Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Schwarzkäfer (Coleoptera: Tenebrionidae) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Sebastian SCHORNACK und Ringo DIETZE unter Mitarbeit von Wolfgang BÄSE, Holger BREITBARTH, Klaus GRASER, Wolfgang GRUSCHWITZ, Manfred JUNG , Torsten P IETSCH , Andreas RÖß LER , Andreas SCHÖNE , Peter STROBL, Günther SCHUMANN, Gerhard und Richard WAHN sowie Thomas WOLSCH (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Die allgemeine Bekanntheit der Schwarzkäfer au- ßerhalb der Spezialistenkreise beruht besonders auf der Tatsache, dass einige Vertreter gefürch- tete Vorratschädlinge sind (Tenebrio molitor, Tri- bolium-Arten). Obwohl meist düster gefärbt, sind nicht alle Schwarzkäfer schwarz, vielmehr enthält die Gruppe eine Vielzahl Arten uneinheitlicher Form und Färbung. Es scheint, als ob in dieser Käferfamilie einige Doppelgänger anderer nicht verwandter Käfergruppen versammelt sind. Typische Bestimmungs-Merkmale sind die durch die vorgezogenen Wangen nierenförmigen Augen, das bei einigen Arten vorhandene Mukro (eine zipfelförmige Verlängerung der Flügeldecken an der Naht, z.B. Blaps lethifera, Stenomax aeneus) und die Tarsenformel 5-5-4. Die Fühler sind rela- tiv dick und perlschnurartig. Zahlreiche Arten sind durch Verwachsung der Elytren flugunfähig. Schwarzkäfer sind meist ausgesprochene Spezi- alisten. Es werden zahlreiche ökologische Nischen besiedelt. Die Käfer leben im Holz (Corticeus fas- ciatus), Pilzen (Eledona agricola, Diaperis boleti, Bolitophagus reticulatus, Platydema violaceum), sind Bewohner von Grassteppen (Asida sabulo- sa, Melanimon tibiale, Opatrum sabulosum), salz- beeinflussten Dünen (Phaleria cadaverina, Phy- lan gibbus), leben in faulenden Pflanzenstoffen (Alphitophagus bifasciatus, Pentaphyllus tes- taceus) und in trockenen, stärkereichen Substra- ten (meist synanthrop, Lagerschädlinge, s.u.). Ei- nige Arten sind aufgrund ihrer engen Habitatbin- dung selten bzw. nur sehr selten nachweisbar (Te- nebrio opacus, Platydema dejeanii, Corticeus sp.). Larven und Imagines sind meist Allesfresser, ei- nige Arten leben räuberisch, andere sind phyto- detritophag oder mycetophag. Zu den Vorrats- schädlingen zählen sowohl heimische Vertreter als auch Tiere anderer Faunenkreise, die mit dem Handel eingeschleppt worden sind (Tribolium de- structor, Latheticus oryzae, Gnatocerus cornutus). In ihrer natürlichen Umgebung sind die Tiere sel- ten und hier meist unter trockener Borke im Holz- mehl zu finden (z.B. Tribolium castaneum, T. con- fusum). Da sie aufgrund ihrer Lebensweise bei Bedrohung der natürlichen Lebensräume die Rückzugsmöglichkeit der Vorratslager haben, kann eine landesweite Gefährdung nicht einge- schätzt werden. Folgende Arten werden deshalb nicht berücksichtigt: Tribolium madens, T. casta- neum, T. destructor, T. confusum, Gnatocerus cornutus, Latheticus oryzae, Tenebrio molitor. Die Familie Tenebrionidae ist die fünftgrößte Kä- ferfamilie weltweit. Der Schwerpunkt ihrer Verbrei- tung liegt in trockeneren, wärmeren