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Description: Pelzflohkäfer (Coleoptera: Leptinidae) Bestandssituation Volker Neumann Einführung Bei den Arten der Familie der Pelzflohkäfer (Fellkä- fer) besteht eine Bindung an bestimmte Säugetiere (u. a. Castor, Muridae, Talpidae). In Deutschland ist diese ar- tenarme Familie mit dem Biberkäfer (Platypsyllus casto- ris) und dem Mäusekäfer (Leptinus testaceus) vertreten. Der Biberkäfer kommt auf der eurasischen Biberart Castor fiber und auf der nordamerikanischen Art C. ca- nadensis vor. Borchert (1962) gibt ein Vorkommen von Platypsyllus castoris auf Sumpfbiber und Elbebiber an. Wenn mit Sumpfbiber der Nutria Myocastor coypus (Molina, 1782) gemeint ist, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Zufallsfund. Aus Nord- amerika ist der Fall eines Biberkäfernachweises vom Flussotter Lontra (Lutra) canadensis (Schreber, 1777) bekannt (Peck 2006). Es handelt sich vermutlich auch bei diesem Ausnahmebefund um ein zufälliges Ereig- nis. Platypsyllus castoris und Leptinus testaceus sind mor- phologisch vollkommen unterschiedlich. Bei dem dorsi- ventral abgeplatteten P. castoris fällt es schwer, einen Kä- fer („Biberlaus“) zu erkennen (Neumann 1993). Trotz- dem werden in Arbeiten der neueren Systematik die Familien der Leptinidae und Platypsyllidae zur Familie der Leptinidae zusammengefasst (u. a. Freude 1971, Köhler & Klausnitzer 1998). Der Grund der Zusam- menlegung scheint nach Freude (1971) in der Angabe Rileys zu liegen, dass die amerikanische Art Leptinillus validus Horn, 1872 einmal mit P. castoris gemeinsam in Biberfellen gefunden wurde. Freude (1971) äußert Biberkäfer (Platypsyllus castoris), Ventralansicht. Bemerkens- wert sind die gelbbraune Färbung aufgrund Depigmentierung und die starke Beborstung. Foto: M. Trost. 768 die Meinung, dass dieser Zufallsbefund wahrscheinlich durch ein in den Fellen angelegtes Mäusenest bedingt sei und kein Verwandtschaftsbeweis ist. Dieser Ansicht stehen die überzeugenden Untersuchungen von Wood (1964) über die Biologie des Käfers und dessen Ent- wicklungsstadien entgegen. Verschiedene Autoren (z. B. Löbl & Smetana 2004, Peck 2006) ordnen L. testaceus und P. castoris in die Unterfamile der Platypsyllinae, welche hier der Familie der Leiodidae zugeordnet ist. Datengrundlagen Vom Biberkäfer wurden in Deutschland im Mittelel- begebiet durch Friedrich (1894) auf dem Fell eines 59 Pfund schweren männlichen Bibers, der im Gebiet der ehemaligen Herzoglichen Oberförsterei Vockerode (Sachsen-Anhalt) am Ufer des Waldersees in einem Fischottereisen gefangen worden war, die ersten Exem- plare dieser Käferart mit ihren Larven gefunden. Mit der Wiederansiedlung und Ausbreitung des Bibers in Deutschland breitete sich auch sein Mitbewohner, der Biberkäfer, aus. So konnte P. castoris z. B. aus Nord- und Südbayern (Geiser 1980, 1981) und Baden (Köhler 2011) gemeldet werden. Köhler & Klausnitzer (1998) nennen P. castoris als importierte Art auch für Schles- wig-Holstein. Für Sachsen-Anhalt geben Köhler & Klausnitzer (1998) „Nachweise nur vor 1950“ für den Biberkäfer an. Jahreszeitlich differenzierte Funde aus Jahren da- nach beschreiben Neumann & Piechocki (1984) und Neumann et al. (2000). Aktuelle Nachweise dieser Art gibt es von zwei überfahrenen Bibern vom November 2013 aus dem Drömling (leg. A. Weber, M. Trost mdl. Mitt., Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle/S). In Rheinland-Pfalz siedelte sich lokal der Nordame- rikanische