Description: Ministerium für Gesundheit und Soziales - - Info-Dienst Nr.: 001/03 Ministerium für Gesundheit und Soziales - Info-Dienst Nr.: 001/03 Magdeburg, den 13. Oktober 2003 Folsäure, Gesundheit und Schwangerschaft Informationen von Prof. Dr. Volker Steinbicker, Leiter des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt zum Start der Info-Kampagne "Folsäure für dich¿mein Kind" Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin der B-Gruppe, welches in den 40iger Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckt wurde. Der Name Folsäure leitet sich von dem lateinischen Begriff "Folium" (das Blatt) ab, da dieses Vitamin zuerst aus Spinatblättern isoliert wurde. Folate kommen in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor. Vor allen Dingen Blattgemüse hat einen hohen Gehalt dieses Vitamins. Viel Folat findet sich in Spinat, Salaten, Weißkohl, Tomaten, Orangen und Getreide. Von tierischen Lebensmitteln ist die Leber besonders reich an Folsäure. Nach dem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, werden mit der heute üblichen Ernährungsweise in Deutschland frisches Obst und Gemüse in zu geringen Mengen verzehrt, so dass die Versorgung der Bevölkerung mit Folatsäure als unzureichend bezeichnet werden muss. Durch vermehrten Verzehr von Obst und Gemüse ließe sich die Folatversorgung der Bevölkerung sicherlich verbessern. Entsprechende Kampagnen ("5 am Tag") haben nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Dazu kommt noch, dass Folsäure durch die Zubereitung (kochen u. ä.) und durch unsachgemäße Lagerung zwischen 30% und 90% ihrer biologischen Aktivität als Vitamin verliert. 1. Folsäureversorgung in Deutschland: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für gesunde Erwachsene eine tägliche Nahrungsfolatzufuhr von 400 µg. In der Schwangerschaft wird eine höhere Zufuhr und zwar 600 µg/Tag empfohlen, da der Bedarf durch die besonderen Umstände der Schwangerschaft, wie das Wachstum von Gebärmutter und Embryo, deutlich erhöht ist. Die gleichen Empfehlungen wurden auch in den USA und Kanada ausgesprochen. Nach Angaben des deutschen Ernährungsberichtes aus dem Jahr 2000 nehmen männliche Personen im Durchschnitt täglich 235µg und weibliche Personen im Durchschnitt täglich 214 µg auf. Dies entspricht lediglich 61% bzw. 55% der empfohlenen Menge. Auch bei Kindern und Jugendlichen liegen die durchschnittlichen täglichen Aufnahmemengen von Folsäure deutlich unter denen, die von der DGE empfohlen wurden. 1998 wurde in einem s. g. Ernährungssurvey die Nährstoffversorgung der deutschen Bevölkerung untersucht. Danach lag die mittlere Folataufnahme bei 283 µg bei Männern und 238 µg bei Frauen. Wegen der vergleichsweise relativ geringen Folsäuremenge in Obst und Gemüse und deren Verlust durch Zubereitungsprozesse ist es kaum möglich, den gesamten Folsäurebedarf durch die Nahrung oder z. B. auf dem Weg einer bestimmten Diät zu decken. Dies ist nur durch die regelmäßige Einnahme von Multivitaminpräparaten mit entsprechend hohem Folsäureanteil oder von Kombinationspräparaten, z. B. Eisen und Folsäure oder durch reine Folsäurepräparate möglich. Da nur etwa 5% der Bevölkerung in den neuen Bundesländern täglich Multivitaminpräparate zu sich nimmt, ist von einer ständigen Unterversorgung der Bevölkerung mit diesem Vitamin auszugehen. 