Description: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Sonderheft 2/2010: 169–180 4.3.5 Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761) – Spanische Flagge Christoph SCHÖNBORN und Peter SCHMIDT Lepidoptera: Bärenspinner (Arctiidae) Abb. 4.3-38: Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761). Männchen; links Ansicht von oben, rechts Ansicht von unten (Zoologische Sammlungen der Martin-Luther-Universität, Coll. BUSCHING, Fotos: A. STARK). Kurzcharakteristik der Art Kurzbeschreibung: Ein unverwechselbarer, kon- trastreich bunter, am Tag wie in der Nacht aktiver Falter ist die Spanische Flagge, die zur Unterfa- milie der Schönbären gehört. Die Vorderflügel von Euplagia quadripunctaria tragen auf dunkelbrau- nem bis grünschwarzem, metallisch glänzendem Grund schräge, gelbweiße Streifen, deren äuße- re beiden sich im Innenwinkel zu einem V verbin- den. Blauschwarze Flecken zieren die ansonsten roten Hinterflügel. Der Thorax ist schwarz mit zwei gelben Streifen, das Abdomen rot mit einem schwarzen Punkt auf jedem Tergit. Lebensraum und Biologie: Der Falter kann in verschiedenen Biotopen vorkommen und wech- selt darüber hinaus auch gern seinen Aufenthalts- ort. Während der heißen Tageszeit fliegt E. qua- dripunctaria zu schattigen, feuchten Stellen, um sich vor der Hitze und intensiver Sonnenstrahlung zu schützen. Man findet ihn dann mitunter in küh- len Schluchten in großen Aggregationen. Dieses Verhalten kann in Südeuropa verstärkt beobach- tet werden und wird auf der Insel Rhodos (Grie- chenland) im „Tal der Schmetterlinge“ touristisch vermarktet. Ansammlungen von Faltern in riesi- ger Anzahl bilden hier eine echte Attraktion für Ur- lauber. In Deutschland lebt die Spanische Flagge auf Lichtungen und an Außen- und Binnensäumen von Laubmischwäldern, an hochstaudenreichen Säumen von Magerrasen, in blütenreichen Gär- ten in Waldnähe und an trockenen, sonnigen Felsen oder Schotterhalden oder auch in Stein- brüchen. Oft als Bewohner luftfeuchter Lebens- räume angegeben, verhält sich die Art in ST, wo sie ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreicht, eher xerothermophil. E. quadripunctaria bewohnt die Hügel- und untere Bergstufe. Eine Bevorzu- gung von Weinbauregionen, wie oftmals ange- geben, kann für ST nur sehr eingeschränkt be- stätigt werden. Die sehr vagilen und wenig standorttreuen Imagi- nes saugen hauptsächlich an Wasserdost (Eupa- torium cannabinum), Gemeinem Dost (Origanum vulgare) und an Kratzdisteln (Cirsium sp.), wobei die Auswahl der Nektarpflanze vom lokalen An- gebot abhängt. In vielen Regionen kommt dies- bezüglich dem Wasserdost die größte Bedeutung zu (SCHÖNBORN & FRIEDRICH 1995, PETZOLD et al. 2004). In ST spielt er aber zumeist eine unterge- ordnete Rolle. Die Imagines sind recht langlebig. Auf Rhodos können sie sogar bis zu drei Monate alt werden (ELGER 1969). Nach WEIDEMANN & KÖHLER (1996) erfolgt die Eiablage in einschichtigen Spiegeln. Die 169 Art prioritären Schutzstatus. Dies steht im Wider- spruch zu ihrer nahezu ubiquitären Verbreitung in Südeuropa. Bereits für Süddeutschland wird, si- cher mit Blick auf die Spanische Flagge, vor einer zu starken Ausrichtung von Artenschutzprogram- men auf die Arten der FFH-Richtlinie gewarnt (HOFMANN et al. 2005). Hingegen kommt Populati- onen an Arealgrenzen und damit auch den Vor- kommen der Spanischen Flagge in ST eine deut- lich höhere naturschutzfachliche Bedeutung zu. Kenntnisstand und Vorkommen in Sachsen-Anhalt Abb. 4.3-39: Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761) - Spanische Flagge (Foto: Ch. SCHÖNBORN). Raupen leben polyphag, wobei im Herbst meist an verschiedenen Kräutern und Stauden und nach der Hibernation zumindest regional eher an nied- rigen Gehölzen gefressen wird (BERGMANN 1953; aber vgl. EBERT 1997). Verbreitung: Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Russland und Vorderasien bis Süd- und Westeuropa. Die Art kommt im Norden bis in das Baltikum und bis nach Südengland vor. Die nörd- liche Verbreitungsgrenze verläuft durch Deutsch- land, wo die Art das Weserbergland, das Nördli- che Harzvorland und die Oberlausitz erreicht. In Südeuropa und im südlichen Mitteleuropa ist die Spanische Flagge weit verbreitet. Bezüglich des Gefährdungs- und Schutzstatus wird auf Tab. 1-1 verwiesen. Der hohe europarechtliche Schutzstatus der Art beruht auf einem Versehen (PRETSCHER 2000). Es war geplant, einen besseren Schutz für die Popu- lation