API src

6-Wirbeltiere.pdf

Description: Wirbeltiere 6 Wirbeltiere In diesem Kapitel werden folgende Artengruppen behandelt: 6.1 Säugetiere exkl. Fledermäuse 6.2 Fledermäuse 6.3 Vögel 6.4 Kriechtiere 6.5 Lurche 6.6 Rundmäuler und Fische 148 Säugetiere exkl. Fledermäuse (Mammalia exkl. Chiroptera) 6.1 Bestandsentwicklung der Säugetiere exkl. Fledermäuse (Mammalia exkl. Chiroptera) JAN GAHSCHE & JÖRG HAFERKORN Der Kenntnisstand zur Verbreitung von Säugetieren ist allgemein im Vergleich zu anderen Wirbeltier- gruppen, z.B. Vögel und Lurche, gering. Dies liegt an ihrer heimlichen und oft nächtlichen Lebensweise. Ih- re Vorkommen werden selbst in dicht besiedelten Gebieten häufig erst durch Zufallsfänge oder Ver- kehrsopfer registriert (z.B. Iltis, Steinmarder). Das Wissen über die Verbreitung der Säugetiere bildet in Sachsen-Anhalt in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Weltweit sind ca. 4600 Säugetierarten (ANGERMANN 1995) bekannt. Die Säugetierfauna Sachsen-Anhalts umfaßt ohne die Fledermäuse 59 Arten und Unterarten, einschließlich vier ausgestor- bener Arten: Wisent (Bison bonasus), Luchs (Lynx lynx), Europäischer Nerz (Mustela lutreola) und Braunbär (Ursus arctos). Die beiden weltweit seit Jahrhunderten ausgerotteten Taxa Auerochse (Bos primigenius) und Wildpferd (Equus caballus) finden in der vorliegenden Tabelle keine Berücksichtigung. Zusätzlich muß die Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) als verschollen eingestuft werden, die in ihrem einzi- gen Verbreitungsgebiet in Sachsen-Anhalt, dem Oberharz, seit 1954 nicht mehr nachgewiesen werden konnte (GAHSCHE 1991, 1993). Elch (Alces alces) und Wolf (Canis lupus) treten heute als sporadische Zuwanderer in Sachsen-Anhalt auf. Seehund (Phoca vitulina) und Kegelrobbe (Halichoerus grypus) sind sehr seltene, auf das Elbe-Flußsystem beschränkte Irrgäste. Mit Mufflon (Ovis ammon musimon), Dam- hirsch (Cervus dama), Marderhund (Nyctereutes pro- cyonoides), Waschbär (Procyon lotor), Mink (Muste- la vison), Nutria (Myocastor coypus), Bisamratte (Ondatra zibethicus) und Wildkaninchen (Oryc- tolagus cuniculus) sind acht Säugetierarten in Sach- sen-Anhalt allochthon (eingebürgert bzw. eingewan- dert). Nicht als allochthon eingestuft wurden Arten, die bereits mit der menschlichen Besiedlung, spä- testens mit dem Beginn des Ackerbaus in das Gebiet von Sachsen-Anhalt kamen. Dies betrifft die Ratten, die Hausmäuse und den Hamster (Gattungen Rattus, Mus und Cricetus). Einige Säugetiere wurden aus jagdlichen Motiven ausgesetzt (z.B. Damhirsch, Mufflon), oder konnten aus entfernteren Gebieten, in denen sie ebenfalls ak- tiv angesiedelt wurden, einwandern (z.B. Marder- hund, Waschbär im Harz), andere entkamen aus Far- men (z.B. Waschbär, Mink) oder wurden in Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche ausgesetzt (z.B. Nutria). Wildkatze und Gartenschläfer haben innerhalb Sachsen-Anhalts ihren Verbreitungsschwerpunkt im Harz. Dieses Gebirge stellt im hercynischen Raum neben dem Kyffhäuser das klassische Verbreitungs- gebiet sowie im nördlichen Mitteleuropa das östlichs- te Vorkommen der Wildkatze dar. Die Mittlere Elbe war lange Zeit das letzte Rück- zugsgebiet des Elbebibers (Castor fiber albicus). Der Elbebiber hat seinen Verbreitungsschwerpunkt in Sachsen-Anhalt mit ca. 1760 Tieren (HEIDECKE 1996) und besiedelt heute wieder nahezu alle verfügbaren Lebensräume im Flach- und Hügelland. Der gefährdete Fischotter zeigt in den letzten Jah- ren leichte Ausbreitungstendenzen. Heute kann diese Art wieder nahezu am gesamten sachsen-anhaltini- schen Elbelauf nachgewiesen werden (EBERSBACH et al. 1998). Die Nordische Wühlmaus (Microtus oeconomus) hat ihre südwestliche Verbreitungsgrenze an der Nordostgrenze Sachsen-Anhalts, die durch zahlreiche Gewöllefunde und zwei Fallenfänge belegt ist (JORGA & ERFURT 1987). Im Rahmen von Vorarbeiten für das Arten- und Biotopschutzprogramm „Elbe“ gelangen 1998 zwei weitere Fallenfänge auf einer Seggenwiese in der Nähe des Schollener Sees. Für die Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus) exi- stiert in der Literatur für Sachsen-Anhalt eine unge- klärte Angabe von 1932 bei Osterwieck, die in der Tabelle nicht berücksichtigt wird. Trotz der Fülle von regional- oder artspezifischen Schriften gibt es nur wenige zusammenfassende Ar- beiten über die Säugetierfauna des Landes. Erste Auf- zeichnungen mit Beiträgen zur Säugetierfauna Sach- sen-Anhalts fertigten SAXESEN (1834), BLASIUS (1857), SCHULZE (1890a, 1890b) sowie TASCHENBERG (1909, 1918) an. Gesamtdarstellungen zur Verbreitung und zu den Bestandstrends können einigen neueren Übersichtsar- beiten zur ostdeutschen Säugetierfauna entnommen werden. Verbreitungskarten zur Kleinsäugerfauna der ehemaligen DDR erstellten ERFURT & STUBBE (1986) auf der Grundlage von Literaturdaten, Fallenfängen und durch Untersuchungen von Gewöllen einheimi- scher Eulen. STUBBE & STUBBE (1994, 1995) publi- zierten Verbreitungskarten und zum vorliegenden Beitrag ähnliche Tabellen zur Bestandssituation und -entwicklung der Säugetierarten der östlichen deut- schen Bundesländer. 