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Description: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Sonderheft 2/2010: 281–314 4.4.6 Cerambyx cerdo LINNAEUS, 1758 – Heldbock Volker NEUMANN und Werner MALCHAU Coleoptera: Bockkäfer (Cerambycidae) Kurzcharakteristik der Art Kurzbeschreibung: Der Heldbock (Cerambyx cerdo) ist einer der imposantesten Bockkäfer Eu- ropas. Er fällt durch seine Größe und seine kör- perlangen (Weibchen) oder sogar deutlich über- körperlangen Fühler (Männchen) auf. Die an Kopf, Halsschild und in der vorderen Hälf- te der Flügeldecken dunkelbraun bis fast schwar- zen Tiere glänzen. Zum Ende geht die Färbung der am Nahtwinkel mit einem kleinen Zähnchen versehenen Flügeldecken jedoch ins Rotbraune über. Der Halsschild ist stark gerunzelt und trägt seitlich spitze Dornfortsätze. Verwechslungsmög- lichkeiten gibt es hier nur mit dem sehr ähnlichen und zur gleichen Gattung gehörenden tagaktiven Buchenbock (Cerambyx scopolii), der im Normal- fall deutlich kleiner bleibt (bis 28 mm) und vor al- lem durch die auch am Ende schwarz gefärbten Flügeldecken leicht vom Heldbock unterschieden werden kann. Die anderen dem Heldbock ähnli- chen Arten der Gattung Cerambyx kommen in Deutschland nicht vor. Dass die Größe nur bedingt als Unterscheidungs- merkmal herangezogen werden kann, begründet sich im Auftreten von fortpflanzungsfähigen Kümmerformen (NEUMANN 1985) bei C. cerdo. Wahrscheinlich durch verschiedene Ernährungs- bedingungen hervorgerufen, lässt sich bei Männ- chen eine Längenvariation von 29 bis 55 mm und bei den Weibchen zwischen 31 und 56 mm – ge- messen vom Kopf bis zu den Flügeldeckenspit- zen – registrieren. Lebensraum und Biologie: In Deutschland ent- wickelt sich der Heldbock ausschließlich im Holz lebender Eichen (Quercus spec.), wobei die Stiel- Eiche (Quercus robur) deutlich bevorzugt wird. Aber auch von Trauben-Eichen (Quercus petra- ea) (NESSING 1988, KALZ & ARNOLD 1990, EHRLER & ARNOLD 1992, MEITZNER et al. 1999), Rot-Eichen Abb. 4.4-91: Cerambyx cerdo LINNAEUS, 1758 – Held- bock; Imago und Larve (Fotos: F. KÖHLER). (Quercus rubra) (VOLK 2004) und Scharlach-Ei- chen (Quercus coccinea) (NEUMANN & SCHMIDT 2001) als Entwicklungsbaum wird berichtet. Ein- zelne oder in lockerem Verband stehende Altei- chen mit hoher Besonnung stellen eine lebens- notwendige Voraussetzung der Ontogenese dar. Dichter Unterwuchs steht einer Besiedlung entgegen. Die Entwicklungsbäume sollten einen Stammumfang von 100 bis 400 cm (Tab. 4.4-15) aufweisen. In abgestorbenen Bäumen bzw. Stümpfen können die Larven ihre wohl auch temperaturabhängige drei- bis fünfjährige Entwicklung nicht vollenden. Hier dürften nur noch Tiere, die das letzte Lar- 281 Tab. 4.4-15: Häufigkeitsverteilung von Eichen mit Besiedlung von Cerambyx cerdo (Stammumfang in 1m Höhe gemessen, n = 175) nach NEUMANN (1985) Umfang 100 cm 200 cm 300 cm 400 cm 500 cm 600 cm! 600 cm N (Anzahl)139495123111 venstadium bereits erreicht haben, zur Verpup- pung schreiten. Ausführliche Angaben zur Biolo- gie des vorwiegend dämmerungs- bzw. nachtak- tiven Heldbockes finden sich u. a. bei RUDNEW (1936), WECKWERTH (1954), DÖHRING (1955), PALM (1959), T EMBROCK (1960) und N EUMANN (1985, 1997). Locker strukturierte Alteichenbestände (ehemali- ge Hutewälder, Randbäume, Parkanlagen, Alle- en, Straßenbäume) mit kränkelnden, vorgeschä- digten, sonnenexponierten Bäumen entsprechen- der Stärke bilden den bevorzugten Lebensraum der Art. Oft erfüllen auch Einzelbäume die Ent- wicklungsanforderungen von C. cerdo (KLAUSNIT- ZER et al. 2003). Zur Autökologie der Art besteht Forschungsbedarf. Verbreitung: Der