Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Grabwespen (Hymenoptera: Sphecidae) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Eckart STOLLE, Frank BURGER und Barbara DREWES unter Mitarbeit von Rolf FRANKE, Hans-Joachim JACOBS, Ewald JANSEN, Sigbert KALUZA und Christoph SAURE (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Mit etwa 250 Arten aus drei Familien bilden die Grabwespen in Deutschland nach den Bienen die zweitgrößte heimische Stechimmengruppe. Die früher als Sphecidae zusammengefassten para- phyletischen Grabwespen werden nach neueren Erkenntnissen (vgl. OHL 2000) in drei Familien, die ursprünglichen Ampulicidae, die Sphecidae und die den Bienen nahe stehenden Crabronidae un- terteilt. Aus praktischen Gründen verzichten wir jedoch auf eine getrennte Abhandlung. Taxonomisch können die Grabwespen weitestge- hend als geklärt gelten. Die Bestimmung kann zumeist mit DOLLFUSS (1991), OEHLKE (1970) und JACOBS & OEHLKE (1990) erfolgen. Ergänzungen für die Gattungen Nysson, Psenulus und Trypoxylon geben SCHMID-EGGER (1996, 2002) und ANTROPOV (1992). Schwierigkeiten bereiten seit jeher einige Artengruppen innerhalb der Gattung Pemphredon, deren Status noch nicht eindeutig ist. SCHMIDT & S CHMID -E GGER (1997) folgend betrachten wir entgegen der Synonymisierungen durch DOLLFUSS (1991, 1995) P. enslini, P. morio, P. mortifer und P. wesmaeli als valide Arten. Grabwespen kommen in fast allen terrestrischen Lebensräumen vor. Ein Großteil von ihnen zeigt jedoch eine Vorliebe für offene, trockenwarme Bio- tope, wie Sanddünen, Heiden, Trockenrasen oder warme Waldränder. Ersatzbiotope anthropogener Herkunft, wie Sand- und Kiesgruben, Übungsplät- ze oder Lehmmauern, werden oft ebenso gern von solchen wärmeliebenden Arten besiedelt. Die Wes- pen graben hier in das leicht zugängliche Substrat Brutröhren, in denen später die Entwicklung der Larven statt findet. Andere, besonders die hyper- gäisch nistenden Arten, bewohnen Schilfröhrich- te, Hochstaudenfluren oder Wälder, wo sie ihre Nester in Pflanzenstängeln oder morschem Holz anlegen bzw. vorhandene Strukturen, insbesondere solche anderer Insekten, wie z. B. Bohrlöcher xy- lophager Käfer im Holz oder verlassene Lipara- Gallen im Schilf, für die Brutvorsorge nutzen. Bis auf wenige Ausnahmen wird Brutfürsorge betrie- ben. Für einige Sandwespen (Ammophila-Arten) und für die Kreiselwespen (Bembix) ist Brutpflege bekannt (vgl. u.a. OLBERG 1959, OEHLKE 1970). Als Larvennahrung für die ausnahmslos carnivoren Grabwespen dienen andere Insekten und in weni- gen Fällen (Trypoxylon, Miscophus) auch Spinnen. Hierbei beschränkt sich das artspezifische Beute- spektrum oft auf bestimmte Taxa, meistens meh- rere Gattungen oder Familien, selten nur eine oder wenige Spezies. Bei einigen Arten konnte intraspe- zifischer Brutparasitismus beobachtet werden, bei dem die Nestanlage oder die Beute von der Vor- gängerin übernommen werden (Ammophila). Weiterhin leben die Vertreter der Gattung Nysson kleptoparasitisch bei bestimmten Arten der Goryti- ni-Gattungen Argogorytes, Gorytes und Harpactus. Die Imagines ernähren sich hauptsächlich von Nektar, den sie von für ihre