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Description: 4.2.2.11 Libellen (Odonata) (FFH Anh. II, IV) – M. SCHULZE & T. SY Einleitung Libellen haben in den letzten Jahren innerhalb von Naturschutzfachplanungen zunehmend an Bedeu- tung als Bioindikatoren gewonnen. Eine Vielzahl von Vertretern dieser sehr alten und ursprüngli- chen Insektengruppe sind stenöke Arten mit spe- ziellen Habitatansprüchen, weshalb Bodenständig- keitsnachweise dieser Arten einen hohen natur- schutzfachlichen Wert des untersuchten Lebens- raumes anzeigen. Ein hoher Prozentsatz der heimischen Arten ist heute aufgrund irreversibler Schädigungen ihrer präferierten Gewässertypen mehr oder minder stark gefährdet. Von einem besonders akuten Le- bensraumverlust und massiven Bestandsrück- gängen waren und sind insbesondere die rhe- ophilen Fließwasserarten und die Moorarten un- ter den Libellen betroffen. Viele Arten reagieren auf organische Belastungen, auf Strukturverluste und anthropogene Nutzungsintensivierungen innerhalb ihrer Vermehrungsstätten äußerst emp- findlich. An solchen stark beeinträchtigten Gewäs- sern ist das Artenspektrum zumeist auf wenige häufige und ubiquitär verbreitete Arten be- schränkt. Aufgrund der oft langen aquatischen Larvalphase der Libellen kommt dem Schutz geeigneter Reproduktionsgewässer eine vorder- gründige Bedeutung zu. Für die meist kurzlebi- gen Imagines ist hingegen auch die Sicherung geeigneter Landhabitate von großem Belang. Erfassungsstand Der Kenntnisstand zur Artengruppe musste im Saale-Unstrut-Triasland vor Beginn der im Rah- men des ABSP erfolgten aktuellen Zusammen- stellung vorhandener Daten sowie gezielter Da- tenerhebungen als nicht ausreichend bezeichnet werden. Mehr oder weniger vollständige Erfas- sungen lagen nur von relativ wenigen und kleine- ren Teilgebieten vor. Übersichtsarbeiten zur Libel- lenfauna des Saale-Unstrut-Gebietes oder grö- ßerer Teilbereiche desselben existierten bislang nicht. So sind den Arbeiten von MÜLLER (1999a) sowie STEGLICH & MÜLLER (2001a, 2004) neben den unten genannten keine weiteren Hinweise auf Artvorkommen im Saale-Unstrut-Gebiet zu entnehmen. Wie wenig gerade im Südteil des Gebietes über die Artengruppe bekannt ist, wird auch durch die von S TEGLICH & MÜLLER (2001b) ausgewertete Sammlung von BEUTHAN (1923-1944) verdeutlicht, die trotz ihres relativ geringen Umfangs einen grö- ßeren Teil von historischen Fundorten im Raum Leißling-Naumburg beisteuerte. Erst im Rahmen von Pflege- und Entwicklungs- plänen sowie Schutzwürdigkeitsgutachten wurden ab den 1990er Jahren systematische Erhebungen zur Artengruppe durchgeführt. So beinhaltet der Pflege- und Entwicklungsplan für das damals einstweilig unter Schutz gestellte NSG „Heide- landschaft und Feuchtgebiete bei Allstedt“ von ÖKOPLAN (1998), welcher eine Inventarisierung durch BOCK et al. (1994) voraus ging, zahlreiche Artnachweise. Daneben führte J. H UTH (damals OEKOKART, Halle) in den Jahren 1998 und 2004 Erhebungen im Bereich des FFH-Gebietes „Born- tal, Feuchtgebiet und Heide bei Allstedt“ durch, deren Ergebnisse dankenswerterweise zur Aus- wertung zur Verfügung gestellt wurden. Insge- samt wurden im FFH-Gebiet sowie in dessen Umfeld 33 Artnachweise erbracht. Eine weitere Arbeit, welche Nachweise von 26 Arten beinhaltet, stellt das Schutzwürdigkeitsgut- achten