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46_Mulmkäfer

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Mulm- und Holzglattkäfer (Coleoptera: Cerophytidae, Lissomidae) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Ringo DIETZE (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Beide Familien stehen taxonomisch den weit be- kannten Schnellkäfern (Elateridae) und Prachtkä- fern (Buprestidae) nahe (LOHSE 1979a, b, KÖHLER & KLAUSNITZER 1998). Sie sind in der mitteleuropä- ischen Fauna nur mit jeweils einer einzigen Art vertreten. Die Cerophytidae werden durch Cero- phytum elateroides (LATREILLE, 1804) vertreten, den Lissomidae gehört Drapetes cinctus (PANZER, 1796) an. Cerophytum elateroides ist aus vielen Regionen Deutschlands gemeldet, fehlt jedoch in mehreren nördlichen und östlichen Bundesländern. Drape- tes cinctus kommt in fast allen Bundesländern vor, aus einigen Regionen im Nordosten fehlen aber aktuelle Nachweise (KÖHLER & KLAUSNITZER 1998, KÖHLER 2000). Aus Sachsen-Anhalt liegen für bei- de Arten mehrere historische Nachweise vor [u.a. RAPP (1933-35), BORCHERT (1951), HORION (1953)]. C. elateroides entwickelt sich ausschließlich im morschen Holz oder Mulm anbrüchiger Bäume, vor allem an sog. Spiegeln oder Frostplatten. Für die Larvalentwicklung werden trockene Bereiche in den unteren Stammbereichen bevorzugt. Bei der Wahl des Brutholzes scheint die Art wenig anspruchsvoll. Sie wird für verschiedenste Laub- hölzer angegeben: HORION (1953) nennt Fagus, Quercus, Populus, Salix, Ulmus, Acer, Betula, Ti- lia, Juglans sowie Aesculus. Die sachsen-anhal- tinischen Nachweise der letzten Jahre gelangen hauptsächlich an Aesculus, vereinzelt wurden Tie- re auch an Ulmus, Tilia, Populus, Acer und Carpi- nus beobachtet. Unsere Kenntnisse zum Bestand des Cerophy- tum in Sachsen-Anhalt müssen als unbefriedigend eingeschätzt werden; weitere Meldungen existie- render Brutbäume in Sachsen-Anhalt sind sehr erwünscht. Die geringe Nachweisdichte dürfte dabei verschiedene Gründe haben. Zum einen wird das Auffinden von besiedelten Bäumen dadurch erschwert, dass die Populationen dieser Art in ganz Deutschland stark ausgedünnt schei- nen. Auf der anderen Seite sind die nachtaktiven Tiere wohl nur durch systematische Suche nach- zuweisen (HORION 1953); Zufallsfunde dieser aus- gesprochen seltenen Art sind nicht zu erwarten. Die vielfach ausgebliebenen Meldungen für Sach- sen-Anhalt dürften aber vor allem mit der Selten- heit der Art einhergehen und ihre Ursache besonders darin finden, dass Cerophytum elate- roides heute bereits aus vielen Landstrichen ver- schwunden ist. Um die Suche nach verbliebenen Vorkommen im Land zu erleichtern, sollen hier einige Hinweise gegeben werden, die sich maßgeblich aus eige- nen Beobachtungen im Hallenser Stadtgebiet ableiten. Die Imagines wurden in den vergange- nen Jahren besonders an Allee- und Straßenbäu- men nachgewiesen. Beobachtungen im Waldin- neren größerer Laubholzbestände gelangen nur in wenigen Fällen. Die Imagines treten von April bis Juni auf; sie sind besonders in warmen, wind- stillen Nächten im Mai aktiv und verlassen das Innere des Brutholzes zumeist erst in der ersten oder zweiten Stunde nach Mitternacht. Die Käfer sind nicht flüchtig und halten sich bevorzugt an den Wandungen von Mulmhöhlen und auf rinden- losen Stellen der unteren Stammpartien auf. Auf- fällig ist das regelmäßige Vorkommen zusammen mit den Käferarten Nosodendron fasciculare (No- sodendridae), Procraerus