API src

19_Hundertfuesser

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Hundertfüßer (Chilopoda) Sachsen-Anhalts Bearbeitet von Karin VOIGTLÄNDER (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Selbst nachdem Rote Listen nicht nur für allge- mein bekannte Tiere wie Säuger, Vögel oder Fi- sche, sondern auch für Schmetterlinge, bestimm- te Käfer, sogar Heuschrecken oder Libellen aner- kannt werden, bleiben direkt auf dem Boden oder sogar im Boden lebende Tiergruppen unberück- sichtigt - zu Unrecht, denn damit wird einer der drei bestimmenden Lebensräume von der Beur- teilung eines Biotops ausgeschlossen: der Boden. Nachdem in Deutschland der Schutz des Bodens als Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflan- zen durch das Bodenschutzgesetz ausdrücklich gesichert ist, und die Erhaltung der Vielfalt und Funktion der Boden-Lebensgemeinschaft gefor- dert wird, besteht umso mehr Grund und Notwen- digkeit, die hierfür nötige Kenntnis in einem „Nach- holprogramm“ beschleunigt zu erarbeiten. Es ist dringend geboten, bodenbewohnende Tiergruppen durch Experten naturschutzfachlich bearbeiten zu lassen und die Entwicklung von Roten Listen auch für Bodentiergruppen voranzutreiben. Erste Vor- schläge wurden für Isopoda von GRÜNEWALD (1990) für Bayern und v. KNORRE (2001) für Thüringen so- wie für Diplopoda und Chilopoda von SPELDA (1998) für Baden-Württemberg unterbreitet. Das 1994 durch das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt begonnene landesweite Erfas- sungsprogramm der Tierwelt gefährdeter Biotop- typen integrierte auch die indikatorisch wichtigen Bodentiergruppen der Diplopoda und Chilopoda. Auf der Basis dieser Studien und der Auswertung weiteren Materials eröffnet sich erstmals die Mög- lichkeit der Erstellung Roter Listen für diese bisher vernachlässigten Gruppen. Da die myriapodologische Erforschung Sachsen- Anhalts erst an ihrem Anfang steht, ist die Daten- basis im Gegensatz zu derjenigen traditioneller Gruppen der Roten Listen noch relativ gering, so dass die Zusammenstellung nur als ein erster Versuch der Bewertung von Gefährdungsgraden der Arten angesehen werden kann. Da ältere Daten fehlen, sind keine Aussagen über Bestands- rückgänge bzw. -wachstum sowie Arealverluste bzw. -erweiterungen möglich. Alle bisherigen Aufsammlungen erfolgten mittels Bodenfallen. Aus dieser methodischen Beschrän- kung resultiert ein erheblicher Nachteil - eueda- phisch lebende oder wenig laufaktive Arten wer- den gar nicht oder nur unvollkommen erfasst. Dies betrifft innerhalb der Chilopoda besonders die Geophilomorpha, was bei der Einschätzung des Gefährdungsgrades der Arten zu berücksich- tigen ist. Unter den Chilopoden existieren verschiedene Lebensformtypen: Zum einen sind dies die zum Lauftyp gehörenden Steinläuferartigen (Lithobio- morpha) und die zum Bohrtyp zu zählenden Erd- läuferartigen (Geophilomorpha). Die Erdläufer sind mit ihrer fadenförmigen Gestalt und weiteren mor- phologischen sowie physiologischen Eigenschaf- ten besonders an das Leben in tieferen Boden- schichten und engen Bodenspalten angepasst, wohingegen die Steinläufer vorrangig die Streu- schicht und oberen Bodenhorizonte besiedeln. Die Skolopenderartigen (Scolopendromorpha) neh- men eine Zwischenstellung ein. Diese unter- schiedlichen Lebensweisen zeigen sich deutlich in den Fangzahlen aus Bodenfallen, in denen die epigäischen, laufaktiven Lithobiomorpha klar über- wiegen (Lithobiomorpha > Geophilomorpha > Scolopendromorpha). Ein weiterer Lebensform- typ, vertreten durch die Spinnenassel (Scutigera