Description: ||||||||||||||||||||| Berichte 4.3.18 des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, KLEINER WASSERFROSCH Heft 4/2015: 399 – 418 Kleiner Wasserfrosch – Pelophylax lessonae (Camerano, 1882) Uwe Zuppke und Marcel Seyring 1 ||||||||||||| FFH Artsteckbrief Allgemeines: Dem Kleinen Wasserfrosch, als einer der drei heimischen Wasserfrosch-Formen, wurde erst durch Karaman im Jahre 1921 der Artstatus zuer- kannt, der aber zunächst von den meisten Herpetolo- gen nicht anerkannt wurde. Erst nach 1970 wird der Kleine Wasserfrosch von nahezu allen Autoren als eigene Art behandelt. Sein deutscher Name spiegelt wider, dass es sich um den kleinsten Vertreter der Wasserfroschgruppe handelt. Kennzeichen: Große morphologische Ähnlichkeit zu See- und Teichfrosch, so dass eine Artbestimmung nach dem Habitus unzureichend ist: Wichtigstes Merk- mal zur Artbestimmung im Freiland ist der innere Fer- senhöcker, der groß und halbkreisförmig hochgewölbt und stets länger als die halbe Länge der 1. Zehe ist. Eine relativ sichere Artansprache ist nur durch das Vermessen und Errechnen folgender Körperproportio- nen (nach Günther 1990) möglich: Quotient aus Kör- per-Rumpf-Länge/Unterschenkellänge > 2,2; Quotient aus Unterschenkellänge/Länge des Fersenhöckers < 7,0; Quotient aus Länge der 1. Zehe/Länge des Fer- senhöckers < 2,1. Die Färbung ist ähnlich der anderen Wasserfrösche grasgrün mit schwarzen Pigmentfle- cken auf dem Rücken. Gelbe bis orange Flecken an der Hinterseite der Oberschenkel sowie in der Leisten- beuge. Unpigmentierte helle Schallblasen der ♂♂. Die sichere Artdiagnose ist bei dieser Art eigentlich nur auf der Basis molekulargenetischer Untersuchungen möglich. Bei der Artansprache nach den Rufen ist die Bestimmung der Wassertemperatur unerlässlich, da diese die Ruffrequenz und -dauer des Kleinen Was- serfroschs stark beeinflusst. Größe: Kleinste Art der Wasserfroschgruppe: Kopf-Rumpf-Länge zwischen 60 und 80 mm. Geschlechtsunterschiede/Trachten: ♀♀ sind mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 70 – 80 mm etwas größer als ♂♂ mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 60 – 70 mm. Deutliches FFH Merkmal der ♂♂ sind die hinter den Mundwinkeln liegenden Schallblasen. Während der Paarungszeit besitzen die ♂♂ Daumenschwielen und die Oberseite des Körpers färbt sich gelb. Die ♂♂ rufen zur Paa- rungszeit schnarrend, die Rufe sind von denen des Teichfroschs oft nur schwer zu unterscheiden. Habitate: Flache, besonnte und vegetationsreiche Kleingewässer in der offenen Landschaft (Wiesen, Felder), aber auch Wald- und Moorgewässer. Im Berg- land bis in Höhen von 850 m. Aktivität: Im März und April kommen die Tiere aus den Winterquartieren und wandern zu ihren Laichge- wässern. Die Fortpflanzung erfolgt zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Ein Teil der Frösche geht im Sommer zum Landleben über. Ende August beginnt die Abwan- derung zu den Winterquartieren. Wanderungen/Reviere: Die Wanderungen zwischen den Winterquartieren und Laichgewässern sind je nach Geländebeschaffenheit unterschiedlich weit. In Österreich wurde eine maximale Distanz von 15 km ermittelt. Fortpflanzung/Entwicklung: Die Eier sind 1,6 – 1,8 mm groß. Je ♀ werden 400 – 2.000 Eier in Laichklümp- chen zu je etwa 100 Eiern an submersen Pflanzen abgelegt. Bei Wassertemperaturen um 20 °C dau- ert die Embryonalentwicklung bis zum Schlupf 5 – 10 Tage. Die Larvenentwicklung dauert abhängig von der Wassertemperatur und Nahrung etwa 2 – 4 Monate. In der 1. Julihälfte und bei einer Körperlänge von 50 – 70 mm wandeln sich die Larven um. Die Jungtiere sind zunächst 15 – 30 mm lang. Im Alter von 2 Jahren pflanzen sie sich zum ersten Mal fort. Nahrung: Larven fressen zunächst pflanzliches Mate- rial (Algen, Detritus), mit zunehmendem Alter Klein- tiere (Kleinkrebse). Es werden alle sich bewegenden Tiere bis zur halben Körpergröße aufgenommen, also auch kleine Artgenossen und andere Anuren. Alter: Als Alter deutscher Tiere wurde 5 – 6 Jahre bekannt, in der Wolgaregion sollen sie bis zu 12 Jahre alt werden. Abb. 1: Männliche Kleine Wasserfrösche im Laichge- wässer (Montage, Fotos: A. Westermann). 