Description: Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Böden Wolfgang Kainz und Peter String "Es gibt in der ganzen Natur keinen wichtigeren, keinen der Betrachtung würdigeren Gegenstand als den Boden! Es ist ja der Boden, welcher die Erde zu einem freundlichen Wohnsitz der Menschen macht; er allein ist es, welcher das zahllose Heer der Wesen erzeugt und ernährt, auf welchem die ganze belebte Schöpfung und unsere eigene Existenz letztlich beruhen." Friedrich Albert Fallon (1862) Wegbereiter der modernen Bodenkunde Die Böden in Sachsen-Anhalt entstanden durch das Wechselspiel der Sedimentation und Bodenhorizont-Ausbildung. In kalten vegetationsfreien Klimaphasen lagerten sich äolische Sedimente ab und wurden durch Gefrieren und Auftauen überprägt. In warmen Klimaphasen stellte sich eine Pflanzendecke ein, die zur Entstehung der Bodenhorizonte führte. Durch die Nährstoff-Lösung an den Pflanzenwurzeln sind diese maßgeblich an der chemischen Verwitterung der Sedimente beteiligt. Abgestorbene Wurzel- und Pflanzen- reste sind das Ausgangsmaterial für den Humus der Böden. Die Eigenschaften des Hu- mus’ sind unter anderem von den Pflanzenarten abhängig. Durch die Lebenstätigkeit der Pflanzen und die Humusbildung wird die Bodenreaktion (pH-Wert) beeinflusst. Pflanzen sind Teil im Bodenwasser-Kreislauf, der zu Verdunstung und Stoffentzug aus dem Boden und zu Versickerung und Stoffverlagerung im Boden führt. Durch unterschiedliche, primär an die Sedimente gebundene Eigenschaften der Bö- den, wie zum Beispiel der Gehalt leicht verwitterbarer Minerale, oder sich während der Bodenhorizont-Ausbildung einstellender Eigenschaften wie der Bodenreaktion, oder durch landschaftsbedingte Bodeneigenschaften, wie den Grundwasserstand, bieten die Böden den Pflanzen für ihre Entwicklung unterschiedliche, teils stabile, teils veränderli- che Rahmenbedingungen. Die Böden beeinflussen dadurch, neben anderen Standort- faktoren wie Klima und Relief, die sich einstellende Pflanzengesellschaft der Vegetations- decke. Böden und Pflanzen sind also durch vielfältige Beziehungen miteinander verbunden. Diese Beziehungen sind nicht unveränderlich. Sie unterliegen klimatischen Schwankun- gen, Veränderungen der Bodeneigenschaften, die durch die Pflanzen selbst ausgelöst werden und vom Menschen gesteuerten Veränderungen der Nutzung, Vegetation und Landschaftsgestaltung. Diese allgemeine Entwicklung hat drei Zustände im Verhältnis Pflanzendecke - Boden- entwicklung zum Ergebnis: 1. Böden, die bei gegebenen Standortbedingungen in ihrer Horizontfolge konstant sind und eine Vegetationsdecke tragen, die in ihren Ansprüchen den Bodeneigens- chaften entspricht; d. h. Böden mit harmonischer Vegetation, z. B. nährstoffkräftige Braunerde mit Waldmeister-Buchenwald. 57 2. Böden, die bei gegebenen Standortbedingungen aktuelle Veränderungen in ihrer Horizontfolge erkennen lassen, deren Humusauflage nicht im Gleichgewicht mit dem Bodenprofil steht oder deren Baumbestand und Bodenvegetation sich nicht entsprechen; d. h. Böden mit disharmonischer Vegetation, z. B. nährstoffmittlere Braunerde mit krautreichem Drahtschmielen-Fichtenwald und Arten der Busch- Windröschen-Gruppe. Disharmonische Vegetationsbilder sind das Ergebnis aktiver menschlicher Einflüsse, sei es durch Immission, Sortenwahl oder Nutzungsumwid- mung. 3. Daneben gibt es Böden, deren Bildungsbedingungen sich von den heutigen Stand- ortbedingungen unterscheiden; d. h. Reliktböden, z. B. Tschernosem (Schwarzerde) mit Grasvegetation (unter Wald verändert zu Parabraunerde-Tschernosem mit Springkraut-Eichen-Mischwald). Das harmonische Vegetationsbild der Tschernoseme ist eine Grassteppe. Es ent- spricht nicht mehr dem, das sich wahrscheinlich unter den gegenwärtigen klimatis- chen Bedingungen entwickeln würde. Diese Böden wurden durch die Erhaltung der im Bezug auf den Boden harmonischen, im Bezug auf das Klima aber disharmonis- chen Vegetation (Kultursteppe) quasi „eingefroren“. In der komplizierten Beziehung Pflanzendecke - Boden gibt es eine wechselseitige Beeinflussung, in der sich unter gegebenen Standortbedingungen ein natürliches Gleich- gewicht im Stofffluss einstellt. Durch Veränderungen in der Pflanzendecke kann dieses Gleichgewicht empfindlich gestört werden und zu nachhaltigen Veränderungen der Bo- deneigenschaften führen. Diese Aussage gilt insbesondere für die Tschernoseme. Sie sind im Bereich der Löss- und Sandlössgebiete landschaftsprägend und haben auf- grund ihrer hohen Bodenfruchtbarkeit große wirtschaftliche Bedeutung. In Sachsen-An- halt gibt