coleoptrata; Scutigeromorpha) mit mediterraner Verbreitung, konnte in Sachsen-Anhalt nicht einmal eingeschleppt (z.B. Gewächshäuser) nach- gewiesen werden. Datengrundlagen Das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts gehört zu den in der Vergangenheit der deutschen Myri- apodologie ökofaunistisch am schlechtesten un- tersuchten Landesteilen. Historische Angaben fehlen fast völlig, die wenigen Einzelangaben be- ziehen sich nur auf Funde aus Höhlen des Har- zes und des Kyffhäusers (S CHUBART 1964). Inzwischen hat die Autorin gezielt Material aus Sachsen-Anhalt zusammengetragen, determiniert und ökofaunistisch-faunistisch ausgewertet. Es umfasst ca. 5.000 Individuen und befindet sich komplett in den Sammlungen des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz. Die umfang- reichsten Aufsammlungen entstammen dem bereits erwähnten Projekt des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt: „Tierökologische Untersuchungen in gefährdeten Biotoptypen des Landes Sachsen-Anhalt. I. Zwergstrauchheiden, Trocken- und Halbtrockenrasen. II. Feuchtbioto- pe“. Sechs weitere langjährige Projekte sowie eine Vielzahl von Einzelaufsammlungen kamen hinzu. Es konnten mehr als 200 fundortspezifische Ar- tenlisten aus 21 der 46 regionalen Landschafts- einheiten Sachsen-Anhalts ausgewertet werden. Insgesamt wurden bisher 26 Chilopoden-Arten für das Land nachgewiesen. Das sind etwa 2/3 der im Gebiet zu erwartenden Arten. Folgende Publi- kationen sind bisher erschienen: ECKERT & BECKER 1996; VOIGTLÄNDER 1983, 1995, 1996, 1999, 2003, in präp. %# Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 - - Gefährdungskategorie R 1 2 6 - - 23,1 - Kategorien G D V - 2 - - 7,7 - - 3 -Rote Liste 6 -23,1 Kat. Gesamt 2 Gesamt 26 Gesamt 26 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Hundertfüßer Sachsen-Anhalts. Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. 7,7 Bemerkungen zu ausgewählten Arten In der Kat. R - „Extrem seltene Arten mit geogra- phische Restriktion“ werden Arten zusammenge- fasst, die nur auf wenige, aber stabile Populatio- nen in Sachsen-Anhalt beschränkt sind. Für die Einstufung der Chilopoden wurden maximal 4 räumlich getrennte Vorkommen zugrunde gelegt.Landesteile Dübener Heide, Zerbster Ackerland, Ilm-Saale-Muschelkalkplatten sowie des Mittel- und Unterharzes. Die Art bevorzugt im Gebiet tro- ckene bis sehr trockene Standorte (Kiefernforste, Sand- und Halbtrockenrasen). Nach der Gesamt- verbreitung der Art in Deutschland ist sie in Sach- sen-Anhalt als nicht gefährdet einzustufen. Im geprüften Material ähnlich selten wie die nach- folgend unter R eingestuften Arten sind auch Lit- hobius curtipes und L. muticus. Unter Berücksich- tigung ihrer Verbreitung und Autökologie im ge- samten Bundesgebiet muss davon ausgegangen werden, dass sie in Sachsen-Anhalt weiter ver- breitet sind und nicht als gefährdet gelten sollten. Sie erhalten die Kategorie D - „Daten defizitär“.Lithobius nodulipes: In ihrem Gesamtverbreitungs- gebiet zeigt diese Spezies submontane bis mon- tane Tendenzen. Auch in Sachsen-Anhalt besie- delt die Art ausschließlich Flächen der Mittelge- birge (Harz, Kyffhäuser). Diese Gebiete bilden eine nordöstliche Exklave der Art. Hier ist sie re- gelmäßig und relativ häufig in verschiedenen Ha- bitaten zu finden. Durch die Beschränkung der Sammlungsmetho- dik auf Bodenfallen betrifft dies in weit stärkerem Maße fast alle bisher in Sachsen-Anhalt nachge- wiesenen Geophilomorpha (Geophilus electricus, G. insculptus, Necrophloeophagus flavus, Striga- mia acuminata, S. crassipes) und den Vertreter