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Description: Kriebelmücken (Diptera: Simuliidae) Bestandsentwicklung. Stand: Juni 2014 Doreen Walther Einführung Kriebelmücken (Diptera, Simuliidae) zeigen eine welt- weite Verbreitung. Ihre Entwicklungsstadien sind auch in den verschiedensten Fließgewässern Sachsen-Anhalts zahlreich vertreten. Bisher sind weltweit 2.154 Simulii- den-Arten (2.142 rezente und zwölf fossile) beschrieben worden (Adler & Crosskey 2013). Nach Zwick & Wer- ner (1999), Hackbarth (2004), Seitz & Forster (2004) und Seitz & Adler (2008) sind für die Bundes- republik Deutschland 51 morphologisch zu trennende Simuliiden-Arten nachgewiesen. Nach flächendecken- der Bearbeitung vernachlässigter Regionen sind jedoch ungefähr 50–60 morphologisch unterscheidbare Spezies zu erwarten. Für Sachsen-Anhalt liegt die Anzahl der bisher nachgewiesenen Arten bei 27 (Werner & Adler 2004, Lehmann 2010). Die Larven leben als Filtrierer und stellen in den Frühjahrsmonaten oft einen überwiegenden Anteil der benthischen Biomasse. Gegen den unbestrittenen Wert der Präimaginalstadien in den Bruthabitaten in der Nah- rungskette muss der Schaden der adulten Mücken gegen- über dem Menschen und anderen Vertebraten gestellt werden. Simuliiden können Wirbeltieren auf verschie- denen Wegen Schaden zufügen. Die Weibchen vieler Ar- ten dieser Mückenfamilie werden allein durch ihr Blut- aufnahmeverhalten in vielen Regionen aller Kontinente als Plageerreger eingestuft. Unter bestimmten Umweltbe- dingungen kommt es bei manchen Arten zu Massenent- wicklungen, besonders entlang von Flachlandflüssen. Die blutsaugenden Weibchen fliegen dann die potenziellen Blutwirte in großer Zahl an und verursachen Plage- und Weibchen der Kriebelmücke Simulium nigrum beim Saugakt. Reitwein, Mai 2007, Foto: D. Walther. 1048 Lästlingssituationen, wobei die Krankheitsbilder der Si- muliotoxikose an Weidetieren und der Simuliose am Men- schen entstehen können. Veränderungen des Ökosystems, wie Umstrukturierungen der Flusslandschaft, Änderun- gen in der Wasserqualität oder im Landschaftsmanage- ment, können direkt oder indirekt die Entwicklungsbe- dingungen für Simuliiden positiv oder negativ beein- flussen (Werner 2003, 2006). Trotz intensiver Untersuchungen im Nationalpark Harz (Werner & Adler 2004), bei denen zahlreiche Nachwei- se für das ansonsten durch Tiefland geprägte Bundes- land Sachsen-Anhalt gelangen, darf in den Hochlagen mit weiteren faunistischen Besonderheiten gerechnet werden, da die Untersuchung der Quellen nicht inten- siv durchgeführt wurde und quellbewohnende Arten möglicherweise bisher nicht erfasst wurden. Der Land- schaftsraum Harz besitzt jedoch für die Kriebelmücken- Fauna von Sachsen-Anhalt eine überragende Bedeu- tung, da mehr als die Hälfte der bekannten Arten aus- schließlich dort vorkommt. Eine klare Abgrenzung der Mittelgebirgsregion zu den untersuchten Regionen des restlichen Bundeslandes (Alt- mark, Letzlinger Heide, Mosigkauer Heide, Annaburger Heide, Elbe-Havel-Niederung, Fläming, Dübener Heide, Tieflandsbucht um Halle, Drömling, Ohre und Helme Tiefland, Magdeburger Platte, Köthener und Querfurter Region) spiegelt sich auch im Artenspektrum der Simu- liidenfauna wider. Die hier auftretenden Arten sind defi- nierte Tieflandarten, die die Belastung der Brutgewässer mit organischen Substanzen mehr oder weniger tolerie- ren und u. U. zur Massenentwicklung