149 Säugetiere exkl. Fledermäuse (Mammalia exkl. Chiroptera) Aus Sachsen-Anhalt liegen eine Reihe von Publi- kationen vor, die entweder die Säugetierfauna einzel- ner Regionen vollständig darstellen oder sich mit der Bestandsentwicklung einzelner Arten beschäftigen (z.B. Wildkatze, Elbebiber, Fischotter, Mufflon, Al- penspitzmaus). In diesem Zusammenhang muß auf die Erstellung von Arten- und Biotopschutzprogram- men für einzelne Regionen Sachsen-Anhalts verwie- sen werden, in denen die Säugetierfauna jeweils in einem eigenen Kapitel mit Punktkarten und Artenlis- ten dargestellt wird. Arten- und Biotopschutzpro- gramme liegen bereits für den Landschaftsraum Harz und die Stadt Halle (Saale) vor (GAHSCHE 1997, HAFERKORN 1998). Ein Zentrum der Säugetierforschung ist das Zoo- logische Institut der Universität Halle. Hier befindet sich die Landessammelzentrale für Totfunde der vom Aussterben bedrohten Wirbeltierarten. In Halle wird derzeit an einem Handbuch der Säugetiere der östli- chen Bundesländer Deutschlands gearbeitet (STUBBE 1998, mdl. Mitt.). Darüber hinaus konnten einzelne Arten (z.B. Hamster, Fischotter, Biber, Iltis, Stein- und Baummarder) im Rahmen von Diplomarbeiten bearbeitet werden (SELUGA 1996, WEIDLING 1996, HAUER 1996, SCHUMACHER 1995, EBERSBACH 1992). Exakte Angaben zur Bestandsentwicklung vieler Arten fehlen. Anhaltspunkte lassen die Abschuß- und Fangstatistiken der jagbaren Arten zu. Bei aller Unsi- cherheit und Kritik an diesem Zusammenhang ermög- lichen die Abschußzahlen zumindest einen groben Überblick zur Bestandsentwicklung der jagdbaren Arten, sofern Schwankungen im Jagdverhalten be- rücksichtigt werden (z.B. Veränderungen bzw. Aus- setzungen von Abschußprämien, Bestandsschonun- gen, Aussetzungen von Nutrias in Folge der wirt- schaftlichen Veränderungen nach der deutschen Ein- heit). Aus Sachsen-Anhalt liegen einige Untersuchungen über lange Zeiträume zur Dynamik von Kleinsäuger- gesellschaften vor. HAFERKORN et al. (1993) fingen über einen Zeitraum von fünf Jahren Kleinsäuger im Biosphärenreservat „Mittlere Elbe“, HAFERKORN & LANGE (1991) führten neun Jahre lang monatliche Abfänge in zwei Auwäldern bei Bernburg durch. Die längste publizierte Serie veröffentlichten STUBBE & STUBBE (1991) aus dem Laubwaldgebiet Hakel (über fünfzehn Jahre mit monatlichen Abfängen). Diese Untersuchungen zeigen die hohe Dynamik der Abundanzen bei Kleinsäugern, die verläßliche Aussagen über generelle Bestandstrends nahezu un- möglich machen. Beispielsweise schwankten die jähr- lichen Maximalabundanzen bei der Rötelmaus (Clethrionomys glareolus) in Saaleauwäldern zwi- schen einzelnen Jahren bis zum 22-fachen Wert (HAFERKORN & LANGE 1991). HEIDECKE (1992) zählte zur Säugetierfauna Sach- sen-Anhalts 72 Arten und nahm davon 57% in die Rote Liste auf. Die gefährdetste Gruppe sind die In- sektenfresser, 90% von ihnen stehen in der Roten Lis- te. Die Gefährdung von Säugetieren ist heute unmit- telbar mit negativen Veränderungen der Qualität ihrer Lebensräume verbunden. In unserem Jahrhundert vollzog sich ein tiefgreifender und schnell voran- schreitender Strukturwandel (z.B. Urbanisierung, in- dustriemäßige Landwirtschaft, moderne Infrastruk- tur). Die heimischen Säugetiere stehen einem perma- nent voranschreitenden Lebensraumverlust und einer damit einhergehenden Nahrungsverknappung gegen- über. Die Säugetiere werden wegen ihrer komplexen Lebensraumansprüche durch die Zerschneidung der Landschaft gefährdet. Durch die zunehmende Frag- mentierung (z.B. Straßenbau) verringern sich die be- sonders wertvollen und ruhigen Kernbereiche zu- sammenhängender Biotope überproportional. Mit zu- nehmender Verkehrsdichte erhöht sich die Zahl der Verkehrsopfer. Besonders gefährdet sind die mobils- ten Tiere aus den Populationen, Männchen während der Reproduktionszeit und Jungtiere auf der Suche nach eigenen Revieren. Auf schlechte Wassergüte in den Fließgewässern reagieren insbesondere semiaquatische Säugetiere negativ, die tierische Nahrung aus dem Wasser benö- tigen (z.B. Fischotter). Der Biozideinsatz in der Landwirtschaft verringert das Nahrungsangebot an Arthropoden, die beispielsweise für die Ordnung der Insektenfresser die Nahrungsgrundlage darstellen. In wie weit Biozide direkte negative Wirkungen auf Kleinnager haben (z.B. den Feldhamster) ist noch in der Diskussion. Säugetierschutz ist in erster Linie Lebensraum- schutz. Dazu gehört der Schutz ihres direkt besiedel- ten Habitates mit Nahrungs-, Reproduktions-, Wohn- und Überwinterungsmöglichkeiten (z.B. Anlage von Bauen). Ziel für jeden nachhaltig betriebenen Säuge- tierschutz ist die Erhaltung überlebensfähiger, sich selbst reproduzierender Populationen. Nachzuchten und Auswilderungen sollten, wenn überhaupt, nur Ausnahmen für Bestandsgründungen bzw. –aufstok- kungen sein und nur in Gebieten erfolgen, die dauer- hafte Ansiedlungen ermöglichen. Die großen Flächenansprüche vieler Säugetiere er- fordern die Passierbarkeit von Wanderwegen für den notwendigen Individuenaustausch. Auf den Wander- wegen muß die Zahl der Barrieren (z.B. Zäune, Mau- ern, tote Fließgewässerabschnitte) und Tierfallen (z.B. Verkehrswege, Betongräben) möglichst gering gehalten werden. Neu erbaute Durchlässe unter Ver- kehrswegen sind so großzügig zu gestalten, daß sie 150

