Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Webspinnen (Arachnida: Araneae) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Peter SACHER und Ralph PLATEN (2. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Webspinnen sind in nahezu allen terrestrischen Ökosystemen individuen- und artenreich anzutref- fen. Den Vertretern dieser Arthropoden-Gruppe kommt hier als Prädatoren eine herausragende Bedeutung zu. Ihre Fähigkeit, Fäden herzustel- len und diese in unterschiedlichster Weise in den Dienst von Ernährung, Fortpflanzung und Ausbrei- tung zu stellen, ist in diesem Ausmaß im Tierreich einmalig.vorher bekannter Arten - beides gute Gründe, zusammen mit der lange überfälligen Erarbeitung einer Checkliste die alte Rote Liste Sachsen- Anhalts einer kritischen Durchsicht zu unterzie- hen (vgl. SACHER 1996). Seit 2001 liegt eine er- heblich erweiterte und aktualisierte Bearbeitung der Roten Liste als Bestandteil der Gesamtarten- liste der Webspinnen Sachsen-Anhalts (SACHER & PLATEN 2001) vor. Nur unwesentlich verändert wurde sie dieser 2. Fassung zugrunde gelegt. Vor allem eng eingenischte und daher nur in wenigen Lebensraumtypen dauerhaft siedelnde Arten reagieren auf Veränderungen ihres Umfel- des rasch und drastisch, so dass im Rahmen na- turschutzfachlicher Aussagen und Bewertungen gern und oft auf Spinnen als Umweltindikatoren zurückgegriffen wird. Das gilt vorrangig für epigä- isch lebende Arten, über deren ökologische Po- tenz - erfassungsbedingt - von jeher mehr bekannt ist als über jene von Besiedlern höherer Strata.Auf eine neuerliche Nennung der verwendeten zahlreichen Quellen, die den umfangreichen Re- cherchen von 1993 bis 2001 zugrunde liegen, muss hier aus Platzgründen verzichtet werden - im Bedarfsfall können sie sowie weitere Detailan- gaben der Gesamtartenliste von 2001 entnommen werden. Erwähnt sei hier aber nochmals, dass die aktuelle Liste - von wenigen Ausnahmen abgese- hen - in nomenklatorischer Hinsicht dem Verzeich- nis der Spinnentiere Deutschlands (PLATEN et al. 1995) folgt. Datengrundlagen Für Deutschland sind gegenwärtig ca. 1.000 Spin- nenarten sicher belegt (vgl. PLATEN et al. 1995, BLICK, HÄNGGI & THALER 2002). Laut Roter Liste der Webspinnen Deutschlands gelten davon 514 als (graduell unterschiedlich) gefährdet (PLATEN et al. 1996, 1998), das sind reichlich 50% des gesam- ten Arteninventars. Die 1. Fassung der Roten Liste der Webspinnen Sachsen-Anhalts (Stand: April 1993) beinhaltete in 5 Gefährdungskategorien (0, 1, 2, 3, P) 126 Arten. Sie basierte auf einem vergleichsweise eher bescheidenen Datenfundus, denn seinerzeit waren insgesamt erst ca. 480 Ar- ten aus Sachsen-Anhalt bekannt - eine Checklis- te existierte noch nicht. Mit mindestens 100 wei- teren Webspinnenarten muß ... gerechnet werden, was den vorläufigen Charakter dieser 1. Fassung der Roten Liste verdeutlicht stellte Verfasser der Auflistung damals voran und kündigte an, dass ...angelaufene faunistische Bestandserhebungen im Rahmen von Landschaftspflegeplänen und anderen Gutachten ... in naher Zukunft Korrektu- ren und/oder Ergänzungen erforderlich machen würden. Tatsächlich war durch Neufunde seither eine stete Zunahme der Artenzahl zu verzeich- nen. Gegenwärtig (Stand: April 2003) sind es bereits 649 Webspinnenarten, für die aus Sach- sen-Anhalt Belege vorliegen. Aus den vielfältigen Erfassungsaktivitäten der vergangenen Jahre resultierte aber auch ein nicht unerheblicher Zugewinn an Wissen hinsichtlich Verbreitung und Lebensraumeinbindung schon ' Bemerkungen zu ausgewählten Arten Diese 2. Fassung der Roten Liste umfasst 216 der derzeit 649 aus Sachsen-Anhalt bekannten Arten (Stand: April 2003). Das bedeutet im Ver- gleich mit der 1. Fassung von 1993 einen Zuwachs von 90 Arten. Gnaphosa leporina (C.L. KOCH, 1866) und Echemus angustifrons (WESTRING, 1862) seien hier gesondert erwähnt, weil sie erst in jüngster Vergangenheit gefunden wurden und - wie Pardosa riparia (C.L. KOCH, 1833) - in der Gesamtartenliste von 2001 noch fehlten (vgl. SA- CHER & PLATEN 2001). Je nach Gefährdungsgrad wurden diese insgesamt 216 Arten den Kat. 0, 1, 2, 3, R oder G zugeordnet (s. Übersicht). Außer einem Mehr an Arten hat der gegenüber 1993 ungleich reichhaltigere Datenfundus aber erwartungsgemäß auch zu Korrekturen und sogar zu Streichungen geführt. Hauptursache hierfür ist die seit Erscheinen der 1. Fassung erheblich in- tensivierte Untersuchungstätigkeit in kleinräumi- gen, durch Eingriffe veränderten Lebensräumen, woraus in vielen Fällen eine Neueinschätzung der Gefährdungssituation resultierte. In allen aktuell wiederverwendeten Kat. hat die absolute und re- lative Anzahl der gefährdeten Arten zugenommen. Bezüglich der Kat. R und G sowie P ist dagegen ein solcher Vergleich nicht durchführbar, weil sie 1993 noch nicht definiert waren (R, G) bzw. aktu- ell keine Verwendung mehr finden (P). Nach wie vor beinhaltet die Gefährdungskatego- rie 3 mit Abstand die meisten Arten. Die Verän- derungen in der Gefährdungskategorie 0 sind einerseits durch Wiederfunde verschollener Arten bedingt. Dieser erfreuliche Sachverhalt trifft auf Atypus piceus, Mecynargus morulus und Philae- us chrysops zu, die aufgrund aktueller Nachwei- se in die Kat. 1 rückgestuft werden konnten. Maso gallicus ist erst nach der Drucklegung der Ge- samtartenliste wiederbestätigt worden und stellt eine der wenigen Änderungen gegenüber der Rote Liste-Version von 2001 dar. Zum anderen gelan- gen für Araniella inconspicua, Pardosa morosa, Phrurolithus pullatus, Pistius truncatus, Pseudici- us encarpatus, Sosticus loricatus und Trichoncus hackmani seit nunmehr 30 Jahren keine Nach- weise mehr, so dass diese Arten jetzt als verschol- len/ausgestorben angesehen werden müssen. Näheres zu diesen aktuell 23 Arten, insbesondere bezüglich des letzten Nachweisdatums, können dem jeweiligen Literaturzitat in der letzten Spalte der Auflistung entnommen werden. Allerdings feh- len in den WIEHLEschen Publikationen fast aus- nahmslos genauere Angaben zum Fundort und zum Sammeldatum. Letztlich ist daraus nur ab- zuleiten, dass es sich frühestens um Nachweise aus den 1920er Jahren (z.B. mit Hinweis auf U. GERHARDT - vgl. Steatoda triangulosa) und spätes- tens um solche von Mitte der 1960er Jahre (vgl. Phrurolithus pullatus - WIEHLE 1967) handelt. von großer Bedeutung. Bei Sand- und Kalktro- ckenrasen ist eine Kette von Einflüssen durch Nutzungsaufgabe (militärische Übungsplätze), Eutrophierung (Nährstoffeintrag durch die Luft und Abwässer) und anschließender sekundärer Suk- zession zu erkennen. Die Gefährdungsursache Nutzungsänderungen wirkt sich vor allem in Sand- und Kalkmagerrasen aus - Biotoptypen, die in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum benachbarten Brandenburg z.B. nur noch sehr kleinflächig vor- handen sind. Vor allem in den nicht mehr genutz- ten Truppenübungsplätzen stellt sich auf den ehemals unbewachsenen Flächen eine sehr schnelle Sukzession in Form von Vergrasung, Verheidung und Verbuschung ein. Vorhandene Heideflächen überaltern, da Brände, die in unre- gelmäßigen Abständen durch militärische Übun- gen entstanden und für eine Verjüngung sorgten, nur noch sehr seltene Ereignisse sind. Kontrol- liertes Brennen der Flächen sollte in Verbindung mit extensiver Schafbeweidung als naturschutz- fachliches Maßnahmenbündel durchgeführt wer- den. Zudem sind vorhandene Heideflächen auch durch die Forstwirtschaft bedroht, da die Umwand- lung von Offenland in Nutzwald in der Vergangen- heit stark vorangetrieben wurde und auch in der Gegenwart andauert. Flachlandmoore und ihre Spinnenfauna werden in Sachsen-Anhalt vor allem durch Melioration be- droht. An erster Stelle sind hier Änderungen des Wasserregimes durch Entwässerung, Schaffung von Abläufen von ansonsten abflusslosen Gewäs- sern zu nennen. Ist das Wasserregime eines Moo- res erst einmal gestört, setzt ein positiver Rück- kopplungsprozess ein, an dessen Anfang das Tro- ckenfallen des Moores und in dessen Folge Torf- vererdung, Freisetzung von festgelegten Nährstof- fen (Eutrophierung), Vergrasung und Verbuschung, Änderung des Mikroklimas und schließlich Bewal- dung stehen. Auch durch noch so aufwendige Re- generierungsmaßnahmen ist im Gegensatz zu Tro- ckenflächen ein naturnaher Zustand nicht wieder herzustellen. 42 Arten, die 1993 noch Bestandteil der Roten Liste von Sachsen-Anhalt waren, werden aufgrund der inzwischen vorliegenden Datenfülle und daraus abzuleitender neuer Erkenntnisse bezüg- lich ihrer Gefährdung nicht mehr in dieser geführt. Beispielsweise betrifft dies die weit verbreiteten und - wie sich inzwischen zeigte - keineswegs besonders eng eingenischten Drassyllus (Zelo- tes)-Arten D. pusillus und D. praeficus. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Veränderungen und Zerstörungen der Lebensräu- me sind auch im Bundesland Sachsen-Anhalt Hauptursache für die Gefährdung von Einzelarten und/oder ganzer Spinnenzönosen. Beispielsweise wirken sich die Ufersanierung und die Verände- rung des Wasserregimes (Melioration) besonders auf Nasshabitate wie Ufer, Moore, Röhrichte und Nasswiesen und ihre Besiedler aus. Die Eutro- phierung ist als Gefährdungsursache sowohl für Spinnenarten von Dünen und Magerrasen, als auch von oligotrophen Mooren und Nasswiesen Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 23 3,6 Röhrichte sind vor allem durch Ufersanierung und -verbauung, aber auch durch Wellenschlag der Motorschifffahrt, Einrichtung von Badestellen und Freizeitaktivitäten gefährdet. Bei den Wäldern sind vor allem Feuchtwälder (Edellaubwälder) durch Aktivitäten der Forstwirt- schaft gefährdet, wenn eine Umwandlung in in- Gefährdungskategorie R 1 2 3 15 24 45 102 2,3 3,7 6,9 15,7 G 7Kategorien D V - -Sonstige Gesamt 7 1,1-1,1 - Rote Liste 209 Gesamt 649 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Webspinnen Sachsen-Anhalts. 