es mit ca. 20 % der Landesfläche ihr deutschlandweit größtes Verbreitungsge- biet. Deshalb sollen diese Böden näher betrachtet werden. Tschernoseme kommen überwiegend in Löss vor. Der Löss selbst ist eine äolische Ab- lagerung im Periglazialgebiet der Weichselkaltzeit - einer tundrenähnlichen Steppe, in der sich der Löss mit einer durchschnittlichen Mächtigkeit von ein bis zwei Metern ab- setzte. Mit dem Ende der Weichselkaltzeit und dem Beginn des Holozäns setzten mit zunehmender Erwärmung die Vegetationsentwicklung und Bewaldung sowie damit ver- bunden die holozäne Bodenbildung ein. Von der Bewaldung ausgenommen blieb ein Gebiet im Regenschatten des Harzes, das auch heute durch sehr geringe Niederschlä- ge (< 500 mm) auffällt. Hier entstand im Frühholozän eine Waldsteppe (Grasland mit Waldinseln auf den ökologisch feuchteren Standorten), in der sich die Tschernoseme, das sind Böden mit einem über 40 cm mächtigen Mullhumus-Horizont, in dem primär kalkhaltigen Löss bildeten. Die Bodenprofile der Tschernoseme des „Mitteldeutschen Trockengebietes“ beinhalten die Beweise für ihre Entstehung unter Steppenbedingun- gen: 1. Für offene Landschaften (Steppen) sprechen die Gastropodenfaunen. 2. Die Steppenvegetation wird durch Pollenanalysen nicht in Frage gestellt, da diese nicht den gesamten Landschaftsraum charakterisieren und auf einzelne ökologisch feuchte bis nasse Standorte beschränkt sind. 3. Die nach Pollenanalyse zur Bildungszeit der Tschernoseme vorherrschenden Kie- fern können nicht zur Humusbildung der Tschernoseme beigetragen haben, da ihre Abfälle schwer zersetzbar und Rohhumusbildner sind. 4. In den Tschernosemen der zentralen Löss-Landschaften ist keine Ton-Humus-Ver- lagerung zu finden. Dieser bodenbildende Prozess wäre nachweisbar, wenn die 58 Tschernoseme über einen längeren Zeitpunkt hinweg eine geschlossene Waldbe- deckung gehabt hätten. Ton-Humus-durchschlämmte Böden kommen aber in den höher gelegenen und Randbereichen der Löss-Landschaften vor, die gleichzeitig durch höhere Niederschläge und Bewaldung gekennzeichnet sind. 5. In den Tschernosem-Profilen wurden keine Wurzelkeile gefunden, die für ehemalige Waldböden charakteristisch sind. Baumwurzeln, insbesondere Eichenwurzeln, rei- chen nach Beobachtungen in Lössprofilen tiefer als 8 dm. Kiefern sind Tiefwurzler. Tschernoseme unter Wald sind in Sachsen-Anhalt nicht bekannt. Es finden sich aber Spuren ehemaliger Bewaldung, die gerodet wurde, inselartig mitten in Tschernosemen als Fahlerden und Parabraunerden, z. B. in der Nähe von Bad Lauchstädt. Seit etwa 8000 Jahren sind die Tschernoseme des „Mitteldeutschen Trockengebietes“ in ihrem heutigen Erscheinungsbild vorhanden. Mit Beginn der Jungsteinzeit ist es der Mensch, der durch Ackerbau, Weide- und Siedlungstätigkeit für das Freibleiben der Tschernoseme von Wald sorgt. Dadurch hat er die wertvollsten Ackerböden von Deutschland erhalten. Zur Einschätzung des natürlichen Gleichgewichtes bzw. des ökologischen Potenzials der Standorte in Sachsen-Anhalt wurde die Karte der Potentiellen Natürlichen Vegeta- tion erarbeitet. Sie ist ein Modell der natürlichen Vegetation der Standorte, wie sie sich, bezogen auf die heutigen, anthropogen veränderten Standortverhältnisse bei Ausschal- tung von Einflüssen durch den Menschen „schlagartig“ einstellen würde. Ausgehend von den heutigen klimatischen Verhältnissen wird angenommen, dass sich auf den Tscher- nosemen aus Löss ein Haselwurz-Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald entwickeln würde. Würde eine solche Waldentwicklung auf Schwarzerden durch Umwandlung von Acker in Wald stattfinden, käme es zu nachhaltigen Bodenveränderungen. Dort, wo auf Löss flächenhaft besonders bodenversauernd wirkender Eichenwald stockt, beginnt aufgrund des Säureeintrags durch den Blattabfall und die Wurzeltätigkeit die Humuszehrung verbunden mit Entkalkung, Verlehmung und Tondurchschlämmung der Böden. Diese Entwicklung führt zu sehr sauren Fahlerden und ist mit einer erhebli- chen (bis ca. 30 %) und unumkehrbaren Fruchtbarkeitsverminderung der Böden verbun- den. Die Löss-Böden, insbesondere aber die Tschernoseme, haben große wirtschaftli- che Bedeutung für Sachsen-Anhalt. Deshalb sollten die Aspekte des Bodenschutzes bei Landschaftsveränderungen, Nutzungsumwidmungen oder Brachlandwirtschaft immer in die Überlegungen einbezogen werden. Literatur: 2167, 2215 59
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2010-05-11
Modified: 2010-05-11
Time ranges: 2010-05-11 - 2010-05-11
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