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Kapitel 50 Moderkäfer Rote Listen Sachsen-Anhalt 2020

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 661–667 50 Bearbeitet von Hans-Peter Reike und Wolfgang Bäse (1. Fassung, Stand: Dezember 2018) Einführung Moderkäfer sind weltweit verbreitet und werden in der Zeit der zunehmenden Globalisierung auch häufig – nicht zuletzt wegen ihrer geringen Körper- größe – verschleppt. Derzeit sind etwa 800 valide Arten beschrieben. In Deutschland wurden 84 Arten aus 14 Gattungen nachgewiesen (abzüglich Fehlmel- dungen und synonymen Artbezeichnungen; Bleich et al. 2018). In Sachsen-Anhalt sind derzeit 60 Arten aus 12 Gattungen bekannt. Moderkäfer bevorzugen verschiedene Habitat- strukturen, die jedoch stets an das Vorhandensein von (Schimmel-)Pilzen diverser Ausprägung gekoppelt sind. So finden sich bestimmte Latridiidae auf der feuchten und schimmligen Unterseite von Heu- und Strohhaufen (Cartodere nodifer (Westwood, 1839), Corticaria pubescens (Gyllenhal, 1827), C. serrata (Pay- kull, 1798), Dienerella filiformis (Gyllenhal, 1827), D. ruficollis (Marsham, 1802), Enicmus transversus (Olivier, 1790), E. histrio Joy & Tomlin, 1910, Latridius minutus (Linnaeus, 1767), L. porcatus (Herbst, 1793)). Wiesen stellen den Lebensraum von Stephostet- hus lardarius (DeGeer, 1775) dar. Alte Wälder bzw. Bestände mit langer Tradi- tion (Wälder, Alleen, Parks, Friedhöfe, teilweise auch Naturdenkmäler) werden von Arten besiedelt, die entweder an Baum- bzw. Staubpilze (Enicmus brevi- cornis (Mannerheim, 1844), E. fungicola Thomson, 1868, E. rugosus (Herbst, 1793), Latridius consimilis (Man- nerheim, 1844), L. hirtus (Gyllenhal, 1827)), bemooste Stammpartien (Enicmus testaceus (Stephens, 1830)) gebunden sind oder direkt unter verpilzter Rinde (Cor- ticaria alleni Johnson, 1974, C. bella Redtenbacher, 1849, Stephostethus alternans (Mannerheim, 1844)) bzw. bei Ameisen (Corticaria longicollis (Zetterstedt, 1838)) vor- kommen. In harzigen, am Boden liegenden Fichten- zapfen finden sich Corticaria longicornis (Herbst, 1783) und Dienerella elongata (Curtis, 1830). Aus Laub- haufen bzw. Haufen alter Äste mit Blättern können Dienerella clathrata (Mannerheim, 1844) und Cartod- ere constricta (Gyllenhal, 1827) gesiebt werden. In der Laubstreu am Stammfuß alter Bäume sind Corticaria serrata (Paykull, 1798) und Enicmus amici Lohse, 1981 vertreten. Asthaufen und relativ frisch abgebrochene Laubholzäste mit luftig lagernden, welken Blättern beherbergen Stephostethus pandellei (Brisbane, 1863). Nadelholzäste mit alten Nadeln werden von Corti- carina parvula (Mannerheim, 1844) und Stephostethus rugicollis (Olivier, 1790) bevorzugt. An Laubholzästen mit alten, teilweise bereits knusprig trockenen Blät- Moderkäfer (Coleoptera: Latridiidae) tern finden sich Cartodere bifasciata (Reitter, 1877), C. nodifer (Westwood, 1839), Corticarina minuta (Fabricius, 1792), C. similata (Gyllenhal, 1827), Cortinicara gibbosa (Herbst, 1793) und Stephostethus angusticollis (Gyl- lenhal, 1827). Im Kronenraum von alten anbrüchigen Laubbäumen ist Enicmus atriceps Hansen, 1962 per Lufteklektor nachzuweisen. An Gewässerufern sind in der Ufervegetation Corti- caria impressa (Olivier, 1790), C. umbilicata (Beck, 1817), Melanophthalma suturalis (Mannerheim, 1844), M. trans- versalis (Gyllenhal, 1827), weitere Melanophthalma-Ar- ten und Stephostethus rybinskii (Reitter, 1894) vertreten. Auf Halbtrockenrasen kann man durch Kescher- fang Corticarina truncatella (Mannerheim, 1844) finden. Diese Art scheint bei Ameisen zu leben (Rücker 2018). Auch C. umbilicata (Beck, 1817) tritt hier auf. Trockene Wegränder sind häufig der Fundort von Arten der Melanophthalma-taurica-Gruppe und M. distinguenda (Comolli, 1837). Corticaria obscura Brisout de Barneville, 1863, Cortinicara gibbosa (Herbst, 1793), Corticarina minuta (Fabricius, 1792) und Melano­ phthalma maura Motschulsky, 1866 können in alten Distelköpfen (Cirsium spec.) oder an Karde (Dipsacus spec.) nachgewiesen werden. Synanthrop sind auch einige Arten zu finden, wie beispielsweise Dienerella-Arten, Corticaria fulva (Co- molli, 1837) und Thes bergrothi (Reitter, 1880). Die als Neozoon eingestuften Arten Adistemia watsoni (Wollaston, 1871), Cartodere bifasciata (Reitter, 1877) und Migneauxia lederi Reitter, 1875 werden hier nicht berücksichtigt. Von Corticaria ferruginea Marsham, 1802 liegen derzeit keine Nachweise vor (vgl. Bleich et al. 2018), da die bei Borchert (1951) genannten Fundorte nicht in Sachsen-Anhalt liegen. Zumindest xylobionte Moderkäfer sind als bedeu- tende Faunenelemente und Bioindikatoren zur Ein- schätzung der Biotopqualität verschiedener Lebens- räume von Bedeutung. Eine Übersicht zu xylobionten Käferarten findet sich bei Schmidl & Bussler (2004). Müller et al. (2005) stellten zusätzlich sogenannte „Urwaldreliktarten“ zusammen. Diese Liste wurde von Lorenz (2010) ergänzt und erweitert. Stephostet- hus alternans (Mannerheim, 1844) sollte der Liste der „Urwaldreliktarten“ hinzugefügt werden. Datengrundlagen Als Datengrundlage dienen die Sammlungen Bäse (Wittenberg), Brunk (Dresden), Jung (Athenstedt), Reike (Chemnitz), Renner (Bielefeld), Rücker (Neuwied), Schöne (Dessau) sowie wenige Exemplare aus den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dres- den (SNSD). Weiterhin berücksichtigt wurden faunis- 661 Moderkäfer tische Angaben aus der Literatur von Bäse (2007, 2008, 2010, 2011, 2013), Borchert (1951) Horion (1961), Jung (2007a, 2007b, 2010, 2012, 2014), Jung et al. (2016), Renner (2009) und Ziegler (2006). Die Determination der Arten folgt Peez (1967), Rücker (1983, 1992, 1998, 2018) sowie Rücker & John- son 2007; die Nomenklatur richtet sich nach Johnson (2007) sowie Reike (2013). Bemerkungen zu ausgewählten Arten Corticaria bella Redtenbacher, 1849 Die Art ist in alten Eichenbeständen mit langer Habitat- tradition heimisch. Die Tiere werden in der Regel von dürren Eichenästen geklopft, wurden aber auch an einer alten Kiefer entdeckt (Horion 1961). Erste Nachweise für Sachsen-Anhalt meldete Jung (2014) aus Eklektoren. gibt in Deutschland derzeit nur Nachweise aus Sach- sen-Anhalt (Bäse 2010) und Bayern (Bleich et al. 2018). Corticaria longicornis (Herbst, 1783) C. longicornis wurde bisher als „Corticaria abietorum Motschulsky, 1867“ bezeichnet. Die früher „Corticaria longicornis“ benannte Art hieß dann „Corticaria poro- chini Johnson 2007“ (Johnson 2007) und jetzt Corticaria aphictoides Reitter, 1898 (Rücker 2013). C. longicornis wird meist in Höhenlagen zwischen 300 und 700 m gefun- den. Die Tiere leben in Fichtenzapfen (Rücker 2018). Corticaria polypori J. Sahlberg, 1900 Alte Laub- und Nadelwälder sind die bevorzugten Aufenthaltsorte von Corticaria polypori (Koch 1989, Reike et al. 2005). Erste Vertreter aus