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Description: Springschwänze (Collembola) Checkliste Hans-Jürgen Schulz Einführung Das durchschnittliche Lebensalter von Collembolen liegt meist deutlich unter einem Jahr (maximal bis zu drei Jahren). Einige Arten werden nur wenige Wochen alt (z. B. Sminthurides). Manche Arten haben jahres- zeitlich unterschiedliche Morphen. Nach dem Schlupf aus dem Ei erfolgt eine direkte Entwicklung zum Adult- zustand (ohne Ausbildung von Larvalmerkmalen). Die Anzahl der Häutungen, die zur Geschlechtsreife füh- ren, ist artabhängig (minimal drei und maximal etwa 14). Die Begattung erfolgt durch indirekte Spermaüber- tragung. Bei den bodenbewohnenden Arthropleona setzt das Männchen ein gestieltes Spermatröpfchen ab, welches vom Weibchen mit der Genitalöffnung aufge- nommen wird. Beide zeigen dabei keinerlei Paarungs- verhalten. Dagegen sind viele verschiedene Stufen der Paarbildung bzw. des Sexualkontakts (u. a. Balzverhal- ten), insbesondere von den Symphypleona, bekannt. Durch das hierdurch schnelle und gesicherte Über- tragen des Spermas wird ein Austrocknen verhindert. Parthenogenese ist, insbesondere bei den echten Bo- denbewohnern, weit verbreitet (Mesaphorura-Arten, Iso- tomiella minor). Es werden drei Lebensformen bei den Collembola unterschieden: 1. Relativ große, gut pigmentierte, kräftig behaarte oder beschuppte Arten mit langen Extremitäten (Lebens- raum: Bodenoberfläche und Vegetationsschicht) – epedaphisch; 2. mittelgroße, kompaktere Arten, i. d. R. gut pigmen- tiert, Extremitäten kürzer (Lebensraum: Grobstruk- turen (Streu- oder Moosauflagen) der Bodenoberflä- che) – hemiedaphisch; 3. kleine, blinde, fast wurmförmige Arten (Lebensraum: Kleinhöhlen des Bodens) – euedaphisch („echte“ Bo- denbewohner). Aufgrund ihrer wesentlich geringeren Ausbreitungs- möglichkeiten sind gerade die euedaphischen Arten als Bioindikatoren für die Qualität von Lebensräumen sehr gut geeignet. Springschwänze haben ein breites Nah- rungsspektrum (Bakterien- und Algenbeläge, Pilzrasen, Falllaub, Pollen, totes Holz usw.). Durch Massenvor- kommen und -wanderungen sind einige Collembo- lenarten bereits vor Jahrhunderten bekannt geworden („Schneeflöhe bzw. Gletscherflöhe“). Auch heutzutage werden Massenwanderungen z. B. von Ceratophysella sigillata (Hypogastruridae) im Bayrischen Wald regel- mäßig beobachtet. Unter extremen klimatischen Bedin- gungen kommt es bei einigen Arten (meist innerhalb der Hypogastruridae und Isotomidae) zu morpholo- gischen Veränderungen (Ökomorphose), wie z. B. der Ausbildung zusätzlicher Dornen auf dem Hinterleibseg- menten. Springschwänze sind weltweit in einer Vielzahl unterschiedlicher terrestrischer Standorte verbreitet (u. a. Küsten, in hochalpinen Habitaten (auf Schnee und Gletschereis), Höhlen, Streu- und Moosauflagen von Wäldern, unter Rinde, auf Gewässeroberflächen (z. B. von Mooren und Tümpeln). Eine Reihe von Arten sind Kosmopoliten. Mitunter kommen sie in enormen Sied- lungsdichten vor. Beispielsweise können in Waldböden mit starker Streuauflage unter einem Quadratmeter Bodenoberfläche bis 200.000 Individuen leben. Die Ar- tenzahl ist vom Standort abhängig; mehr als 100 Arten sind i. d. R. in reich strukturierten Wäldern nachweisbar (Schulz 2011b). Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Entomobrya corticalis. Durch das charakteristische (und wenig variable) Färbungsmuster leicht kenntlicher, typischer Rinden- bewohner. Colbitz-Letzlinger Heide, 2011, Foto: H.-J. Schulz. 626 Europa ist hinsichtlich seiner Collembolenfauna gut untersucht (meist mehr als 300–400 Arten/Land). Die Checkliste der Collembolen Deutschlands enthielt 416 Arten (Schulz et al. 2003) und umfasst nun 522 Arten (Edaphobase – GBIF-Informationssystem Bodenzoologie, Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, ECT Oekotoxikologie GmbH Flörsheim am Main, 2009–2012, www.edaphobase. org, accessed 2013.02.4). Gegenwärtig sind weltweit ca. 8.000 Collembolenarten bekannt (www.collembola.org, v. of 2013.02.28, accessed 2013. 