Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Farn- und Blütenpflan- zengesellschaften des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Rudolf SCHUBERT unter Mitarbeit von Dieter FRANK, Hagen HERDAM, Werner HILBIG, Horst JAGE, Gunter KARSTE, Hans-Ulrich KISON, Ste- fan KLOTZ, Jens PETERSON, Lutz REICHHOFF, Gerhard STÖCKER, Hugo WEINITSCHKE, Uwe WEGENER und Werner WESTHUS (2. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung In der Natur leben die Organismen nicht von- einander isoliert, sondern vergesellschaftet in Le- bensgemeinschaften. Die Formen des Zusammen- lebens sind äußerst mannigfaltig. Sie beeinflussen gemeinsam mit den abiotischen Umweltfaktoren des Klimas, Wassers und Bodens die Entwicklung und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaf- ten ganz entscheidend (SCHUBERT 1991a). Den Pflanzengesellschaften kommt als Teil der Lebensgemeinschaften, der die Primärproduzen- ten umfasst, eine fundamentale Bedeutung zu. Alle Organismen werden von der Entwicklung und Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften determiniert. Da die Pflanzengesellschaften meist relativ ortsbeständig sind, dienen sie auch der Abgrenzung von Lebensräumen und sind Indika- toren für deren Veränderungen bei anthropoge- nen Eingriffen in den Naturhaushalt (SCHUBERT 1991b). Datengrundlagen Pflanzengesellschaften sind durch eine charak- teristische Artenkombination gekennzeichnet. Durch sie unterscheiden sie sich von den nächst- ähnlichen Gesellschaften. Die Einstufung der Ve- getation erfolgt entsprechend dem Vorkommen diagnostisch wichtiger Arten. Zu diesen gehören Charakterarten, die ausschließlich oder vorwie- gend in der betreffenden Gesellschaft vorkommen. Weiterhin gehören dazu hochstete und bestandes- bestimmende Arten, die mit hoher Artmächtigkeit und/oder hoher Stetigkeit in den Beständen einer Gesellschaft auftreten und schließlich die Diffe- rentialarten, die eine Gesellschaft von der nächst- ähnlichen unterscheiden. In den letzten Jahren ist die Diskussion um die Verbesserung der Abgren- zung und Systematisierung von Pflanzengesell- schaften vor allem durch die computergestützten Vergleichsmöglichkeiten, aber auch durch die Zunahme von Vegetationseinheiten, die keine Charakterarten mehr besitzen, erneut heftig ent- brannt (BERGMEIER et al. 1990, DIERSCHKE 1992, SCHUBERT 1995, RENNWALD 2000, DENGLER 2003). Bei der Einschätzung der Gefährdung muss sehr oft auf einen Vergleich mit der älteren Literatur Bezug genommen werden. In synsystematischen Übersichtsarbeiten aus Sachsen-Anhalt (SCHUBERT 2001, SCHUBERT et al. 1995, 2001) können über die Synonymik eventuell anderslautende Namen der Pflanzengesellschaften gefunden werden. Subassoziationen und geographische Rassen sind in der vorgelegten Liste nicht aufgeführt. Über die Ranghöhe, systematische Wertigkeit und Ein- ordnung einer Pflanzengemeinschaft kann erst dann objektiv entschieden werden, wenn die Ge- sellschaft monographisch in ihrem Gesamtareal bearbeitet wurde und ihre Stellung in übergeord- neten Syntaxa exakt bekannt ist. Bis dahin sind wohl subjektive Einschätzungen nicht zu vermei- den. Für Sachsen-Anhalt sind 460 Pflanzengesellschaf- ten nachgewiesen, die den Anspruch auf den Rang einer Assoziation, als