Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 581–584 37 Stutzkäfer (Coleoptera: Histeridae) Bearbeitet von Manfred Jung (1. Fassung, Stand: August 2019)Datensätze erfasst. Die Nomenklatur richtet sich nach Bleich et al. (2018) mit Stand März 2018. EinführungBemerkungen zu ausgewählten Arten Die Histeridae sind mit rund 3.900 Arten weltweit verbreitet. In Deutschland leben 85 Arten, aus Sach- sen-Anhalt sind 70 Arten nachgewiesen. Die einheimischen Arten der Stutzkäfer sind kleine Käfer von knapp einem bis etwa 10 Millime- ter Körperlänge. Die Imagines leben überwiegend räuberisch in Dung, an Aas, in faulenden Vegetabilien, in morschem Holz oder unter Baumrinden. Einige Arten leben und entwickeln sich nidicol in Nestern von Kleinsäugern und Vögeln sowie myrmecophil bei Ameisen (z. B. der Gattungen Formica und Lasius). Teretrius fabricii lebt in Borkenkäfergängen und stellt dort den Borkenkäfern nach. Bei Gefahr stellen sich die Käfer tot und ziehen Beine, Kopf und Fühler in dafür vorgesehene Gruben zurück. Die Lebenserwartung kann bei manchen Ar- ten mehrere Jahre betragen. Wahnschaffe (1883) nennt in seinem Verzeichnis Platysoma deplanatum, jedoch ohne Fundortangaben sowie (mit fraglicher Determination) Margarinotus ignobilis bei Schwanefeld. Diese Angaben wurden auch in das Verzeichnis der Käfer Deutschlands über- nommen (Köhler & Klausnitzer 1998). Die Sammlung Wahnschaffe wurde im Jahre 1888 durch das Natur- kundemuseum Magdeburg käuflich erworben und später in die Hauptsammlung eingegliedert. Die Nachsuche nach den Belegtieren der beiden Arten im Zuge der Erarbeitung dieser Roten Liste blieb erfolg- los. Für P. deplanatum ist nicht mal ein Artetikett vorhanden, unter dem Artetikett vom M. ignobilis ist kein Nadeleinstich vorhanden. Somit ist davon auszu- gehen, dass es entweder keine Belege gibt oder dass diese vor der Eingliederung in die Hauptsammlung des Museums verloren gingen. Beide Arten werden nicht berücksichtigt. Die fragliche Meldung von Saprinus caerulescens Hoffmann 1803 (=semipunctatus Fabricius 1792) in Köh- ler & Klausnitzer (1998) beruht auf einer Namensver- wechslung (Köhler 2011). Die Art kommt in Deutsch- land nicht vor.Chalconiellus decemstriatus (P. Rossi, 1792) Aus ganz Deutschland liegen nur alte Nachweise vor 1950 bzw. sogar vor 1900 vor, einzige Ausnahme ist Brandenburg. Es ist zu befürchten, dass die Art in der näheren Zukunft in Deutschland ganz verschwunden ist. Aus Sachsen-Anhalt liegen ebenfalls nur Altfun- de bei Wormsleben, Eisleben und Magdeburg vor (Borchert 1951). Die Art lebt am Kot verschiedener Tierarten. Datengrundlagen Grundlage für die Einschätzung der Gefährdung der Histeridae in Sachsen-Anhalt war neben der Aus- wertung der faunistischen Arbeit von Borchert (1951) und des online-Verzeichnisses der Käfer Deutschlands (Bleich et al. 2018) vor allem die Auswertung zahlrei- cher aktueller Funddaten. Dabei wurden etwa 3.000 Hypocacculus rufipes (Kugelann, 1792) und Hypocaccus rugiceps (Duftschmid, 1805) Beide Arten sind in Deutschland allgemein sehr selten. Aus Sachsen-Anhalt werden sie bei Borchert (1951) letzmalig erwähnt. Beide leben in sandigen, wärmebegünstigten Habitaten (Peschel 2004). Eine Nachsuche ist dringend erforderlich, um ein derzeiti- ges Vorkommen zu bestätigen. Myrmetes paykulli Kanaar, 1979 Die seltene, bei Formica sp. lebende Art, ist aufgrund ihrer Lebensweise in Ameisennestern unterkartiert und dürfte weiter verbreitet sein, als die wenigen Meldungen dokumentieren. Aktuelle Nachweise aus Sachsen-Anhalt liegen derzeit nur aus dem nörd- lichen Harzvorland (Huy und Osterholz bei Blanken- burg) vor. Die gezielte Suche in Formica-Nestern, vorzugsweise in den Wintermonaten, sollte die Ver- breitungsdefizite beseitigen helfen. Saprinus politus (Brahm, 1790) Für die äußerst seltene Art gibt es aus Sachsen-An- halt nur eine einzige Meldung – bei Quedlinburg durch Kühlhorn (Borchert 1951). Neuere Funde sind dringend erforderlich, um diesen Nachweis zu be- stätigen. Saprinus tenuistrius sparsutus Solsky, 1876 Der einzige Nachweis für Sachsen-Anhalt erfolgte 1998 bei Wittenberg (Bäse 2008). In Deutschland äußerst selten, wurde die Art bislang nur in vier öst- lichen Bundesländern (nicht in Mecklenburg-Vorpom- mern) gefunden. Teretrius fabricii Mazur, 1972 Borchert (1951) nennt sechs Fundorte für Sachsen-An- halt, aktuell wurde die Art seit 2003 ebenfalls an sechs Orten in der Mitte und im Süden des Bundeslandes 581 Stutzkäfer 12 34 Abb. 1: Platysoma