Description: ||||||||||||||||||||| Berichte 4.3.20 des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft BLINDSCHLEICHE 4/2015: 431 – 442 |||||||||||||| Westliche Blindschleiche – Anguis fragilis (Linnaeus, 1758) Jürgen Buschendorf 1 Artsteckbrief Kennzeichen: Schlangenähnliche Gestalt, ohne Glied maßen, Haut mit hornigen Schuppen bedeckt, Kopf eidechsenartig, bewegliche Augenlider, Schwanz autotomie, Färbung sehr variabel, Oberseite metal lisch glänzend, bleigrau-graubraun, kupfer- oder bronzefarbig, häufig mit dunklen Längsstreifen- oder Punkt-Strichreihen, Unterseite: schwarzgrau bis blau grau, Körperseiten meist heller als Oberseite. Größe: 300 – 450 mm (maximal 540 mm), 2/3 davon Schwanz. Geschlechtsunterschiede/Trachten: ältere ♂♂ häu figer mit blauen Punkten, ♀: Unterseite und Seiten dunkler, Streifen häufiger, Jungtiere: Oberseite silber grau bis gelblich, oft schwarze Linie auf Rückenmitte, Seiten und Unterseite dunkel. Habitate: Feuchtes bis halbfeuchtes Gelände mit deckungsreicher Vegetation, durchsetzt mit vegetati onsfreien oder -armen Sonnenplätzen (Wege, Steine, Baumstubben), lichte Laubwälder, auch Nadelwälder, Hecken und ihre krautigen Randbereiche, auch Tro ckenbiotope, Tagesverstecke: Totholz, Mauern. Aktivität: Dämmerungsliebend, aber auch tagsüber im Freien, Aktivitätsperiode: ab Ende März/Anfang April bis zum Einsetzen der ersten Fröste (Kältestarre ab Anfang/Mitte Oktober). Wanderungen/Reviere: Wechsel in andere Reviere (150 – 200 m) zum Aufsuchen der Geschlechtspartner bzw. neuer Nahrungsquellen. Fortpflanzung/Entwicklung: Paarung Mai/Juni, nach 3 Monaten (Juli/August) Lebendgeburt (die umge bende Eihaut wird kurz nach Geburt durch Schlängel bewegungen abgestreift) von 6 – 15 (3 – 26) 80 – 90 mm langen Jungtieren. Kaum Gewichts- und Längen zunahme im ersten Herbst (bis 100 mm Länge), im Jahr danach aber Verdoppelung der Länge. Nahrung: Nacktschnecken (90 %) und Regenwürmer, auch Schmetterlingsraupen, Laufkäfer, Heuschrecken, Asseln, Spinnen. Alter: In Gefangenschaft durchschnittlich bis 30 Jahre (maximal 46 Jahre), im Freiland bis 30 Jahre möglich. Abb. 1: Blindschleichen (Foto: M. Seyring); Detail der Kör- peroberfläche einer Blindschleiche mit blauem Schuppen-Fär- bungsmuster (Foto: A. Westermann) (Montage). 431 BLINDSCHLEICHE 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Neuere genetische Analysen zeigen, dass es sich bei der Blindschleiche um einen Artkomplex aus vier ver schiedenen Arten handelt. Von diesen ist die Westliche Blindschleiche (Anguis fragilis fragilis) über weite Teile West- und Zentraleuropas verbreitet. Nur sie kommt in Deutschland vor. Im Norden Europas reichen ihre Vorkommen bis in die nordschwedische Provinz Väs terbotten, im Osten bis in die Tschechische Republik und die Südwest-Slowakei. Südlich gehören der nord westliche Balkan und Italien zum Verbreitungsgebiet. Im Westen Europas sind nur Irland und ein großer Teil im Süden der Iberischen Halbinsel nicht von der Art besiedelt. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland Die Art ist über ganz Deutschland verbreitet. Da infolge der versteckten Lebensweise der Art deren Erfassung schwierig ist, sind wohl eine Reihe von Verbreitungs lücken darauf zurückzuführen. Auf den Ostfriesischen Inseln wurde die Art bisher nur auf Wangerooge und auf den Nordfriesischen Inseln nur auf Sylt beobach tet. Auf Fehmarn wurde sie bisher nicht nachgewie sen. Das trifft auch zu auf größere Teile der Ems-Hun te-Geest, der Ostfriesisch-Oldenburgischen Geest, Ems-Weser-Geest, Stader Geest, Teile der Schles wig-Holsteinischen Marschen, den Osten der Westfäli schen Bucht, Östliches Harzvorland und Börden sowie das Nördliche Harzvorland. In einigen von der Art ansonsten dicht besiedelten Landschaften existieren Regionen, wo sie bisher noch nicht nachgewiesen wurde: Nordbrandenburgisches Platten- und Hügelland, Osten der Mecklenburgischen Seenplatte, Thüringer Becken und Nördliches Ober rheintiefland. Viele, teilweise sehr große Verbreitungs lücken weisen die Südwestdeutschen Mittelgebirge (Südwestdeutsches Stufenland) sowie das Nördliche und Südliche Alpenvorland auf. 