Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Flechtengesellschaften des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Peter SCHOLZ (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Überwiegend oder ausschließlich von Flechten dominierte Pflanzengesellschaften kommen in Sachsen-Anhalt sowohl auf Böden und Gesteinen wie auf Rinden lebender Gehölze und auf Totholz vor. Dass auffällige, artenreiche Flechtengesell- schaften an entsprechenden Standorten dennoch ziemlich selten sind, liegt vor allem am langsa- men Wachstum der allermeisten Flechten. Abge- sehen von sogenannten Pioniergesellschaften benötigen Flechtengesellschaften für ihre Entwick- lung mehrere Jahre oder Jahrzehnte ökologische Kontinuität mit ausreichend Lichtgenuss und zumindest zeitweiliger Befeuchtung. Im Falle von Gesteinsoberflächen werden zur Ausbildung ar- tenreicher Gesellschaften sogar oft Jahrhunderte benötigt. Auf Grund der genannten ökologischen Ansprüche können Flechtengesellschaften mit Phanerogamengesellschaften nicht und mit Moos- gesellschaften nur bedingt konkurrieren. Böden können deshalb nur dort von Flechtengesellschaf- ten besiedelt werden, wo es für geschlossene Phanerogamengesellschaften zu trocken oder zu nährstoffarm ist. Feuchtere Standorte in Vegeta- tionslücken, sowie auf Gestein und Rinde bezie- hungsweise Holz werden rascher von Moosgesell- schaften eingenommen, nur an trockeneren Standorten dominieren im allgemeinen Flechten- gesellschaften. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die submers oder in der Spritzwasserzo- ne an Blöcken in Bachläufen vorkommenden Süß- wasser-Flechtengesellschaften. Als Ersatzstand- orte für Flechtengesellschaften auf Gestein kön- nen aber auch vom Menschen geschaffene Ge- steinsoberflächen dienen, wenn ausreichend Zeit zur Entwicklung zur Verfügung steht. Besonders wichtig sind hierfür neben Steinbrüchen alte Na- tursteinmauern aber auch Denkmäler und selbst alte Grabmale. Datengrundlagen Erstmalig wird eine Rote Liste gefährdeter Flech- tengesellschaften des Bundeslandes vorgelegt. Grundlage hierfür war neben der Auswertung der vorhandenen Literatur eine vom Autor im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (Bonn) im Jahr 2000 erarbeitete Datenbank der Flechtengesell- schaften Deutschlands. Spezielle Veröffentlichungen über Flechtengesell- schaften in Sachsen-Anhalt sind nur sehr spär- lich vorhanden. SCHOLZ (1992) gibt einen ersten Überblick über die Flechtengesellschaften des Harzes. Andere Arbeiten befassen sich mit spe- ziellen Habitaten (SCHUBERT & KLEMENT 1961) oder einzelnen Naturschutzgebieten (NÖRR 1968, STÖ- #" CKER 1962a, 1962b), wobei im letzteren Fall nur einzelne Flechtengesellschaften im Rahmen ve- getationskundlicher Untersuchungen behandelt oder erwähnt werden. Die stärkste Beachtung fan- den in der Literatur die Flechtengesellschaften kalk- bis basenreicher Böden, die oft unter der deutschen Bezeichnung Bunte Erdflechtengesell- schaft zusammengefasst werden und sicher zu den wenigen allgemeiner bekannten Flechtenge- sellschaften zählen. Mit diesen befassten sich im Untersuchungsgebiet nach KNAPP (1944), REIMERS (1950) und GEIER (1961) auch MARSTALLER (1971) und SCHUBERT et al. (1975). Sie können damit als die einzigen ausreichend bekannten und gut be- arbeiteten Flechtengesellschaften Sachsen-An- halts gewertet werden. Für einen Teil der aufge- nommenen Assoziationen liegen nur Hinweise auf das Vorkommen charakteristischer Arten in der floristischen Literatur vor (ZSCHACKE 1909, 1911). Solche Assoziationen wurden aufgenommen wenn aus der allgemeinen Kenntnis über die Ver- breitung der Gesellschaften mit großer Sicherheit ein derzeitiges oder ehemaliges Vorkommen in Sachsen-Anhalt angenommen werden kann. Hierzu dienten vor allem die Bearbeitungen der Nachbargebiete Niedersachsen (DREHWALD 1993) und Thüringen (SCHOLZ 2001), sowie die allgemei- nen Bearbeitungen der Silikatflechtengesellschaf- ten Mitteleuropas (WIRTH 1972) und der epiphyti- schen Flechtengesellschaften Westeuropas (BARKMAN 1958). Da es insbesondere für Flech- tengesellschaften der Silikatfelsen kaum ältere Angaben mit Aussagen zur Häufigkeit der Vorkom- men gibt, konnte hier meist nur eine Einordnung in die Kategorie G vorgenommen werden. Es muss ausserdem darauf hingewiesen werden, dass für eine Reihe weiterer heute verschwunde- ner, vermutlich aber ehemals im Lande vorhan- dener Flechtengesellschaften auswertbare ältere Angaben ganz fehlen. Solche Assoziationen wur- den nicht in die Listen aufgenommen. Bemerkungen zu ausgewählten Gesellschaf- ten; Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Unter den gefährdeten Flechtengesellschaften Sachsen-Anhalts verdienen neben den bereits erwähnten Flechtengesellschaften kalk- bis ba- senreicher Böden einige weitere Assoziationen besondere Beachtung. An erster Stelle ist hier das Lecidetum inopis zu nennen, das in Deutschland vermutlich nur in Sachsen-Anhalt vorkommt. Es handelt sich dabei um eine aus relativ unauffälli- gen Krustenflechten aufgebaute Gesellschaft, die mit der aspektbestimmenden Art (Lecidea inops) Taxa Anzahl (absolut) Anteil an der Gesamtzahl (%) Taxa Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 5 6,5 Gefährdungskategorie R 1 2 4 4 10 5,2 5,2 Kategorien G D V 11 1 - 14,3 1,3 - 13,0 3 11Rote Liste 34 14,344,2 Sonstige Gesamt 12 Gesamt 77 Gesamt 77 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Flechtengesell- schaften Sachsen-Anhalts. Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. 15,6 an das Vorkommen von Kupferverbindungen im besiedelten Gestein gebunden ist. Im Gebiet kommt die Gesellschaft auf den Kupferschiefer- halden des Mansfelder Landes vor. Reich besie- delt sind besonders ebene Flächen der großen Halden aus dem 19. Jahrhundert. Hier wäre die Gesellschaft an sich ungefährdet, wenn es nicht zur Zerstörung der Halden durch Schottergewin- nung käme und nicht Mineralien- und Fossiliensu- cher trotz aller Verbote die Halden durchwühlen würden. Bei letzterem wird die interessante Flech- tengesellschaft der Halden auch durch das Bege- hen von Schrägflächen zerstört, wenn die seit Jahr- zehnten unverändert zuoberst liegenden Schiefer- platten verschoben und umgedreht werden. Eine weitere Besonderheit unter den Flechtenge- sellschaften des Landes ist das Dimelaenetum orei- nae, das nur an zwei Stellen an den kreidezeitli- chen Sandsteinfelsen des nördlichen Harzvorlan- des vorkommt. Die nächsten Vorkommen der Ge- sellschaft und der namengebenden Art (Dimelae- na oreina) befinden sich im Schwarzwald, den Alpen und in Böhmen. Die Gesellschaft wurde des- halb als wegen Seltenheit gefährdet eingestuft. Vom Aussterben bedroht ist in Sachsen-Anhalt das Acarosporetum sinopicae. Es handelt sich um eine Krustenflechtengesellschaft, die im Gebiet nur auf mittelalterlichen, schwermetallhaltigen Erzschla- ckenhalden vorkommt. Diese stammen von der Eisenerzverhüttung und waren einst vielfach vor- handen (BODE 1928). Sie wurden jedoch teilweise überbaut oder wuchsen langsam zu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der größte Teil von ihnen wegen des noch vorhandenen Metallgehalts erneut verhüttet. Zur Zeit existieren nur zwei Vorkommen des Acarosporetum sinopicae in Sachsen-Anhalt. Das größere davon liegt im Nationalpark Hochharz und kann dort hoffentlich durch geeignete Pflege- maßnahmen (Entbuschung, Aufreißen vergraster Haldenteile) erhalten werden. Vorkommen der Gesellschaft an natürlichen Gesteinen sind aus Sachsen-Anhalt nicht bekannt. Alle Rindenflechten-Gesellschaften regenge- schützter Standorte sind mehr oder weniger stark gefährdet, da sie nur an bestimmten alten