kurzen Mundwerkzeu- ge zugänglichen, flachgründigen Blüten (ins- besondere Apiaceae) aufnehmen. Daneben wird auch der von Blattläusen ausgeschiedene zucker- haltige Honigtau oder seltener auch Körpersäfte pflanzlicher oder tierischer Herkunft, aus den ur- sprünglich als Larvennahrung gejagten Beutetie- ren, von den Wespen als Nahrungsquelle genutzt (BLÖSCH 2000). Datengrundlagen In Sachsen-Anhalt hat die Bearbeitung der Stech- immen eine schon etwa 150jährige Tradition. Bereits Ernst Ludwig TASCHENBERG untersuchte in der Mitte des 19. Jahrhunderts Gebiete in der Umgebung von Halle. Seine Arbeit setzten spä- ter Otto TASCHENBERG, Paul BLÜTHGEN, Ernst HEI- DENREICH, W. WALLIS u.a. fort. In den letzten 30 Jahren gab es nur noch vereinzelte Sammelakti- vitäten. Die umfangreichste, das Gebiet von Sach- sen-Anhalt betreffende Arbeit, lieferte OEHLKE (1970) in den Beiträgen zur Insektenfauna der DDR, in der der größte Teil der bis dahin bekann- ten Literatur sowie Material aus verschiedenen öf- fentlichen und privaten Sammlungen ausgewer- tet wurde. Ein Nachtrag in gleicher Weise erfolgte 1990 (JACOBS & OEHLKE 1990). Die Datenbasis für die vorliegende Rote Liste wurde letztendlich durch diese Arbeiten gebildet und durch weitere ältere sowie neuere Literatur (DREWES 2001, VI- SCHER 2001), die eigenen Erfassungen und Mate- rial oder Fundmeldungen vieler Kollegen ergänzt. Zusätzlich wurde die Sammlung des Museums für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau nahezu vollständig und die des Zoologischen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg teil- weise überarbeitet. Nach aktuellem Kenntnisstand sind aus Sachsen- Anhalt 196 Grabwespen-Arten bekannt. Der von OHL (2001) für Sachsen-Anhalt aufgeführte Am- pulex fasciata JURINE, 1807 wurde nicht mit auf- !$' Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Gefährdungskategorie R 1 2 7 14 22 0 35 17,9 3,6 7,1 11,2 3 26Rote Liste 104 13,353,1 G 4Kategorien D V 6 3Sonstige Gesamt 13 2,03,16,6 1,5 genommen, da die Quelle (noch) unbekannt ist. Weiterhin ist der Fund eines Weibchens von Sti- zus perrisi DUFOUR, 1838 bei Landsberg (7/1922, leg. MEYER, OEHLKE 1970) bis auf weiteres zu strei- chen. Laut JACOBS & OEHLKE (1990) handelt es sich sicher nicht um das Landsberg bei Halle, sondern um einen gleichnamigen Ort im Osten der ehem. Provinz Brandenburg (heute Polen). Die von BLÜTHGEN (1942) für das Saaletal aufgeführten Arten wurden vorläufig mit aufgenommen, auch wenn es z.T. nicht möglich ist, sie eindeutig Sach- sen-Anhalt zuzuordnen. Das Areal solcher medi- terran verbreiteten Arten kann erfahrungsgemäß sowohl den thüringischen Teil des Saaletals und den Kyffhäuser als auch den Süden Sachsen- Anhalts umfassen. Die sehr überschaubare Zahl von Bearbeitern und die oft versteckte Lebensweise der Wespen führ- te zu einem regional sehr heterogenen Erfas- sungsstand. Am besten sind die klassischen Sam- melgebiete um Halle, Dessau und Naumburg un- tersucht, während aus den nördlichen Landestei- len vergleichsweise wenige Daten zur Verfügung stehen. Somit sind die Kenntnisse zu vielen Ar- ten noch unvollständig. Probleme bei der Bewer- tung ergaben