399 KLEINER WASSERFROSCH FFH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Der Kleine Wasserfrosch ist eine rein europäische Art. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich nach Plötner (2005) von der Garonne-Mündung in Frankreich bis zur Wolga-Region in Russland. Die nördliche Verbrei- tungsgrenze des Kleinen Wasserfroschs verläuft von der französischen Ärmelkanalküste bis zu den balti- schen Staaten. Ein nördlicher gelegenes Vorkommen befindet sich an der schwedischen Ostseeküste. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft von Nord-Italien bis zum Donaudelta. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland In deutschen Veröffentlichungen werden wegen der Bestimmungsschwierigkeiten die drei Wasserfroschar- ten oftmals zusammengefasst als „Grünfroschkom- plex“ behandelt. Gröger & Bech z. B. schreiben 1986 in ihrer Herpetofauna für den damaligen Kreis Bitter- feld: „R. lessonae wurde bei den Feldarbeiten bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt“. Aus die- sem Grund ist auch das Verbreitungsbild des Kleinen Wasserfroschs in Deutschland sehr lückenhaft veröf- fentlicht. Es wird davon ausgegangen, dass der Kleine Wasserfrosch das gleiche Areal wie der Teichfrosch besiedelt. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen fehlt er aber in großen Bereichen entlang der Nordsee- küste (DGHT 2014). Auch im gewässerreichen Meck- lenburg-Vorpommern gibt es im Süden und Osten große unbesiedelte Bereiche, ebenso wie in Nord- rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. In Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wird der Kleine Wasserfrosch als selten eingestuft. Bereits 1974 zeigte Günther auf, dass die Angaben zur Verbreitung der „einzelnen Grün- frosch-Formen“ sehr lückenhaft sind und gibt eine, hauptsächlich auf eigenen Untersuchungen basie- rende, erste Übersicht über sichere Vorkommen in der ehemaligen DDR, wonach diese Art in allen Bezirken (außer Rostock) vorkam, ohne dass bestimmte Ver- breitungsmuster erkennbar waren. 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Für Sachsen geben Zöphel & Steffens (2002) unter Verweis auf die Bestimmungsunsicherheiten im Frei- land und fehlende systematische Untersuchungen Vorkommen in der südlich angrenzenden Düben-Dah- lener Heide und dem Torgauer Elbtal an, wobei letz- teres Vorkommen von Brockhaus (2012) in Frage gestellt wird. In Brandenburg fehlt der Kleine Wasser- frosch nach Günther (1996c) in der Prignitz und im Westfläming, kommt aber in einigen angrenzenden Gebieten, wie der unteren Havelaue, vor. Auch in Nie- dersachsen gibt es kein geschlossenes Verbreitungs- bild, hier grenzen Vorkommen im Wendland und im Südwestlichen Harzvorland an Sachsen-Anhalt. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen In der Datenbank des Landes Sachsen-Anhalt sind insgesamt 357 Beobachtungen von Kleinen Wasser- fröschen für den Zeitraum von 1981 bis 2014 gespei- chert. Auf die Zeit nach 2000 entfallen 279 Beobach- tungen. Historische Verbreitung Erst seit 1970 wird der Kleine Wasserfrosch von nahezu allen Autoren als eigenständige Art geführt. Nach Günther (1996) führt ihn Dürigen (1897) als eine „Form“ des Wasserfroschs unter den Namen „Rana esculenta var. lessonae“. Daher gibt es vor dieser Zeit keine zuverlässigen Angaben zu seiner Verbreitung in Deutschland. Auch in den Übersichts- arbeiten der einzelnen Bundesländer wird die Art erst nach 1970 erwähnt. Die Nachweise für die östlichen