Description: Die Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie in NSG Lutz Reichhoff und Christiane Röper Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, wie die in Sachsen-Anhalt vorkommenden Lebensraumtypen, die im Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) aufgelistet sind, durch die bestehenden Naturschutzgebiete (NSG) repräsentiert wer- den. Dazu werden den FFH-Lebensraumtypen (FFH-LRT) die NSG zugeordnet, in denen sie in guter Ausprägung gefunden wurden. Für die einzelnen FFH-LRT wird eine kurze Beschreibung vorangestellt, dann folgt nach der Darlegung zum Vorkommen im Land Sachsen-Anhalt eine textliche Interpretation der Repräsentanz durch NSG. Dabei werden nur die NSG angeführt, in denen typische Aus- bildungen der FFH-LRT auftreten; auf Defizite wird hingewiesen. In die Wertung einbezogen wurden die FFH-Vorschlagsgebiete der Meldung 2000 (Ka- binettsbeschluss vom 28./29.02.2000) sowie die ergänzenden Neuvorschläge des Jah- res 2003 (Kabinettsbeschluss vom 09.09.2003). Nahezu alle NSG im Land Sachsen-Anhalt erfassen FFH-LRT und alle für Sachsen- Anhalt bisher gemeldeten 45 FFH-LRT treten in NSG auf. Daraus lässt sich grundsätz- lich ableiten, dass die naturschutzfachlichen Kriterien für die unabhängig von einander entwickelten Zielvorstellungen von NSG und von FFH-Vorschlagsgebieten - auch unter dem Aspekt des seit 170 Jahren währenden Prozesses der Schutzgebietsausweisun- gen - doch viele inhaltliche Übereinstimmungen zeigen. Dabei ist aber zwischen sol- chen FFH-LRT zu unterscheiden, die zielgerichtet in NSG aufgenommen wurden und solchen, die aufgrund ihrer weiten Verbreitung akzessorisch in NSG auftreten. Die mit einem Stern (*) gekennzeichneten LRT sind in der FFH-Richtlinie als prioritär einge- stuft. Eine Interpretation der FFH-LRT erfolgte im BfN-Handbuch zur Umsetzung der FFH- Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie für die Bundesrepublik Deutschland. Die Zuord- nung der Pflanzengesellschaften des Landes Sachsen-Anhalt zu den FFH-LRT kann ebenso wie die zusammenfassende Beschreibung der bisher im Land Sachsen-Anhalt erfassten FFH-LRT dem Sonderheft 2002 der Zeitschrift Naturschutz im Land Sachsen- Anhalt entnommen werden. In diesem Beitrag finden sich zu jedem FFH-LRT nur kurz- gefasste Erläuterungen zum besseren Verständnis des Textes. FFH-Lebensraumtypen: 1340 * Salzwiesen im Binnenland sind natürliche Binnensalzstellen mit ihrem gesamten Lebensraumkomplex sowie an- thropogene, naturnah ausgebildete Salzstellen in den Gebieten, in denen primäre Vor- kommen zerstört sind. An Austrittstellen von salzhaltigem Grundwasser bilden sich, gefördert durch Entwaldun- gen und extensive landwirtschaftliche Nutzung, charakteristische Salzpflanzengesell- schaften. Sie werden durch die NSG „Salzstelle bei Hecklingen“, „Salzstellen bei Sülldorf“ und „Salzwiesen bei Aseleben“ in charakteristischer und repräsentativer Ausprägung erfasst. 41 2310 Trockene Sandheiden mit Calluna und Genista sind niedrige bis mittelhohe, meist lückige Zwergstrauchgesellschaften, die auf entkalk- ten oder kalkarmen Binnendünen vorkommen. Oft ist eine gut ausgebildete Kryptoga- menschicht vorhanden. Langfristig ungenutzte Bestände sind meist durch Vergrasung und/oder starkes Aufkommen von Gehölzen wie Wald-Kiefer oder Hänge-Birke geprägt. Binnendünen entstanden primär im Postglazial nach Rückgang des Inlandeises durch Anwehung aus nacheiszeitlichen Sandfeldern sowie sekundär seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit infolge Bodenfreilegung durch langfristige Übernutzung. Der FFH-LRT blieb im Land Sachsen-Anhalt vor allem sekundär in militärischen Übungs- gebieten erhalten. Charakteristische Ausprägungen befinden sich im NSG „Mittlere Ora- nienbaumer Heide“. In den bis 1997 einstweilig sichergestellten NSG „Colbitz-Letzlinger Heide“, „Dolle“ und „Planken-Osterstege“ war dieser FFH-LRT auch in der Altmark in NSG vertreten. Mit der Nachmeldung von Teilen der Colbitz-Letzlinger Heide als FFH- Vorschlagsgebiet und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Schaffung gesetz- licher oder vertraglicher Regelungen mit der Bundeswehr wird Sachsen-Anhalt seiner Ver- antwortung für den Schutz dieses FFH-LRT gerecht. 2330 Dünen mit offenen Grasflächen mit Corynephorus und Agrostis sind niederwüchsige, meist sehr lückige Grasfluren auf bodensauren Binnendünen. Zwi- schen den Grashorsten sind oft Strauchflechtendecken entwickelt, die als eigene Ge- sellschaften aufgefasst werden können. Binnendünen entstanden primär im Postglazial nach Rückgang des Inlandeises durch Anwehung aus nacheiszeitlichen Sanderflächen und sekundär seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit infolge Bodenfreilegung und -verwehung durch langfristige Übernutzung. In jüngerer Zeit kamen Sandrasen auch durch militärischen Übungsbetrieb auf oder blie- ben durch diesen erhalten. In Sachsen-Anhalt kommen Bestände dieses Lebensraumtyps an den Rändern des Elbetals sowie stellenweise in der Altmark vor. In charakteristischer Ausbildung findet man ihn in den NSG „Dornburger Mosaik“, „Steckby-Lödderitzer Forst“ und „Taufwie- senberge“. Als NSG-Defizit wird auf das Fehlen von NSG mit Dünen in der Colbitz-Letz- linger Heide verwiesen; allerdings wurden diese Bereiche als FFH-Vorschlagsgebiete benannt. 