und verstärktem Anflug an Mensch und Tier neigen können. Die hierfür in Frage kommenden Arten sind: Simulium erythroce- phalum, Simulium ornatum, Simulium reptans, Simulium equinum und Simulium lineatum. In Tabelle 62.1 sind die bisher bekannten Schadgebiete in Sachsen-Anhalt unter Angabe der meldenden Autoren gelistet. Detaillierte An- gaben zu Nachweisen, Krankheitsbildern und Ökologie der Simuliiden sind bei Werner (2006) angegeben. Für die Beurteilung der Bestandsentwicklung der Ar- ten sind flächendeckende Erhebungen notwendig, die die Populationsstärken der Mücken in Zusammenhang mit der Wasserqualität der entsprechenden Brutgewäs- ser betrachten. Die von Werner & Adler (2004) pu- blizierte Studie kann als Basiswerk betrachtet werden. Frühere Meldungen berücksichtigen ausschließlich punktuelle Vorkommen von Schadarten und können nur als Vergleichsgrundlage der entsprechenden Region verwendet werden. Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Tab. 62.1: Regionen in Sachsen-Anhalt, in denen Kriebelmücken als Plageerreger oder Lästlinge registriert wurden. (* schwache bis starke Belästigung, Sortierung der Gewässer alphabetisch) *** Fließgewässer- Schäden an Belästigung Autoren system Weidetieren Mensch Aland Aller Biese Bode Cositte Dumme Elbe * * bis *** ** * *** * bis ** Elster* bis ** Flötgraben Jeetze Luppe Milde Mulde Ohre Saale* * bis ** * * * * ** bis *** Uchte Zehrengraben** * * * * * * * * * Werner & Adler (2004) Werner & Adler (2004), Wilhelmi (1920) Gräfner & Betke (1982) Werner & Adler (2004) Werner & Adler (2004) Werner & Adler (2004) Werner & Adler (2004), Werner (unveröff.), Wilhelmi & Saling (1928), Franke & Raebiger (1919a, b), Wilhelmi (1920) Werner (unveröff.), Raebiger et al. (1917), Franke & Raebiger (1919b), Richter et al. (1920), Wilhelmi (1920), Stedefeder (1920), Öffentliches Veterinärwesen (1921) Werner & Adler (2004) Gräfner & Betke (1982), Werner (unveröff.) Raebiger et al. (1917), Richter et al. (1920) Werner & Adler (2004), Wilhelmi (1920), Gräfner & Betke (1982) Werner (unveröff.) Werner & Adler (2004) Werner & Adler (2004) Raebiger et al. (1917), Borchert (1919), Öffentliches Veterinärwesen (1921) Werner & Adler (2004), Gräfner & Betke (1982) Werner & Adler (2004) Gefährdungsursachen, Schutzmaßnahmen Die Ansprüche der Kriebelmücken sind vielfältig. Die Präimaginalstadien einzelner Simuliiden-Arten besie- deln als typische Bewohner stark strömende Bergbäche mit klarem, kaltem Wasser und steinig-kiesigem Grund. Gefährdungspotenzial liegt im Bergland vor allem in der möglichen Zerstörung von Quellen und Quellabflüssen einerseits durch mögliche Begradigungsmaßnahmen im Rahmen von Aufforstungsprogrammen in den ent- sprechenden Gewässerabschnitten oder in der Stau- ung von Fließgewässerabschnitten zur Be- oder Ent- wässerung bach- oder flussnaher Abschnitte. Im Tiefland bedingt insbesondere der Eintrag von organischen Substanzen aufgrund der Nutzung der Gewässer als Viehtränken, Einleitungen aus Fischauf- zuchtanlagen oder der touristischen Gewässernutzung eine Veränderung der Wasserqualität und damit eine Veränderung der Besiedlungsbedingungen für Was- serorganismen. In diesen Gebieten können sich einige Kriebelmücken-Arten oft konkurrenzlos entwickeln. Keine der Kriebelmücken-Arten ist besonders gesetz- lich geschützt. Anmerkungen zu ausgewählten Arten/Artengesellsch. 