der Scolopendromorpha Cryptops hortensis. Alle diese Arten sind in Deutschland weit verbreitet und z.T. recht häufig. Trotz defizitärer Datenbasis sei- en sie hier zwar erwähnt, sollten jedoch nicht in die Kategorie D eingeordnet werden.Lithobius pelidnus: Die Art ist sehr selten und nach bisheriger Kenntnis in Deutschland nur sehr lokal nachgewiesen. Sie präferiert in ihrem Gesamtver- breitungsgebiet (Nordwest- und Mitteleuropa, Rumänien, Slowenien, Russland, Kaukasus) kühl- feuchte Habitate. Die bisherigen vereinzelten Nachweise in Sachsen-Anhalt beschränken sich ausschließlich auf Wälder und Moore des Hoch- harzes und einen Erlenbruch im Jederitzer Holz im Rhin-Havel-Luch. Lithobiomorpha Lithobius austriacus: In Sachsen-Anhalt erreicht die Art ihre nordwestliche Verbreitungsgrenze. Sie wurde lokal sehr begrenzt nachgewiesen, verhält- nismäßig häufig in Kiefernforsten der Dübener Heide. Vereinzelte Exemplare stammen aus ei- nem Erlenbruch der Altmarkplatten und einem Sandtrockenrasen im Zerbster Ackerland. Nach dem bisherigen Kenntnisstand der Verbreitung der Art in Osteuropa bzw. Deutschland (VOIGTLÄNDER 1994) scheint sie in der Wahl ihrer Habitate sehr variabel zu sein, so dass durchaus mit weiteren Nachweisen gerechnet werden kann (VOIGTLÄNDER 1994). Lithobius curtipes: Die Art konnte im Rhin-Havel- Luch, im Elbtal, den Altmarkplatten und im Hoch- harz nachgewiesen werden. Vermutlich ist sie über das gesamte Gebiet Sachsen-Anhalts verbreitet, aber vorwiegend auf feuchte bzw. nasse Stand- orte beschränkt. Eine Gefährdung scheint nicht gegeben. Lithobius muticus C.L. KOCH, 1847: Die Funde beschränken sich auf vereinzelte Flächen der %$ Lithobius tenebrosus ssp. tenebrosus: In Deutsch- land verhältnismäßig selten wird diese Art meist nur in einzelnen Exemplaren angetroffen. Sie zeigt deutlich montanen Charakter. Diese Einschätzung trifft auch für Sachsen-Anhalt zu, wo nur ein Nach- weis aus einem Bergfichtenwald des Hochharzes vorliegt. Geophilomorpha Pachymerium ferrugineum: Bislang konnte nur im NSG „Burger Holz“ (Dessauer Elbtal) in einem Erlenbruch ein Nachweis getätigt werden. Die Art ist in Deutschland zerstreut verbreitet. Bevorzugt kommt sie in Mooren und Uferbereichen, aber im Gegensatz dazu auch in Trockenhabitaten vor. Es ist zu erwarten, dass mit geeigneter Sammeltech- nik weitere Funde in Sachsen-Anhalt erbracht werden könnten. Scolopendromorpha Cryptops parisi: Im Gegensatz zu anderen Bun- desländern Deutschlands kommt die Art in Sach- sen-Anhalt sehr lokal und ausschließlich auf Tro- ckenrasen vor. Bei Verlust dieser Habitate scheint die Art im Gebiet gefährdet zu sein, wobei Nach- weislücken infolge geringer Bearbeitungsintensi- tät jedoch nicht auszuschließen sind. Danksagung Für die Überlassung umfangreichen Materials sowie Informationen zu den Untersuchungsflä- chen sei den Herren Dr. P. SCHNITTER und Dr. M. TROST (Landesamt für Umweltschutz Sachsen- Anhalt), Dr. P. SACHER (Nationalparkverwaltung Hochharz), Dr. C. SCHÖNBORN (Blankenburg), R. ECKERT (Berlin) sowie Frau Dr. A. STUBBE (Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg) gedankt. Art (wiss.)Kat.Bem. Lithobiomorpha Lithobius austriacus VERHOEFF, 1937 Lithobius curtipes C.L. KOCH, 1847 Lithobius muticus C.L. KOCH, 1847 Lithobius nodulipes LATZEL, 1880 Lithobius pelidnus HAASE, 1880 Lithobius tenebrosus ssp. tenebrosus MEINERT, 1872R D D R R Rsl, A v v M, l, A sl M, sl Geophilomorpha Pachymerium ferrugineum (C.L. KOCH, 1835)Rsl Scolopendromorpha Cryptops parisi BRÖLEMANN, 1920Rsl Abkürzungen und Erläuterungen, letzter Nachweis/ Quelle (Spalte „Bem.