32,2 Gesamt 649 Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. ' tensive Nutzungsforste mit Anlage von Kiefern- Monokulturen erfolgt. Bezogen auf die Gefährdungskategorien ergibt sich folgendes Bild: In den höchsten Gefährdungs- stufen (0, R und 1) sind die entscheidenden Fak- toren meist noch unbekannt. Die Eutrophierung wirkt sich vor allem in der Gefährdungskategorie 2 aus. Bei den Arten der Gefährdungskategorie 3 sind alle Gefährdungsursachen (außer unbekannt) maßgeblich vertreten, und bei jenen Arten, für die eine Gefährdung anzunehmen ist (Kat. G), kommt in erster Linie die Landwirtschaft als Störfaktor in Betracht. Danksagung Die Autoren sind sich darüber im Klaren, daß die vorliegende 2. Fassung in absehbarer Zeit wiederum überarbeitet und aktualisiert werden muss. Dabei sind sie ab sofort wieder auf die Mit- arbeit möglichst vieler haupt- und nebenberufli- cher Arachnologen angewiesen und für kritische und ergänzende Hinweise außerordentlich dank- bar. Für die Bereitstellung von Basisdaten, die Eingang in die Checkliste fanden und damit auch für die aktuelle Beurteilung des Gefährdungsgra- des vieler Arten hilfreich waren, danken wir vor allem Frau Dr. C. VOLKMAR sowie den Herren Dr. I. A. AL HUSSEIN und Dr. P. BLISS (alle Halle/Saale). Art (wiss.)Kat. Agroeca lusatica (L. KOCH, 1875) Agyneta subtilis (O.P.-CAMBRIDGE, 1863) Alopecosa barbipes (SUNDEVALL, 1833) Alopecosa cursor (HAHN, 1831) Alopecosa fabrilis (CLERCK, 1757) Alopecosa inquilina (CLERCK, 1757) Altella biuncata (MILLER, 1949) Altella lucida (SIMON, 1874) Aphileta misera (O.P.-CAMBRIDGE, 1882) Araeoncus crassiceps (WESTRING, 1861) Araneus alsine (WALCKENAER, 1802) Araneus angulatus CLERCK, 1757 Araneus saevus (L. KOCH, 1872) Araniella displicata (HENTZ, 1847) Araniella inconspicua (SIMON, 1874) Archaeodictyna ammophila (MENGE, 1871) Arctosa cinerea (FABRICIUS, 1777) Arctosa figurata (SIMON, 1876) Arctosa lutetiana (SIMON, 1876) Arctosa perita (LATREILLE, 1799) Argenna patula (SIMON, 1874) Argyroneta aquatica (CLERCK, 1757) Asthenargus paganus (SIMON, 1884) Atypus affinis EICHWALD, 1830 Atypus muralis BERTKAU, 1890 Atypus piceus (SULZER, 1776) Baryphyma pratense (BLACKWALL, 1861) Berlandina cinerea (MENGE, 1872) Bolyphantes index (THORELL, 1856) Callilepis nocturna (LINNAEUS, 1758) Carniella brignolii THALER & STEINBERGER, 1988 Carorita limnaea (CROSBY & BISHOP, 1927) Centromerus cavernarum (L. KOCH, 1872) Centromerus dilutus (O.P.-CAMBRIDGE, 1875) Centromerus leruthi FAGE, 1933 Ceratinella scabrosa (O.P.-CAMBRIDGE, 1871) Ceratinopsis romana (O.P.-CAMBRIDGE, 1872) Chalcoscirtus nigritus (THORELL,1875) Chalcoscirtus pseudoinfimus OVTSCHARENKO, 1978 Cheiracanthium oncognatum THORELL, 18713 2 R 3 2 3 1 3 3 2 2 3 0 3 0 2 2 3 3 3 3 2 3 3 2 1 3 1 0 2 G 0 3 2 3 3 3 2 1 G ' Bem. 1985 01) 1984 02) § BA 1956 03) 1960a 04)
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2005-06-15
Modified: 2005-06-15
Time ranges: 2005-06-15 - 2005-06-15
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