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Description: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Sonderheft 2/2010: 47–52 4.1.2 Vertigo moulinsiana (DUPUY, 1849) – Bauchige Windelschnecke Katrin HARTENAUER Gastropoda: Vertiginidae (Windelschnecken) Kurzcharakteristik der Art Kurzbeschreibung: Im Gegensatz zur Schwes- terart – der Schmalen Windelschnecke (Vertigo angustior) – ist das Gehäuse von Vertigo moulin- siana rechtsgewunden, gelblich- bis rötlichbraun und stark glänzend. Es ist 2,2 bis 2,7 mm hoch und 1,3 bis 1,6 mm breit. In der Mündung befin- den sich 4–8 Zähne. Die basalen sind durch ei- nen rippenförmigen Kallus miteinander verbunden (COLLING & SCHRÖDER 2003). Lebensraum und Biologie: V. moulinsiana be- wohnt Sümpfe und Moore, meist an See- und Flussufern vor allem in Niederungen. In Deutsch- land werden überwiegend Feuchtgebiete mit Röh- richten und Großseggenrieden, seltener feuchte bis nasse oligotrophe Wiesenbiotope besiedelt. Kalkreiche Standorte werden dabei bevorzugt. Die Tiere leben vor allem auf hoher Vegetation ca. 50- 100 cm über dem Boden und der Wasseroberflä- che, selten in der Streu. Sie steigen an Blättern und Stängeln auf und weiden dabei Kleinstpilze ab, die auf höheren Sumpfpflanzen schmarotzen (STEUSLOFF 1937) und ihre Hauptnahrung bilden. Die Schnecke wird als feuchte- und wärmelieben- de Art eingestuft, wobei vor allem mikroklimatische Habitatansprüche wie Luftfeuchte sowie der aus- gleichende klimatische Effekt der Wasserflächen von Bedeutung sind. In niederschlagsreichen Gebieten genügen die Feuchtigkeitsverhältnisse sonnenbeschienener Niederungsmoore, in nieder- schlagsarmen Gegenden kommt sie in der Um- gebung von Gewässern oder in Sümpfen mit ganz- jährig anstehendem Grundwasser vor (COLLING & SCHRÖDER 2003). Auf regelmäßig genutzten Stand- orten (Mahd, Beweidung) kann sich V. moulinsia- na nur wenig entfalten, da für die Art wesentliche Habitatstrukturen (senkrechte Pflanzenteile) ent- fernt werden. Auf Habitatflächen, welche einer regelmäßigen Nutzung unterliegen, sind deshalb Nutzungsformen vorteilhaft, durch die ausreichend hohe Vegetationsstrukturen erhalten bleiben. Verbreitung: Die Bauchige Windelschnecke ist europäisch (westpaläarktisch) verbreitet. Ihr Ge- samtverbreitungsgebiet reicht von Irland bis zum Abb. 4.1-21: Vertigo moulinsiana (DUPUY, 1849) – Bau- chige Windelschnecke (Fotos: äußeres Bild K. HARTE- NAUER, inneres Bild A. STARK). Kaukasus und von Südschweden bis in das Mit- telmeergebiet, wobei sich ihre Hauptvorkommen in West- (England, Irland, Frankreich) und Zen- traleuropa (Deutschland) befinden. Ihre individu- enreichsten Bestände hat sie aktuell in Südost- england und Nordostdeutschland (v. a. Mecklen- burg-Vorpommern), wobei letztere den größten Gesamtbestand der Art innerhalb der EU bilden. Auch in Süddeutschland (Oberrheingraben und Alpenvorland) bestehen große Vorkommen, insgesamt ist die Art aber bundesweit selten ge- worden. Bezüglich des Gefährdungs- und Schutzstatus wird auf Tab. 1-1 verwiesen. 