“)sl - l- v- Literaturhoeff, 1937 (Chilopoda, Lithobiidae) in Germany.- Abh. Ber. Naturkundemus. Görlitz, 68(1): 23-37. VOIGTLÄNDER, K. (1995): Diplopoden und Chilopoden in immis- sionsgeschädigten Kiefernforsten im Raum Bitterfeld.- Hercynia N. F. (Halle), 29: 269-289. VOIGTLÄNDER, K. (1996): Diplopoden und Chilopoden von Tro- ckenstandorten im Hallenser Raum (Ostdeutschland).- Hercynia N. F. (Halle) 30: 109-126. VOIGTLÄNDER, K. (1999): Untersuchungen zur Diplopoden- und Chilopodenfauna des Brockengebietes (Myriapoda: Diplo- poda et Chilopoda).- Abhandlungen und Berichte für Na- turkunde (Magdeburg), 22: 27-38. VOIGTLÄNDER, K. (2003): Hundertfüßer (Chilopoda).- In: SCHNIT- TER, P., TROST, M. & M. WALLASCHEK (Hrsg.)(2003): Tieröko- logische Untersuchungen in gefährdeten Biotoptypen des Landes Sachsen-Anhalt. I. Zwergstrauchheiden, Trocken- und Halbtrockenrasen.- Mitteilungen der Entomologenver- einigung Sachsen-Anhalts, Sonderheft (2003). VOIGTLÄNDER, K. (in präp.): Chilopoda.- In: LANDESAMT FÜR UM- WELTSCHUTZ S ACHSEN-ANHALT (Hrsg.)(in präp.): Arten- und Biotopschutzprogramm Saale-Unstrut-Trias-Land.- Berich- te des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Sonderheft. A- M- Arealgrenze Mittelgebirgsart ECKERT, R. & J. BECKER (1996): Myriapoden aus mitteldeut- schen Höhlen (Arthropoda, Myriapoda).- Mitteilungen aus dem Zoologischen Museum in Berlin, 72(2): 207-220. GRÜNWALD, M. (1990): Vorschlag einer Roten Liste der in Bay- ern gefährdeten Landasseln (Isopoda, Oniscidea).- Schr.- reihe Bayer. Landesamt f. Umweltschutz, 99: 183-186. KNORRE, D. v. (2001): Rote Liste der Asseln (Crustacea: Iso- poda) Thüringens.- Naturschutzreport, 18: 64-65. SCHUBART, O. (1963): Opisthogoneata.- In BROHMER , P., EHR- MANN, P. & G. ULMER (Hrsg.)(1963): Die Tierwelt Mitteleuro- pas.- Bd. 2, Quelle & Meyer Leipzig, 1967: 39-51, Tafeln V-VI. SPELDA, J. (1998): Provisorische Rote Liste der in Baden- Württemberg gefährdeten Hundert- und Tausendfüßer (Myriapoda: Chilopoda, Diplopoda), Stand: August 1997.- In: KÖPPEL, C., RENNWALD, E. & N. HIRNEISEN (Hrsg.)(1998): Rote Listen auf CD-ROM. Vol. 1/1: Mitteleuropa (Deutsch- land, Österreich, Schweiz, Lichtenstein, Südtirol). Verlag für interaktive Medien, Gaggenau, 1999. VOIGTLÄNDER, K. (1983): Chilopoden aus Fallenfängen im Wald- gebiet Hakel, nordöstliches Harzvorland der DDR.- Her- cynia N. F. (Leipzig), 20: 117-123. VOIGTLÄNDER, K. (1994): A Contribution to our knowledge of the Taxonomy and Distribution of Lithobius austriacus Ver- sehr lokal lokal in Deutschland weit verbreitet und nicht selten Anschrift der Autorin Dr. Karin Voigtländer Staatliches Museum für Naturkunde Görlitz Landesmuseum des Freistaates Sachsen PF 300 154 D-02806 Görlitz E-Mail: Karin.Voigtlaender@smng.smwk.sachsen.de %%

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

Tags: Heuschrecken ? Käfer ? Schmetterling ? Asseln ? Dübener Heide ? Gefährdete Biotoptypen ? Ufer ? Tausendfüßer ? Baden-Württemberg ? Bayern ? Görlitz ? Sachsen-Anhalt ? Thüringen ? Slowenien ? Libellen ? Säugetier ? Rumänien ? Vogel ? Halbtrockenrasen ? Autökologie ? Biotop ? Moor ? Gewächshaus ? Russland ? Hochharz ? Habitat ? Mitteleuropa ? Kationen ? Osteuropa ? Kaukasus ? Kiefernwald ? Bundesbodenschutzgesetz ? NIK ? Ackerland ? Bodenschutz ? Studie ? Bodenfauna ? Bodenhorizont ? Rote Liste gefährdeter Arten ? Wald ? Fauna ?

License: all-rights-reserved

Language: Deutsch

Persons

Issued: 2005-06-15

Modified: 2005-06-15

Time ranges: 2005-06-15 - 2005-06-15

Status

Quality score

Accessed 1 times.