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Das lückige Vorkommen der Art an der sachsen-anhal tischen Grenze zu Brandenburg setzt sich auch dort fort. Während allerdings im Südosten Sachsen-An halts viele MTB besetzt sind (Südlicher Fläming, Elbe-Mulde-Tiefland), gibt es in Brandenburg viele Lücken. Die starken Vorkommen im sachsen-anhalti schen Teil der Dübener Heide setzen sich auf säch sischem Gebiet (Düben-Dahlener Heide) fort. In den dann nach Südwesten verlaufenden Grenzbereichen sind in beiden Bundesländern geringe oder gar keine Vorkommen beobachtet worden (Sachsen-Anhalt: Osten des Halleschen Ackerlandes, der Lützen-Ho henmölsener Platte und der Tagebauregion Zeitz-Wei senfels-Hohenmölsen; Sachsen: vor allem im Norden des Leipziger Landes). Die sehr lückenhafte Verbrei tung der Art in den an Niedersachsen angrenzenden sachsen-anhaltischen Regionen (Norden der Westli chen Altmarkplatten, Drömling, Ohre-Aller-Hügelland) setzt sich auch in Niedersachsen fort. Ausnahme: Die Konzentration von Fundpunkten im Westen der West lichen Altmarkplaltten und im Norden der Altmarkhei den auf sachsen-anhaltischer Seite findet auf nieder sächsischem Gebiet keine Fortsetzung. Lediglich im Harz ist beiderseits der Landesgrenzen eine dichtere Besiedlung erkennbar. Während in den Grenzgebie ten zu Thüringen in Sachsen-Anhalt zahlreiche Fund punkte der Art bis zum Jahre 2000 vorliegen und nur wenige aus der Zeit danach, sind hier auf Thüringer Gebiet die meisten MTBQ besetzt. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen In Sachsen-Anhalt liegen zur Blindschleiche 1.345 Datensätze (von 9.273 Datensätzen zu Reptilien) vor. Diese bilden die Grundlage für die Errechnung der aktuellen Präsenz der Art und eine Reihe anderer Aus sagen über die Art. Den 1.345 Datensätzen der Blind schleiche konnten 1.025 Fundorte (von insgesamt 5.676 Reptilienfundorten) zugeordnet werden. Historische Verbreitung In der älteren Literatur sind nur wenige Angaben über das Vorkommen der Art auf dem heutigen Territorium Sachsen-Anhalts zu finden, und wenn, dann oft ohne genaue Angaben zu Fundort und -datum. Nur wenige Publikationen weisen auf ein systematisches Vorge hen zur Arterfassung in bestimmten Bereichen hin. Man kann den Veröffentlichungen der vergangenen Jahrhunderte aber entnehmen, dass die Art weit ver breitet und zahlreich war. Aus dem 18. Jahrhundert liegt eine Veröffentlichung von Stübner (1790) vor. Er meint zur Blindschleiche im Gebiet von Blankenburg und Walkenried: „Die Blindschleichen sind etwas über Tab. 1: Datengrundlagen zur Blindschleiche in Sachsen-Anhalt. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) der Blindschleiche in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 432 BLINDSCHLEICHE Abb. 2: Blindschleiche mit regeneriertem Schwanz nach Autotomie (Foto: A. Westermann). 1 Fuß lang, halten sich in Gärten häufig auf, sind aber ganz unschädlich …“ Im Schrifttum aus dem 19. Jahrhundert sind schon mehr Informationen über die Bindschleiche nachzu lesen. So berichtet Zimmermann (1834): „Am Ober harze in Mengen unter Steinen.“ Rimrod (1856a) stellte fest, dass die Blindschleiche „In hiesiger Gegend nicht selten ist“ (Grafschaft Mans feld und Oberherzogtum Anhalt-Bernburg) und „am Oberharze häufig“ (Rimrod 1856b). Geitel (1881) fand Exemplare der Art in der Umgebung von Blan kenburg sehr häufig und Köhnke (1893) hat sie in der Umgebung von Salzwedel sicher beobachtet. Wol terstorff (1888) schreibt: „Die Art ist im Gebiete überall zu finden, wo trockene Laub -und Nadelwäl der vorhanden sind.“ Die von ihm genannten Fundorte Dölauer Heide, Hakel, Quenstedt, am ganzen Harz, Regenstein, Ballenstedt, Wernigerode stammen alle von Gewährsleuten oder sind der Literatur entnom men. Er selbst fand die Art bei Neuhaldensleben und Osterburg. Wolterstorff (1893a) selbst beobachtete die Art bei Thale (Georgshöhe), Wolferode, Wasserleben an der Ilse, im Kaltetal (Straße von Friedrichsbrunn nach Suderode), Steinbachstal, Wurmtal sowie Steinholz bei Quedlinburg. Weiterhin nennt er ihm von Gewährs leuten mitgeteilte Fundorte, so Quenstedt, Meiseberg bei Ballenstedt, Müncheberg, Blankenburg, Wernige rode, Regenstein, Nordhausen und südliche Vorberge des Harzes. Dürigen (1897) stellt fest: „… sie ist ebensowohl in unseren Mittelgebirgen und hügeligen Landschaf ten, wie … im norddeutschen Flachlande zu Hause und zwar … fast aller Orten „häufig“, „recht häufig“, „gemein“, „zahlreich ...“ (S. 225) und schreibt weiter: „Im Harz dürfte sie nach brieflichen Mitteilungen des Herrn Dr. Elster Blankenburg, nur auf den höchsten Plateaus fehlen.“ (S. 227). Abb. 3: Züngelnde Blindschleiche (Foto: A. Westermann). 433
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Language: Deutsch
Issued: 2016-01-17
Modified: 2016-01-17
Time ranges: 2016-01-17 - 2016-01-17
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