tibialis (Elateridae) und Grynocharis oblonga (Ostomidae), deren Anwe- senheit als ein Indiz für mögliche Vorkommen von Cerophytum betrachtet werden kann. An den wenigen heute noch bekannten Fundstel- len im Land tritt die Art sehr vereinzelt auf. Neue Angaben liegen nur noch aus dem nordöstlichen Harzvorland (Athenstedt) und dem Stadtgebiet von Halle vor. Sachsen-Anhalt dürfte (mit etwa 30 in den letzten zehn Jahren beobachteten Exem- plaren) das Land mit den gegenwärtig wohl größ- ten bekannten Vorkommen in Deutschland sein. Dies zeigt zum einen, wie nahe die Bestände am Rande der Ausrottung stehen, andererseits wird klar, welche besondere Rolle dem Land Sachsen- Anhalt zukommt, diese ausgesprochene Rarität unserer Wälder zu erhalten. (Anm.: Kurz vor Ein- reichung des Manuskriptes dieser Roten Liste musste festgestellt werden, dass eines der Vor- kommen von Cerophytum im Norden der Stadt Halle durch Fällen geschädigter Kastanien aus- gelöscht wurde.) Der wegen größter Übereinstimmungen in der Anatomie der Imagines und besonders der Lar- venstände heute von einigen Autoren zu den Ela- teridae (Schnellkäfer) gestellte Drapetes cinctus entwickelt sich vorwiegend in morschen Stubben verschiedener Laubhölzer (KOCH 1989). Der un- verkennbare Käfer findet sich ferner unter verpilz- ter Borke von Laubbäumen und an faulenden Baumschwämmen (HORION 1953). In den letzten zehn Jahren wurde die Art in Sachsen-Anhalt vor- wiegend an Eiche registriert. Das sehr flüchtige Tier kann tagsüber auch auf geschlagenen Höl- ! ! Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 - - Gefährdungskategorie R 1 2 - 1 - - 50,0 - 3 1Rote Liste 2 50,0100,0 zern beobachtet werden, es liegen einzelne aktu- elle Nachweise für Sachsen-Anhalt vor. Eine Vor- kommenshäufung gibt es aus dem unmittelbaren Einzugsbereich der Elbe (Umgebung von Aken und Dessau), wenige weitere Brutbäume sind aus der Umgebung von Bitterfeld (Goitzsche) und dem nordöstlichen Harzvorland (Athenstedt) bekannt. Aus dem Süden Sachsen-Anhalts, dem Harz und den nördlichen Landesteilen existieren keine neu- eren Meldungen. Somit ist die gegenwärtige Ver- breitung von Drapetes cinctus im Land nur unzu- reichend geklärt. Die Einschätzung der Bestands- situation gestaltet sich folglich schwierig. Ihr dürf- te aus diesem Grunde zunächst der Status einer Diskussionsgrundlage zukommen. Allerdings ist, obgleich die aktuellen Funde eine lückenhafte Verbreitung vorzugeben scheinen, in allen größeren, urständigen Baumbeständen der Ebene und niederen Gebirgslagen mit Vorkom- men zu rechnen. Es ist erwünscht, die derzeitige Datenlage durch zusätzliche Fundmeldungen weiter auszubauen, um Aussagen zum Bestand und dessen Gefährdung noch genauer darlegen zu können. Dabei können insbesondere die bei der Untersuchung von Waldstandorten verstärkt zum Einsatz gebrachten quantitativen Fallen (Luft- und Stammeklektoren; Malaise-Fallen) und Licht- fänge (Lepidopterologen!) entsprechende Funde erbringen. Womöglich befinden sich unter den somit in den vergangenen Jahren erfassten Tie- ren auch Exemplare dieser durchaus schwierig nachzuweisenden Art, die wegen einer bis heute harrenden Prüfung bei der vorliegenden Roten Liste keine Beachtung finden konnten!? Datengrundlagen Zur Beurteilung des Bestandes der Cerophytidae und Lissomidae Sachsen-Anhalts wurden die fau- nistischen Arbeiten und Verzeichnisse von WAHN- SCHAFFE (1883), BORCHERT (1951), RAPP (1933-35), HORION (1953), KÖHLER & KLAUSNITZER (1998) so- wie KÖHLER (2000) herangezogen. Mehrere Kolle- gen teilten aktuelle Nachweise der beiden Arten mit. Die Daten der im Dessauer Museum vorhan- denen Belege wurden freundlicherweise von A. SCHÖNE aufgenommen und übermittelt. