECA, 1999). 3
Origin: /Land/Baden-Württemberg/LUBW
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Region: Baden-Württemberg
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