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Description: Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Armleuchteralgen (Characeae) Bestandsentwicklung Heiko Korsch Einführung Bei den Armleuchteralgen handelt es sich um meist unter Wasser lebende, mit bloßem Auge erkennbare grüne Pflanzen. Sie sind im Vergleich zu anderen Grün- algen stark differenziert und bestehen aus einer mit wurzelähnlichen Gebilden verankerten Achse mit Kno- ten, von dort abgehenden quirlig gestellten Ästen und an diesen sitzenden Blättchen. Charakteristisch sind die oft auffällig gefärbten Fortpflanzungsorgane. Der Name Armleuchteralge leitet sich von der an einen Mehrfach- Kerzenständer erinnernden Form der Astquirle ab. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Chara- ceae näher mit den Moosen und Höheren Pflanzen, als mit vielen anderen Algengruppen, verwandt sind (z. B. McCourt et al. 2004, Qui 2008). Weltweit umfasst der Verwandtschaftskreis etwa 450 Arten. Sie alle gehören zur Familie der Characeae. In Deutschland kommen davon 36 Arten vor, aus Sachsen-Anhalt sind derzeit 19 Vertreter nachgewiesen. Für weitere Arten (Chara galioides DC., 1813, C. rudis A. Braun ex v. Leonh., 1864, Nitella tenuissima [Desv.] Kütz., 1843, Tolypella intricata [Trent. ex Roth] v. Leonh., 1863, T. prolifera [Ziz ex A. Braun] v. Leonh., 1863) gibt es bisher nur falsche oder unsichere, unbelegte Angaben. Diese wur- den nicht in die Übersicht aufgenommen. Genaueres dazu ist bei Korsch (2013a) nachzulesen. Die meisten Armleuchteralgen sind an saubere Gewäs- ser gebunden. Die einzelnen Sippen weisen oft eine deutli- che Präferenz bezüglich des Kalkgehaltes des Wassers auf. Die Mehrzahl der Chara-Arten bevorzugt karbonatreiche Gewässer. Bei den meisten Nitella-Arten ist es umgekehrt. Typisch ist ihr teilweise unregelmäßiges Auftreten gerade in kleineren Gewässern. So kann man in einem Jahr einen großen Bestand an Armleuchteralgen vorfinden, um sie im nächsten Jahr im selben Gewässer vergeblich zu su- chen. Wenn sie jedoch ein Gewässer erst einmal besiedelt haben, findet man oft zahlreiche Vermehrungseinheiten (Oosporen) im Sediment. Diese bleiben lange Zeit, z. T. jahrzehntelang keimfähig (Krause 1997) und können bei veränderten Umweltbedingungen oder nach einer Sanierung des Gewässers erstaunlich schnell wieder zu großen Beständen führen. Umgekehrt erliegen viele Armleuchteralgen vor allem in kleineren Gewässern im Zuge der Sukzession sehr schnell dem Konkurrenzdruck anderer Pflanzen. Eine Reihe von Characeen weist eine jahreszeitliche Bindung auf, es lassen sich Frühjahrs- und Sommer-/Herbst-Arten unterscheiden. Die ent- scheidende Rolle spielt dabei die Wassertemperatur. Aufgrund des weitgehenden Fehlens natürlicher Seen in Sachsen-Anhalt haben durch den Menschen geschaf- fene Gewässer die größte Bedeutung als Lebensraum für Armleuchteralgen. Hier sind zunächst die wasser- gefüllten Restlöcher des Braun­kohle-, Kies-, Sand- und Tonabbaus zu nennen. In weiten Gebieten sind dies heute die einzigen Characeen-Gewässer (Korsch, 2013b). Alte Fischteiche verdienen insbesondere bei extensiver Bewirtschaftung eine besondere Beachtung. Aber auch die vielen Kleingewässer der Flussauen und der Kulturlandschaft sind bedeutsam für Armleuchter- algen. Einige Arten sind in ihrem Vorkommen sogar auf solche Gewässer beschränkt oder haben hier ihren Verbreitungsschwerpunkt. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Die Armleuchteralgen wurden in Sachsen-Anhalt lange Zeit nur sehr wenig beachtet. Aus dem 19. Jahr- hundert gibt es zwar eine Reihe von Nachweisen, doch beschränken sich diese weitgehend auf die Umgebung von Halle und den ehemaligen Salzigen See (z. B. Migu- la 1897). Mit der Wende zum 20. Jahrhundert kam die Beschäftigung mit dieser Artengruppe fast völlig zum Erliegen. Die Kenntnisse über die frühere Verbreitung der Characeen sind deshalb sehr unvollständig. Dieser mangelhafte Kenntnisstand spiegelt sich auch in der 1. und 2. Fassung der Roten Liste und der Checkliste der Armleuchteralgen (Dietze 1998, 1999, Täuscher 2004) wider. Erst ab etwa 2000 wurde den Characeen mehr Aufmerksamkeit gewidmet (z. B. Schubert et al. 2005). Aufgrund der Berücksichtigung in der Wasser- Die Kleine Baumleuchteralge (Tolypella glomerata) findet man vor allem an Badestellen in sauberen Gewässern. Schladebach, 30.5.2010, Foto: H. Korsch. 55 rahmen- und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union ist die Bedeutung der Armleuch- teralgen als Indikatoren für nährstoffarme Gewässer ausdrücklich unterstrichen worden. Dies war auch der Anlass ab 2009 eine flächendeckende Kartierung dieser Artengruppe durchzuführen (Korsch 2009, 2010, Täu- scher 2009, 2012, Täuscher & Kabus 2010). Dadurch ist das Wissen um die im Gebiet vorkommenden Arten, deren Verbreitung und Häufigkeit inzwischen recht umfangreich (Korsch, 2013a). Aussagen zur Bestands- entwicklung sind aber, wenn überhaupt, fast nur aus den besiedelten Standorten und deren Veränderungen abzuleiten. Die Benennung der Arten richtet sich nach Blümel & Raabe (2004). Die Artauffassung folgt Korsch et al. (2013). Gefährdungsursachen Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang vieler Armleuchteralgen sind die Eutrophierung der Gewässer aufgrund von Nährstoffeinträgen aus der Umgebung oder durch intensive Fischhaltung. Außerdem wurden infolge der Melioration und der Umgestaltung der Auen viele Kleingewässer in der Landschaft beseitigt und die natürliche Dynamik entlang der Fließgewässer unter- bunden. Gerade die vielfach als Erstbesiedler auftreten- den Characeen haben darunter besonders zu leiden. Andererseits können sie zumindest eine gewisse Zeit die im Zuge des Bergbaus entstehenden Restgewässer besie- deln und dort teilweise sehr große Bestände aufbauen. Einige Arten konnten dadurch einen Teil der Verluste ausgleichen oder sind im Gebiet heute sogar häufiger als je zuvor. Schutzmöglichkeiten bestehen in einer den Nährstoff- eintrag und die Trübung der Gewässer minimierenden Folgenutzung von Bergbaurestgewässern. Eine Nutzung als Badegewässer ist dabei eher mit einer artenreichen Characeen-Flora vereinbar als eine intensive Fischhal- tung. Vorkommen in Teichen können durch eine Exten- sivierung der Nutzung gefördert werden. Dabei hat vor allem die Begrenzung der Besatzdichte mit wühlenden Fischen (z. B. Karpfen) eine entscheidende Bedeutung. Eine völlige Aufgabe der Teichbewirtschaftung führt allerdings wegen der dann einsetzenden Sukzession meist nach wenigen Jahren zum Verschwinden der Armleuchteralgen. Keine der in Sachsen-Anhalt vorkommenden Arm- leuchteralgen unterliegt einem besonderen gesetzlichen Schutz und für keine besteht eine besondere Verant- wortung. Unter den Characeen gibt es keine Neobiota. Bei der Haarfeinen Glanzleuchteralge (Nitella capillaris) sind die in Köpfchen angeordneten Fortpflanzungsorgane von einer Schleimhülle umgeben. Sollnitz, 13.6.2010, Foto: H. Korsch. Eine der größten und auffälligsten Characeen ist die Horn- blättrige Armleuchteralge (Chara tomentosa), die in Sachsen- Anhalt nur noch bei Halle und Eisleben vorkommt. Halle, 20.6.2013, Foto: H. Korsch. 