2. Folsäure und Gesundheit 2.1. Fehlbildungen und Schwangerschaft Etwa 5% aller neugeborenen Kinder leiden an einer Fehlbildung, die entweder gleich nach der Geburt oder später im Leben dieser Kinder einmal ärztlich behandelt werden muss. Fehlbildungen des zentralen Nervensystems (der Wirbelsäule und des Gehirns), zu denen der sogenannte "offene Rücken" gehört (Neuralrohrdefekt), sind relativ häufig. In Sachsen-Anhalt hat etwa von 900 Geborenen ein Kind einen Neuralrohrdefekt. Neuralrohrdefekte entstehen durch eine Störung des Neuralrohrschlusses. Je nach Sitz der Verschlussstörung hat dies das Freiliegen von Gehirn oder Rückenmark zur Folge, was entweder mit dem Leben nicht zu vereinbaren ist oder zu einer schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität mit Bewegungsunfähigkeit der Beine und Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion führt. Zusätzliche Veränderungen, wie im Bereich der Harnwege oder das Auftreten eines Wasserkopfes, komplizieren diese Entwicklungsstörungen. In Sachsen-Anhalt werden etwa 80% der Kinder mit einer solchen Fehlbildung bereits durch Ultraschalluntersuchungen in der 18.-22. Schwangerschaftswoche entdeckt und die Schwangerschaften auf Wunsch der Schwangeren wegen der Schwere der Fehlbildung abgebrochen. Es wird geschätzt, dass jährlich in Deutschland etwa 470 ¿ 800 Säuglinge mit Neuralrohrdefekten lebend geboren werden und bei weiteren 500 Kindern ein Abbruch der Schwangerschaft nach der 20. Schwangerschaftswoche erfolgt. Hat eine Frau bereits eine durch ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt belastete Schwangerschaft hinter sich, ist das Wiederholungsrisiko bei einer weiteren Schwangerschaft für ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt etwa 20 mal höher, als bei Frauen ohne familiäre Belastung. Seit vielen Jahren ist wissenschaftlich belegt, dass die Höhe der Folsäurezufuhr vor Eintritt einer Schwangerschaft die Häufigkeit von angeborenen Fehlbildungen, insbesondere der des Neuralrohres, beeinflusst. Eine Vielzahl von Studien aus aller Welt belegen eindeutig, dass die Einnahme von mindestens 0,4 mg Folsäure täglich, beginnend 4 Wochen vor Beginn einer Schwangerschaft bis 8 Wochen nach Eintritt einer Schwangerschaft, das Auftreten von Neuralrohrfehlbildungen bis zu 80% verhindert. Einige Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass durch eine rechtzeitige Folsäureeinnahme das Risiko für Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten (Hasenscharte) reduziert werden kann. Wahrscheinlich müssen hier aber größere Folsäuremengen zugeführt werden. Außerdem scheint auch die Vermeidung bestimmter angeborener Herzfehler durch die Gabe von Folsäure, bzw. von folsäurehaltigen Multivitaminpräparaten möglich zu sein. Auch einige Harmwegsfehlbildungen lassen sich durch vor der Schwangerschaft einsetzende folsäurehaltige Multivitaminpräparate deutlich reduzieren. Und letztlich wird diskutiert, ob auch das Auftreten von Chromosomenstörungen, wie das Down-Syndrom, oder auch das von Leukämien im Kindesalter, durch Folsäureeinnahme in der Schwangerschaft reduziert werden kann. 2.2 Herz-Kreislauferkrankungen und Folsäure Unerlässlich für den Aufbau von Geweben von Mensch und Tier sind die Aminosäuren, die die Bausteine für Eiweiße sind. Einige dieser Aminosäuren entstehen beim Abbau (Stoffwechsel) anderer Aminosäuren. Diese Stoffwechselvorgänge sind kompliziert und müssen koordiniert ineinander greifen, damit ein normales Wachstum von Zellen und Geweben funktionieren kann. Eine dieser Aminosäuren ist das Homocystein, das beim Abbau einer anderen Aminosäure, des Metionins, entsteht. Das Homocystein wird weiter abgebaut, wobei hierzu Folsäure und Vitamin B6 und B12 notwendig sind. Bei Fehl- oder Mangelernährung kann es zu einem Vitamin B6-, Vitamin B12- und einem Folsäuremangel kommen, wodurch Homocystein nicht im notwendigen Umfang abgebaut werden kann und sich mehr als normal im Blut anreichert. Die gleiche Erscheinung tritt bei bestimmten erblich bedingten Störungen des Homocystein- und des Folsäurestoffwechsels auf. Seit etwa 10 Jahren ist bekannt, dass das Homocystein als isolierter Risikofaktor für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen werden kann. Untersuchungen haben ergeben, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Herzinfarkten