Bundesländer wurden von Schiemenz & Günther (1994) zusammengestellt. Auch in älteren lokalen Herpetofaunen aus Sachsen-Anhalt wird der Kleine Wasserfrosch nicht genannt oder auf Bestimmungs- unsicherheiten hingewiesen (z. B. Unruh 1980, Grö- ger & Bech 1986, Berbig 1995, Richter 1997). Auch bei Buschendorf (1984) und Gassmann (1984) sind (noch) keine Verbreitungskarten für diese Art enthal- ten. Für den damaligen Bezirk Magdeburg waren „bis- her noch keine Aussagen möglich“. Aus dem Bezirk Halle waren nur die von Schulz (1973) veröffentlich- ten Angaben aus dem Harz (Umgebung von Neudorf, Breitenstein und Straßberg) bekannt. Hinzu kam eine Feststellung bei Klosterode (Kr. Sangerhausen). Erst seit 1982 fand Jakobs (1985) Kleine Wasserfrösche an Kleingewässern im Fläming und später auch in der Dübener Heide des Kreises Wittenberg (Jakobs Tab. 1: Datengrundlagen zum Kleinen Wasserfrosch in Sachsen Anhalt. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) des Kleinen Was- serfroschs in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 400 KLEINER WASSERFROSCH FFH Abb. 2: Kleine Wasserfrösche bei der Revierbestimmung (man beachte die weiße Schallblase) (Foto: A. Westermann). 1986). Auch Krüger & Jorga (1990) verzichten auf eine Kartendarstellung zum Bezirk Cottbus, gehen aber davon aus, dass der Kleine Wasserfrosch „im gesamten Bezirksterritorium, zumeist mit dem Hyb- riden Rana kl. esculenta gemeinsam, vorkommen“ dürfte, halten aber auch die Existenz von „reinen“ Populationen sowohl des Kleinen Wasserfroschs als auch des Teichfroschs für möglich. Schiemenz & Günther (1994) stützten sich auf die gleichen Ergebnisse, wobei sie versucht haben, „nur sichere Vorkommen in die Karte einzutragen“. In ihrer Darstellung zeigt sich die Verbreitung des Kleinen Was- serfroschs in Sachsen-Anhalt als zerstreut liegende Fundpunkte im mittleren Westen (Harz und nördliches Vorland) sowie im äußersten Osten (Fläming, Dübener Heide), ist aber nur Ausdruck des damaligen Kenntnis- standes. Auch bei Günther (1996) sind nur diese Vor- kommenspunkte enthalten, mit der für ganz Deutsch- land geltenden Bemerkung, dass er „über die wirkliche Verbreitung … nur unzureichend unterrichtet“ ist. Verbreitung nach Landesfauna 2004 Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung im Felde und das mitunter gemeinsame Vorkommen mit den ande- ren Wasserfrosch-Formen, besonders dem Teich- frosch, haben dazu geführt, dass der Kleine Wasser- frosch auch bei der Kartierung 1995 – 2000 (Meyer et al. 2004) in Sachsen-Anhalt unterrepräsentiert war. Von insgesamt 3.638 Fundpunkten mit „Wasser- frosch“-Nachweisen entfielen nur 59 = 1,6 % auf den Kleinen Wasserfrosch, wovon die Mehrzahl nur auf eine Ansprache des Phänotyps (Färbung und Gestalt) bzw. der Rufe beruhte, so dass noch eine Reihe von Fehlbestimmungen einkalkuliert werden kann. Es muss davon ausgegangen werden, dass das damalige Kartierungsergebnis auch nicht die tatsächliche Ver- breitung des Kleinen Wasserfroschs in Sachsen-An- halt widerspiegelte. Diese Kartierung erbrachte Nach- weise auf 28 MTB, so dass sich eine Frequenz von lediglich 15 % ergab. Die Nachweise kamen aus dem Unstrut-Triasland, dem Fläming, dem Drömling (teil- weise veröffentlicht bei Braumann 1993 und Zuppke 1995), dem Tanger-Gebiet, dem Unteren Saaletal, dem Halleschen Ackerland und dem Zeitzer Bergbau- gebiet, sowie vereinzelte Vorkommen aus dem Mittel- harz, dem Rhin-Havel-Luch, den Altmarkheiden, dem Börde-Hügelland, dem Elbtal, dem Schwarze-Els- ter-Tal und dem Nördlichen Harzvorland. Karte 2: Vorkommen des Kleinen Wasserfroschs in Sach- sen-Anhalt auf MTBQ-Basis. 401
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2016-01-17
Modified: 2016-01-17
Time ranges: 2016-01-17 - 2016-01-17
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