47 Kenntnisstand und Vorkommen in Sachsen-Anhalt Von der Bauchigen Windelschnecke sind bislang nur wenige Fundorte bekannt. Rezente Nachwei- se der Art gibt es erst seit dem Jahr 2004 (KÖRNIG 2005). Zuvor waren keine Fundorte der Art be- kannt, auch in der Literatur fanden sich keinerlei Hinweise. Der erste Nachweis erfolgte am Cösitzer Teich in der Fuhneniederung, weitere Funde gelangen im Jahr 2005 im Zusammenhang mit der Erfassung von Vertigo angustior in den FFH-Gebieten „Salz- stelle bei Hecklingen“, „Erlen-Eschenwald bei Gutenberg“ sowie „Engelwurzwiese bei Zwint- schöna“. Der aktuellste Nachweis stammt aus dem Jahr 2009 von MENZEL-HARLOFF (schr. Mitt.), der V. moulinsiana am nördlichen Harzrand bei Wernigerode feststellte. In Brandenburg (Damelack, D05 Mecklenbur- gisch-Brandenburgisches Platten- und Hügelland) und Sachsen (Dommitzsch-Trossin, D10 Elbe- Mulde-Tiefland) besitzt die Art Vorkommen in un- mittelbarer Grenznähe zu Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt besiedelt V. moulinsiana lücki- ge Nasswiesen (Zwintschöna, Hecklingen), quell- nasse Großseggenriede (Gutenberg, Landgraben- Dumme-Niederung) und Wasserröhrichte im Ver- landungsbereich von größeren Stillgewässern (Cösitzer Teich). Bei allen Standorten steht das Grundwasser auch während der Sommermonate in Flurnähe. Erfassungsmethodik Da die Art bislang für Sachsen-Anhalt nicht be- kannt war, erfolgte im Zuge der aktuellen Kartie- rung keine gezielte Erfassung und Bewertung. Die nachfolgend aufgeführten Nachweise wurden im Rahmen der Ermittlung des Begleitartenspektrums bei Vertigo angustior erbracht und folglich mit der dort beschriebenen Methodik erhoben. Da V. moulinsiana sich an der Vegetation aufhält und keine ausgesprochene Streubesiedlerin ist wie Vertigo angustior, konnte somit nur ein Teil des jeweiligen Bestandes ermittelt werden. Auf einzel- nen Habitatflächen kann V. moulinsiana, metho- disch bedingt, übersehen worden sein. Die Art zeigt sehr große jahreszeitliche Populati- onsschwankungen. Der Kartierungszeitraum sollte dabei in den Monaten Juli und August liegen, da sie innerhalb dieses Zeitraums ihre optimale Indi- viduendichte erreicht (KEULEN 1998). Für die Nachbestimmung der Tiere sei Herrn Dr. V. WIESE (Cismar) an dieser Stelle herzlichst ge- dankt. Situation in den bearbeiteten FFH-Gebieten FFH-Gebiet 0102 – „Salzstelle bei Hecklingen“ Vertigo moulinsiana tritt im Nordteil des FFH-Ge- bietes, innerhalb der ausgedehnten Schilfröhricht- fläche sowie der Nasswiesenbrache, als Begleitart von Vertigo angustior auf. In dem großflächigen Landschilfröhricht gelangen nur Funde älterer Leer- schalen. Zumindest die Randbereiche des Stand- ortes sind weitgehend trocken und bieten V. mou- linsiana keine günstigen Habitatbedingungen. Für die Röhrichte und Seggenriede der Nasswie- senbrache südlich des Landröhrichts sind Lebend- funde der Art belegt. Hier kommt sie sowohl im Großseggenried als auch im salzbeeinflussten Strandsimsen-Röhricht vor. Die größte Individuen- dichte zeigte V. moulinsiana im Großseggenried. Die Habitatflächen im Bereich der Nasswiesen- brache sind z. T. durch Eutrophierungserscheinun- gen (z. B. hoher Nitrophyten-Anteil) sowie eine erhöhte Bodenverdichtung gekennzeichnet. Die Nasswiesenbrache wurde im Kartierungsjahr Ende Juli/Anfang August gemäht. Der Mahdter- min fällt damit genau in die Hauptaktivitätsphase von V. moulinsiana, nämlich Ende Juli/Anfang August. Bei einer regelmäßig (jährlich) innerhalb ihrer Hauptaktivitätsphase stattfindenden Nutzung werden die für sie wesentlichen Habitatstrukturen entfernt. FFH-Gebiet 0119 – „Erlen-Eschenwald bei Gutenberg nördlich Halle“ Abb. 4.1-22: Feuchtbrache anteilig mit lückigem Strand- simsen-Röhricht und Großseggenried, auf welcher bei- de Windelschneckenarten (Vertigo moulinsiana syntop mit V. angustior) vorkommen (Foto: K. HARTENAUER). 