zum geplanten NSG „Unstrutaue bei Burg- scheidungen“ von RANA (2003) dar. Somit stel- len diese beiden Schutzgebiete die aus libellen- kundlicher Sicht am besten untersuchten Lebens- räume des Projektgebietes dar. Den Gutachten zum NSG „Wendelstein“ (S TADT UND LAND PLA- NUNGSGESELLSCHAFT MBH 1999) sowie zum NSG „Mordtal und Platten” (GFN 1995) sind dagegen nur relativ wenige Zufallsfunde zu entnehmen. Neben den o. g. Arbeiten existiert von P IETSCH (2003) eine Veröffentlichung zum Fund der Grü- nen Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia). Eine weitere Datenquelle stellen Erhebungen dar, die im Rahmen von Eingriffsplanungen, landschafts- pflegerischen Begleitplänen oder Umweltverträg- lichkeitsstudien stattfanden. Beispielhaft sollen hier die Planungen zum Planfeststellungsab- schnitt 2.2 der Neubaustrecke des ICE Erfurt- Leipzig/Halle (P LANUNGSBÜRO DRECKER 1994) oder die Untersuchungen zur Errichtung eines Wasserkraftwerkes bei Goseck (SCHULZE, Erhe- bungen 1997 i.A. von REGIOPLAN) angeführt wer- den. U n v e r ö ffentlichte Daten zur Artengruppe sind offensichtlich sehr rar. Den dem Landesamt für Umweltschutz vorliegenden Arterfassungsbögen ist nur ein Nachweis der Gemeinen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) durch TROST und NEU- MANN im Jahr 2003 zu entnehmen. Die Recherche bei Gebiets- und Artgruppenkennern (R. BRETT- FELD, P. LEOPOLD, DR. J. MÜLLER, T. PIETSCH, M. UNRUH) führte zur Ergänzung weniger Fund- punkte. Einige aktuelle Angaben zum Vorkom- men seltener Arten waren auch der Homepage von Dr. J. MÜLLER (www.faunoekjmueller-magde- burg.de) zu entnehmen. Im Rahmen der Gewäs- sergütebestimmung erfolgten zudem von W. KLEINSTEUBER vom Landesbetrieb für Hochwas- serschutz und Wasserwirtschaft (LHW) entspre- chende Untersuchungen, die zum Larvalnach- weis einiger Libellenarten in Saale und Unstrut führten. Eine weitere Datenquelle stellen unver- 235 Abb. 4.22: Nachweise von Libellen im Saale-Unstrut- Triasland ö ffentlichte Tagebuchaufzeichnungen von M . SCHULZE (Halle/S.) dar, die auf ehrenamtliche Aktivitäten zur Erfassung der Libellen im Land- kreis Merseburg-Querfurt ab Ende der 1990er Jahre zurückgehen. Größere Kenntnislücken konnten im Jahr 2004 mit Hilfe aktueller Untersuchungen teilweise ge- schlossen werden. So wurden von T. SY und M. SCHULZE (RANA, Halle) Erhebungen an folgen- den Orten durchgeführt: Gutschbach, Biberbach (Unter- und Oberlauf), Schmoner Bach, Hassel- bach, Steinbach, Wethau, Neue Tongruben im Ziegelrodaer Forst, Rohne, Unstrutaue mit Altarmen bei Wendelstein und Memleben. Weitere im Jahr 2004 ein- bis mehrmalig aufge- suchte Gewässer stellen der Röstbach bei Mem- leben, die Querne ober- und unterhalb Loders- leben, das Kriebitschbachtal, der Unstrutflut- kanal, Kleingewässer um Eulau und Schellsitz, Kleingewässer am Warthügel sowie Lautersburg- teiche im Ziegelrodaer Forst, der Ortalsborn bei Spielberg, das Staubecken am Schmoner Bach westlich Oberschmon, Teilabschnitte des Siede- baches bei Liederstädt, Gräben in der Unstrutaue bei Karsdorf, die Alte Saale bei Leißling, ein Angelgewässer bei Gößnitz, die Saale bei Alt- löbnitz, Kleinheringen, Naumburg und Leißling, ein Fischteich bei Borgau, der Parkteich Stein- burg und der Grubenteich bei Neidschütz dar. Die für das Projektgebiet erstellte