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lu-krie_269-290-Wechselkroete.pdf

Description: ||||||||||||||||||||| Berichte 4.3.11 des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft WECHSELKRÖTE 4/2015: 269 – 290 Wechselkröte – Bufotes viridis (Laurenti, 1768) Wolf-Rüdiger Grosse und Marcel Seyring 1 ||||||||||||| FFH Artsteckbrief Kennzeichen: Große einheimische Krötenart mit deutlich warziger Haut, Warzen der Oberseite haben meist bräunlichen dornenartigen Höcker in der Mitte; Oberseite dunkelgrünes bis bräunliches Fleckenmus- ter auf weißlich cremefarbenem Untergrund, selte- ner graugrüner Grundton mit verwaschenen Flecken, orange bis rötlich gefärbte Warzen an den Körperflan- ken; hellgraue bis weißlich-gelbe Unterseite, häufig mit dunkelgrauen Flecken (zur Individualerkennung geeignet), breiter wuchtiger Kopf, waagerecht ellip- tische Pupille, zitronengelbe bis grünliche Iris mit schwarzen Sprenkeln; flache, parallel zueinander ver- laufende Ohrdrüsenwülste, unpaare Gelenkhöcker- chen auf der Zehenunterseite. Größe: Kopf-Rumpflänge der ♂♂ 45 – 90 mm und der ♀♀ 55 – 100 mm. Geschlechtsunterschiede/Trachten: ♂♂ kleiner, Oberseite dunkler, Fleckung nicht deutlich kontras- tiert, kräftigere Oberarme, Paarungsschwielen an der Innen- und Oberseite des Daumens und der Fin- ger 2 und 3, Kehlhaut dünn und violett gefärbt, kleine kehlständige Schallblase drei Ruftypen, Ruf der ♂♂ ein kontinuierlich an Lautstärke zunehmendes melo- disches Trillern; ♀♀ deutlich größer und schwerer, haben einen weißlich hellen Grundton der Oberseite mit deutlichem Kontrast zu der grünen Fleckung, rötli- che Warzen an den Flanken. Abb. 1: Wechselkröten im Paarungs- und Laichgewäs- ser (Montage); [Fotos: A. Westermann, K. Kürbis (links oben)]. FFH Habitat: Sandige Flussauen und steppenartige Bör- delandschaften, Pionierart und Kulturfolger, in Rest- wassertümpeln im Umfeld größerer Flüsse, flache Steinbruchgewässer, Fahrspurrinnen sowie Flachwas- serzonen von mittelgroßen Gewässern, Landlebens- raum sonnige Habitate wie Sand- und Kiesgruben, vegetationsarme Brach- und Ruderalflächen, Bahn- dämme und Äcker. Aktivität: Winterruhe (Mitteleuropa) witterungsabhän- gig von Oktober bis Ende März, Fortpflanzungszeit von April bis Juli, entsprechend lange Sommerphase der Adulti, Larven von April bis Juli. Wanderungen/Reviere: Altersabhängig, 1 – 2 km Ausbreitungswanderungen der Juvenes, Wechsel von 0,2 – 1 km im Laichgebiet, Sommerlebensraum Adulte zwischen 1 – 2 km, zwischen den Jahren mehrere Kilo- meter, Aktionsradius Populationen bis 10 km. Fortpflanzung/Entwicklung: ♀ legt je Saison 5.000 – 10.000 (15.000) Eier in zwei Schnüren mit 2 – 4 Reihen nebeneinander liegender Eier von 1,0 – 1,6 mm Durchmesser, mit Gallerthülle 4 – 6 mm, schwarz, unter Wasser am Boden 5 – 10 cm, in war- men Flachwasserbereichen oder im Uferbereich. Embryonalentwicklung kurz, stark temperaturabhän- gig, 2 – 4 Tage (25 °C), Larven beim Schlupf etwa 3 – 5 mm; Länge 30 – 45 mm, Riesenlarven bis 80 mm; Metamorphose nach 8 – 10 Wochen (Ausnahme 4 bis 6 Wochen bei ephemeren Flachgewässern), Metamor- phoslinge 10 – 16 mm, seltener bis 30 mm, an Land ab Juni bis Ende August; Jungtiere zur Überwinterung bis 45 mm lang, Geschlechtsreife mit zwei Jahren, ♂♂ selten bereits mit einem Jahr. Nahrung: Nahrungssuche in der Dämmerung, krab- belnde Insekten, vorwiegend Käfer, Ameisen, Spring- schwänze, auch Schnecken, Regenwürmer, Spinnen, Milben, Asseln. Alter: Bis 12 Jahre (18 Jahre im Terrarium). 