elongatum lebt unter der Borke abgestorbener Kiefern in Sandgebieten (Foto: F. Köhler). Abb. 2: Hister quadrimaculatus bevorzugt Wärmegebiete und lebt dort vorwiegend im Dung von Großsäugern (Rind, Pferd) (Foto: F. Köhler). Abb. 3: Hypocaccus rugifrons kommt auf sandigen Böden, häufig in Gewässernähe, unter Aas und Exkrementen vor und ist allgemein selten (Foto: F. Köhler). Abb. 4: Hololepta plana lebt als Larve und Imago fast ausschließlich in der Bastschicht unter der Borke abgestorbener Pappeln und kann dort dann zahlreich auftreten (Foto: S. Schönebaum). in Einzelexemplaren nachgewiesen. T. fabricii ist weit verbreitet, wird in Deutschland aber nur sporadisch gefunden. Deshalb wird dem Einstufungsvorschlag in die Gefährdungskategorie 1 (Peschel 2004) nicht gefolgt, sondern die in die Gefährdungskategorie 2 eingeordnet. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Als Ursachen der Gefährdung der xylobionten Histeri- dae Sachsen-Anhalts sind besonders zu nennen: − Beseitigung von Totholz in Laubwäldern, − Verlust von strukturreicher Altbestände mit An- teilen anbrüchiger Bäume, − Anpflanzung florenfremder Elemente zu Unguns- ten einheimischer Gehölze, − Verlust von Windschutzstreifen in der Feldflur durch Überalterung der in der Vergangenheit vor- 582 rangig angepflanzten Hybridpappeln, Ersatz durch andere, oft nicht einheimische Gehölze. Durch effektive Schutzmaßnahmen können den be- drohten Arten der Xylobionten Lebensräume geschaf- fen bzw. erhalten werden, in denen sie auch zukünftig eine Existenzgrundlage finden: − Erhaltung/Erhöhung des Totholzanteils in den Bruthabitaten durch Verzicht auf Entfernung von abgestorbenen Bäumen und Baumteilen aus den Gehölzen, − Unterdrückung des Aufkommens und der Etablie- rung florenfremder Gehölzarten, − rechtzeitiger, langfristig geplanter Ausgleich altersbedingter Verluste in Baumbeständen in der offenen Landschaft. Die nidicolen und myrmecophilen Arten bedürfen keiner besonderen Schutzmaßnahmen, da ihre Wirte (Nager, Vögel, Ameisen) selbst Schutz genießen. Stutzkäfer Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Stutzkäfer Sachsen-Anhalts. Gefährdungskategorie Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0R7-117 10,0-15,710,0 Schutzmaßnahmen für die koprophagen Vertreter der Stutzkäfer sind in der Praxis nicht durchsetzbar. Danksagung Dank gebührt vor allem Dr. Peer Schnitter vom Landes- amt für Umweltschutz in Halle, Herrn Andreas Marten Art (lat.) Abraeus parvulus Aubé, 1842 Acritus homoeopathicus Wollaston, 1857 Aeletes atomarius (Aubé, 1842) Atholus corvinus (Germar, 1817) Atholus praetermissus (Peyron, 1856) Chaetabraeus globulus (Creutzer, 1799) Chalcionellus decemstriatus (P. Rossi, 1792) Dendrophilus pygmaeus (Linnaeus, 1758) Gnathoncus communis (Marseul, 1862) Gnathoncus nannetensis (Marseul, 1862) Gnathoncus rotundatus (Kugelann, 1792) Haeterius ferrugineus (A. G. Olivier, 1789) Hister bissexstriatus Fabricius, 1801 Hister helluo Truqui, 1852 Hister quadrimaculatus Linnaeus, 1758 Hister quadrinotatus L. G. Scriba, 1790 Hypocacculus rufipes (Kugelann, 1792) Hypocaccus metallicus (Herbst, 1792) Hypocaccus rugiceps (Duftschmid, 1805) Hypocaccus rugifrons (Paykull, 1798) Hypocaccus specularis (Marseul, 1855) Margarinotus marginatus (Erichson, 1834) Margarinotus punctiventer (Marseul, 1854) Margarinotus ruficornis (Grimm, 1852) Margarinotus terricola (Germar, 1824) Myrmetes paykulli Kanaar, 1979 Onthophilus striatus (Forster, 1771) Platysoma angustatum (Hoffmann, 1803) Platysoma elongatum (Thunberg, 1787) Plegaderus saucius Erichson, 1834 Saprinus aeneus (Fabricius, 1775) Saprinus immundus (Gyllenhal, 1827) Saprinus politus (Brahm, 1790) Saprinus subnitescens Bickhardt, 1909 Saprinus tenuistrius sparsutus Solsky, 1876 Saprinus virescens (Paykull, 1798) Teretrius fabricii Mazur, 1972 1 2 Rote ListeGesamt 123770 17,152,9 3 von der Nationalparkverwaltung Harz/Wernigerode, den Fachkollegen der Planungsbüros Myotis (Halle/S.) und ÖKOTOP (Halle/S.) sowie den Herren Wolfgang Bäse (Wittenberg) und Andreas Weigel (Wernburg). Weiterhin danke ich Herrn Dr. Hans Pellmann für Re- cherchen in der Sammlung des Museums für Natur- kunde Magdebueg zu fraglichen Arten. Kat. 2 2 2 0 1 0 0 3 3 3 3 3 1 1 1 2 0 1 0 3 0 3 1 1 3 2 3 1 2 3 3 1 0 1 1 3 2 Bem. 195101) 195101) 195101) 1948 01) 195101) 195101) 195101) Nomenklatur nach Bleich et al. (2018). 583
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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