56 Die Fortpflanzungsorgane der Characeen sind einzigartig im gesamten Pflanzenreich. Hier sind Antheridien und Oogonien der Feinen Armleuchteralge (Chara virgata) zu sehen. Wed- dendorf, 13.5.2012, Foto: H. Korsch. Armleuchteralgen (Characeae) Literatur Blümel, C. & Raabe, U. (2004): Vorläufige Checkliste der Characeen Deutschlands. – Rostocker Meeresbi- ol. Beitr. (Rostock) 13: 9–26. Dietze, H. (1998): Rote Liste der Armleuchteralgen des Landes Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt. Umwelt- schutz Sachsen-Anhalt (Halle) 30: 18–20. Dietze, H. (1999): Checkliste der Armleuchteralgen (Characeae). – In: Frank, D. & Neumann, V. (Hrsg.): Bestandssituation der Pflanzen und Tiere Sachsen- Anhalts. – Ulmer, Stuttgart, S. 146–147. Korsch, H. (2009): Ergebnisse der Kartierung der Arm- leuchteralgen im Süden von Sachsen-Anhalt. – Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt (Halle) 14: 69–77. Korsch, H. (2010): Ergebnisse der Kartierung der Arm- leuchteralgen im Süden von Sachsen-Anhalt 2. – Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt (Halle) 15: 135–139. Korsch, H. (2013a): Die Armleuchteralgen (Characeae) Sachsen-Anhalts. – Ber. Landesamt. Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle) H. 1/2013: 1–85. Korsch, H. (2013b): Armleuchteralgen in der Berg- baufolgelandschaft. – In: Baumbach, H.; Heinze, M. & Sänger, H. (Hrsg.): Bergbaufolgelandschaften Deutschlands – geobotanische Aspekte und Rekulti- vierung. – Weissdorn-Verlag, Jena, S. 621–624. Korsch, H.; Doege, A.; Raabe, U. & van de Weyer, K. (2013): Rote Liste der Armleuchteralgen (Charophy- ceae) Deutschlands. – Haussknechtia (Jena) Beih.17: 1–32. Krause, W. (1997): Charales (Charophyceae). – Süßwas- serflora von Mitteleuropa 18. – Fischer, Jena, Stutt- gart, Lübeck, Ulm, 202 S. McCourt, R. M.; Delwiche, C. F. & Karol, K. G. (2004): Charophyte algae and land plant origins. – Trends Ecol. Evol. (London) 19: 661–666. Migula, W. (1897): Die Characeen Deutschlands, Oes- terreichs und der Schweiz. – In: Dr. L. Rabenhorst‘s Kryptogamen-Flora. 5. – Eduard Kummer, Leipzig, 765 S. Qui, Y.-L. 2008: Phylogeny and evolution of charophytic algae and land plants. – J. syst. evol. (Beijing) 46: 287–306. Schubert, H.; Schneider, S.; Bögle, M. & Schaible, R. (2005): Characeen Wiederfunde im Bereich Teut- schenthal-Röblingen – ein Nachtrag zur Roten Liste der Algen des Landes Sachsen-Anhalt. – Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt (Halle) 10: 42–48. Täuscher, L. (2004): Rote Liste der Algen des Landes Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt. Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle) 39: 34–42. Täuscher, L. (2009): Historische und aktuelle Unter- suchungen der Algen-Besiedlung im Land Sachsen- Anhalt (Deutschland). – Rostocker Meeresbiol. Beitr. (Rostock) 22: 73–81. Täuscher, L. (2012): Die Vorkommen von Armleuch- teralgen (Charales) im Norden von Sachsen-Anhalt (Deutschland). – Rostocker Meeresbiol. Beitr. (Ro- stock) 24: 111–118. Täuscher, L. & Kabus, T. (2010): Wasser- und Sumpf- pflanzen-Funde im nördlichen Sachsen-Anhalt. – Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt (Halle) 15: 141–149. Anschrift des Verfassers Dr. Heiko Korsch Herbarium Haussknecht Friedrich-Schiller-Universität Fürstengraben 1 07737 Jena Tab. 02.1: Bestandsentwicklung der Armleuchteralgen in Sachsen-Anhalt Zusätzliche Anmerkungen: Bezugsraum (BR) Gegebenenfalls sind BS und BE für einzelne Bezugsräume separat eingeschätzt. Rote Liste (RL) Bezug auf Täuscher (2004) Art Chara aspera Willd., 1809 Chara braunii C. C. Gmel., 1826 Chara canescens Loisel., 1810 Chara contraria A. Braun ex Kütz., 1845 Chara globularis Thuill., 1799 Chara hispida L., 1753 Chara intermedia A. Braun, 1859 Chara polyacantha A. Braun, 1859 BR BS BE RL Nachweis H ss T ss H ss T, H mh T, H mh B ss T ss H mh B ss H ss H ss     Deutscher Name, Synonym Korsch (2013a) Raue Armleuchteralge Korsch (2013a) Brauns Armleuchteralge 0 Korsch (2013a) Brackwasser-Armleuchteralge 1 Korsch (2013a) Gegensätzliche Armleuchteralge 3 Korsch (2013a) Zerbrechliche Armleuchteralge; Chara fragilis Desv., 1810 2 Korsch (2013a) Steifborstige Armleuchteralge 1 Korsch (2013a) Kurzstachelige Armleuchteralge 0 Korsch (2013a) Vielstachelige Armleuchteralge 57

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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