Sachsen-Anhalt meldet Jung (2007b). Corticaria dubia Dajoz, 1970 Von Jung (2007b) wird ein Nachweis aus einer Bo- denfalle bei Fischbeck aufgeführt. Die Käfer werden meist auf Waldbrandflächen bzw. an verkohltem Holz gefunden (Rücker 2018).Corticaria rubripes Mannerheim, 1844 Die Art wurde bisher als „Corticaria linearis (Paykull, 1798)“ bezeichnet. Die Käfer werden in Koniferen- Zapfen, in modernder Nadelstreu und auch im Be- reich von Wildfütterungen gefunden (Rücker 2018). Corticaria fagi Wollaston, 1854 C. fagi lebt in trockenen Eichenwäldern (Koch 1989). Die Angaben zum Vorkommen in Weinbergen (Horion 1961, Koch 1989) müssen überprüft werden. Jung (2010) ver- zeichnet den ersten Beleg für Sachsen-Anhalt am Licht.Corticaria saginata Mannerheim, 1844 C. saginata lebt in Heidegebieten und in lichten Kie- fernwäldern an Calluna vulgaris (L.) Hull und Sarot- hamnus scoparius (L.) Wimmer ex Koch (Rücker 2018). Sie wurde auch in Moorgebieten und auf trockener Heidefläche in dicker Nadelschicht unter Kiefern fest- gestellt (Horion 1961). Corticaria foveola (Beck, 1817) Die Art wird meist in Fichtenwäldern gefunden. Bei Bleich et al. (2018) werden wenige Belege für Deutsch- land genannt, nur in Sachsen-Anhalt gelang ein Nachweis nach dem Jahr 2000 (Jung 2012). Die Tiere leben an schimmelndem Holz und Reisig und in Zap- fen von Pinus und Picea (Horion 1961, Rücker 2018). Corticaria interstitialis Mannerheim, 1844 C. interstitialis ist bislang nur aus vier Bundesländern bekannt, aktuelle Funde (nach den Jahr 2000) gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt und Bayern (Bleich et al. 2018). Die Käfer scheinen vor allem in Moorfichtenbe- ständen vorzukommen (Rücker 2018). Corticaria lapponica (Zetterstedt, 1838) Die Art lebt in alten Wäldern und Parks unter der Rinde alter Bäume, in Polyporus-Pilzen an Birke (Rücker 2018) und unter verpilzter Rinde (Horion 1961). Es Corticarina parvula (Mannerheim, 1844) An frischen und alten, gut belüfteten Fichtenästen kann diese Spezies, früher als „Corticarina obfuscata Strand, 1937“ bezeichnet, nachgewiesen werden. Dienerella elongata (Curtis, 1830) Die Art wurde bei Johnson (2007) unnötigerweise in Dienerella vincenti Johnson 2007 umbenannt. Diese Umbenennung ist korrigiert (Reike 2013). Dienerella filum (Aubé, 1850) D. filum wurde seit langem nicht mehr belegt. Die Art ist synanthrop in alten Häusern und Scheunen zu finden. Manchmal gibt es auch Massenvorkommen, allerdings ist ein solches den Autoren aus Sachsen- Anhalt unbekannt. Der letzte Nachweis stammt vom 01.01.1993 – Totfund in einer Wohnung in Witten- Abb. 1: Corticaria bella wird selten nachgewiesen. Synanthrope Vorkommen sind aufgrund trockengelegter Keller und durch das Verschwin- den von alten Scheunen bedroht. Abb. 2: Dienerella filum ist ein seltener Moderkäfer alter Eichenwälder mit langer Habitattradition. Abb. 3: Enicmus testaceus kann im Stammoos alter Eichen nachgewiesen werden. Abb. 4: Stephostetus pandellei findet sich in Wäldern an relativ frisch abgestorbenen Laubblättern abgestorbener Äste sowohl in Laub- als auch in Nadelholzbeständen (Fotos: H.-P. Reike). 662 Moderkäfer 12 34 663

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Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2020-08-31

Modified: 2020-08-31

Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31

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