Heldbock, nach PALM (1959) und FRANZ (1974) ein Urwaldrelikt mit Arealregressi- on, gilt als ein Tier der Alten Welt. Er ist in Euro- pa, im Kaukasus, in Kleinasien und Nordafrika beheimatet (HORION 1974). In Deutschland kommt die westeuropäische Unterart Cerambyx cerdo cerdo vor. Aus vielen ehemals besiedelten Gebie- ten Mitteleuropas ist der Heldbock bereits ver- schwunden bzw. zeigt rückläufige Bestandsent- wicklungen. Nachweise der Art sind aus allen größeren Regi- onen Deutschlands bekannt, liegen aber zum Teil über hundert Jahre (Westfalen) oder mehr als 50 Jahre (Württemberg, Nordrhein, Thüringen) zu- rück (KÖHLER & KLAUSNITZER 1998). Aktuell fehlen Vorkommen in den Bundesländern Bremen, Ham- burg, Saarland und Thüringen (KLAUSNITZER et al. 2003). Aufgrund der wohl höchsten Bestandsdich- te trägt Sachsen-Anhalt für den Erhalt der Art eine besondere Verantwortung (EVSA 2000, NEUMANN 2001, KLAUSNITZER et al. 2003). Bezüglich des Gefährdungs- und Schutzstatus wird auf Tab. 1-1 verwiesen. Kenntnisstand und Vorkommen in Sachsen-Anhalt Bereits SCHREIBER (1887) erwähnt den Heldbock für die Mosigkauer Heide. Hier bezeichnet NEBEL (1894) ihn als häufig, verweist aber auf in starker Abnahme befindliche Vorkommen um Dessau. Ältere und neuere Nachweise für die Umgebung Magdeburgs sowie für den Elbebereich nennen u. a. WAHNSCHAFFE (1883), FEUERSTACKE (1913), FISCHER (1942, 1961), MALCHAU (1992), ZUPPKE (1993) und GRASER (1995). Erste Erfassungen der Verbreitung der Art für das Gebiet Sachsen-An- 282 halts sowie der ehemaligen DDR führten NEUMANN & KÜHNEL (1980) und NEUMANN (1985) durch. Konnten zunächst im Bundesland Sachsen-Anhalt 167 Funddaten ermittelt werden (EVSA 2000), so ergaben weitere Recherchen 177 Meldungen der Art, von denen 148 aus der Zeit nach 1960 stam- men (NEUMANN 2001). Dabei kristallisierte sich das Elbe-Mulde-Tiefland mit 68,9 % der zusammenge- tragenen Daten als Hauptverbreitungsgebiet heraus. Nur spärlich gingen dagegen Hinweise zu C. cerdo aus den Naturräumen D19 (Sächsisches Hügelland und Erzgebirgsvorland), D20 (Östliches Harzvorland und Börden), D31 (Weser-Aller-Flach- land) und D33 (Nördliches Harzvorland) ein. Die nördlichsten Vorkommen des Heldbockes in Sachsen-Anhalt liegen in und bei Havelberg. Der südlichste Nachweis im Zeitzer Forst scheint nach KUNZE et al. (1999) erloschen zu sein. Östlich gibt es Nachweise aus Coswig (ÖKOPLAN 1996C), Wörlitz, Oranienbaum und der Umgebung dieser Ortschaften (NEUMANN 2001). Basis für die Gebietsauswahl bildeten die FFH- Gebiete, denen Vorkommen des Heldbockes zu- geordnet werden konnten. Aus FFH-Gebieten gin- gen 69 Meldungen ein (NEUMANN 2001). Durch er- gänzende Dateneingänge und Veränderungen der Schutzgebietskulisse (Grenzerweiterungen und Neuausweisungen) wurden bis zum 01.01.2005 insgesamt 129 Nachweismeldungen aus 22 FFH- Gebieten registriert, die den Rahmen für die durch- zuführenden Erfassungs- und Bewertungsarbei- ten bildeten. In der Tabelle 4.4-16 wird die Aus- gangsdatenlage zusammenfassend dargestellt. Erfassungsmethodik Die Arbeiten zur Erfassung und Bewertung der Vorkommen erfolgten nach den Vorgaben von SCHNITTER et al. (2006). Im Juni 2005 begannen die Untersuchungen, sie endeten im September 2006. Es erfolgte eine quantitative Erfassung der Schlupflöcher bzw. Fraßgänge von September bis April. In der Hauptflugzeit wurden Chitinreste to- ter Käfer ebenso wie lebende Imagines registriert. Die Vitalität der Brutbäume lässt sich am besten während der Vegetationsperiode feststellen. Anhand der festgelegten Standards wurden die Grundlagendaten getrennt nach registrierten Sied- lungshabitaten (oder