Grundeinheit der pflanzensoziologischen Systematik, nach den oben genannten Kriterien erfüllen (S CHUBERT 2001). Gefährdungskategorien sowie Gefährdungsur- sachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Pflanzengesellschaften stellen durch das Konkur- renzgefüge Artenkombinationen dar, die sehr fein und rasch auf Änderungen der Umweltfaktoren reagieren. Jede Veränderung hat zur Folge, dass die Arten, die besonders sensitiv darauf reagie- ren, in ihrer Entwicklung gehemmt oder gefördert werden. Das Konkurrenzgleichgewicht wird ver- lagert, die Artenzusammensetzung geändert. Anthropogene Veränderungen der naturgegebe- nen Standortsfaktoren äußern sich somit in einer Veränderung der Artenzusammensetzung einer Pflanzengesellschaft bis hin zu ihrem Verschwin- den an dem beeinflussten Standort. Da auf be- stimmte Standortfaktoren spezialisierte, damit ökologisch besonders aussagekräftige Arten (Charakterarten) meist sehr empfindlich reagie- ren, erscheinen Assoziationen mit beschränkte- rer ökologischer Amplitude stärker gefährdet. Meliorative Maßnahmen, Schädlingsbekämpfung, Bewirtschaftungsänderungen, Verkehrstrassen, Tourismus, Eutrophierung, Luft- und Wasserver- schmutzung, Bildung von industriellen und Sied- lungsballungsräumen sowie industrielle Produkti- onsweisen in der Land-, Forst- und Wasserwirt- schaft bringen eine Fülle von Standortsverände- rungen mit sich. Sie führen zum räumlichen Rück- gang vieler Pflanzengesellschaften und/oder zur qualitativen Veränderung ihrer charakteristischen Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Pflanzengesellschaften Sachsen-Anhalts. Kat. 0 R 1 2 3 Definition Verschwundene oder verschollene Pflanzengesellschaften: Sie sind seit mindestens 10 Jahren nicht mehr nachgewiesen. Äußerst seltene Pflanzengesellschaften: Sie sind nur kleinflächig auf Extremstandorte beschränkt und dort von Natur aus nicht gefährdet. Sie würden aber durch unvorhergesehenen Flächenverlusten bei Zerstörung der Standorte plötzlich verschwinden. Vom Verschwinden bedrohte, in ihren Beständen akut gefährdete Pflanzengesellschaften: Diese Pflanzengesellschaften sind in Sachsen-Anhalt so stark zurückgegangen, dass sie nur noch in kleinflächigen Beständen vorkommen. Sie werden in absehbarer Zeit verschwinden, wenn die Gefährdung anhält und keine bestandserhaltenden Sicherungs- und Entwicklungsmaßnahmen erfolgen oder diese wegfallen. Stark gefährdete Pflanzengesellschaften: Sie sind stark und schnell zurückgegangen und oft auch qualitativ in ihrer Artenkombination verändert. Bestandssichernde Maßnahmen sind unbedingt erforderlich. Gefährdete Pflanzengesellschaften: Sie sind zwar deutlich, aber langsamer zurückgegangen und in ihrer qualitativen Artenzusammensetzung weniger stark beeinträchtigt. Bestandssichernde Maßnahmen sind empfehlenswert. Anzahl (absolut) Anteil an der Gesamtzahl (%) 0 5 1,0 Gefährdungskategorie R 1 2 3 15 44 76 115 3,3 9,6 16,5 25 Artenkombination. Auch das Eindringen floren- fremder Arten kann zu einer Gefährdung von ein- heimischen Pflanzengesellschaften führen. Eine eingehendere, detailliertere Erforschung der Ge- fährdungsursachen und ihre Wirkung auf die je- weiligen Bestandesstrukturen sollte Gegenstand weiterer Arbeiten sein. Neben den gut