03.1). Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt In den letzten zehn Jahren sind nur wenige neue Ar- ten aus Mitteleuropa beschrieben worden. Der Bearbei- tungsstand einzelner mitteleuropäischer Gebiete hängt größtenteils von der „Anwesenheit“ entsprechender Spezialisten ab. So ist für Deutschland das Bundesland Sachsen mit aktuell 231 Arten (Schulz & Dunger 1995, Schulz 1999) wohl am besten erforscht (u. a. durch Langzeituntersuchungen des Naturkundemuse- ums Görlitz unter Leitung von Prof. Wolfram Dunger). 2011 wurde erstmals eine Checkliste für Thüringen mit 168 Arten publiziert (Schulz 2011a). Da der methodische Aufwand zur Erfassung und Bestimmung der Springschwänze sehr hoch ist (u. a. auf Grund der in der Regel großen Zahl von Exemplaren und der Kompliziertheit der gültigen taxonomischen Merkmale [Deharveng 2004]), war auch der Kennt- nisstand für Sachsen-Anhalt sehr gering (verglichen mit attraktiveren oder einfacher zu bestimmenden Insektenordnungen). Am intensivsten wurden Collembolen in Sachsen- Anhalt im Harz erfasst (Eckert & Palissa 1999, Palissa 2000, Schulz 1994, 1995, 2008, Schulz et al. 1999). Hie- raus konnten viele Arten in die Checkliste aufgenommen werden. Neuere Untersuchungen, initiiert durch das Lan- desamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, haben gleich- falls zu einer Verbesserung des Kenntnisstandes beigetra- gen (Schnitter et al. 2003, Schulz & Schnitter 2011, 2012, Schulz & Marten 2012; unpublizierte Ergebnisse der Erfassung von Collembolen in FFH-Gebieten [z. B. Colbitz Letzlinger Heide, Huy-Gebiet nördlich von Hal- berstadt]). Insgesamt sind nun für Sachsen-Anhalt 186 Collembolenarten nachgewiesen, wovon fünf Arten in der Roten Liste (Schulz 2004) aufgeführt sind und wei- tere zwölf Arten bei einer Fortschreibung der Roten Li- ste berücksichtigt werden sollten (alles extrem seltene Ar- ten mit geographischer Restriktion, „ss“ in Spalte BS). Die nomenklatorischen und taxonomischen Bezugs- werke bilden insbesondere die ersten fünf Bände der „Synopses on Palaearctic Collembola“ (Zimdars & Dun- ger 1994) und Dunger & Schlitt (2011) Tullbergiinae, Bretfeld (1999) Symphypleona, Potapov (2001) Isoto- midae, Thibaud et al. (2004) Hypogastruridae. In ihnen sind auch alle Synonyme zu den einzelnen Arten auf- gelistet. Weiterhin wurden die Arbeiten von Pomorski (1998) und Fjellberg (1998, 2007) berücksichtigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde in der tabella- rischen Übersicht die „klassische“ Familieneinteilung (Gisin 1960) gewählt. Allacma fusca. Größter Kugelspringer (Symphypleona) Europas (bis 4 mm). Die Art ist insbesondere in feuchten Wäldern häufig und kann oftmals an Totholz beobachtet werden. Colbitz-Letzlinger Heide, 2011, Foto: H.-J. Schulz. 627 Pogonognathellus flavescens. Sehr große (4–5 mm) Collem- bolenart, die in Moos- und Streuschichten von Wäldern weit verbreitet ist und oft zahlreich durch Fallenfänge erfasst wird. Colbitz-Letzlinger Heide, 2011, Foto: H.-J. Schulz. Literatur Bretfeld, G. (1999): Synopses on Palaearctic Collem- bola, 2: Symphypleona. – Abh. Ber. Naturkundemus. Görlitz (Görlitz) 71 (1): 1–318. Deharveng, L. (2004): Recent advances in Collembola systematics. – Pedobiologia (Jena) 48: 415–433. Dunger, W. & Schlitt, B. (2011): Synopses on Palae- arctic Collembola Tullbergiidae. 6/1. – Soil organisms (Görlitz) 83 (1): 1–168. Eckert, R. & Palissa, A. (1999): Beiträge zur Collem- bolenfauna der deutschen Mittelgebirge (Harz, Kyff- häuser, Thüringer Wald, Zittauer Gebirge). – Beitr. Entomol. (Berlin) 49 (1): 211–255. Fjellberg, A. 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Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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