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Description: Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Schleimpilze (Myxomycetes) Bestandssituation Ulla Täglich Einführung Die Schleimpilze sind eine relativ kleine Organis- mengruppe, deren Leben sich meist im Verborgenen abspielt, die bei Fruktifikation aber auffällige Erschei- nungsformen bieten können. So fallen die leuchtend roten, zwar noch unreifen Fruchtkörper des Blutmilch- pilzes (Lycogala epidendrum) oder die gelben Plasmo- dien der Gelben Lohblüte (Fuligo septica) auf diversen Substraten auch dem Speisepilzsammler auf. Die meis- ten Schleimpilze sind erst mittels Lupe erkennbar. Der überwiegende Teil eines Schleimpilz-Lebenszyklus spielt sich für das Auge unsichtbar im Boden, in mor- schem Holz oder in der Laub- und Nadelstreu ab. Die wie Pilze fruktifizierenden Myxomycetes sorgten schon in der Historie für Diskussionen über ihre Zu- gehörigkeit zu bestimmten Organismengruppen. Zu- erst wurden sie zu den Bauchpilzen (Gasteromycetes) gestellt, bis durch De Bary (1862, 1864) im 19. Jahr- hundert der Entwicklungszyklus entdeckt und die Ähn- lichkeit zu den Protozoen festgestellt wurde. Im heuti- gen System der Organismen stehen sie relativ isoliert, werden aber traditionell durch ihre Erscheinungsweise mit Sporenbildung im Rahmen mykologischer Unter- suchungen bearbeitet. Einen sehr guten Überblick über die in Deutschland nachgewiesenen Myxomycetes gibt das dreibändige Werk von Neubert et al. (1993, 1995, 2000). Schleimpilze sind überall dort anzutreffen, wo Vege- tation und anderes meist verrottendes organisches Ma- terial vorhanden sind. Die größte Formenvielfalt wird bei den holzbewohnenden Arten beobachtet. Andere Arten leben am Boden, zwischen und auf Laub, auf vor- jährigen Gras- und anderen krautigen Pflanzenresten. Manche Arten können Kalk in ihren Fruchtkörpern einlagern und sind dadurch oft weiß gefärbt. Andere Arten haben sich auf das Leben im Gebirge spezialisiert und fruktifizieren am Rande des schmelzenden Schnees auf pflanzlichem Material. Diese Arten werden als ni- vicol, d. h. schneeliebend bezeichnet. Vorwiegend aus den Alpen bekannt, ist eine ganze Reihe von nivicolen Myxomycetes inzwischen auch im Harz nachgewiesen. Auch gibt es Arten, die sehr kleine, für das Auge un- sichtbare Fruchtkörper bilden. Diese sind im Freiland nur durch Zufall zu finden. Durch Kultivierung diverser Substrate können solche Arten in Feuchtkammerkultu- ren nachgewiesen werden. Sehr viele Arten sind relativ eng an bestimmte Mikrohabitate gebunden und dort oft nicht sehr selten. Anders als Pilze zersetzen sie das Substrat nicht, auf dem sie wachsen, sondern ernähren sich von Bakterien und Algen und greifen somit in den Abbau organischer Substanzen ein. Sie fördern damit einen schnelleren Stoffkreislauf im Ökosystem. Der Lebenszyklus eines Schleimpilzes ist sehr kom- pliziert. Es gibt zwei vegetative Stadien: die Myxamöben (amöbenähnlich) und Myxoflagellaten (geißeltragend) und das oft sichtbare Plasmodium, eine vielkernige Plasmamasse, die nur von einer Membran umschlos- sen ist und sich selbstständig fortbewegen kann. Da- raus entstehen dann unter günstigen Bedingungen fruchtkörperähnliche Gebilde, die Sporen entlassen. Diese Fruchtkörper gibt es in verschiedenen Formen als kissenförmige Sammelfruchtkörper, auch Aethalien genannt, und als Einzelfruchtkörper, den Sporangien, welche oft gestielt sein können. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Im Gegensatz zu Pflanzen und zu höheren Pilzen gab es leider nur wenige Sammler und Floristen, die sich mit Myxomycetes beschäftigt haben. Historische Angaben aus Sachsen-Anhalt gibt es in den Florenwerken von Buxbaum (1721), Leysser (1761, 1783), Sprengel (1806, 1807), Wallroth (1833), Schwabe (1839) und Garcke (1856). In späterer Literatur werden Anmerkungen zu Schleimpilzen nur sporadisch genannt und beschränken sich auf häufige Arten wie Fuligo septica oder Lycogala epi- dendrum. Auch heute beschäftigen sich deutschlandweit sowie auch in Sachsen-Anhalt nur sehr wenige Floristen mit dem Vorkommen von Myxomycetes. Somit kann hier Physarum listeri gehört zu den streu- und laubbewohnenden Schleimpilzen. Die Art ist sicher häufiger als ihre bisherigen Funde vermuten lassen. Hergisdorf, Kliebigsbachtal, 3.4.2010, Foto: G. Hensel. 