definierten Pflanzengesellschaf- ten gibt es auch stark veränderte, nicht durch Charakterarten ausgezeichnete Vegetationsein- heiten, die als Basalgesellschaften, Fragment- oder Rumpfgesellschaften, Derivatgesellschaften oder Zentralassoziationen bezeichnet werden. Diese Begriffe sind, da sie oft sehr willkürlich ge- braucht werden, in der vorliegenden Liste nicht verwendet worden. Vegetationseinheiten, die weit- gehend nur noch von Arten mit weiter ökologischer Amplitude aufgebaut werden, breiten sich in neu- erer Zeit immer mehr aus und sind Ausdruck der Uniformierung unserer heimischen Vegetation und der damit erfolgenden Bildung neuer Artenkom- binationen und deshalb auch neuer Assoziatio- nen. Auch florenfremde Arten bilden zunehmend neue Pflanzengesellschaften. In die vorliegende Rote Liste sind sich ausbrei- tende und noch nicht deutlich gefährdete Pflan- zengesellschaften nicht aufgenommen. Es er- schien uns aber notwendig, äußerst seltene Ge- sellschaften auf meist extremen Standorten, die zur Zeit nicht direkt gefährdet sind, mit aufzuneh- men. Sollte ein solcher Extremstandort massiv beeinflusst werden, würden diese extrem selte- nen Pflanzengesellschaften ja sofort ausgerottet werden (Kat. R). Die Hinweise auf die Notwendigkeit, unsere Auf- merksamkeit stärker auch auf die Gefährdung von Pflanzengemeinschaften zu richten, gehen schon auf die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu- rück (TÜXEN 1955). Die massiven Eingriffe in die Natur der 70er und 80er Jahre brachten aber erst Rote Liste 255 55,4 Gesamt 460 Tab. 2: Definition der Gefähr- dungskategorien (Von einer Vor- warnliste wurde Abstand genom- men). die deutliche Hinwendung zu dieser Frage. Erste umfassendere Arbeiten zur Gefährdung von Pflan- zengesellschaften finden sich in beiden damali- gen deutschen Staaten (DIERßEN 1983, FUKAREK 1985 und KNAPP et al. 1985). Ihnen folgten Ende der 80er und ab der 90er Jahre eine größere An- zahl Roter Listen in den alten Bundesländern (BERGMEIER & NOWAK 1988 für Hessen, DIERßEN et al. 1988 für Schleswig-Holstein, PREISING et al. 1990, 1993, 1995 für Niedersachsen, SAUER & WEYRATH 1989 für das Saarland, VERBÜCHELN et al. 1995 für Nordrhein-Westfalen, WALENTOWSKI et al. 1990, 1991a,b, 1992 für Bayern). In den neuen Bundesländern entstanden Rote Listen im Rah- men der Naturschutzarbeit der einzelnen Länder (BERG et al. 2001 für Mecklenburg-Vorpommern, BÖHNERT et al. 2001 für Sachsen, SCHUBERT 2001 für Sachsen-Anhalt, WESTHUS et al. 1993 u. HEIN- RICH et al. 2002 für Thüringen). Durch die Bünde- lung der Aktivitäten der einzelnen Länder zu die- sem Problem gelang es schließlich, eine Rote Lis- te der gefährdeten Pflanzengesellschaften Deutschlands zu erarbeiten (RENNWALD 2000). Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, Än- derungen in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und erneute Eingriffe in den Naturhaus- halt ergibt sich die Notwendigkeit, die Roten Lis- ten der gefährdeten Pflanzengesellschaften stän- dig zu aktualisieren. So war es auch bei der vor- liegenden Liste erforderlich, im Vergleich zum Stand vom 31.12.2000 (SCHUBERT 2001) einige Veränderungen vorzunehmen. Bei extrem unter- schiedlichen Meinungen zur systematischen Stel- lung einer