269 WECHSELKRÖTE FFH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Das Gesamtverbreitungsgebiet dieser mehr kontinen- tal verbreiteten Steppenart reicht von Deutschland und Italien über Mitteleuropa inklusive größerer Mittel- meerinseln über das gesamte östliche und südöstliche Europa bis zum Ural. Sie ist auch auf Teilen der Ara- bischen Halbinsel verbreitet. Die nördlichsten Vorkom- men finden sich in Schweden und im Baltikum (Gün- ther & Podloucky 1996). Nach der Revision des Bufo viridis-Komplexes durch Stöck et al. (2006, 2009) ist die Wechselkröte (Bufotes viridis) in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas verbrei- tet. Die westliche Arealgrenze verläuft entlang einer Linie vom westlichen Nordrhein-Westfalen bis in den Nordosten Lothringens in Frankreich. Östlich reicht das Areal bis nach Kasachstan, südlich über Nordost­ italien bis nach Kreta. Dagegen werden die Wech- selkröten-Vorkommen in Süd-Schweden, Dänemark und Nordostdeutschland (westlicher Ostseeraum mit Ostholstein) möglicherweise einer eigenen Art Bufotes variabilis zugeordnet. Über eine mögliche Mischzone in dieser Region mit Bufotes viridis ist derzeit nichts bekannt. Weit entfernt von diesen Vorkommen ist das Taxon Bufotes variabilis von Griechenland über die Türkei, Zypern bis nach Syrien und in den Libanon verbreitet. Darüber hinaus ist B. variabilis im Irak und im Iran sowie im Kaukasus, Russland und Kasachstan verbreitet. Die auffällig große Verbreitungslücke zwi- schen den nördlichen Vorkommen in Südschweden, Dänemark und Norddeutschland und dem Hauptareal des Taxons könnte auch auf Defiziten im Bereich der Probenahme der wissenschaftlichen Untersuchungen beruhen. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland In Deutschland besitzt die Wechselkröte zwei deut- lich getrennte Großverbreitungsgebiete im Osten bzw. Nordosten sowie im Südwesten bzw. Süden. Vor allem der Osten ist lebensraumabhängig noch flächendeckend mit stabilen und großen Vorkommen besiedelt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Südwes- ten Deutschlands im Einzugsgebiet des Rheins. Er erstreckt sich von Rastatt entlang des Pfälzer Waldes und des Saar-Nahe-Berglandes bis zur Kölner Bucht. In Baden-Württemberg sind weiterhin Kraichgau, Obere Gäue und Neckargebiet besiedelt. Das dritte Schwerpunktvorkommen im Süden befindet sich in Bayern in der Münchner Schotterebene sowie im Isar- Inn-Gebiet. Im Nordwesten Deutschlands und am Alpenrand fehlt die Wechselkröte völlig. Dazwischen sind mehrere vereinzelte und stark isolierte Standorte bekannt. In Mitteleuropa bilden das östliche Schles- wig-Holstein, Niedersachsen, Thüringen, das Saar- land sowie im weiteren Verlauf das Rheintal die westli- che Verbreitungsgrenze der Wechselkröte. 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Nord- und Nordwestbrandenburg hat nur ganz verein- zelt Vorkommen der Wechselkröte, die keinen Kon- takt zu den auch in Nordost-Sachsen-Anhalt nur ganz vereinzelt auftretenden Populationen haben. Anders dagegen die Vorkommen im Südosten des Landes. Hier finden sich im Bereich des Elbtales und der Mul- deaue direkte Verbindungen zu dem Verbreitungs- schwerpunkt der Wechselkröte in Nordwestsachsen (Zöphel & Steffens 2002). Hauptverbreitungsge- biete sind hier die Dübener und Dahlener Heide, das Leipziger Land (einschließlich der Bergbaufolgeland- schaften rund um Leipzig) und südlich davon die Alten- burg-Zeitzer Lösshügellandschaft. Hier findet sich auch im äußersten östlichen Bereich die größte Dichte der Vorkommen in Thüringen. Sie reichen im Saale- einzugsgebiet bis an den Nordrand des Ostthüringer Schiefergebirges. Wärmegetönte Hanglagen des Kyff- häusers haben in Sachsen-Anhalt und in Thüringen Wechselkrötenvorkommen. Nur wenige Vorkommen zwischen Salzgitter und Helmstedt (Nördliches Harz- vorland) finden sich noch in Niedersachsen (NLWKN 2011) und bilden den Westrand des geschlossenen Areals der Art. Ein Anschluss an die Vorkommen in Sachsen-Anhalt, die allerdings bereits in der kontinen- talen Region liegen, ist gegeben. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen In Sachsen-Anhalt liegen von der Wechselkröte 1.701 Datensätze zwischen 1965 und 2014 vor. Seit 2001 wurde sie in 89 MTB nachgewiesen, womit sie mit einer Rasterfrequenz von 43 % zu den durchschnitt- lich verbreiteten Arten zählt (entspricht 192 MTBQ und 26 % Frequenz). Im Vergleich zu den letzten Erhebun- gen (Meyer et al. 2004) ist ein allgemeiner Rückgang Tab. 1: Datengrundlagen zur Wechselkröte in Sachsen-Anhalt. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) der Wechselkröte in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 270 WECHSELKRÖTE FFH Abb. 2: Altes Weibchen im Sommerlebensraum innerhalb dörflicher Strukturen (Foto: B. Simon). zu verzeichnen. Der Rückgang wiegt umso schwerer, wenn man die gestiegene Bearbeitungsintensität im Rahmen der Grunddatenerfassung berücksichtigt. Historische Verbreitung Das Vorkommen der Wechselkröte im heutigen Sach- sen-Anhalt hat durchaus deutschlandweite Bedeu- tung in der Geschichte der Herpetologie. Die Art fin- det bereits bei Wolterstoff (1888, 1893), Schulze (1891) und Dürigen (1897) ausführliche Würdigung. Bei Letzterem genannt werden die Vorkommen im Nördlichen Harzvorland von Braunschweig, Wolfen- büttel, Schönigen sowie im Ost- und Unterharz im „Badeteich und in einem Graben unterm Regenstein bei Blankenburg“, Ballenstedt (auch Hoffmann 1899), Quenstedt, Quedlinburg sowie an vielen Stellen im öst- lichen Harzvorland. Interessant ist das Vorkommen am alten Kloster in Roßleben, „in dessen Nähe, wie wir aus Rösel’s „Historia ranarum“ ersehen, vor fast andert- halb Jahrhunderten der Hallenser Zoologe Schreber in einem Steinbruch die grüne Kröte für Deutschland entdeckte“ (Roesel 1758 in Dürigen 1897). Die weni- gen anschließend erschienenen Einzelveröffentlichun- gen lieferten Informationen mit mehr lokalem oder regionalem Bezug. So führt Rimrod (1840) die Art in seiner Heimatkunde der Grafschaft Mansfeld und des Oberherzogtums Anhalt-Bernburg und bemerkt ihr Vorkommen bei Hettstedt. Ein weiteres Beispiel dafür ist die ausführliche Beschreibung der Vorkom- men der Art im Hallenser Saaletal auf den Kröllwitzer Höhen, am Trothaer Felsen, am Kröllwitzer Vorwerk in der sandigen Dölauer Heide, bei Seeben, auf dem Petersberg, am Salzigen See bei Teutschenthal und Erdeborn, Seeburg, und selbst in Gärten der Stadt Halle (Wolterstorff 1888). Taschenberg (1909) und Schortmann et al. 1941 bestätigen diese Fund- orte. Wolterstorff (1928) kannte die Art aus der Altmark in Stendal und bei Goldbeck. Buschendorf (1984) und Gassmann (1984) erwähnen noch Vor- kommen bei Zeitz und südlich von Bitterfeld. Auffällig war das damals noch geschlossene Verbreitungsband vom Nordrand des Harzes, dem Nördlichen Harzvor- land, Teilen der Magdeburger Börde bis zur Elbenie- derung bzw. den Kreis Haldensleben. Für den damals zum Bezirk Cottbus gehörigen Kreis Jessen sind nur sehr wenige Vorkommen dokumentiert (Krüger & Jorga 1990). Diese Daten erscheinen dann auch bei Schiemenz & Günther (1994). Aus Nordwest-Sach- sen zwischen Radefeld, Lindenthal und Schkeuditz waren bis in die 1970er Jahre etliche syntope Vorkom- men von Wechsel- und Kreuzkröte bekannt (Grosse 1976, 1977). Die Vorkommen erreichten im Bereich des Schkeuditzer Kreuzes auch das heutige Sachsen-An- halt. In diesen Vorkommen am Rande von Truppen- übungsplätzen, Kiesgruben, Flugplatz Schkeuditz und den Bahnanlagen der Strecke Leipzig-Halle kam es in manchen Jahren, wenn beide Arten gleichzeitig in Paa- rungsstimmung waren und die Wechselkröten entlang der Wanderwege auf die in den Spurrinnen sitzenden Kreuzkröten trafen, zu Fehlverpaarungen, aus denen lebensfähige Bastarde entstanden (meist Wechselkrö- ten ♀ x Kreuzkröten ♂). Mit Krötenbastarden aus dem Freiland und Labor wurde in den 1950er Jahren an der Universität Halle geforscht (Weiss & Ziemann 1959). Schiemenz & Günther (1994) erwähnten das Fehlen der Art in großen Teilen der Altmark und in den Acker- baugebieten rund um Magdeburg. Dicht besiedelt waren das Hallesche Ackerland und weiter in Richtung Nordwestsachsen die Gebiete bis zur Mulde. Allgemein fehlte die Art in den Mittelgebirgen. Für Sachsen-Anhalt wurde eine MTB-Frequenz von 48,8 % (MTBQ-Fre- quenz 23,3 %) ermittelt. Verbreitungsschwerpunkte der Wechselkröte lagen im Mittelteil Sachsen-Anhalts in den dortigen Börden und den Flussauen der mitt- leren Elbe, Mulde und Elster-Luppe-Aue. Weitlückig war das südliche Harzvorland besiedelt, was deutli- che Parallelen zur Verbreitung der Knoblauchkröte im Süden und Osten des Landes ergab. 271