von Rhodos zu schaffen, die als endemi- sche Unterart E. quadripunctaria rhodosensis be- trachtet wird und die u. a. durch ausufernden Tou- rismus bedroht ist (s. o.). Durch Weglassung des infraspezifischen Namens erlangte die gesamte Im Gegensatz zur Situation in weiter südlich ge- legenen Regionen ist E. quadripunctaria in ST, an der Nordgrenze ihrer Verbreitung, eine nur lokal vorkommende und stark gefährdete Art. Sie bewohnt(e) hier zwei disjunkte Teilareale, von denen eines die tief in den nördlichen Harzrand eingeschnittenen Täler sowie das nördliche und östliche Vorland dieses Mittelgebirges umfasst. Hier ist die Spanische Flagge auch heute noch regelmäßig zu finden. Aus dem zweiten Teilareal, dem Saale-Unstrut-Gebiet, liegen seit mehr als 30 Jahren keine Nachweise mehr vor. Zu den bei EVSA (2000) zusammengestellten 42 Meldungen aus ST sind aus den letzten Jahren noch einige aus dem Harz und seinem nördlichen Vorland bis hin zum Stadtrand von Halberstadt hinzugekom- men, so dass von etwa 50 Nachweisen vor Be- ginn der in den Jahren 2005/2006 durchgeführ- ten Bestandserfassungen auszugehen ist. Diese verteilen sich auf die naturräumlichen Hauptein- heiten Thüringer Becken mit Randplatten (D18), Sächsisches Hügelland mit Erzgebirgsvorland (D19), Östliches Harzvorland (D20), Nördliches Harzvorland (D33) und den Harz (D37). Im Ge- gensatz zu weiter im Süden gelegenen Vorkom- men ist die Art in ST meist einzeln oder in gerin- ger Individuendichte anzutreffen. Insgesamt wurden im Vorfeld der aktuellen Un- tersuchungen (EVSA 2000) vier FFH-Gebiete er- mittelt, aus denen E. quadripunctaria-Meldungen vorlagen. Zusammengefasst ergaben sich hierfür 27 Meldungen, deren Verteilung auf die einzel- nen FFH-Gebiete in der nachfolgenden Tabelle dargestellt ist. Tab. 4.3-20: Ausgangsdatenlage zum Vorkommen der Spanischen Flagge (E. quadripunctaria) in sachsen-anhal- tischen FFH-Gebieten Anzahl der Meldungen in Datenbank LAU (Stand 2005)Zeitraum der Nachweise FFH 008441905 (REINECKE 1905) - 2000 (leg. SCHÖNBORN) FFH 009613vor 1834 (SAXESEN 1834) - 1999 (leg. HANDKE) FFH-Gebiet FFH 016171952 (leg. WERNER) - 1999 (leg. SCHÖNBORN) FFH 024331956 - 1959 (leg. HUTH) 170 Erfassungsmethodik In vier FFH-Gebieten wurden von 2005–2006 Untersuchungen zur Bestandssituation der Art vorgenommen. Die Recherchen erfolgten entspre- chend der Vorgaben von SCHNITTER et al. (2006). Da die kaum zu übersehenden Falter einen ho- hen Nektarbedarf haben, sind sie zur Flugzeit durch Absuchen geeigneter blühender Hochstau- denfluren vergleichsweise leicht zu finden, wenn es nicht zu heiß ist (siehe oben). Ergänzend zu Erhebungen am Tag wurden Lichtfänge (Misch- licht und HQL) durchgeführt. Auch die Raupensu- che im Mai kam in einem FFH-Gebiet zur Anwen- dung. Das nächtliche Ableuchten der Raupenha- bitate brachte allerdings keinen Erfolg. Situation in den bearbeiteten FFH-Gebieten FFH-Gebiet 0084 – „Harslebener Berge und Steinholz nordwestlich Quedlinburg“ Vorkenntnisse: Im NSG „Harslebener Berge und Steinholz“, welches in wesentlichen Teilen auch die Flächen des FFH-Gebietes 0084 umfasst, gelang der Nachweis der Spanischen Flagge mehrfach. Bereits REINECKE (1905) meldete die Art, deren Auftreten im Gebiet für die Jahre 1940 und 1958 bestätigt werden konnte (JUPE 1968). Zudem gibt sie SCHÖNBORN im Gebiet für das Jahr 2000 an. Sie wurde im Gipfelbereich des Großen The- kenberges und bei den „Hinterbergen“ festgestellt. Aktuelle Vorkommen: Die Art konnte im FFH- Gebiet 0084 aktuell nicht nachgewiesen werden. Abb. 4.3-40: Potenzielles Habitat von E. quadripuncta- ria im FFH-Gebiet 0084. Eine Bewertung erfolgte nicht, da aktuelle Artnachweise nicht gelangen. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Eine Bewertung des Erhaltungszustandes des Gebietes erfolgte nicht, da die Art im Untersu- chungszeitraum nicht registriert werden konnte. Im Gebiet waren während der Begehungen für E. quadripunctaria suboptimale Bedingungen anzu- treffen, weil Distelbestände als einzige verfügba- re Nektarpflanze aufgrund von trockenheißer Wit- terung und intensiver Schafbeweidung nur punk- tuell vorkamen. Sie stehen in den wenigen Sen- ken (vermutlich Bombentrichter). Abb. 4.3-41: Habitat von E. quadripunctaria im FFH-Gebiet 0084 (Foto: O. ELIAS). 171
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2010-11-15
Modified: 2010-11-15
Time ranges: 2010-11-15 - 2010-11-15
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