sich deshalb vor allem bei aktuell wenig gefundenen Grabwespen. Insgesamt ist die Datenlage als nicht zufriedenstellend einzuschät- zen und darum die Liste zu überarbeiten und zu ergänzen. Obwohl sich meist keine Bestandstrends aufstel- len lassen, da sich die früheren und die aktuellen Daten aufgrund der methodisch verschiedenen Herangehensweisen und der Erfassungsdichte schlecht vergleichen lassen, konnte doch bei eini- gen Grabwespen mindestens ein lokaler Rückgang durch Verschwinden alter Vorkommen festgestellt werden. Von anderen Arten (z.B. Ammoplanus perrisi, A. marathroicus) sind in den letzten Jahren vermehrt Funde bekannt geworden, was aber wahr- scheinlich nicht auf eine Bestandszunahme, son- dern auf eine intensivere faunistische Tätigkeit mit anderen Sammelmethoden zurückzuführen ist. Die Nomenklatur der Arten folgt BOUCEK (2001) (Am- moplanus), MENKE & PULAWSKI (2000) (Sphex) so- wie SCHMIDT & SCHMID-EGGER (1997). Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Als Hauptgefährdungsursache kann generell der Verlust geeigneter Lebensräume benannt werden. !% Gesamt 196 Gesamt 196 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Grabwespen Sachsen-Anhalts. Tab. 2: Übersicht zur Einstu- fung in die sonstigen Kategori- en der Roten Liste. Stark bedroht sind die zahlreichen in den meist kurzlebigen, trockenwarmen und vegetationsar- men Biotopen (Trockenrasen, Dünengebiete bzw. Tagebaue, Truppenübungsplätze etc.) lebenden Arten. Nach Aufgabe der ursprünglichen und Feh- len einer Sekundärnutzung (z.B. Schafbeweidung) fallen diese innerhalb weniger Jahre der Sukzes- sion anheim bzw. werden durch eine Rekultivie- rung (Aufforstung u.ä.) oder Flutung als Lebens- raum ungeeignet. In anderen Lebensräumen sind Grabwespen durch eine intensivierte Agrar- und forstwirtschaftliche Nutzung gefährdet. Die Entnah- me des Alt- und Totholzes aus Wäldern, Streuobst- wiesen und Rainen oder Entfernung von gebüsch- und staudenreichen Acker- und Wegsäumen bzw. Ruderalstandorten führt vor allem zur Verminde- rung des Nistplatzangebotes und somit zum Rück- gang vieler Arten. Schließlich tragen Eutrophierung, Versiegelung, Insektizideinsatz, Verschmutzung und Belastung von Gewässerufern bzw. deren Ausbau und die Verdrängung einheimischer Pflan- zengesellschaften durch die Ausbreitung invasiver Neophyten (Heracleum mantegazzianum - Riesen- bärenklau, Reynoutria japonica - Japanischer Rie- senknöterich etc.) zur weiteren Verarmung unse- rer Grabwespenfauna bei. Zusätzlich müssen Ar- ten mit einer Verbreitungsgrenze in Sachsen-An- halt aufgrund der oft wenigen, lokalen Vorkommen potenziell als gefährdet gelten. Der langfristige, nachhaltige Schutz der Grabwespen muss darum durch den großflächigen Erhalt der Kultur- und Na- turlandschaft, extensive wirtschaftliche Nutzung und geeignete Maßnahmen gegen die aufgezeig- ten Probleme erfolgen. Danksagung Für die Determination zahlreicher Tiere der Gat- tung Pemphredon danken wir besonders J. VAN DER SMISSEN (Bad Schwartau), für die Unterstüt- zungen bei der Erstellung dieser Roten Liste W. BÄSE (Reinsdorf), H. BOCK (Siptenfelde), Dr. F. DZIOCK (Leipzig), T. MEITZEL (Berga), Dr. M. OHL (Berlin), T. PIETSCH (Halle), H. RUHNKE (Halle), Dr. H.