48 Die Nachweise von V. moulinsiana erfolgten im Nordteil des FFH-Gebietes zwischen Bachlauf und Kreisstraße K 2134. Sehr individuenreich stellt sich das quellnasse Großseggenried entlang des Ba- ches in Höhe des Feuchtwaldes dar. Innerhalb des sich in Richtung Straße anschließenden Landröh- richts wurden nur wenige ältere Leerschalen auf- gefunden. Das Röhricht ist sehr dicht, hochwüch- sig und weitgehend trocken und scheint als Le- Abb. 4.1-23: Übersicht über den habitatrelevanten Teil der Engelwurzwiese (Foto: K. HARTENAUER). bensraum für V. moulinsiana weitgehend unge- eignet zu sein. Südlich des Bachlaufes befindet sich ein großflä- chiger, quellnasser, lückiger Mischbestand aus Seggen und Schilf, der hinsichtlich der Standort- bedingungen für V. moulinsiana als optimal ein- zuschätzen ist. Im Zuge der Erfassung von V. angustior konnte die Art hier jedoch nicht festge- stellt werden. Ihr Vorkommen ist dennoch auf- grund der unterschiedlichen methodischen Vor- gehensweise nicht ausgeschlossen. Die als Pfer- deweide genutzte Feuchtwiese sowie die Hochs- taudenflur im nordwestlichen Teil scheinen dage- gen als Lebensraum weniger geeignet zu sein. teil bis in das Röhricht im Norden. Die Nasswiese ist lückig mit hohem Grundwasserstand. Sie wird einmal jährlich im Juli gemäht; das Mahdgut wird abtransportiert. Vermutlich konnte sich die Art auf der eigentlichen Engelwurzwiese bislang nur we- nig entfalten, da der Mahdtermin innerhalb ihrer Hauptaktivitätsphase Juli/August liegt und wesent- liche Habitatstrukturen weitgehend entfernt wer- den (inkl. der daran sitzenden Tiere). Die Röh- richte im Norden und im Mittelteil sind hoch- und dichtwüchsig und weisen ein vermehrtes Aufkom- men von Nitrophyten auf. Situation im Land Sachsen-Anhalt FFH-Gebiet 0142 – „Engelwurzwiese bei Zwintschöna“Repräsentanz der Vorkommen innerhalb der FFH-Schutzgebietskulisse Das Vorkommen von V. moulinsiana erstreckt sich über den gesamten Nasswiesenbereich im Süd-Von den aktuell bekannten sieben Vorkommen der Art befinden sich vier innerhalb von FFH-Gebie- Abb. 4.1-24: Hochstaudenreiches, nasses Großseggenried in der Landgraben-Dumme-Niederung (Foto: K. HARTENAUER). 49

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

Tags: Flussufer ? Bodenvegetation ? England ? Oberrheingraben ? Sachsen-Anhalt ? Röhricht ? Schnecke ? Vegetation ? Brandenburg ? Sachsen ? Süddeutschland ? Wiese ? Stillgewässer ? Mahd ? Frankreich ? Irland ? Moor ? Schilf ? Feuchtwiese ? Sumpfpflanzen ? Schutzstatus ? Bodenverdichtung ? Zahn ? Alpenvorland ? Niedermoor ? FFH-Gebiet ? Kaukasus ? Feuchtgebiet ? Bodenfauna ? Grundwasserstand ? Wasserfläche ? Beweidung ? Luftfeuchtigkeit ? Grundwasser ? Spezies ? Hügellandschaft ? Mischwald ? Brachfläche ? Fundort ?

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Language: Deutsch

Issued: 2010-11-15

Modified: 2010-11-15

Time ranges: 2010-11-15 - 2010-11-15

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