oder von Schlaganfällen, aber auch von Durchblutungsstörungen an Armen und Beinen durch erhöhte Homocysteinwerte im Blut hervorgerufen werden kann. Während die genauen Ursachen für diese Erscheinungen nicht bekannt sind, weiß man, dass durch Gaben von Folsäure der erhöhte Homocysteinspiegel im Durchschnitt um 25% gesenkt werden kann. Wird neben der Folsäure noch zusätzlich Vitamin B12 und B6 zugeführt, kann dieser Effekt verstärkt werden. Auf Grund der hier kurz geschilderten Studienergebnisse und der Tatsache, dass in Europa die Herz-Kreislauf-Erkrankungen für 40% aller Todesfälle unter 75 Jahren verantwortlich sind, und damit auch in Deutschland als häufigste Todesursachen unter Erwachsenen fungieren, wird die Bedeutung einer ausreichenden Folsäureaufnahme deutlich. 2.3. Folsäure und Demenz In Mitteleuropa und besonders in Deutschland werden die Menschen immer älter. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kinder ab, was zu einer Vergreisung der Bevölkerung im Ganzen führt. Diese demografische Entwicklung rückt den Stellenwert der Alzheimerschen Erkrankung und anderer Demenzzustände mehr und mehr in das Blickfeld ärztlicher Betrachtungen. Es gibt Hinweise, dass Folsäure die Altersdemenz und u. U. auch die Alzheimersche Erkrankung in ihrem Auftreten wenn auch nicht verhindern, aber deren Verläufe günstiger gestalten kann, da wahrscheinlich der erhöhte Homocysteinspiegel bei der Entstehung dieser Erkrankungen eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigen Folatspiegeln und dem Auftreten melancholischer Depressionen festgestellt wurde. Es ist davon auszugehen, dass zumindest die Behandlungserfolge von Depressionen mit entsprechenden Präparaten durch Gabe von Folsäure verbessert werden können. 2.4. Folsäure und Krebs Es wird diskutiert, ob Folsäure auf Grund seiner Bedeutung für die Synthese von DNA vor Krebserkrankungen schützen könnte. Eine Auswertung von 32 Studien zum Thema Folsäure und Krebserkrankungen hat gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen (niedrigem) Folsäuregehalt des Blutes und dem Risiko für Dickdarmkrebs besteht. Inwieweit hier noch der Alkoholkonsum eine Rolle spielt, wird differenziert beurteilt. So soll bei Frauen, die regelmäßig Alkohol zu sich nehmen, Folsäure möglicherweise auch das Risiko einer Brustkrebserkrankung reduzieren. Ein Zusammenhang wird derzeit zwischen Folsäurestatus und dem Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Rauchern untersucht. Die hier dargestellten Ausführungen sollen belegen, dass zum Einen eine ausreichende Folsäureaufnahme durch die Nahrung auf Grund unserer Ernährungsgewohnheiten kaum möglich ist. Auf der anderen Seite sollte gezeigt werden, in welcher Weise Folsäure mit der Gesundheit des Menschen im Zusammenhang steht. Vordergründig ist dabei die Vorbeugung von Fehlbildungen, wozu eine Folsäureeinnahme vor Beginn einer Schwangerschaft notwendig ist, d. h. diese Form der Prophylaxe käme nur für die Frauen in Frage, die eine Schwangerschaftsverhütung mit dem Ziel aufgeben, schwanger zu werden und beim Absetzen z. B. der Anti-Baby-Pille sofort zur Folsäuretablette greifen. Die anderen genannten Studienergebnisse weisen auf die Bedeutung von Folsäure z. B. auch für ältere Menschen hin. Impressum: Ministerium für Gesundheit und Soziales Pressestelle Turmschanzenstraße 25 39114 Magdeburg Tel: (0391) 567-4607 Fax: (0391) 567-4622 Mail: ms-presse@ms.lsa-net.de Impressum:Ministerium für Arbeit, Soziales und IntegrationPressestelleTurmschanzenstraße 2539114 MagdeburgTel: (0391) 567-4608Fax: (0391) 567-4622Mail: ms-presse@ms.sachsen-anhalt.de
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Language: Deutsch
Issued: 2003-10-14
Time ranges: 2003-10-14 - 2003-10-14
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