Vegetationseinheit wurde dies ange- geben. Von den 460 in Sachsen-Anhalt nachgewiesenen Vegetationseinheiten sind 255 in die Rote Liste aufgenommen worden. Dies zeigt die gegenwär- tige dramatische Gefährdung unserer Pflanzen- gesellschaften sehr deutlich! Danksagung Abschließend sei allen Mitgliedern des Botanischen Vereins Sachsen-Anhalts, die durch ihre exakten floristischen und soziologischen Kenntnisse der Vegetation in Sachsen-Anhalt zum Erarbeiten der Roten Liste beigetragen haben und dem Landes- amt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt für die ste- te Unterstützung der Arbeiten gedankt. Gesellschaft Wälder Betulo carpaticae-Piceetum STÖCKER 1967 Karpatenbirken-Fichten-Wald Hieracio schmidtii-Pinetum STÖCKER 1965 Habichtskraut-Kiefern-Wald Piceo-Alnetum glutinosae RUBN. 1954 Fichten-Schwarzerlen-Wald Seslerio-Fagetum MOOR 1952 em. TH. MÜLL. 1992 Blaugras-Rotbuchen-Wald Hottonio-Alnetum glutinosae HUECK 1929 Wasserfeder-Erlenbruch-Wald Leucobryo-Pinetum MATUSC. 1962 Weißmoos-Kiefern-Wald Aceri-Fagetum J. et M. BARTSCH 1940 Hochmontaner Bergahorn-Rotbuchen-Wald Bazzanio-Piceetum BR.-BL. et SISS. 1939 in BR.-BL. et al. 1939 Peitschenmoos-Fichten-Wald Betulo-Quercetum roboris R. TX. 1930 Birken-Stieleichen-Wald Carici elongatae-Alnetum SCHWICK. 1933 Walzenseggen-Erlenbruch-Wald Carpino-Ulmetum minoris PASS. 1953 em. SCHUB. 1995 Hainbuchen-Feldulmen-Wald Deschampsio-Fagetum SCHRÖDER 1938 em. SCHUB. 1995 Schlängelschmielen-Rotbuchen-Wald Potentillo albae-Quercetum petraeae LIBB. 1933 nom. inv. OBERD. 1957 em. TH. MÜLL. 1992 Fingerkraut-Traubeneichen-Wald Quercetum pubescenti-petraeae (IMSCH. 1926) HEINIS 1933 Elsbeeren-Flaumeichen-Wald Querco-Ulmetum minoris ISSLER 1924 Eichen-Ulmen-Hartholz-Auwald Sphagno-Alnetum glutinosae ALL. ex LEM. 1939 Torfmoos-Moorbirken-Erlenbruch-Wald Vaccinio uliginosi-Betuletum pubescentis LIBB. 1933 Rauschbeeren-Sumpfbirken-Wald Vaccinio uliginosi-Piceetum R. TX. 1955 Rauschbeeren-Fichten-Wald Vaccinio uliginosi-Pinetum sylvestris DE KLEIST 1929 em. MATUSC. 1962 Rauschbeeren-Kiefern-Wald Vaccinio vitis-idaeae-Quercetum OBERD. (1957) 1992 Preiselbeer-Eichen-Wald Aceri platanoidis-Tilietum cordatae FAB. 1936 Spitzahorn-Linden-Blockhaldenwald Adoxo-Aceretum pseudoplatani (ETTER 1947) PASS. 1959 Moschuskraut-Bergahorn-Wald Agrostio-Quercetum petraeae PASS. 1953 em SCHUB. 1995 Straußgras-Traubeneichen-Wald Calamagrostio villosae-Fagetum MIKYSKA 1972 Fichten-Rotbuchen-Wald Carici remotae-Fraxinetum W. KOCH 1926 ex FAB. 1937 Winkelseggen-Eschen-Wald Carici-Fagetum MOOR 1952 em. LOHM. 1953 Seggen-Rotbuchen-Wald Fraxino-Aceretum pseudoplatani (W. KOCH 1926) R. TX. 1937 em. TH. MÜLL. 1966 Eschen-Bergahorn-Schluchtwald Genisto tinctoriae-Quercetum KLIKA 1932 Färberginster-Eichen-Wald Holco mollis-Quercetum LEM. 1937 corr. et em. OBERD. 1992 Honiggras-Eichen-Wald Pruno-Fraxinetum OBERD. 1953 Traubenkirschen-Eschen-Wald Stellario holosteae-Carpinetum betuli OBERD. 1957 Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchen-Wald Kat. R R R R 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 !
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2005-06-15
Modified: 2005-06-15
Time ranges: 2005-06-15 - 2005-06-15
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