Funddatei, wel- che alle historischen und aktuellen Funde von 236 Libellen beinhaltet, enthält mit Stand von Oktober 2004 744 Datensätze. Die Lage der Fundorte verdeutlicht Abb. 4.22. Die Gesamtartenliste im Anhang umfasst sämtli- che zum jetzigen Zeitpunkt im Saale-Unstrut- Triasland bekannten Arten. Hinsichtlich der Sys- tematik und deutschen Artnamen folgen wir den Empfehlungen von M ÜLLER et al. (2001) sowie WENDLER et al. (1995). Der angegebene Gefährdungsgrad richtet sich nach den Einstufungen in den aktuell gültigen Roten Listen für Sachsen-Anhalt (M ÜLLER 2004) sowie Deutschland (OTT & PIPER 1998). Bedeutung des Saale-Unstrut-Trias- landes für die Libellen Der Schutzstatus der Libellen ergibt sich gemäß Anh. II und IV der FFH-Richtlinie der Europä- ischen Union sowie nach der Bundesarten- schutzverordnung. Gemäß letzterer gelten alle Libellen als „besonders geschützt“, die Helm- Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) als „streng geschützt“. Gleichfalls gelten nach § 10 (2) Nr. 10 und 11 BNatSchG die im Anhang IV der FFH- Richtlinie geführten Arten Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis), Asiatische Keiljungfer (Gomphus flavipes) und Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) als „streng geschützt“. Bisher sind 45 Libellenarten im ABSP-Gebiet nachgewiesen, verteilt auf 18 Klein- und 27 Groß- Tab. 4.20: Libellen – ausgestorbene oder verschollene Arten im Saale-Unstrut-Triasland Wissenschaftlicher NameDeutscher Nameletzter Nachweis FundortQuelle Calopteryx virgoBlauflüglige Prachtlibelle1943Hasseltalcoll. BEUTHAN Epitheca bimaculataZweifleck1923-1942?Alte Saale bei Leißling (Exuvie)coll. BEUTHAN libellenarten (Gesamtartenliste im Anhang). Da- runter müssen die Blauflügel-Prachtlibelle (Calop- teryx virgo) und der Zweifleck (Epitheca bimaculata) aufgrund fehlender Nachweise als verschollen gelten (Tab. 4.20). Angesichts des relativ geringen Datenmaterials, welches zu den Libellen bislang vorlag, ist diese Zahl als außerordentlich hoch zu bezeichnen. Dies ist in erster Linie auf das im Gebiet vorhandene breite Spektrum libellenkund- lich bedeutsamer Lebensräume zurückzuführen. Auch die als besonders gefährdet geltenden öko- logischen Gruppen der Fließgewässer- sowie der Moorarten finden hier geeignete Entwicklungsha- bitate. Entsprechend der aktuellen Darstellungen zur Li- bellenfauna des Landes Sachsen-Anhalt (MÜLLER 2004, MÜLLER & STEGLICH 2004a) sowie der jüngst erbrachten Nachweise der Feuerlibelle (Croco- themis erythraea) (BUTTSTEDT et al. 2004), der Schabrackenlibelle (Anax ephippiger) und der Südlichen Heidelibelle (Sympetrum meridionale) (www.faunoekjmueller-magdeburg.de) sind zwi- schenzeitlich 67 Arten für das Land Sachsen- Anhalt nachgewiesen. Deutschlandweit sind 81 Arten bekannt (JÖDICKE 2005). Demnach weist der betrachtete Raum aktuell (exkl. Calopteryx virgo und Epitheca bimaculata) ca. 64 % der Landes- und ca. 53 % der gesamtdeutschen Libellenfauna auf. Mit 21 Arten (inkl. Anax parthenope und Gom- phus flavipes, für die deutschlandweit eine Ge- fährdung anzunehmen ist) weist fast die Hälfte der aktuell im Gebiet nachgewiesenen Arten ei- nen Gefährdungsgrad gemäß Roter Liste Sach- sen-Anhalts und/oder Deutschlands auf. Darun- ter befinden sich auch Arten, die landesweit als „vom Aussterben bedroht“ gelten (Helm-Azur- jungfer) sowie solche, an deren Erhalt aufgrund der Nennung im Anh. II der FFH-Richtlinie der EU ein gemeinschaftliches Interesse besteht und zu deren Schutz besondere Schutzgebiete auszuwei- sen sind (Helm-Azurjungfer, Große Moosjungfer, Grüne Flussjungfer). Eine weitere Art (Asiatische Keiljungfer) wird zudem im Anh. IV der FFH-Richt- linie genannt. Weitere 3 Arten werden außerdem in der landes- und bundesweiten „Vorwarnliste“ geführt. Die Wärmebegünstigung und relative Nieder- schlagsarmut des Landschaftsraumes sind hin- reichend bekannt. Letzteres führt im Zusammen- hang mit den geologischen Gegebenheiten zur Gewässerknappheit im Untersuchungsraum und dazu, dass zahlreiche kleinere Fließgewässer lediglich eine periodische Wasserführung aufwei- sen. Dies beeinträchtigt die Ausbildung stabiler Populationen rheophiler Libellenarten erheblich. Viele der untersuchten Kleingewässer sind zudem anthropogenen Ursprungs, d.h. sie gehen auf Abgrabungstätigkeiten zurück. Die Zahl der natürlichen Stillgewässer ist im Gebiet insgesamt sehr gering und beschränkt sich vor allem auf Altarme an Saale und Unstrut. Die Lebensraum- beschränkung führt dazu, dass das Projektgebiet nur von wenigen Arten landesbedeutsame Vor- kommen beherbergt. Gleichzeitig sind regional- klimatische Faktoren dafür verantwortlich, dass der Anteil der Arten südlicher, mediterraner Herkunft mit 16 Arten (37,2 %) vergleichsweise hoch ist. Weitere 17 Spezies sind eurosibirischer Herkunft, 10 zählen zur überleitenden Gruppe (vgl. MÜLLER 1996). Die ökologische Gruppierung der o. g. hochgra- dig gefährdeten und streng geschützten Arten belegt den besonderen Stellenwert der Fließge- wässer sowie der Moorgewässer im ABSP-Ge- biet, wenngleich letztere aufgrund der Beschrän- kung auf den auch aus geologischer Sicht eine Sonderstellung einnehmenden Ziegelrodaer Forst nicht unbedingt als landschaftsraumtypisch gel- ten können. Die Heterogenität des Untersuchungsgebietes verursacht eine breite Streuung der ökologischen Anspruchstypen. So sind alle im Land Sachsen- Anhalt vertretenen ökologischen Gruppen im Projektgebiet mit jeweils mindestens einem Ver- treter nachgewiesen. Die Tab. 4.21 enthält die Aufschlüsselung der insgesamt 45 für das Gebiet belegten Arten auf die ökologischen Gruppen nach DONATH (1987) und MÜLLER (1996). Wie oben bereits erwähnt, ist die Gewässerarmut und die unstete Wasserführung vieler Bäche ein wesentlicher Grund dafür, dass der aus rein kli- matischen Gesichtspunkten für Artenvielfalt gera- dezu prädestinierte Landschaftsraum aus Landes- sicht nur für wenige Arten besonders bedeutsam ist. Hinzu kommt aber auch, dass der hohe Aus- baugrad zahlreicher Fließgewässer und die frü- here Gewässerbelastung die Ausbildung indivi- duenreicher Populationen anspruchsvoller Fließ- gewässerarten (bislang) verhindert hat. Vor dem Hintergrund des europäischen Schutz- status der in Sachsen-Anhalt keineswegs häufi- gen Arten Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercu - riale, Abb. 4.25) und Große Moosjungfer (Leucor- rhinia pectoralis, Abb. 4.25) müssen alle repro- duzierenden Vorkommen dieser Arten als landes- 237

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2009-02-02

Modified: 2009-02-02

Time ranges: 2009-02-02 - 2009-02-02

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