Description: 4.3 Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Sonderheft 2/2010: 113–128 Schmetterlinge (Lepidoptera) 4.3.1 Euphydrias aurinia (ROTTEMBURG, 1775) – Goldener Scheckenfalter Christoph SCHÖNBORN und Peter SCHMIDT Lepidoptera: Edelfalter (Nymphalidae) Abb. 4.3-1: Euphydryas aurinia (ROTTEMBURG, 1775) – Goldener Scheckenfalter; Männchen, links Ansicht von oben, rechts Ansicht von unten (Zoologische Sammlungen der Martin-Luther-Universität, coll. BUSCHING, Fotos: A. STARK). Kurzcharakteristik der Art Kurzbeschreibung: Beim Goldenen Schecken- falter ist die Oberseite der Flügel durch gelbliche und rötliche Flecken gekennzeichnet, die durch dunklere Binden sowie die dunkel bestäubten Adern voneinander getrennt sind. Die breite rot- braune Postdiskalbinde trägt auf den Hinterflügeln zwischen den Adern jeweils einen schwarzen Punkt. Auf den Vorderflügeln ist sie manchmal mit hellen Flecken versehen. Insgesamt ergibt sich ein „goldscheckiger“ Eindruck. Farbton sowie An- teile heller und dunkler Zeichnungselemente un- terliegen einer starken Variabilität, so dass Eup- hydryas aurinia zu unseren formenreichsten Tag- faltern gehört. Die Unterseite ist hell rotbraun und nicht so kontrastreich gezeichnet wie bei ande- ren Scheckenfaltern. Weibchen sind etwas grö- ßer als Männchen. Andere unmittelbar sichtbare Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind nicht vorhanden. Lebensraum und Biologie: Der Goldene Sche- ckenfalter ist im Sinne von WEIDEMANN (1995) ein „Verschiedenbiotopbewohner“. Feuchtwiesen (Pfeifengraswiesen) und Flachmoore, meist ge- schützt innerhalb von Wäldern oder in Bachtälern gelegen, dienen als Lebensraum. Hier können die Raupen am Teufelsabbiss (Succisa pratensis) beobachtet werden. Aber auch in Magerrasenge- sellschaften auf trockenen, basenreichen Böden tritt die Art vor allem im Süden Deutschlands auf. Als Raupennahrungspflanze wird hier die ebenfalls zu den Kardengewächsen (Dipsacaceae) gehö- rende Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria) genutzt. Gemeinsam ist beiden Habitattypen die lückige Vegetationsstruktur, Nährstoffarmut und extensive Nutzung, wobei frühe Brachestadien besonders gern besiedelt werden. Heute fehlt E. aurinia im Wirtschaftsgrünland mittlerer Standor- te fast immer. Vom Weibchen werden die gelben Eier auf die Blattunterseiten der Nahrungspflanzen in Gelegen plaziert. Zunächst leben die frisch geschlüpften Raupen gesellig in einem Gespinst, überwintern noch gemeinschaftlich und vereinzeln sich erst im Anschluss. Jahrweise starke Parasitierung kann zu erheblichen Schwankungen der Populations- dichte führen (PORTER 1983). In den aktuell besie- delten Habitaten in ST saugen die Falter nach Beobachtungen von SCHÖNBORN überwiegend am Schlangen-Wiesenknöterich (Bistorta officina- lis), manchmal auch an der Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre), an Flockenblumen (Centaurea sp.) und gelben Korbblütengewächsen. Die Art ist von der Ebene bis in die hochmontane Stufe bei ca. 1.000 m üNN zu finden. Viele Vor- 113 kommen besonders im Tiefland sind heute erlo- schen. Je nach Witterung und Höhenlage kann man von Mitte Mai bis Mitte Juli Imagines beobachten. Sie sind sehr standorttreu, fliegen langsam und sind auf den örtlich begrenzten Flugplätzen manchmal zahlreich anzutreffen (FISCHER 1997). In ST ist der Goldene Scheckenfalter bisher aus- schließlich in Feuchtbiotopen nachgewiesen wor- den. Populationen an Tauben-Skabiose in Kalk- magerrasen sind hier unbekannt, obwohl im süd- lichen Landesteil entsprechende Habitate vorhan- den sind und der besonders in Süddeutschland vorkommende Trockenrasen-„Ökotyp“ bereits im nördlichen Thüringen (Eichsfeld) angetroffen wer- den kann. Es hat den Anschein, als ob die Art in früherer Zeit Trockenstandorte nicht in dem glei- chen Umfang genutzt hat, wie es heute der Fall ist. So führt BERGMANN (1952) den Goldenen Sche- ckenfalter aus Mitteldeutschland (Thüringen und südliches ST) nur von den damals noch weit