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Den Beständen beider Arten wurde und wird durch verschiedene Faktoren erheblich zugesetzt. Die Ursachen der Gefährdung decken sich ihrerseits mit denen, die auch für die Verarmung der Fauna anderer xylobionter Insekten verantwortlich zu machen sind: ! " Gesamt 2 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Cerophytidae und Lissomidae Sachsen-An- halts. - Abnahme des Durchschnittsalters der Baum- bestände und Verringerung des Anteiles unter- schiedlicher Altersklassen in der Zusammen- setzung der Baumschicht, - Etablierung florenfremder Gehölze und Schaf- fung strukturarmer Forsten, - anhaltender Rückbau naturnaher Waldstandor- te; gleichzeitig Ausweitung von homogenen Beständen schnellwüchsiger Gehölze, - Verschiebung der Flächenanteile zugunsten der Nadelholzforsten und im gleichen Zuge Dezi- mierung artenreicher Laubwaldformationen im Flachland, - erdrückende Dominanz der Fichten-Monokul- turen im Harz und dessen Vorland, - Entfernung und Beschnitt von Alleebäumen, Überhältern und exponiert stehenden Einzel- bäumen, - Unterdrückung der Möglichkeiten der Expansion und Wiederbesiedelung durch zunehmende Iso- lierung der einzelnen Baumbestände voneinander (Verkehrswege- und Siedlungsbau), - Fehlen von Feldgehölzen, Waldrandstrukturen und der Vernetzung der Baumbestände dienen- der Saumbiotope, - Genehmigung/Duldung des unter finanziellen Aspekten geschehenden Einschlages von Bäu- men in unter Schutz stehenden Biotopen, - Auswirkungen der „Waldhygiene“ und drasti- sche, aus der Umsetzung der Verkehrssiche- rungspflicht durch Grundstückseigentümer, Kommunen und Forstämter entstehende Fol- gen: Verschwinden besonders wertvoller Struk- turelemente und Nischen aus den Wäldern, Parks, Ortschaften und Baumbeständen entlang der Straßen, - Entfernung von anbrüchigen und abgestorbe- nen Bäumen, Wurzelstöcken und herabgebro- chenem Astwerk aus den Wäldern; Ausfräsung von Wurzelstöcken, Versiegelung von Mulm- höhlen. Wenn diese Beeinflussungen in diesem Maße weiter wirken, ist in absehbarer Zeit mit dem Ver- schwinden des Cerophytum aus unseren Baum- beständen zu rechnen. Die Gefahr der Ausrottung dieses holzbewohnenden Käfers in Sachsen-An- halt ist dabei besonders groß, weil sich tiefgrei- fende Eingriffe von waldbaulicher und „waldhy- gienischer“ Seite besonders in Populationen nie- derschlagen, die entweder bereits stark ausge- dünnt sind oder seit jeher an der Grenze der die Erhaltung sichernden Individuenzahl bestehen. Ferner treffen Schädigungen der Habitatstruktu- ren in besonderem Maße die stenotopen Arten, deren Populationen dann schlagartig ausgelöscht werden können. Der Gefahr der Ausrottung dieser Art im Land ist allein durch konsequenten Schutz der von ihr be- siedelten Habitate zu begegnen. Dies setzt selbst- redend die Kenntnis der heute noch existieren- den Vorkommen voraus, um Maßnahmen zum Schutz gezielt ansetzen zu können. Bruthölzer bekannter Populationen sind bedingungslos vor der Vernichtung durch forstwirtschaftliche Maß- nahmen zu bewahren. An Stellen, wo der Erhalt von Brutbäumen mit den aus der Verkehrssiche- rungspflicht entstehenden Forderungen nicht zu vereinbaren scheint, sind andere Möglichkeiten der Sicherung der Population zu prüfen. Die