Biber Castor canadensis an. Es handelt sich hier wahrscheinlich um entlaufene Zootiere, welche sich weiter vermehrten (Information S. Venske, Biberzen- trum der GNOR e. V. Fischbach bei Dahn; A. Schuma- cher mdl. Mitt., Biosphärenreservat Mittelelbe, Des- sau-Roßlau). In Nordamerika kommt auf Castor cana- densis neben dem Biberkäfer als weitere Fellkäferart Lep- tinillus validus Horn, 1872 vor. Ein Vorkommen nach Einschleppung mit den sich hier angesiedelten Bibern sowie eine Ausbreitung dieser sehr seltenen Käferart ist wenig wahrscheinlich. Der Mäusekäfer ist die scheinbar am weitesten ver- breitete und häufigste Art der allgemein selten gefun- Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt denen Leptiniden. Köhler & Klausnitzer (1998) nen- nen „Nachweise seit 1950” für alle Bundesländer außer Sachsen-Anhalt. Eine Übersicht von Funden dieser Art nach 1950 für Sachsen-Anhalt geben Neumann et al. (2000). Bei Auswertung von Bodenfallenfängen (Ma- terial der Jahre 1997–2000) des Landesamtes für Um- weltschutz Sachsen-Anhalt, Halle/S. fand sich der Mäu- sekäfer in Proben von Altenbrak, Allrode, Schierke und Umfeld Uftrungen (Determination und mdl. Mitt. M. Jung, Februar 2014). Die Systematik und Nomenklatur der Arten folgen Köhler & Klausnitzer (1998). Anmerkungen zu den Arten Dem Biberkäfer Platypsyllus castoris und dem Mäu- sekäfer Leptinus testaceus ist eine gewisse Übereinstim- mung in der Lebensweise gemeinsam, des Weiteren die Reduktion der Augen, der Flügel, die schwächere Pig- mentierung und die fünfgliedrigen Tarsen. Der Mäuse- käfer hat die typische Gelbfärbung von Höhlenkäfern bzw. der Bewohner tieferer Erdschichten. Platypsyllus castoris und seine Entwicklungsstadien sind Kommensalen. Nach Wood (1964) scheint die Nahrung des Biberkäfers bei Imagines und Larven aus Hautprodukten des Wirtes zu bestehen. Bei Massen- befall von Larven kann als Folge des Fressens mit den scherenartigen Mandibeln eine oberflächliche Abschür- fung der Wirtshaut auftreten. Dann werden als Nahrung auch Blutbestandteile aufgenommen. Die Lebensweise der Larven kann unter diesen besonderen Umständen also zeitweilig parasitär werden. Die Mundwerkzeuge der Käfer schließen eine parasitäre Lebensweise aus (Neumann & Piechocki 1984, 1985). Nach Ising (1969) lassen sich Käfer und Larven von Leptinus testaceus nur in Nestern von Gelbhalsmaus und Waldmaus, unter Laborbedingungen auch von der Hausmaus, normal halten. Die Nahrung besteht aus Stoffen, die vom Wirt stammen und diesem direkt entnommen werden. Nach Ising (1969) werden mit Sicherheit Hautschuppen, Haarbestandteile und Kot gefressen. Die Frage nach der eigentlichen Nahrung bleibt offen, ebenso ob Drüsensekrete des Wirtes Nahrungsstoffe darstellen. Hungrige Larven nehmen Fellbestandteile zu sich. Für eine normale Entwicklung muss in ausreichender Menge älterer, noch nicht ange- schimmelter Kot frei lebender Mäuse als Beikost zur Verfügung stehen. Die Gefährdung der beiden Fellkäferarten und ihrer Entwicklungsstadien ist abhängig von der Verbreitung und der Gefährdung ihrer Wirtstiere. Somit bedürfen diese Käferarten selbst keiner besonderen Schutzmaß- nahme. Keine der beiden Arten ist besonders gesetzlich geschützt. Danksagung Frau Anett Schumacher (Biosphärenreservat Mit- telelbe Dessau-Roßlau) sowie den Herren Manfred Jung (Athenstedt) und Dr. Martin Trost (Landesamt für Um- weltschutz Halle/S.) danke ich für ergänzende Angaben. Literatur Borchert, A. (1962): Lehrbuch der Parasitologie für Tierärzte. 