Description: Regenwürmer (Lumbricidae) Checkliste Elisabeth Neubert Einführung Die Familie der Regenwürmer (Lumbricidae) gehört zur Ordnung der Wenigborster (Oligochaeta) und in- nerhalb des Stammes der Ringelwürmer (Annelida) zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata). In Europa leben etwa 400 und weltweit etwa 3.000 Regenwurmarten. Für Deutschland sind derzeit ca. 46 Arten bekannt, in Sachsen-Anhalt wurden aus elf Gattungen 21 Arten nachgewiesen. Regenwürmer werden in der gemäßigten Zone hin-sichtlich ihrer Leistungen für Dekomposition und Bodenstruktur als wichtigste Tiergruppe betrachtet. Sie sind an ihre Umwelt morphologisch und physiolo- gisch hoch angepasst, wichtige Glieder des Nährstoff- kreislaufes im Boden und Indikatororganismen für die gesamte Bodenfauna. Das ökologische Verhalten der Regenwürmer ist sehr vielfältig. Es lässt sich in drei Le- bensformtypen gliedern (Tab. 16.1). Regenwürmer erfüllen wichtige Funktionen im Le- bensraum. Sie zerkleinern die tote organische Substanz und beschleunigen somit den Abbau und den Umsatz von Stoffen im Ökosystem. Durch die Einarbeitung der organischen Substanz wird die Bodenfruchtbarkeit erhöht, gleichzeitig wird das Bodengefüge aufgelockert (Wohnröhren), was die Durchwurzelbarkeit fördert. Auch die Wasserinfiltrationsrate wird durch das Röh- rensystem gesteigert, wodurch Bodenerosion vermin- dert wird. Die Bildung von organomineralischen Ver- bindungen im Darmtrakt der Regenwürmer erhöht die Stabilität von Böden. Nicht zuletzt sind Regenwürmer eine Nahrungsressource. Tab. 16.1: Lebensformtypen von Regenwürmern (nach Bouché 1977). epigäisch Streubewohner klein bis mittel ganzer Körper stark pigmentiert Streuauflage und unter Rinde anecisch Tiefengräber Größe groß Habitus vorn pigmentiert Lebensraum Oberfläche bis mehr als 1m Tiefe Grabtätigkeit Gänge oberflächlich oder fehlend vertikale, permanente Gänge Nahrung Streu auf Bodenoberfläche Streu (wird in Gänge gezo- gen) Übliche Zuord- Lumbricus rubellus Lumbricus terrestris nung von Arten Lumbricus castaneus Aporrectodea longa Dendrobaena spp. Lumbricus terrestris ist als Tauwurm bekannt, ein anecischer Tiefengräber. Amsdorf, 2012, Foto: E. Neubert. 558 endogäisch Horizontale Gräber mittel ohne Pigmentierung Mineralboden (in 10–15 cm Tiefe), besonders in Wurzelnähe horizontale, nicht dauerhafte Gänge Mineralboden, bevorzugt Material mit reicher organischer Substanz Aporrectodea rosea Aporrectodea caliginosa Allolobophora chlorotica Octolasion spp. Für Regenwürmer ist das Nahrungsangebot auf allen Standorten limitierender Faktor neben der engen Wech- selbeziehung mit den im Lebensraum herrschenden Umweltverhältnissen, insbesondere dem Humus- und Feuchtigkeitsgehalt, der Art, Struktur und Temperatur des Bodens sowie der Bodenreaktion (pH-Wert). Auf- grund der Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse konzentrieren sich die Aktivitätsphasen der Regenwür- mer auf die Frühlings- und Herbstmonate. Ungüns- tigen Witterungsbedingungen weichen sie zunächst dadurch aus, dass sie sich in tiefere Bodenschichten zurückziehen. Wenn die Bedingungen (Trockenheit, Kälte) zu extrem werden, fallen Regenwürmer in einen Starrezustand (Diapause), bei dem die Lebensfunktio- nen stark reduziert werden. Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Zu den natürlichen Feinden der Regenwürmer gehö- ren Maulwürfe, Spitzmäuse, Vögel, Amphibien, Reptili- en und verschiedene Insekten. Da die Regenwürmer eine lange Lebensdauer (ab- hängig von ihrer Lebensweise ein bis ca. acht Jahre) haben, können sie vorhandene Umweltbelastungen über mehrere Jahre akkumulieren und gelten somit als gute Bioindikatoren (Tischer 2009, 2010). In Sachsen-Anhalt wurde seit 1994 ein Boden-Dau- erbeobachtungssystem mit 70 Untersuchungsflächen (BDF; Größe ca. 50 m × 50 m) aufgebaut. Diese BDF repräsentieren für das Bundesland typische Kombinatio- nen von bodenkundlich-geologischen Standortverhält- nissen, typischen klimatischen Verhältnissen, Bodennut- zungen und Bodenbelastungen. Sie werden physikalisch, chemisch und biologisch unter ihrer jeweils aktuellen Nutzung untersucht. Die bodenzoologischen Untersuchungen haben das Ziel, anhand der Regenwürmer Aussagen über die Ent- wicklung bodengebundener Zoozönosen (Abundanz, Artenspektrum, Dominanzstruktur) zu gewinnen und Rückschlüsse auf veränderte Umwelt- und Bewirtschaf- tungseinflüsse (Immissionen, Pflanzenschutzmittel, Bo- denbearbeitung) auf Böden zu ziehen. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Die Bestimmung der Regenwürmer bis auf das Artni- veau erfolgt mit Hilfe der einschlägigen Bestimmungsli- teratur (Graff 1953, Zicsi 1965, Csuzdi & Zicsi 2003, Sims & Gerard 1999). Die Nomenklatur richtet sich vorrangig nach der Checkliste der Regenwürmer Un- garns (Csuzdi & Zicsi 2003) wobei auch Sims & Gerard (1999) herangezogen wurde. Von Tischer (1994–2005) und Neubert (2004–2013) wurden im Rahmen dieser Arbeiten 21 Regenwurmarten für Sachsen-Anhalt nach- gewiesen. Am häufigsten kommen die Arten Aporrectodea ca- liginosa, A. rosea, Allolobophora chlorotica und Lumbri- cus terrestris vor. Es sind die Arten mit der größten An- passungsfähigkeit an die Standortbedingungen, wobei das häufige Vorkommen von A. chlorotica auf die kur- ze Entwicklungsdauer und Vermehrungsquote und das damit teilweise massenhafte Auftreten dieser Art zurückzuführen ist. Die meisten Regenwurmarten be- vorzugen neutrale bis schwach alkalische Böden. Auf sauren Waldstandorten finden sich die als acidotolerant geltenden Arten Dendrobaena octaedra und Lumbricus rubellus. Octolasion tyrtaeum ein endogäisch lebender Regenwurm, der in nahezu allen Bodenarten vorkommt. Ziegelroda, 2011, Foto: E. Neubert. 559 Allolobophora chlorotica ist häufig in Ackerböden mit guter Was- serversorgung anzutreffen. Brücken, 2008, Foto: E. Neubert. Für Aussagen zur Bestandsentwicklung ist der bis- herige Untersuchungszeitraum zu kurz. Eine Rote Liste für die Regenwürmer Deutschlands wurde im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz erarbeitet. Keine der Regenwurmarten ist besonders gesetzlich geschützt. Literatur Bouché, M. B. (1977): Strategies lombriciennes. – In: Lohm, U. & Persson, T. (Eds.): Soil organisms as com- ponents of ecosystems. – Ecol. bull. (Stockholm) 25: 122–132. Csuzdi, C. & Zicsi, A. (2003): Earthworms of Hungary (Annelida: Oligochaeta, Lumbricidae). – Pedozoo- logica Hungarica 1, Hungarian Natural History Mu- seum & Systematic Zoology Research Group of the Hungarian Academy of Science, Budapest, 271 S. Graff, O. (1953): Die Regenwürmer Deutschlands. Ein Bilderatlas für Bauern, Gärtner, Forstwirte und Bo- denkundler. – Schaper, Hannover, 81 S. Neubert, E. (2004–2013) Ergebnisberichte: Lumbrici- denuntersuchungen auf ausgewählten Boden-Dauer- beobachtungsflächen (BDF) in Sachsen-Anhalt. – Lan- desamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle. Sims, R. W. & Gerard, B. M. (1999): Earthworms. – Sy- nopsis of the British Fauna (New Series) 31 (revised). Published for The Linnean Society of London and The Estuarine and Coastal Sciences Association by Field Studies Council, Shrewsbury, 169 S. Tischer, S. (1994–2005): Ergebnisberichte: Huminstoff- und Lumbricidenuntersuchungen an ausgewählten Bodendauerbeobachtungsflächen im Land Sachsen- Anhalt. – Martin-Luther-Universität Halle-Witten- berg, Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaf- ten, Halle. Tischer, S. (2009): Lumbriciden als Akkumulations- Bioindikatoren für Schwermetallbelastungen in Bö- den. – Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft (Berlin, Heidelberg u.a.) 69 (10): 401–406. Tischer, S. (2010): Lumbriciden als Bioindikatoren für Standorteigenschaften. – Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft (Berlin, Heidelberg u.a.) 70 (4): 124–128. Zicsi, A. (1965): Die Lumbriciden Oberösterreichs und Österreichs unter Zugrundelegung der Sammlung von Karl Wesselys mit besonderer Berücksichtigung des Linzer Raumes. – Naturkundl. Station Stadt Linz/ Austria. Anschrift der Verfasserin Elisabeth Neubert Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Reilstraße 72 06114 Halle (Saale) E-Mail: Elisabeth.Neubert@lau.mlu.sachsen-anhalt.de Tab. 16.2: Checkliste der Regenwürmer in Sachsen-Anhalt Zusätzliche Abkürzung: Nachweis N & T von Neubert und Tischer im Rahmen der Untersuchungen auf Boden-Dauerbeobachtungsflächen ge- funden und bestimmt Art Allolobophora chlorotica Savigny, 1826 Allolobophoridella eiseni (Levinsen, 1884) Aporrectodea caliginosa (Savigny, 1826) incl. Aporrectodea nocturna (Evans 1946) Aporrectodea limicola (Michaelsen, 1890) Aporrectodea longa (Ude, 1885) Aporrectodea rosea (Savigny, 1826) Dendrobaena octaedra (Savigny, 1826) Dendrobaena pygmaea (Savigny, 1826) Dendrodrilus rubidus (Savigny, 1826) 560 Nachweis Synonym N&T det. Neubert Lumbricus eiseni Levinsen, 1884; Allolobophora eiseni (Levinsen, 1884) N&T det. Tischer N&T N&T N&T det. Tischer N&T
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2016-12-28
Modified: 2016-12-28
Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28
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