Gefährdung des Drapetes cinctus in Sachsen- Anhalt entsteht im Gegensatz zu der des Cero- phytum elateroides, die überwiegend Resultat der Vernichtung und Schädigung der kleinflächigen Bestände in Parks, Ortschaften und an Straßen ist, durch die gravierenden Veränderungen der Baumbestände größerer Waldungen. Ein Erhalt der Art resp. die Gesundung der durch forstwirt- schaftliche Maßnahmen sicher stark in Mitleiden- schaft gezogenen Populationen ist vor allem durch die Bewahrung und Schaffung von Altholzinseln und eine deutliche Erhöhung des Anteiles anbrü- chiger und abgestorbener Bäume durch den Ver- zicht auf Entfernung von Totholzelementen (bes. Stubben und Wurzelstöcke) zu gewähren. Es bleibt zu hoffen, dass sich bei der Art und Weise der Bewirtschaftung der Wälder eines Tages doch noch die Vernunft gegen die finanziellen Motive durchzusetzen vermag und dass den radikalen Veränderungen in oder der gänzlichen Vernich- tung von urständigen Baumbeständen auf Dauer Einhalt geboten wird. Aus heutiger Sicht schei- nen die Aussichten jedoch gering, dass die Argu- mente für den Erhalt einer artenreichen Fauna xylobionter Insekten jemals die aus dem Abtrieb besonders alter Bäume zu erbringenden Profite bezwingen werden. Danksagung Für die gewährte Einsichtnahme in die Sammlun- gen, die Übermittlung von Funddaten und ebenso wertvoller Meldungen ausgebliebener sachsen- anhaltinischer Nachweise sei folgenden Kollegen herzlich gedankt: W. BÄSE (Reinsberg), H. BREIT- BARTH (Magdeburg), J. ESSER (Berlin), R. GEITER (Staßfurt), W. GRUSCHWITZ (Staßfurt), M. J UNG (Athenstedt), H. KÜHNEL (Köthen), Dr. K. RENNER (Bielefeld), A. RÖ ßLER (Großpaschleben), G. SCHMIEDTCHEN (Weißandt-Gölzau), A. SCHÖNE (Des- sau), S. SCHORNACK (Wolmirsleben), G. und R. WAHN (Köthen) sowie T. WOLSCH (Weißwasser). Art (wiss.)Kat. Cerophytum elateroides LATREILLE, 1840 Drapetes cinctus (PANZER, 1796)1 3 Nomenklatur nach KÖHLER & KLAUSNITZER (1998). Literatur BORCHERT, W. (1951): Die Käferwelt des Magdeburger Rau- mes.- In: Magdeburger Forschungen, Bd. II. Magdeburg. HORION, A. (1953): Faunistik der mitteleuropäischen Käfer.- Bd. 3, München. KOCH, K. (1989): Die Käfer Mitteleuropas. Ökologie.- Bd. 2 - Pselaphidae bis Lucanidae.- Krefeld. KÖHLER, F. & B. KLAUSNITZER (Hrsg.)(1998): Verzeichnis der Kä- fer Deutschlands.- Ent. Nachr. Ber. (Dresden), Beiheft 4: 1-185. KÖHLER, F. (2000): Erster Nachtrag zum „Verzeichnis der Kä- fer Deutschlands“.- Ent. Nachr. Ber. (Dresden), 44. LOHSE, G.A. (1979a): 35. Familie: Cerophytidae.- In: FREUDE, H., HARDE, K.W. & G.A. LOHSE (Hrsg.)(1979): Die Käfer Mit- teleuropas.- Band 6, Goecke & Evers (Krefeld): 186-187. LOHSE, G.A. (1979b): 36. Familie: Eucnemidae- In: FREUDE, H., HARDE, K.W. & G.A. LOHSE (Hrsg.)(1979): Die Käfer Mit- teleuropas.- Band 6, Goecke & Evers (Krefeld): 187-201. RAPP, O. (1933-35): Die Käfer Thüringens unter besonderer Berücksichtigung der faunistisch- ökologischen Geogra- phie.- Bd. I-III. Erfurt. WAHNSCHAFFE, M. (1883): Verzeichnis der im Gebiet des Aller - Vereins zwischen Helmstedt und Magdeburg aufgefun- denen Käfer.- Neuhaldensleben. Anschrift des Autors Ringo Dietze Stroischen 1 D-01665 Käbschütztal E-Mail: Dapsa@gmx.net ! #

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Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

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Issued: 2005-06-16

Modified: 2005-06-16

Time ranges: 2005-06-16 - 2005-06-16

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