Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Ameisen (Hymenoptera: Formicidae) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Bernhard SEIFERT (2. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Ameisen werden regelmäßig als zu untersuchen- de Zielgruppe im Rahmen von Umweltverträglich- keitsstudien, bei der Erstellung landschaftspfle- gerischer Begleitpläne oder der Aufstellung von Pflege- und Entwicklungsplänen genannt. Ob es sinnvoll ist, so schwer bestimmbare Insekten als wichtige Indikatorgruppe im Rahmen von Umwelt- gutachten auszuweisen, soll hier nicht diskutiert werden. Neben diesem Nachteil, der ihre Eignung als Indikator in Frage stellt, haben Ameisen auch Eigenschaften, die sie dafür wiederum interessant machen. Eine solche Eigenschaft ist z.B. die sehr lange Lebensdauer der Kolonien. Ein einmal eta- bliertes und kräftig produzierendes Ameisennest muss bei einer sehr ungünstigen Veränderung von Umweltbedingungen nicht sofort aussterben. Die Erzeugung von Geschlechtstieren oder Luxuspro- duktionen (wie die von sehr großen Arbeitern) werden zwar eingestellt, doch die Kolonie an sich kann noch jahrelang an einem Ort auf Sparflam- me überleben. So kann man auf ehemaligen, star- ker Devastierung unterlegenen Trockenrasen, die botanisch nicht mehr als solche zu erkennen sind, durchaus noch Restpopulationen von Ameisen- arten finden, die 15 Jahre früher noch Charakter- arten eines artenreichen Trockenrasens gewesen sein dürften. Diese verzögerte Reaktion von Amei- senpopulationen könnte man auch als Kurzzeit- gedächtnis eines Standortes bezeichnen. Ein weiterer Vorteil einer Indikation mit Ameisen ist die relativ hohe topographische Genauigkeit der gemachten Aussagen. Auch wenn kein Nestfund gelang, ist der Fang nur eines Arbeiters stets als Anzeige für eine erfolgreiche Nestgründung in der Nähe des Fangortes zu bewerten. Datengrundlagen Die hier vorgelegte Rote Liste der Ameisen (Hy- menoptera: Formicidae) Sachsen-Anhalts ist eine Neubearbeitung der vor 9 Jahren erschienen Pu- blikation (SEIFERT 1995). Das Dargelegte beruht im Wesentlichen auf den Erfahrungen, die seit 1980 bei Feldarbeiten selbst gesammelt wurden, aus Erkenntnissen, die bei Bestimmungsarbeiten für Hochschuleinrichtungen und andere Instituti- onen der ehemaligen DDR gewonnen wurden. Etwa 63% der Daten beruhen auf eigenen Auf- sammlungen und 82% stammen aus der Zeit nach 1945. Alle ostdeutschen Museumssammlungen und alle zugänglichen Privatsammlungen wurden durchgesehen. Aufsammlungen der ökologischen Arbeitsgruppen der Universitäten Jena, Leipzig und Greifswald sowie des Instituts für Land- !$$ schaftspflege und Naturschutz Halle aus der Zeit seit 1970 wurden determiniert. Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass diese Aktivitäten zu einer flächendeckenden Erfassung geführt hätten. Die Fläche nicht untersuchter Landesteile ist we- sentlich größer als die, von denen Daten vorlie- gen. Die sehr schwachen Aufsammlungen in der ers- ten Hälfte des Jahrhunderts bedeuten, dass Aus- sagen über langfristige Bestandsveränderungen oder Gefährdungsgrade bei Ameisen oftmals nicht unmittelbar möglich sind und nur indirekt über die aktuelle Bestandsituation, die Habitatbindung und Landschaftsentwicklung abgeleitet werden kön- nen. Daher