3. Aufl. – Hirzel, Leipzig, 644 S. Freude, H. (1971): Leptinidae. – In: Freude, H.; Har- de, K. W. & Lohse, G. A. (1971): Die Käfer Mitteleu- ropas. Bd. 3. – Goecke & Evers, Krefeld, S. 202–203. Friedrich, H. (1894): Die Biber an der mittleren Elbe nebst einem Anhange über Platypsyllus castoris Ritse- ma. – Baumann, Dessau, S. 35–47. Geiser, R. (1980): 8. Bericht der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Koleopterologen. Platypsyllus castoris Ritsema. – Nachr.bl. bayer. Entomol. (München) 29: 39. Geiser, R. (1981): 9. Bericht der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Entomologen. – Nachr.bl. bayer. Ento- mol. (München) 30: 33–50. Ising, E. (1969): Zur Biologie des Leptinus testaceus Müller, 1817 (Insecta, Coleoptera). – Zool. Beitr. (Berlin) 15: 393–456. Köhler, F. (2011): 2. Nachtrag zum „Verzeichnis der Käfer Deutschlands (Köhler & Klausnitzer 1998) (Coleoptera) Teil I. – Entomol. Nachr. Ber. (Dresden) 55 (2–3): 109–174. Köhler, F. & Klausnitzer, B. (1998): Verzeichnis der Käfer Deutschlands. – Entomol. Nachr. Ber. (Dres- den) Beih. 4: 62. Löbl, I. & Smetana, A. (Eds.) (2004): Catalogue of Pal- aearctic Coleoptera. Volume 2. Hydrophylidea – His- teroidea – Histeroidea – Staphylinoidea. – Apollo Books, Stenstrup, 944 S. Neumann, V. (1993): Bemerkungen zu Platypsyllus cas- toris Ritsema, 1869 (Coleoptera, Platypsyllidae) und seinen Entwicklungsstadien – ein dem Leben im Bi- berfell angepaßter Käfer. – Verh. Westdtsch. Ento- mol.-Tag 1991 (Düsseldorf): 67–74. Neumann, V. (2004): Rote Liste der Fellkäfer des Lan- des Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt. Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle) 39: 311–312. Neumann, V. & Piechocki, R. (1984): Die Entwick- lungsstadien der Familie Leptinidae (Coleoptera). – Entomol. Nachr. Ber. (Dresden) 28 (6): 237–252. Neumann, V. & Piechocki, R. (1985): Morphologische und histologische Untersuchungen an den Larven- stadien von Platypsyllus castoris Ritsema (Coleop- tera, Leptinidae). – Entomol. Abh. Staatl. Mus. Tierk. Dresden (Dresden) 49 (2): 27–34. Neumann, V.; Heidecke, D.; Stubbe, A. & Stubbe, M. 769 Pelzflohkäfer (Coleoptera: Leptinidae) (2000): Angaben zur Verbreitung der Fellkäfer (Col., Leptinidae) in Sachsen-Anhalt. – Entomol. Nachr. Ber. (Dresden) 44 (2): 129–133. Peck, S. B. (2006): Distribution and biology of the ec- toparasitic beaver beetle Platypsyllus castoris Ritsema in North America (Coleoptera: Leiodidae: Platypsylli- nae). – Insecta Mundi (Gainesville) 20 (1): 85–94. Wood, D. M. (1964): Studies on the beetles Leptinillus validus (Horn) and Platypsyllus castoris Ritsema (Coleoptera: Leptinidae) from beaver. – Proc. Ento- mol. Soc. Ontar. (Toronto) 95: 33–63. Anschrift des Verfassers PD Dr. Volker Neumann Säuleneichenweg 6 06198 Salzatal OT Lieskau E-Mail: Volker.neumann.col@gmx.de Tab. 38.1: Bestandssituation der Pelzflohkäfer in Sachsen-Anhalt Zusätzliche Abkürzungen: Ursachen für Veränderungen der Bestandssituation (UV) WI Gefährdung des Wirtes Rote Liste (RL) Bezug auf Neumann (2004) ArtBS UV RL Bm Nachweis s WI 3 Platypsyllus castoris Ritsema, 1869s WI 2 Leptinus testaceus Müller, 1817 770 V Synonym, Deutscher Name Neumann et al. (2000) Leptinus caucasicus Motschulsky, 1840; Mäusekäfer Neumann et al. (2000) Platypsyllus castorinus Westwood, 1869; Biberkäfer

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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