Bäu- men in geeigneter luftfeuchter Lage vorkommen. Solche Bäume sind in Forsten praktisch fast nicht vorhanden. Als Ursachen der Gefährdung von Flechtengesell- schaften könnte man weiterhin alle in der Einlei- tung zur Roten Liste der Flechten genannten Ur- sachen wiederholen. Von den 77 im Land Sach- sen-Anhalt vorkommenden Flechtengesellschaf- ten sind 34 (ca. 44 %) gefährdet. Die Benennung der Flechtengesellschaften folgt WIRTH (1995). Innerhalb der Klasse sind die Ge- sellschaften nach der Gefährdung geordnet. Deut- sche Namen für Flechtengesellschaften gibt es nicht. Gesellschaft Silikatflechtengesellschaften regengeschützter Standorte Enterographetum zonatae (DEGEL. 1939) WIRTH 1972 Chrysotrichetum chlorinae SCHADE 1934 ex WIRTH 1972 Silikatflechtengesellschaften beregneter Standorte Dimelaenetum oreinae HIL. 1925 Lecanoretum argopholidis (CERN. 1940) WIRTH 1980 Pertusario-Ophioparmetum WIRTH 1972 ex WIRTH 1980 Acarosporetum sinopicae HIL. 1924 Lasallietum pustulatae HIL. 1925 Lecidetum inopis ass. prov. Ramalinietum capitatae FREY 1923 Umbilicarietum cylindricae FREY 1922 ex KLEM. 1955 Umbilicarietum deustae HIL. 1925 Lecideetum lithophilae WIRTH 1969 Parmelietum omphalodis DU RIETZ 1921 Kat. G G R R R 1 3 3 3 3 3 G G ## Gesellschaft Pertusarietum corallinae FREY 1922 Parmelietum somloensis KLEM. 1955Kat. G D Süßwasser-Flechtengesellschaften auf Silikat Porpidietum hydrophilae ULLRICH 1992 Porpidietum glaucophaea WIRTH 1969 Verrucarietum funckii ULLRICH & WIRTH 1972 Verrucarietum hydrelae ass. prov. WIRTH 19952 G G G Subneutrophytische Silikatflechtengesellschaften Caloplacetum obliterantis WIRTH 1972R Kalkflechtengesellschaften nährstoffreicher Standorte Caloplacetum cirrochroae POELT ex BREUER 1971 Xanthorietum aureolae BESCHEL ex KLEM. 1953G G Flechtengesellschaften sickerfeuchter Kalkfelsen Toninietum candidae KAISER 1926G Rindenflechten-Gesellschaften regengeschützter Standorte Chaenothecetum furfuraceae KALB 1969 Calicietum glaucelli KALB. 1966 corr. WIRTH Calicietum viridis HIL. 1925 Chrysotrichetum candelaris MATTICK 1937 ex BARKM. 1958 Chaenothecetum ferrugineae BARKM. 19580 2 2 2 3 Vorzugsweise Holz bewohnende Flechtengesellschaften Lecanoretum symmictae KLEM. 19532 Blatt- und strauchflechtenreiche Gesellschaften saurer Borken Bryorio fuscescenti-Usneetum filipendulae HIL. 1925 Cetrarietum sepincolae OCHSNER ex KLEM. 1955 Pseudevernietum furfuraceae HIL. 19251 1 3 Moos-Flechten-Gesellschaften schwach saurer bis basenreicher Borken Lobarietum pulmonariae HIL. 1925 Nephrometum laevigati BARKM. 19580 0 Pioniergesellschaften neutraler bis schwach saurer, glatter Borken Lecanoretum subfuscae HIL. 1925 Pyrenuletum nitidae HIL. 1925 Pertusarietum amarae HIL. 1925 em. BARKMAN 19582 2 3 Flechtengesellschaften neutraler bis basenreicher Borken Parmelietum caperatae FELF. 1941 Ramalinietum fastigiatae DUVIGN. 1942 Parmelietum acetabuli OCHSNER 19280 0 3 Moos-Flechten-Gesellschaften des morschen Holzes Cladonietum cenoteae FREY 1927 ex FREY 19591 Flechtengesellschaften kalk- bis basenreicher Böden Endocarpetum pusilli GALLÉ 1964 Toninio-Psoretum decipientis STODIECK 1937 Cladonietum symphycarpae DOPPELB. in KLEM. 19552 2 3 #$
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
Tags: Mansfeld ? Geier ? Bonn ? Schwarzwald ? Rodung ? Niedersachsen ? Sachsen-Anhalt ? Thüringen ? Gehölz ? Huhn ? Silikat ? Kupfer ? Pioniergesellschaft ? Baum ? Flechte ? Totholz ? Pflanzengesellschaft ? Rind ? Hochharz ? Steinbruch ? Habitat ? Mitteleuropa ? Westeuropa ? Bode ? Rote Liste gefährdeter Arten ? Ausbildung ? Literaturauswertung ? Alpen ? Literaturdatenbank ? Nationalpark ? Naturschutzgebiet ? Forst ? Denkmal ? Gestein ?
License: all-rights-reserved
Language: Deutsch
Issued: 2005-06-15
Modified: 2005-06-15
Time ranges: 2005-06-15 - 2005-06-15
Accessed 1 times.