muss Vieles, was in der Roten Liste angenommen wird, lediglich als wahrscheinlich gelten. Bei Fehlen von Nachweisen seit 1980 wurden sehr versteckt nistende Arten in Katego- rie 1 und leichter nachweisbare Arten in Katego- rie 0 eingestuft. Bemerkungen zu ausgewählten Arten Die Beurteilung des Gefährdungsgrades vieler sozialparasitischer Arten ist sehr problematisch. Ihr Nachweis bedarf meist einer gezielten Nach- suche und die Tatsache des Vorliegens nur ganz weniger Nachweise für ein Bundesland, muss keineswegs bedeuten, dass sie in oberste Gefähr- dungskategorien einzustufen sind. Sind dessen Wirtsarten zudem noch weitverbreitete Massen- spezies, dann liegt es nahe, den Status eines sol- chen Sozialparasiten als weniger bedroht anzu- setzen als es die Zahl und Verteilung der Nach- weise fordern würde. Ein anderes Problem bietet die Einstufung solcher Arten wie Formica cinerea oder Myrmica rugulosa. Beide können sehr wohl als ökologisch speziali- sierte Leitarten für bedrohte natürliche Lebensräu- me (offene Sandtrockenrasen, Kiesbänke von Flüs- sen) angesehen werden, besiedeln andererseits aber vom Menschen geschaffene Kunsthabitate in teilweise mächtigen Populationen. Solche Arten sind daher als Spezies momentan nicht gefährdet. Da Rote Listen jedoch in erster Linie als Werkzeug für den Schutz gefährdeter natürlicher Lebensräu- me dienen sollen, ist es durchaus vertretbar, diese beiden Spezies doch in diese aufzunehmen. Infolge Synonymisierung haben sich im Vergleich zur 1. Fassung zwei Namensänderungen erge- ben: Epimyrma ravouxi (ANDRÉ, 1896) in Myrmo- xenus ravouxi (ANDRÉ, 1896) und Leptothorax tu- berointerruptus FOREL, 1915 in Leptothorax albi- pennis (CURTIS 1854). Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 1 1,2 Gefährdungskategorie R 1 2 - 7 12 - 8,8 15,0 3 28Rote Liste 48 35,060,0 Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Schwerpunktmäßig sind Ameisen xerothermophil. Die Habitate, in denen sie in Mitteleuropa die höchs- te Artenvielfalt entfalten, sind vor allem Trocken-, Halbtrocken- und Magerrasen, offene Heiden, Fels- trockenfluren, ausgesprochen thermophile Laub- und Nadelwälder, xerotherme Saumbiotope und auch einzeln oder im Bestand stehende Althölzer. In mesophilen, feuchten, nassen oder sehr stark beschatteten Lebensräumen ist ihre Artenvielfalt meist sehr gering. Hauptrückgangsursache ist die Zerstörung ganzer Habitate oder bestimmter Ha- bitatstrukturen. Eine spezielle Auflistung der für jede einzelne Art bedeutsamen Gefährdungsfaktoren ist derzeit nicht möglich. Eine für viele Arten ganz wesentliche Rückgangs- ursache ist die Zunahme der Pflanzendichte und -höhe in der Feld- und Strauchschicht besonnter Offen- und Saumhabitate, die durch starken Nähr- stoffeintrag und/oder fehlende Bewirtschaftung Gesamt 80 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Ameisen Sach- sen-Anhalts. (Einstellen von Mahd oder Schafbeweidung) be- wirkt wird. Dies führt zu einer nachhaltigen Ver- schlechterung der mikroklimatischen Bedingungen in der obersten Bodenschicht und im bodenna- hen Raum. Da die Nestanlage eines Großteils der Ameisenarten in genau diesen Schichten erfolgt und die meisten bedrohten Arten relativ hohe Tem- peraturen zur Brutentwicklung benötigen, ist das eine der