zahl- reicher vorhandenen Feuchtwiesen an, während die Art heute in Thüringen überwiegend auf Kalk- magerrasen vorkommt (THUST et al. 2006). Die Ursachen hierfür sind unbekannt. Es bleibt abzu- warten, ob auch in ST zukünftig trockene Stand- orte besiedelt werden. Nach WACHLIN (mündl.) liegen die letzten Vorkommen im nordostdeut- schen Tiefland ausschließlich in Pfeifengraswie- sen und Flachmooren. Verbreitung: Die Art kommt in den gemäßigten Gebieten Eurasiens von Korea bis Westeuropa sowie in Nordafrika vor. In Teilen des Mittelmeer- gebietes fehlt sie, in Skandinavien wird der 62. Breitengrad erreicht. Besonders im nördlichen Mitteleuropa sind viele Populationen erloschen oder bedroht. Bezüglich des Gefährdungs- und Schutzstatus wird auf Tab. 1-1 verwiesen. Kenntnisstand und Vorkommen in Sachsen-Anhalt Es ist davon auszugehen, dass der Goldene Sche- ckenfalter in Sachsen-Anhalt bis in die erste Hälf- te des 20. Jahrhunderts hinein auf extensiv be- wirtschafteten Feuchtwiesen relativ weit verbrei- tet war. EVSA (2000) konnte 38 Vorkommensmel- dungen zusammentragen, die sich mehr oder weniger über das ganze Land verteilen. Populati- onen der Art sind aus den naturräumlichen Haupt- einheiten Harz (D37), Altmark (D29), Elbtalniede- rung (D09), Elbe-Mulde-Tiefland (D10), Fläming (D11), Thüringer Becken mit Randplatten (D18) sowie aus dem Östlichen Harzvorland und Bör- den (D20) bekannt geworden. 20 der recherchier- ten Nachweise gelangen nach 1960, doch aktu- elle Vorkommen existieren derzeit wohl nur noch in einem kleinen Gebiet auf der Mittelharzhoch- fläche, wo bisher einige nasse Waldwiesen vor der Habitatzerstörung bewahrt werden konnten. Der Goldene Scheckenfalter tritt meist in gerin- gen bis mittleren Individuendichten auf, wobei in geeigneten Habitaten auch heute noch bis ca. 30 Falter an einem Tag beobachtet werden können. Insgesamt bleiben hierzulande aber die Abund- anzen deutlich hinter den aus süddeutschen Tro- ckenstandorten bekannten Werten zurück. Innerhalb von FFH-Gebieten konnten nach wei- terführenden Recherchen durch das LAU ins- gesamt 22 Nachweise erbracht werden, die sich auf 12 FFH-Gebiete verteilen. Erfassungsmethodik In Auswertung der E. aurinia-Erfassungen (EVSA (2000), ergänzt durch kontinuierliche Datensamm- lung im LAU) wurden die 12 FFH-Gebiete, für die Vorkommen der Art bekannt waren, in das Erfas- sungsprogramm 2005/06 aufgenommen. Die Un- Tab. 4.3-1: Ausgangsdatenlage zum Vorkommen des Goldenen Scheckenfalters (E. aurinia) in sachsen-anhalti- schen FFH-Gebieten Anzahl der Meldungen in Datenbank LAU (Stand 2005)Zeitraum der Nachweise F35/S261vor 1912, BORNEMANN (1912) FFH 00361vor 1912, BORNEMANN (1912) FFH 006741980 leg. ZIEGLER (KELLNER 2006) FFH 007421969 leg. WERNER FFH 008911932 leg. PETRY (BERGMANN 1952) FFH 009412003 leg. SCHÖNBORN FFH-Gebiet FFH 009511999 leg. SCHÖNBORN FFH 009641996 - 2000 leg. SCHÖNBORN F97/S302vor 1977 (MAX 1977) FFH 01262vor 1887, AMELANG (1887) sowie GANZER et al. (1933/1937) FFH 016112000 leg. SCHÖNBORN, fälschliche Zuordnung zu FFH 0161 FFH 01762zwischen 1953 und 1969 leg. WERNER 114 tersuchungen erfolgten nach den Vorgaben von SCHNITTER et al. (2006). Dazu wurden in zuvor er- mittelten potenziellen Habitaten der Art mehrere Begehungen während der Flugzeit von Mai bis Juli durchgeführt, um fliegende Falter quantitativ zu erfassen. Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Suche nach Raupengespinsten im Herbst (HERMANN 1999). Situation in den bearbeiteten FFH-Gebieten FFH-Gebiet F35/S26 – „Mahlpfuhler Fenn“ Vorkenntnisse: Bei BORNEMANN (1912) wird die Art für Mahlpfuhl genannt. Diese Fundortangabe kann dem FFH-Gebiet nicht sicher zugeordnet werden. Aktuelle Vorkommen: Die Art konnte im FFH- Gebiet F35/S26 aktuell nicht nachgewiesen wer- den. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Eine Einschätzung des Erhaltungszustandes für das Gebiet erfolgte aufgrund fehlender Artnach- weise nicht. Es konnten zudem keine Habitate registriert werden, die entsprechend den Lebens- raumansprüchen von E. aurinia gestaltet sind. Vor allem fehlen die entsprechenden Wirtspflanzen. In absehbarer Zeit ist eine Verbesserung der Si- tuation nicht zu erwarten. Da der bekannt gewor- dene Fund für Mahlpfuhl ca. 100 Jahre zurück liegt und er in Anbetracht der „großzügigen“ Auslegung von Ortsangaben bei historischen Fundmeldun- gen nicht gesichert dem FFH-Gebiet zugeordnet werden kann, ist eine frühere Besiedlung nicht zwingend nachgewiesen, zumal seither keine weiteren Artvorkommen trotz mehr oder weniger regelmäßiger Bestandserhebungen vermeldet werden konnten. Handlungsbedarf: Die Art ist für das FFH-Gebiet F35/S26 im SDB zu streichen. FFH-Gebiet 0036 – „Süppling westlich Weißewarthe“ Vorkenntnisse: Für Tangerhütte liegt ein Artnach- weis vor (BORNEMANN 1912), der nunmehr fast 100 Jahre zurückdatiert. Der angegebene Fundort bezieht sich wahrscheinlich nicht auf das FFH- Gebiet. Aktuelle Vorkommen: Die Art konnte im FFH- Gebiet 0036 aktuell nicht nachgewiesen werden. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Auch für dieses Gebiet musste aufgrund fehlen- der Artnachweise eine Bewertung des Erhaltungs- zustandes ausbleiben. Da der bei B ORNEMANN (1912) angegebene Fundort Tangerhütte außer- halb des FFH-Gebietes liegt, ist nicht gesichert, ob E. aurinia hier überhaupt jemals nachgewie- sen wurde. Angesichts der früher üblichen, weni- ger präzisen Fundortangaben musste eine Über- prüfung des Gebietes dennoch vorgenommen werden. Die für die Art notwendige Wirtspflanze (Teufelsabbiss - Succisa pratensis) konnte im FFH-Gebiet nicht registriert werden. Nutzungsfor- men (Intensivgrasland, Grünlandumbruch zu Wild- acker) stehen der Entwicklung geeigneter Pflan- zengesellschaften entgegen, so dass auch pers- pektivisch Ansiedlungen des Goldenen Schecken- falters nicht erwartet werden können. Handlungsbedarf: Die Art ist für das FFH-Ge- biet 0036 im SDB zu streichen. FFH-Gebiet 0067 – „Dessau-Wörlitzer Elbauen“ Vorkenntnisse: Eine zusammenfassende Dar- stellung publizierter Fundmeldungen von E. auri- nia im Gebiet um Dessau liefert KELLNER (2006). Zwischen 1979 (Nachweise 02.06.1979 und 06.06.1979) und 1980 (04.06.1980; 07.06.1980) fand ZIEGLER die Art bei Oranienbaum in insgesamt sieben Exemplaren. Weitere Falter der Art im Gebiet zu beobachten, gelang bisher nicht. Aktuelle Vorkommen: Die Art konnte im FFH- Gebiet 0067 aktuell nicht nachgewiesen werden. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Eine Bewertung des Gebietes wurde nicht vorge- nommen. In allen eventuell in Frage kommenden Habitaten tritt die Nahrungspflanze nicht auf, auch wenn ansonsten ein recht großes Angebot an Pflanzen mit Saugblüten vorhanden ist. Laut In- formationen von PANNACH (Biosphärenreservat Mittlere Elbe) ist die Nahrungspflanze Teufelsab- biss in Restbeständen vorhanden. Sie konnte während der Untersuchungen 2005/06 jedoch aufgrund von Baumaßnahmen zum Hochwasser- schutz im benannten Habitat nicht gefunden wer- den. Eine Vernichtung der Bestände ist nicht aus- zuschließen. Handlungsbedarf: Nachkontrollen im Bereich der (ehemals?) vorhandenen Teufelsabbiss-Flächen sollten nach erfolgter Wiederbegrünung und Suk- zession durchgeführt werden. Beim Vorhandens- ein der Nahrungspflanze erscheint eine Besied- lung mit E. aurinia im FFH-Gebiet nicht ausge- schlossen, zumal in dem weitläufigen Gebiet mit einer Größe von insgesamt ca. 7.600 ha trotz re- lativ guter Kenntnisse zum Faltervorkommen (ver- gl. KELLNER 2006) durchaus noch Lücken bezüg- lich der Erfassung potenzieller Habitate einkalku- liert werden müssen. Die Art ist vorerst für das FFH-Gebiet 0067 im SDB zu streichen. FFH-Gebiet 0074 – „Gewässersystem Annaburger Heide südöstlich Jessen“ Vorkenntnisse: Für Annaburg verweist SCHMIDT (2001) auf Vorkommen von E. aurinia. WERNER 115
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2010-11-15
Modified: 2010-11-15
Time ranges: 2010-11-15 - 2010-11-15
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