1) Prosimulium (Prosimulium) hirtipes ist in Europa weit verbreitet und gehört in Sachsen-Anhalt zu den Arten, die aufgrund der topografischen Bedingungen auf die Harz-Region beschränkt sind. Die Art zeigt ein univoltines Auftreten und besiedelt kleinere steinige Bäche, z. B. Zillierbach, bis hin zu Flüssen mit mittlerer Abflussgeschwindigkeit, wie z. B. die Bode. 2) Prosimulium (Prosimulium) rufipes ist eine flussbe- wohnende Simuliiden-Art, die auch aus dem West- harz gemeldet wurde (Wirtz et al. 1990) und zusam- men mit Prosimulium hirtipes und Simulium argyrea- tum vorkommen kann. Aufgrund des Rückgangs der natürlichen Bruthabitate ist nicht von einer positiven Bestandsentwicklung dieser drei Arten auszugehen. 3) Prosimulium (Prosimulium) tomosvaryi ist die sel- tenste Prosimulium-Art des Harzes und konnte nur in isolierten Regionen kleiner schmaler Bäche wie z. B. der Steinernen Renne mit Übergängen von seichter zu turbulenter Strömung nachgewiesen werden. Es scheint, dass die Populationen isoliert sind. Aufgrund von Verschlammung und Übersandung wegen des Verlustes von Ufergehölzen können gerade diese spe- ziellen Habitate verschwinden, was ggf. zum Ausster- ben der Art in Sachsen-Anhalt führen kann. 4) Simulium (Obuchovia) auricoma wurde bereits von Friederichs (1920, 1922) aus der Bode bei Thale als häufige Art gemeldet. In den Aufsammlungen von Werner & Adler (2004) konnte diese Art nicht mehr als Bewohner dieses Gewässers bestätigt werden. Sie fanden isolierte Nachweise nur im klaren Abschnitt der Kalten Bode, die in diesem Bereich eher an einen Hochgebirgsbach erinnert. Möglicherweise besiedelt 1049 die Art die Bode bei Thale nicht mehr, da hier in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Baumaßnahmen eine Veränderung des Flussbettes bedingten. 5) Zusammen mit Simulium (Simulium) ornatum, Si- mulium (Simulium) reptans, Simulium (Wilhelmia) equinum und Simulium (Wilhelmia) lineatum wird Simulium (Simulium) erythrocephalum als euryöke Art eingestuft. In Sachsen-Anhalt sind zahlreiche Ge- wässer des Flachlandes bekannt, die von diesen mul- tivoltinen Arten besiedelt werden. Die Einleitung von organischen Substanzen, Gewässerbegradigungen, jegliche Veränderungen der Gewässerstruktur, die Verschlechterung der Wasserqualität durch bauliche Eingriffe sowie Entkrautung verändern die gesamte Fauna. Hieraus können die Simuliiden den größten Entwicklungsvorteil ziehen, was meist zu konkur- renzloser Massenentwicklung führt. 6) Simulium (Eusimulium) angustipes ist der einzige Ver- treter der Aureum-Gruppe, der in Sachsen-Anhalt bis- her nachgewiesen werden konnte. Zahlreiche Untersu- chungen aus verschiedenen Brutgewässern geben kei- nen Hinweis auf das Vorkommen von Simulium (Eu- simulium) aureum oder Simulium (Eusimulium) veluti- num in Sachsen-Anhalt. Die Art wurde nie in starker Anzahl angetroffen, sodass nicht von einer starken Bestandsentwicklung ausgegangen werden kann. 7) Simulium (Nevermannia) costatum kommt in kalten, stenothermen Bächen zur Entfaltung, unabhängig da- von, ob im Gebirge oder im Tiefland. Zusammen mit Simulium (Nevermannia) crenobium konnte sie im Harz in der Warmen Bode erfasst werden. 8) Simulium (Nevermannia) cryophilum, Simulium (Si- mulium) monticola, Simulium (Simulium) trifasciatum und Simulium (Simulium) argyreatum sind auf den Hochharz begrenzt. Sie kommen u. a. in der Wormke und der Kalten Bode bei Schierke vor. Die hohen An- sprüche dieser Arten an die potenziellen Brutgewäs- ser lassen keine Ausbreitung dieser Populationen erwarten. 