wesentlichsten Gefährdungsursachen. Die endgültige Auslöschung solcher empfindlichen Arten durch konkurrenzstärkere Ubiquisten wie z.B. Lasius niger oder Myrmica rubra ist dann nur eine Frage der Zeit. Die Zunahme der Pflanzen- dichte in der Feldschicht kann aber auch die Be- wegungsgeschwindigkeit der flugunfähigen und produktionsbiologisch ineffizienten Ameisen er- heblich beeinträchtigen, da die Nahrungssuche und der Rückstransport der Nahrung zum Nest mechanisch und thermisch verzögert wird. Der Rückgang von einigen Ameisenarten in stark ver- grasten Wäldern macht das deutlich. Art (wiss.)Kat. Anergates atratulus (SCHENCK, 1852) Aphaenogaster subterranea (LATREILLE, 1798) Camponotus fallax (NYLANDER, 1856) Dolichoderus quadripunctatus (LINNAEUS, 1771) Formica cinerea MAYR, 1853 Formica exsecta NYLANDER, 1846 Formica lusatica SEIFERT, 1997 Formica pratensis RETZIUS, 1783 Formica truncorum FABRICIUS, 1804 Formicoxenus nitidulus (NYLANDER, 1846) Harpagoxenus sublaevis (NYLANDER, 1849) Lasius alienus (FÖRSTER, 1850) Lasius bicornis (FÖRSTER, 1850) Lasius jensi SEIFERT, 1982 Lasius meridionalis (BONDROIT, 1920) Lasius myops FOREL, 1894 Lasius paralienus SEIFERT, 1992 Lasius psammophilus SEIFERT, 1992 Lasius reginae FABER, 1967 Leptothorax affinis MAYR, 1855 Leptothorax albipennis (CURTIS, 1854) Leptothorax corticalis (SCHENCK, 1852) Leptothorax interruptus (SCHENCK, 1852) Leptothorax nigriceps MAYR, 1855 Leptothorax parvulus (SCHENCK, 1852) Leptothorax tuberum (FABRICIUS, 1775) Leptothorax unifasciatus (LATREILLE, 1798) Myrmecina graminicola (LATREILLE, 1802) Myrmica gallienii BONDROIT, 19203 2 2 2 3 0 3 3 3 3 2 3 2 3 3 1 2 3 1 3 3 2 3 2 3 2 3 3 2 Bem. 1976 01) !$% Art (wiss.)Kat. Myrmica hirsuta ELMES, 1978 Myrmica lobicornis NYLANDER, 1846 Myrmica Ionae FINZI, 1926 Myrmica rugulosa NYLANDER, 1849 Myrmica sabuleti MEINERT, 1861 Myrmica salina RUZSKY, 1905 Myrmica scabrinodis NYLANDER, 1846 Myrmica schencki VIERECK, 1903 Myrmica specioides BONDROIT, 1918 Myrmica vandeli BONDROIT, 1920 Myrmoxenus ravouxi (ANDRE, 1896) Plagiolepis vindobonensis LOMNICKI, 1925 Polyergus rufescens (LATREILLE, 1798) Ponera coarctata (LATREILLE, 1802) Ponera testacea (EMERY, 1895) Solenopsis fugax (LATREILLE, 1798) Strongylognathus testaceus (SCHENCK, 1852) Tapinoma ambiguum EMERY, 1925 Tapinoma erraticum (LATREILLE, 1798)2 3 3 3 3 1 3 3 3 1 1 1 1 3 2 3 3 3 3 Bem. Nomenklatur nach SEIFERT (1994). Abkürzungen und Erläuterungen; letzter Nachweis/ Quelle (Spalte Bem.) 01) - 24.07.1976, Knittelholz bei Zeitz, det. SEIFERT Literatur SEIFERT, B. (1994): Die freilebenden Ameisen Deutschlands (Hymenoptera: Formicidae) und Angaben zu deren Taxo- nomie und Verbreitung.- Abhandlungen und Berichte des Naturkundemuseums, Forschungsstelle Görlitz (Görlitz), 3: 1-44. Anschrift des Autors Dr. Bernhard Seifert Staatliches Museum für Naturkunde Görlitz Landesmuseum des Freistaates Sachsen PSF 300 154 D-02806 Görlitz E-Mail: bernhard.seifert@smng.smwk.sachsen.de !$& SEIFERT, B.(1995): Rote Liste der Ameisen des Landes Sach- sen-Anhalt.- Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, 18: 42-44.
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2005-06-16
Modified: 2005-06-16
Time ranges: 2005-06-16 - 2005-06-16
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