eigenständig festgelegten Referenzflächen) einer Bewertung unterzogen. Blieben aktuelle Nachweise aus, erfolgte keine Einschätzung des Erhaltungszustandes. Die aus Einzelhabitaten resultierende Gesamtbewertung Tab. 4.4-16: Ausgangsdatenlage zum Vorkommen des Heldbockes (C. cerdo) in sachsen-anhaltischen FFH-Gebieten FFH-Gebiet Anzahl Datensätze in der Datenbank LAU (Stand 2005) Zeitraum der Nachweise FFH 00094FFH 00111 (abgestorbene Eiche) 1997–1999 FFH 001321997–1998 FFH 002712000 FFH 002811950 (bis 1953, ungenau) FFH 00291im SDB geführt, keine datierte Meldung F35/S2621998 FFH 0050121889–1995 FFH 0054151907–1995 FFH 005921999–2000 FFH 006011997 FFH 006212000 FFH 0067221955–2000 FFH 012521974 und 1986 2000 FFH 012611977 FFH 0129301894–2000 FFH 01301im SDB geführt, keine datierte Meldung FFH 013332000 F156/S3131983–1998 FFH 0163391905–1999 FFH 023531957–1998 FFH 02801im SDB geführt, keine datierte Meldung des FFH-Gebietes wurde jeweils nach dem am höchsten bewerteten Habitat vorgenommen. Situation in den bearbeiteten FFH-Gebieten FFH-Gebiet 0009 – „Elbaue Werben und Alte Elbe Kannenberg“ Vorkenntnisse: Neben Beobachtungen am 16.07.1997 am Mühlenholz (NEUMANN und KU- BELKA) wurde der Heldbock 1999 im Umfeld von Havelberg durch KUBELKA am Möwenwerder, auf der Fasaneninsel sowie wiederholt am Mühlen- holz nachgewiesen. Aktuelle Vorkommen: Im FFH-Gebiet sind zahl- reiche potenzielle Brutbäume vorhanden. Käfer und Käferreste sowie besiedelte Bäume konnten in mehreren Habitaten nachgewiesen werden. Nordwestlich vom Mühlenholz (zwischen Havel- berg und Elbe) befindet sich am Elbdeich eine Eiche mit aktueller (16 frische Schlupflöcher) so- wie früherer Besiedlung. Der Nachbarbaum wies nur alte Schlupflöcher auf. Des Weiteren befindet sich rund um die Gaststät- te Mühlenholz im Bereich des Sportplatzes und der Freilichtbühne ein Gebiet, in welchem mehre- re Eichen aktuelle und frühere Besiedlung aufwei- sen. Neben zwölf Eichen mit alten Fraßgängen sind zwei Altbäume aktuell besiedelt. Insbe- sondere der Baum mit der Nummer 211 könnte das Zentrum der gegenwärtigen Population be- herbergen. Hier waren zahlreiche frische Schlupf- löcher vorhanden. Am 12.07.2005 gelangen Le- bendbeobachtungen (BEIER & SIERING). Um den Baum herum wurden zudem Elytren von min- destens 22 Tieren gefunden. Im Bereich Fasanen- insel/Möwenwerder befindet sich lediglich noch eine tote Starkeiche mit alten Fraßspuren. Den nordwestlichen Teil des Sandauer Waldes säumen zahlreiche besiedelte Alteichen. Frische Schlupflöcher waren an sieben Bäumen zu ver- zeichnen. Unter drei dieser Bäume lagen Frag- mente von insgesamt ca. 12 Tieren. Der Nach- weis eines lebenden Weibchens gelang am 19.07.2005 (leg. BEIER & SIERING). Dieses Ex- emplar wurde am Stammfuß einer abgängigen Eiche beobachtet, welche aber keine Schlupflö- cher aufwies. Sämtliche befallene Bäume wurden eingemessen und mit Nummern markiert. Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes: Die Teilpopulation des Heldbockes im FFH-Ge- biet 0009 befindet sich in einem gutem Erhaltungs- zustand (B). Drei voneinander getrennte Habitate wurden für weitere Untersuchungen abgegrenzt. Potenzielle Ausbreitungsmöglichkeiten mit geeig- neten Wirtsbäumen sind im Gebiet vorhanden. Insbesondere im Bereich des Sportplatzes am Mühlenholz und am Rand des Sandauer Waldes 283

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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License: all-rights-reserved

Language: Deutsch

Issued: 2010-11-15

Modified: 2010-11-15

Time ranges: 2010-11-15 - 2010-11-15

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