9) Simulium (Nevermannia) lundstromi ist eine Flach- landart, die in der Lage ist, umfangreiche Populationen in Sachsen-Anhalt in stark verkrauteten, im Sommer trockenfallenden Bächen und auch in seichten flie- ßenden Gewässern aufzubauen. In Abhängigkeit des Brutgewässers kann die Art eine oder zwei Genera- tionen hervorbringen. In den letzten Jahren konnte jedoch das Verschwinden der Art aus einigen Gewäs- sern in der Altmark beobachtet werden (Werner, unveröffentlichte Daten). Zurückzuführen ist dies auf eine enorme Verminderung der Fließgeschwin- digkeit als unmittelbare Folge der Verkrautung. 10) Der Nachweis von Simulium (Simulium) colom- baschense von Werner & Adler (2004) wird hier in Frage gestellt. Die gezielte Suche nach Präimaginalsta- dien in der Kalten Bode bei Schierke in den letzten 1050 Jahren blieb erfolglos, sodass die Meldung über das Vorkommen dieser Art in Sachsen-Anhalt nicht abge- sichert werden konnte. Die nordwestlichste Verbrei- tungsgrenze der Art liegt zwischen Österreich und Deutschland in Höhe des Inn. Vereinzelte Nachweise außerhalb des Verbreitungsgebietes stammen aus der Donau bei Wien und aus Kärnten (Car 1988, Zwick 1976, Seitz 1992). 11) Simulium (Simulium) variegatum wurde bereits vor ca. 100 Jahren von Friederichs (1920, 1922) als Cha- rakterart der Bode in Thale beschrieben. Leider liegen von Friederichs keine weiteren Fundortmeldungen aus der Region vor, sodass ein Vergleich mit den aktu- ellen Meldungen bzw. eine Aussage über die Ausbrei- tung der Art nicht erfolgen kann. Jedoch beschreibt Friederichs die Populationsstärke als „spärlich“, was in den Untersuchungen von Werner & Adler (2004) nicht bestätigt werden konnte. Die Art bringt seit Jahren im o. g. Abschnitt der Bode sehr umfangreiche Populationen hervor. Es ist davon auszugehen, dass sich die Art dort sehr gut etabliert hat. 12) Simulium (Schoenbaueria) nigrum wurde nach 70 Jahren erstmals wieder in Mitteleuropa in Branden- burg in der Oder nachgewiesen (Werner 2003). An- gesichts der gewässermorphologischen Ähnlichkeit zwischen Elbe und Oder sowie der verbesserten Was- serqualität der Elbe wurde 2010 gezielt nach dieser Art gesucht und präimaginale Stadien an verschie- denen Fundorten zwischen Tespe und Havelberg nachgewiesen. Aufgrund des Ausbreitungspotenzials dieser Art muss mit einer Ausdehnung des Verbrei- tungsgebietes gerechnet werden. 13) Simulium (Nevermannia) brevidens konnte für den Westharz von Wirtz et al. (1990) nachgewiesen wer- den. Es muss mit dem Vorkommen der Art im Ost- harz gerechnet werden, auch wenn bisher noch keine Nachweise vorliegen. Danksagung Herzlichen Dank an Herrn Dr. P. Sacher (National- park Hochharz, Wernigerode) für die unermüdliche Unterstützung bei der Probennahme im Schutzgebiet in den Jahren 2001, 2002 und 2003 sowie Herrn Dr. D. Frank (Halle) für die kritischen Anmerkungen zum Manuskript. Literatur Adler, P. H. & Crosskey, R. W. (2013): World black- flies (Diptera: Simuliidae): A comprehensive revi- sion of the taxonomic and geographical inventory [2013]: http://www.clemson.edu/cafls/biomia/pdfs/ blackflyinventory.pdf Borchert, A. (1919): Zum Auftreten der Kriebelmü-

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Origins: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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