API src

Rote Listen Sachsen-Anhalt 2020

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 357–365 15 Bearbeitet von Bernd Kammerad, Otfried Wüstemann, Kamilla Kubaczynski und Uwe Zuppke (3. Fassung, Stand: August 2019) Einführung 2004 erschien die zweite Rote Liste der Fische und Rundmäuler des Landes Sachsen-Anhalt, die den rasanten Wiederbesiedlungsprozess der Gewässer nach einer über 100 Jahre andauernden Verschmut- zungs- und Verödungsperiode dokumentierte. Trotz der enormen Wassergüteverbesserungen in der Nach- wendezeit und zunehmender Fischbesiedlung zeigte sich, dass eine gute Wasserqualität allein nicht aus- reicht, um die ehemals vorhandene Fischartenvielfalt wieder entstehen zu lassen. Vor allem anspruchsvolle Flussfischarten und diadrome Wanderfische stellen Lebensraumansprüche, die über eine gute Wasser- qualität hinausgehen. Sie benötigen naturnahe, unverbaute und frei passierbare Gewässersysteme, in denen alle Entwicklungsstadien vom Ei bis zum ver- mehrungsfähigen Alttier ausreichende Lebensbedin- gungen vorfinden. Da solche Gewässerlebensräume nicht nur im dicht besiedelten Deutschland, son- dern in allen europäischen Ländern immer seltener wurden, kennzeichnete das Jahr 2004 zugleich auch den Beginn der Umsetzungsphase der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Es handelt sich hierbei um ein grenzübergreifendes Regelwerk, das erstmals alle EU-Staaten verpflichtet, spätestens bis zum Jahr 2027 neben dem guten chemischen Zu- stand auch den guten ökologischen Zustand bei allen Fließgewässern über 10 km2 Einzugsgebiet und allen Standgewässern über 50 ha Fläche herbeizuführen. Seitdem wurden von den Unterhaltungspflichtigen der Gewässer bereits zahlreiche Vorhaben insbeson- dere zur Verbesserung der ökologischen Durchgängig- keit umgesetzt (z. B. an der Mulde und der Holtemme im Harz). Die meisten Gewässer in Sachsen-Anhalt sind noch weit von der Erreichung eines guten ökologi- schen Zustandes/Potenzials entsprechend WRRL entfernt (Landesverwaltungsamt 2016). Nur 5 % der Oberflächengewässer weisen bislang einen guten ökologischen Zustand auf, 23 % einen mäßigen, 43 % einen unbefriedigenden und 26 % einen schlechten Zustand (3 % unbewertet). Das zeigt, dass die zukünf- tige Renaturierung ausgebauter Flüsse und Bäche noch sehr viel höhere gesellschaftliche Anstrengun- gen und finanzielle Mittel erfordert, als sie für die Reinhaltung der Gewässer in den letzten 2 ½ Jahr- zehnten nötig waren. Die mit Inkrafttreten der WRRL in dreijährigem Untersuchungsrhythmus vorgeschriebenen Bestands- Fische und Rundmäuler (Pisces et Cyclostomata), unter Berücksichtigung der Wanderarten ermittlungen der Fischfauna erbrachten in den letzten 15 Jahren einen enormen Erkenntniszuwachs, insbe- sondere auch bei vielen kleinen Fließgewässern und Grabensystemen, die keiner fischereilichen Nutzung unterliegen. Sie offenbarten zugleich überraschende Wechsel der Fischartenhäufigkeiten und sogar das Verschwinden oder Neuvorkommen einzelner Arten in- nerhalb relativ kurzer Zeiträume. Waren diese positiven Veränderungen nach der Wende hauptsächlich durch die Wassergüteverbesserungen bedingt, so beeinflus- sen die Überwinterungsbestände des Kormorans in einigen Fließgewässern das Artengefüge, obwohl die Anzahl der Kormorane im Binnenland seit 2008 nicht weiter ansteigt sondern rückläufig ist. Das hat speziell in den Gewässern der Forellen-, Barben- und