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

Tags: Ostholstein ? Ameise ? Mansfeld ? Käfer ? Kröte ? Milbe ? Spinne ? Asseln ? Braunschweig ? Helmstedt ? Kraichgau ? Salzgitter ? Kölner Bucht ? Dübener Heide ? Regenwurm ? Ufer ? Insekt ? Baden-Württemberg ? Bayern ? Leipzig ? Niedersachsen ? Nordrhein-Westfalen ? Sachsen-Anhalt ? Thüringen ? Pfalz ? Südwestdeutschland ? Herpetologie ? Schweden ? Dänemark ? Norddeutschland ? Griechenland ? Larve ? Fluss ? Schnecke ? Schwimm- und Badeteiche ? Libanon ? Flechte ? Ökologie ? Frankreich ? Irak ? Iran ? Italien ? Rhein ? Russland ? Graben ? Türkei ? Zypern ? Kasachstan ? Syrien ? Erwachsener ? Metamorphose ? Steinbruch ? Mitteleuropa ? Kiesgrube ? Flussaue ? Habitat ? Karte ? Halbinsel ? Pionierpflanze ? Ostseeraum ? Kaukasus ? MOE-Staaten ? Baltikum ? Lothringen ? Ei ? Embryonalentwicklung ? Europa ? Flachwasser ? Haut ? Einzugsgebiet ? Untergrund ? Kulturfolger ? Ruderalfläche ? Kreta ? Heidelandschaft ? Ackerland ? Hang ? Wald ? Überwinterung ? Tal ? Gestein ?

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Language: Deutsch

Issued: 2016-01-16

Modified: 2016-01-16

Time ranges: 2016-01-16 - 2016-01-16

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