3130 Oligo- bis mesotrophe stehende Gewässer mit Vegetation der Littorelletea uni- florae und/oder der Isoëto-Nanojuncetea sind nährstoffarme Stillgewässer mit Strandlingsgesellschaften sowie - bei sommerlichem Trockenfallen - einjährigen Zwergbinsengesellschaften. Der FFH-LRT umfaßt auch nähr- stoffarme, schlammige, periodisch trockenfallende Altwasser und Teichufer. Er wurde in Sachsen-Anhalt sehr selten nachgewiesen und wird durch das NSG „Heideteiche bei Osterfeld“ repräsentiert. 3150 Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamion oder Hy- drocharition sind nährstoffreiche Seen, Weiher und Altwasser mit üppiger, mehrschichtiger sowie ar- tenreicher Wasservegetation einschließlich ihrer Ufervegetation. Wesentlich für die Zu- ordnung zum FFH-LRT ist das Vorkommen untergetauchter Laichkraut-Gesellschaften und/oder freischwimmender Wasserpflanzengesellschaften. Künstlich abgetrennte Altwasser entsprechen auch dem FFH-LRT, da ihre Entstehung einem Mäandersprung gleichkommt. 42 In Sachsen-Anhalt sind natürliche eutrophe Gewässer überwiegend flussbegleitend durch Altarmabschnürung, bei Mäandersprung und teilweise auch durch Flussbegradi- gung und Eindeichung von Flutrinnen entstanden. Diese Altwasser können temporär durchströmt werden und noch dauernd einseitig mit dem Fluss verbunden sein. Einige natürliche eutrophe Seen sind durch Erdfälle und Senkungen infolge des Einsturzes von Hohlräumen im Untergrund, z. B. bei Salzauslaugungen, entstanden. Von besonderer Bedeutung ist das Auftreten des FFH-LRT in den NSG „Bucher Brack- Bölsdorfer Haken“, „Crassensee“, „Elbaue Beuster-Wahrenberg“, „Großer Streng“, „Krägen-Riß“, „Kreuzhorst“, „Riß“, „Saalberghau“, „Sarenbruch“, „Schelldorfer See“, „Schönitzer See“, „Steckby-Lödderitzer Forst“, „Stremel“, „Untere Mulde“ und „Untere Schwarze Elster“. Dabei überwiegen die großen Elbealtwasser. Die Altwasser an Saale, Mulde, Schwarzer Elster und Havel sind dagegen weniger bedeutend. Dies begründet sich unter anderem in ihrer Größe und der Situation, dass ihre Verlandung vielfach weit fortgeschritten ist. Außerhalb der Auen sind Gewässer mit charakteristischer Ausprä- gung des FFH-LRT in den NSG „Nördlicher Drömling“ und „Südlicher Drömling“ sowie im NSG „Schollener See“ vertreten. Als Defizit ist auf die ausstehende Festsetzung eines NSG „Untere Havel/Sachsen-Anhalt“ zu verweisen. 3160 Dystrophe Seen und Teiche sind huminsäurereiche Kleingewässer wie Moorkolke, Moorseen, alte, sich naturnah ent- wickelnde Torfstichgewässer, größere Hochmoorschlenken sowie dystrophe Teiche mit und ohne Schwingrasengürtel. Sie kommen im Land Sachsen-Anhalt kaum vor. Dafür fehlen die charakteristischen Moorgebiete. Die Torfstichgewässer im NSG „Jävenitzer Moor“ sind als alleiniges Bei- spiel eines solchen FFH-LRT in einem NSG anzuführen. 3180 * Turloughs sind temporär wasserführende Karstseen einschließlich periodisch wasserführender Erd- fallseen. Die Gewässer bilden sich in Dolinen und Poljen, die über sogenannte Ponore (Schlucklöcher) mit zeitweise wasserführenden unterirdischen Hohlräumen verbunden sind. Episodische oder periodische Karstgewässer kommen in Sachsen-Anhalt im Karstge- biet des südlichen Harzrandes vor. Besonders charakteristisch ausgebildet ist der Lebensraumtyp bei Breitungen im NSG „Gipskarstlandschaft Questenberg“. Der „Bauerngraben“, auch „Periodischer See“ ge- nannt, ist der größte episodische Karstsee in Mitteldeutschland. Der Seeboden ist ent- weder durch Wasser oder von Schlammflächen bedeckt oder mit ruderalen Rasen und Staudenfluren bewachsen. 3260 Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion flui- tantis und des Callitrichio-Batrachion sind Fließgewässer, die durch das Vorkommen der o. g. Gesellschaften gekennzeichnet sind. Sie schließen die Unterwasservegetation in natürlichen und naturnahen Fließ- gewässern der Submontanstufe und der Ebene ein. Neben natürlichen Fließgewässern wie Bächen und Flüssen können auch Nebenläufe sowie durchströmte Altarme und stän- dig wasserführende sowie ständig fließende, naturnahe Gräben, z. B. historische Mühlgräben, zum Lebensraumtyp gehören. Fließgewässer des FFH-LRT sind durch frei- fließende Abschnitte mit zumindest in größeren Teilabschnitten wenig eingeschränkter Fließgewässerdynamik charakterisiert. 43
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2010-05-11
Modified: 2010-05-11
Time ranges: 2010-05-11 - 2010-05-11
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