Gebieten. Für Deutschland sind rezent 67 Arten registriert (KÖH- LER & KLAUSNITZER 1998). Die beiden Arten Myr- mechixenus vaporariorum GUÉRIN-MÉNEV. und M. subterraneus CHEVR. sind erst kürzlich aus der Familie Colydiidae (Rindenkäfer) vorläufig in die Familie Tenebrionidae eingegliedert worden (SCHA- WALLER 1998). Die Alleculidae (Blütenmulmkäfer) und Lagriidae (Wollhaarkäfer), die taxonomisch den Schwarzkäfern zugehörig sind (LAWRENCE & NEWTON 1995), werden hier nicht berücksichtigt, da sie in den aktuellen Standardwerken auch se- parat behandelt werden. Datengrundlagen Aus Sachsen-Anhalt sind durch historische Da- ten (besonders RAPP 1934, HORION 1956, BORCHERT 1951) 44 Arten belegt, wobei sowohl HORION als auch BORCHERT teilweise auf die Daten von RAPP verweisen. Schwarzkäfer wurden zwar oft als Bei- oder Zu- fallsfänge gesammelt, jedoch liegen im Vergleich zu anderen gut bearbeiteten Artengruppen (Lauf- käfer, Bockkäfer) vergleichsweise weniger gesi- cherte rezente Datensätze vor. In Museen mögen zusätzliche Funde einer Indentitätsprüfung har- ren. Bisher wurden nur die Daten aus dem Muse- um für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau (MNVD) berücksichtigt. Erst in neuerer Zeit werden Tenebrionidae auch bei faunistisch-ökologischen Gutachten erfasst (z.B. BUSSLER & SCHMIDL 1997, SPRICK 2000, DIET- ZE & SCHORNACK 2002). Eine Internet-Recherche auf den Seiten des 2. Nachtrags zum Käferver- zeichnis (www.koleopterologie.de/verzeichnis-der- kaefer-deutschlands) erbrachte keine zusätzlichen Neu- oder Wiederfunde für das Land Sachsen- Anhalt. Die Mehrzahl der Datensätze stammt aus den Sammlungen der Mitarbeiter. Nomenklatorisch wurde KÖHLER & KLAUSNITZER (1998) gefolgt. !! Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Gefährdungskategorie R 1 2 - 2 3 0 5 12,8 - 5,1 7,7 3 7Rote Liste 17 17,943,5 G -Kategorien D V 3 2Sonstige Gesamt 5 -7,712,8 5,1 Bemerkungen zu ausgewählten Arten; Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Von den historisch erfassten 44 Schwarzkäferar- ten sind 39 rezent nachgewiesen. 12 Spezies werden in der Roten Liste als Vom Aussterben bedroht bzw. Stark gefährdet und Gefährdet eingestuft. Fünf Arten gelten als Ausgestorben oder verschollen, da keine Belege nach 1951 existieren. Zwei Arten sind auf der Vorwarnliste vermerkt. Für weitere drei Arten ist mangels si- cherer Belege eine Gefährdung bisher nicht ein- schätzbar. Die Hauptgefährdung für Schwarzkäfer ist die Be- einflussung oder das Verschwinden ihrer Habitate. Arten der sandigen, trockenen Habitate (z.B. Blaps lethifera, Pedinus femoralis) sind durch Nährstoff- eintrag (Eutrophierung) in ihren Vorkommen be- droht. Außerdem besteht in vielen Fällen die Not- wendigkeit der Sukzessionsverhinderung (z.B. Binnendünen im Gebiet der Mittelelbe). Holzpilz- (z.B. Bolitophagus reticulatus, Platyde- ma violaceum, Platydema dejeanii) und Holzbe- wohner (z.B. Corticeus fasciatus, Tenebrio opa- cus, Neatus picipes) sind Besiedler von intakten Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Schwarzkäfer