-J. SCHULZ (Görlitz), Dr. A. STARK (Halle), Dr. W. TRAPP (Havelberg), den Mitarbeitern des Bereiches Fachplanung und Lebensraumtypen des Biosphä- renreservates Südharz i. Gr. (Roßla) sowie den Mitarbeitern der ehemaligen Naturschutzstation Südharz (Wippra). Auch den Kustoden und Mit- arbeitern der Sammlungen des Museums für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau (MNVD) (T. KARISCH & A. SCHÖNE), des Naturkundl. Muse- ums Mauritianum Altenburg (M. JESSAT) und des Zoologischen Instituts der Martin-Luther-Univer- sität Halle-Wittenberg (ZIH) (Dr. K. SCHNEIDER & J. HÄNDEL) sei für die Möglichkeit der Bearbeitung von Sammlungsmaterial gedankt. Für die Erlaub- nis zum Betreten besonders geschützter Biotope bzw. Landschaftselemente danken wir dem Lan- desamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Art (wiss.)Kat. Alysson spinosus (PANZER, 1801) Ammophila campestris LATREILLE, 1809 Ammophila heydeni DAHLBOM, 1845 Ammophila pubescens CURTIS, 1836 Ammoplanus marathroicus (DE-STEFANI, 1887) Ammoplanus perrisi GIRAUD, 1869 Argogorytes fargeii (SHUCKARD, 1837) Astata kashmirensis NURSE, 1909 Astata minor KOHL, 1885 Bembix rostrata (LINNAEUS, 1758) Cerceris interrupta (PANZER, 1799) Cerceris quadricincta (PANZER, 1799) Cerceris quadrifasciata (PANZER, 1799) Cerceris sabulosa (PANZER, 1799) Crabro lapponicus ZETTERSTEDT, 1838 Crabro peltarius (SCHREBER, 1784) Crabro scutellatus (SCHEVEN, 1781) Crossocerus assimilis (F. SMITH, 1856) Crossocerus capitosus (SHUCKARD, 1837) Crossocerus cinxius (DAHLBOM, 1838) Crossocerus congener (DAHLBOM, 1844) Crossocerus denticrus HERRICH-SCHAEFFER, 1841 Crossocerus dimidiatus (FABRICIUS, 1781) Crossocerus heydeni KOHL, 1880 Crossocerus tarsatus (SHUCKARD, 1837) Crossocerus vagabundus (PANZER, 1798) Crossocerus walkeri (SHUCKARD, 1837) Crossocerus wesmaeli (VANDER LINDEN, 1829) Didineis lunicornis (FABRICIUS, 1798) Dryudella pinguis (DAHLBOM, 1832) Dryudella stigma (PANZER, 1809) Ectemnius confinis (WALKER, 1871) Ectemnius fossorius (LINNAEUS, 1758) Ectemnius nigritarsus (HERRICH-SCHAEFFER, 1841) Ectemnius rugifer (DAHLBOM, 1845) Entomognathus brevis (VANDER LINDEN, 1829) Gorytes albidulus (LEPELETIER, 1832) Gorytes fallax HANDLIRSCH, 1888 Gorytes quadrifasciatus (FABRICIUS, 1804) Gorytes quinquecinctus (FABRICIUS, 1793) Gorytes quinquefasciatus (PANZER, 1798) Harpactus elegans (LEPELETIER, 1832) Harpactus formosus (JURINE, 1807) Harpactus laevis (LATREILLE, 1792) Harpactus lunatus (DAHLBOM, 1832) Harpactus tumidus (PANZER, 1801) Hoplisoides punctuosus (EVERSMANN, 1849) Lestica alata (PANZER, 1797)2 V 0 2 3 3 0 R 2 2 3 3 2 0 0 3 3 R 0 2 3 0 3 R 0 0 1 3 1 1 3 2 0 0 0 3 0 0 1 2 1 2 R 2 3 3 0 3 Bem. vor 1866 01) 02) A 03) 1967 04) A § BA 05) vor 1950 vor 1926 06) 2003 07) 1965 08) 2001 09) 10) 1924 11) 2003 12) vor 1910 13) 1973 14) 15) 16) 17) vor 1942 18) 1956 19) vor 1942 20) 1909 21) vor 1942 22) 23) vor 1942 24) !%
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2005-06-16
Modified: 2005-06-16
Time ranges: 2005-06-16 - 2005-06-16
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