Äschen- region Folgen für die Wildfisch-Populationen (Zuppke & Wüstemann 2013). Die durch das Verschwinden der größeren Fische entstehenden Besiedlungslücken wer- den in der Folge durch einige wenige Kleinfischarten ausgefüllt, welche aufgrund ihrer geringen Größe oder versteckten, substratgebundenen Lebensweise für Fressfeinde, wie den Kormoran schlecht greifbar sind (z. B. Groppe, Elritze, Schmerle, Steinbeißer, Bitterling, Dreistachliger Stichling). Diese Kleinfische besetzen die Lebensräume der stark dezimierten Arten neu und ent- wickeln durch das Fehlen der natürlichen Fressfeinde und Nahrungskonkurrenten größere Populationen, da konkurrenzschwache Kleinfischarten innerhalb intak- ter Fischpopulationen generell in geringen Prozentzah- len vorkommen (Kammerad 2015). Die seit dem 01.01.2015 in Kraft getretene Kor- moranverordnung vom 15.September 2014 dient als Regelwerk zur Vergrämung des Kormorans und zum Schutz der natürlichen Fischfauna sowie Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane. Zu diesem Zweck ist den dazu berech- tigten Personen erlaubt Kormorane in bestimmten Bereichen zu bejagen und die Entstehung von neuen Brutkolonien zu verhindern. Datengrundlagen und Bemerkungen zu ausge- wählten Arten Wie bereits erwähnt, beruhen die wesentlichsten Er- kenntnisse der letzten 15 Jahre auf den regelmäßig durchgeführten Fischbestandsuntersuchungen des Gewässerkundlichen Landesdienstes in insgesamt 335 WRRL-relevanten Oberflächenwasserkörpern des Landes Sachsen-Anhalt (ca. 100 befischte Oberflächen- wasserkörper pro Jahr). Dazu kommen Befischungs- daten, die das Landesverwaltungsamt (obere Fischerei- behörde) im Rahmen der Genehmigungserteilung zur Elektrofischerei für wissenschaftliche Untersuchungen, Hegemaßnahmen und Fischevakuierungen (z. B. vor 357 Fische und Rundmäuler 1 2 Abb. 1: Die Bestände des Aals (Anguilla anguilla) werden entsprechend EU-Aalschutzverordnung und auf Grundlage des von der EU be- stätigten Aalmanagementplans für die Flussgebietseinheit Elbe massiv durch Besatz gestützt (Foto: S. Ellermann). Abb. 2: Die Bestände der Äsche (Thymallus thymallus) sind europaweit infolge starker, winterlicher Präsenz des Kormorans (Phalacrocorax carbo) an den Gewässern zusammengebrochen (Foto: S. Ellermann). 358 Fische und Rundmäuler 3 4 Abb. 3: Aufgrund höheren erreichbaren Alters und deutlich höherer Endgrößen ist die Anfälligkeit der Barbe (Barbus barbus) gegenüber Prä- dation durch den Kormoran (Phalacrocorax carbo) geringer als bei der Äsche (Foto: S. ellerMann). Abb. 4: Die Vorkommen des Lachses (Salmo salar) im Elbeeinzugsgebiet basieren derzeit noch ausschließlich auf Besatzmaßnahmen (Foto: W. FIEDLER). 359

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

Tags: Kormoran ? Europäischer Flussaal ? Atlantischer Lachs ? Aal ? Lachs ? Äsche ? Sachsen-Anhalt ? Barbe ? Bach ? Wanderfisch ? Fisch ? Fischbestand ? Fließgewässer ? Stillgewässer ? Vergrämung ? Elbe ? Gewässerrenaturierung ? Fischfauna ? Wasserrahmenrichtlinie ? Artenvielfalt ? Ei ? Einzugsgebiet ? Gewässerzustand ? Oberflächengewässer ? Aquatisches Ökosystem ? Rote Liste gefährdeter Arten ? Wasserqualität ? Gewässerschutz ? Flussgebiet ? Elektrofischerei ? Wasserkörper ? Fischerei ?

License: all-rights-reserved

Language: Deutsch

Issued: 2020-08-31

Modified: 2020-08-31

Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31

Status

Quality score

Accessed 1 times.