Sachsen-Anhalts. Gesamt 39 Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. Gesamt 39 Totholzhabitaten, deren Struktur und Qualität durch Holzeinschlag, Beräumung der Wälder, Nadelholz-Forstungen negativ beeinflusst werden (detaillierte Angaben hierzu in LANDESAMT FÜR UM- WELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT 2003). Im Einzelnen bedeutet der Wegfall spezifischer Nischen (z.B. Tenebrio opacus: alte Eichen mit größeren Mulmhöhlen) einen Verlust der Nah- rungsgrundlage. Als Schutzmaßnahme gilt des- halb besonders der Erhalt dieser Habitate. Zusätz- lich ist eine genauere, flächendeckende Erfassung der Schwarzkäfer, z.B. im Rahmen von Gutach- ten, besonders in Waldgebieten und auf Trocken- rasen notwendig, um eine Abschätzung der Ge- fährdungstendenzen möglich zu machen. Deshalb soll die vorliegende Klassifizierung als Anreiz an- gesehen werden, weitere Daten einzubringen und kritisch zu diskutieren. Danksagung Diese Erstfassung der Roten Liste der Schwarz- käfer Sachsen-Anhalts entstand mit der Unterstüt- zung zahlreicher Kollegen. Besonderer Dank gilt den Mitarbeitern des Museums für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau für die Bereitstellung der Sammlungsdaten. Art (wiss.)Kat.Bem. Blaps lethifera MARSHAM, 1802 Blaps mucronata LATREILLE, 1804 Bolitophagus reticulatus (LINNAEUS, 1767) Corticeus bicoloroides (ROUBAL, 1933) Corticeus fasciatus FABRICIUS, 1790 Corticeus fraxini KUGLER, 1794 Corticeus linearis FABRICIUS, 1790 Corticeus longulus GYLLENHAL, 1827 Corticeus pini PANZER, 1799 Nalassus dermestoides (ILLIGER, 1798) Nalassus laevioctostriatus (GOEZE, 1777) Neatus picipes (HERBST, 1797) Opatrum riparium SCRIBA, 1865 Palorus depressus (FABRICIUS, 1790) Palorus ratzeburgii (WISSMANN, 1848) Pedinus femoralis (LINNAEUS, 1767) Platydema dejeanii CASTELNEAU et BRULLE, 1831 Platydema violaceum (FABRICIUS, 1790) Stenomax aeneus (SCOPOLI, 1763) Tenebrio opacus DUFTSCHMID, 1812V 0 V D 2 0 3 2 0 D 0 2 3 3 D 3 1 3 3 1p S, 1951 01) HP 1999 02) H H, 1951 01) H H H, 1951 01) H 03) H, A, 1936 H Sf H H p HP, 1997 04) HP H H !! Art (wiss.)Kat. Uloma culinaris (LINNAEUS, 1758) Uloma rufa (PILLER & MITTERPACHER, 1783)3 0 Bem. H H, 1947 03) Nomenklatur nach KÖHLER & KLAUSNITZER (1998). Abkürzungen und Erläuterungen; letzter Nachweis/ Quelle (Spalte Bem.)A- Arealgrenze MNVD -Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau 01) - BORCHERT (1951) 02) - Coll. BÜCHE 03) - Coll. BORRMANN, MNVD 04) - GEIS & TRÖGER (1997) Literaturrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt.- Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, 39 (Sonderheft), 368 S. KÖHLER, F. & B. KLAUSNITZER (Hrsg.)(1998): Verzeichnis der Kä- fer Deutschlands.- Entomol. Nachr. Ber., Beiheft 4: 1-185. LAWRENCE, J.F. & A.F. NEWTON JR. (1995): Families and subfa- milies of Coleoptera (with selected genera, notes, refe- rences and data on family-group names).- In: PAKALUK, J. & S.A. SLIPINSKY (eds.)(1995): Biology, Phylogeny and Clas- sification of Coleoptera.