261 nur eine Checkliste der bisher in Sachsen-Anhalt nach- gewiesenen Schleimpilz-Arten vorgelegt werden. Eine Einschätzung der Bestandsentwicklung ist aufgrund der ungenügenden Datenlage nicht möglich. Von den ca. 300 in Deutschland vorkommenden Taxa (Schnittler et al. 2011) wurden in Sachsen-Anhalt Lycogala flavofuscum gehört aufgrund ihrer Größe zu den auf- fälligen Schleimpilzen. Sie besiedelt vorwiegend Pappelholz. Trotz reichlichem Substratangebot wird die Art nur selten ge- funden. Großkayna, Vesta-Halde, 13.3.2004, Foto: G. Hensel. 197 Arten (inklusive Varietäten) gefunden. Alle bisher im Bundesland nachgewiesenen Taxa werden mit dem bisher bekannten Verbreitungsgebiet (Bezugsraum) auf- geführt. Keine Schleimpilzart ist besonders gesetzlich geschützt. Lamproderma ovoideum ist eine der häufigsten nivicolen My- xomycetes. Diese Arten haben sich auf das Leben und die Fruktifikation im zeitigen Frühjahr am Rande des schmel- zenden Schnees spezialisiert. Man findet sie bei günstigen Be- dingungen ab einer Höhe von ca. 500 m im Harz. NP Harz, Brockengebiet, Oberer Königsberger Weg, 28.4.2013, Foto: G. Hensel. Die Arten aus der Gattung Licea, hier L. parasitica, gehören zu den sehr kleinen und dadurch im Freiland schwer zu findenden Schleimpilzen. Licea parasitica wächst auf mit Moos und Algen bewachsenen Sambucus nigra-Ästen. Waldau, FND Heideteiche, 19.3.2011, Foto: G. Hensel. 262 Schleimpilze (Myxomycetes) Literatur Bary, A. de (1862): Die neueren Arbeiten über Schleim- pilze und ihre Stellung im System. – Flora (Jena) 20: 264–272. Bary, A. de (1864): Die Mycetozoa (Schleimpilze). Ein Beitrag zur Kenntnis der niedersten Organismen. – Engelmann, Leipzig, 132 S. Buxbaum, J. C. (1721): Enumeratio plantarum accu- ratior in agro Hallensi locisque. – Renger, Halle/S./ Magdeburg, 342 S. Garcke, A. (1856): Flora von Halle mit näherer Berück- sichtigung der Umgebung von Weissenfels, Naum- burg, Freiburg, Bibra, Nebra, Querfurt, Allstedt, Ar- tern, Eisleben, Hettstedt, Sandersleben, Aschersleben, Staßfurt, Bernburg, Köthen, Dessau, Oranienbaum, Bitterfeld und Delitzsch. Band 2. Teil: Kryptogamen. – Wiegandt, Berlin, 276 S. Leysser, F. W. (1761): Flora Halensis exhibens plantas circa Halam Salicam crescentes secundum systema sexuale Linneanum distributas. – Selbstverl., Halae Salicae, 224 S. Leysser, F. W. (1761): Flora Halensis exhibens plantas circa Halam Salicam crescentes secundum systema sexuale Linneanum distributas. Editio altera et reformata. – Selbstverl., Halae Salicae, 305 S. Neubert, H.; Nowotny, W. & Baumann, K. (1993, 1995, 2000): Die Myxomyceten Deutschlands und des an- grenzenden Alpenraumes unter besonderer Berück- sichtigung Österreichs. Band 1–3. – Karl-Heinz-Bau- mann-Verl., Gomaringen. Schnittler, M.; Kummer, V.; Kuhnt, A.; Krieglstei- ner, L.; Flatau, L.; Müller, H. & Täglich, U. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Schleimpilze (My- xomycetes) Deutschlands. – In: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 6: Pilze (Teil 2) – Flechten und Myxomyceten. – Naturschutz Biol. Vielfalt (Bonn-Bad Godesberg) 70 (6): 124–234. Schwabe, S. H. (1839): Flora Anhaltina. – Reimer, Be- rolini, 425 S. Sprengel, K. (1806): Florae Halensis tentamen novum, cum iconibus XII. – Kümmel, Halle, 420 S. Sprengel, K. (1807): Mantissa prima Florae Halensis addita novarum plantarum centuria. – Kümmel, Hal- le, 58 S. Täglich, U. (2003): Gesamtfundliste BFA-Tagung Gün- tersberge. – unveröff. Manuskript. Wallroth, C. F. W. (1833): Flora Cryptogamica Germa- niae. Pars posterior, continens Algas et Fungos. – Schrag, Nürnberg, 923 S. Zimmermann, H. (2005): LFA-Herbstexkursion Ballen- stedt/Gegensteine. – unveröff. Manuskript. Anschrift der Verfasserin Ulla Täglich Alte Lauchstädter Straße 22 06217 Merseburg E-Mail: ulla.taeglich@web.de Tab. 06.1: Bestandssituation der Schleimpilze in Sachsen-Anhalt Zusätzliche Abkürzungen: Bezugsraum (BR) Bezugsraum in Klammer ( ) – dort selten Bestandssituation (BS) ss sehr selten (1–5 Fundstellen) s selten (6–10 Fundstellen) mh mäßig häufig (11–20 Fundstellen) h häufig (21–50 Fundstellen) sh sehr häufig (> 51 Fundstellen) Bemerkungen Kultur Kultivierung diverser Substrate aus Freiland in Feuchtkammerkulturen Nachweis Cult. Kultivar Art BR Amaurochaete atra (Alb. & Schwein.) Rostaf., 1873 T, H BS Bemerkungen ss Nachweis leg. Hanelt, Coll. Täglich Coll. Täglich Coll. Täglich Deutscher Name Arcyodes incarnata (Alb. & Schwein.) Cooke, 1902 H ss Arcyria affinis Rostaf. 1875 sensu Nann.-Bremek., (T), H s 1968 Arcyria cinerea (Bull.) Pers., 1801 sh im höheren Bergland Coll. Täglich noch nicht nachgewiesen 263

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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