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

Tags: Hirsch ? Biber ? Erfurt ? Braunbär ? Gartenschläfer ? Damwild ? Elch ? Eule ? Fledermaus ? Insektenfresser ? Luchs ? Mufflon ? Seehund ? Waschbär ? Wildkatze ? Biozid ? Kegelrobbe ? Sachsen-Anhalt ? Sumpfbiber ? Feldhamster ? Iltis ? Wolf ? Bisam ? Irrgast ? Amphibien ? Habitatverlust ? Hamster ? Säugetier ? Ostdeutschland ? Mittelelbe ? Fisch ? Bundesländer Deutschlands ? Steinmarder ? Wisent ? Baummarder ? Arthropoden ? Verbreitungskarte ? Vogel ? Fischotter ? Reptilien ? Wildkaninchen ? Elbe ? Biotop ? Flechte ? Wühlmaus ? Ackerbau ? Marderhund ? Auswilderung ? Wirbeltier ? Fließgewässer ? Habitat ? Artenschutzprogramm ? Gebietsfremde Art ? Ratte ? Harz ? Mitteleuropa ? Saale ? Straßenbau ? Urbanisierung ? Kationen ? Fischereistatistik ? Biozideinsatz ? Wasserqualität ? Rote Liste gefährdeter Arten ? Biotopschutzprogramm ? Verkehrsdichte ? Biosphärenreservat ? Hügellandschaft ? Auenwald ? Menschen mit Migrationshintergrund ? Populationsdichte ? Verbreitungsgebiet ? Landschaft ? Landwirtschaft ? Tierschutz ? Gebirge ? Züchtung ?

License: all-rights-reserved

Language: Deutsch

Issued: 2009-03-03

Modified: 2009-03-03

Time ranges: 2009-03-03 - 2009-03-03

Status

Quality score

Accessed 1 times.