- Papers celebrating the 80th Birth- day of ROY A. CROWSON. Muzeum i Instytut Zoologii PAN, Warszawa. RAPP, O. (1934): Die Käfer Thüringens unter besonderer Be- rücksichtigung der faunistisch-ökologischen Geographie. Band II.- Erfurt, im Selbstverlag. SCHAWALLER (1998): 83. Familie: Tenebrionidae.- In: LUCHT, W. & B. KLAUSNITZER (1998): Die Käfer Mitteleuropas, Band 15, 4. Supplementband. SPRICK, P. (2000): Bemerkenswerte Käferfunde in Sachsen- Anhalt entlang eines Transektes zwischen Oebisfelde und Schönhauser Damm (1992-1999). Teil 1: Diverse Käfer (Coleoptera).- Mitt. ArbGem. Ostwestf.-lipp. Ent. (Bielefeld), 16 (Beiheft 7): 1-42. Anschriften der Autoren und MitarbeiterTorsten Pietsch Türkstr. 12 D-06110 Halle (Saale) p- Sf - HP - H- psammophile Art Art der sandiger Ufer xylomycetobionte Art xylobionte Art BORCHERT, W. (1951): Die Käferwelt des Magdeburger Rau- mes.- In: Magdeburger Forschungen, Bd. II. - Magdeburg: Mitteldt. Druckerei & Verlagsanstalt GmbH. BUSSLER, H. & J. SCHMIDL (1997): Die xylobionte Käferfauna im Bereich des NSG Jederitzer Holz in Sachsen-Anhalt.- unveröff. Gutachten im Auftrag des Instituts für angewandte Ökologie Waldkraiburg: 1-17. DIETZE, R. & S. SCHORNACK (2002): Holzbewohnende Käfer (Coleoptera xylobionta) und Laufkäfer (Carabidae).- In: RANA B ÜRO FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ FRANK MEYER (2002): Schutzwürdigkeitsgutachten und Pflege- und Ent- wicklungskonzept für das geplante LSG Kleinzerbster Busch im Landkreis Köthen.- unveröff. Gutachten. GEIS, K.-U. & M. TRÖGER (1997): Platydema dejeani CAST. (Col., Tenebrionidae) an der Mittelelbe.- Ent. Nachr. Ber. (Dres- den), 41: 182. HORION, A. (1956): Faunistik der mitteleuropäischen Käfer. Bd.V: Heteromera.- Tutzing. LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (2003): Die Le- bensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat- Sebastian Schornack Hafenstr. 41 D-06108 Halle (Saale) E-Mail: schornack@genetik.uni-halle.de Ringo Dietze Stroischen 1 D-06115 Käbschütztal E-Mail: dapsa@gmx.net Wolfgang Bäse Belziger Str. 1 D-06896 Reinsdorf E-Mail: Wbaese@t-online.de Holger Breitbarth Klinkebachstr. 23 D-39116 Magdeburg E-Mail: h.breitbarth@cerambycidae.de Klaus Graser Wedringer Str. 17 D-39124 Magdeburg Wolfgang Gruschwitz Sodastr. 7 D-39418 Staßfurt E-Mail: halophila@gmx.de Manfred Jung Hauptstr. 26a D-38822 Athenstedt Andreas Rößler Am Hilligbornfeld 24 06369 Großpaschleben E-Mail: edv.lkv.koethen@web.de Andreas Schöne Krosigkstr. 3a D-06846 Dessau Peter Strobl Schulstr. 34 D-39576 Stendal Prof. Dr. Günter Schumann Teufelsmauerstr. 24A D-06502 Weddersleben E-Mail: g.schumann@bafz.de Gerhard & Richard Wahn Mühlenstr. 52 D-06366 Köthen Thomas Wolsch Schmeerstr. 21 D-06108 Halle (Saale) E-Mail: t.wolsch@mikrobiologie.uni-halle.de E-Mail:manfred.jung.col@gmx.de !!!
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Language: Deutsch
Issued: 2005-06-16
Modified: 2005-06-16
Time ranges: 2005-06-16 - 2005-06-16
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