Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 683–687 54 Bearbeitet von Klaus Graser (†) und Manfred Jung (3. Fassung, Stand: Dezember 2018) Einführung Seit den bisherigen Fassungen der Roten Listen sind einige Jahre ins Land gegangen und es konnten neue Erkenntnisse gewonnen worden. Allerdings sind diese für die hier bearbeiteten drei Käferfamilien recht spärlich ausgefallen. Immerhin können aber einige Arten aufgrund aktueller Funde abgestuft werden (Gefährdungskategorie 0 → 1). Es wurde bewusst darauf verzichtet, die Listen neu zu erstellen, da in den ersten Fassungen prinzipiell alles Wichtige zu den Familien geschrieben steht, was auch heute noch zutreffend ist. So sind aus- schließlich wichtige Ergänzungen zugefügt und einige Korrekturen vorgenommen worden. Aufgrund nomenklatorischer Änderungen und neuerer syste- matischer Erkenntnisse heißen die Rhizophagidae unter Einschluss der Gattung Monotoma mit neun Arten nun Monotomidae (s.u.). Der deutsche Name Rindenglanzkäfer wird belassen, obwohl er aufgrund des Habitus und der Lebensweise der Monotoma- Arten für diese Käferfamilie eigentlich nicht mehr zutreffend ist. Datengrundlagen, Bemerkungen zu den Käfer- familien / zu ausgewählten Arten, Gefährdungs- ursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Die Familie der Rindenglanzkäfer (Coleoptera: Monoto- midae) ist in Mitteleuropa mit etwa 25 Arten vertreten, wovon 22 in Sachsen-Anhalt nachgewiesen wurden. Die Familie galt lange Zeit als nur mit der Gattung Rhizophagus Herbst in Deutschland verbreitet. Einige Forscher stellen die Gattung Monotoma, Herbst, sonst Unterfamilie Monotominae der Cucujidae zu den Rhizo- phagidae, etliche sehen darin eine eigene Familie. Nach neuestem Stand werden die beiden Gattungen Mono- toma und Rhizophagus nun als Monotomidae geführt Die Arten der Gattung Rhizophagus leben unter den Rinden und Borken verschiedener Laub- und Nadelhölzer. Die Imagines und auch deren Ent- wicklungsstadien stellen dort anderen xylobionten Insekten und deren Larven nach. Es wird aber auch der Verzehr von (Schimmel-) Pilzen angenommen (R. parallelocollis Gyllenhal). Die Arten der Gattung Monotoma leben vorwiegend an und in faulenden Vegetabilien, oft sind sie massenhaft in Kompost- haufen anzutreffen. Zwei Arten leben ausschließlich als Ameisengäste bei Formica-Arten. Rindenglanz-, Glanzkäfer und Feuerkäfer (Coleoptera: Mono tomidae, Phalacridae, Pyrochroide) Die Einordnung in die Gefährdungskategorien der Roten Listen ist recht schwierig. Die Ursache dafür ist die bisher mangelhafte Kenntnis über die Verbreitung der Arten, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass die Rindenglanzkäfer schon aufgrund ihrer geringen Größe von wenigen Millimetern nicht zu den at- traktiven Käfern gehören und sich somit nur wenige Spezialisten intensiver diesem Taxon widmen. Eine Gefährdung für die Rhizophagiden entsteht hauptsächlich durch Beeinträchtigungen bzw. die Be- seitigung der Lebensstätten (Entfernung des Alt- und Totholzes in den Wäldern, Feldgehölzen und Parkanla- gen) und gelegentlich auch durch Schädlingsbekämp- fungsmaßnahmen (Borkenkäfer), die meist dann ebenfalls die Prädatoren trifft. Von den Monotoma- Arten ist derzeit keine als gefährdet einzustufen. Mit Ausnahme des weit verbreiteten und überall vorhandenen R. bipustulatus Fabricius können die übrigen Rhizophagus-Arten mehr oder weniger als Indikatoren bezüglich einer naturnahen und naturschutzgerechten Wald- bzw. Grünflächenbewirtschaftung gelten. Angaben über die frühere Verbreitung der Mono- tomidae in Sachsen-Anhalt finden sich bei Wahnschaf- fe (1883), Eggers (1901), Rapp (1933–35, 1953), Borchert (1951) und Horion (1960). Über die gegenwärtige Verbreitung liegen außer den Ergebnissen eigener Aufsammlungen der Autoren und aus Bodenfallen- material des Landesamtes für Umweltschutz Sach- sen-Anhalt nur die Daten aus dem online-Verzeichnis der Käfer Deutschlands vor. Angaben zur Ökologie gründen auf eigenen Beobachtungen bzw. wurden u.a. Koch (1989) entnommen. Die Familie der Glanz- oder Glattkäfer (Coleopte- ra: Phalacridae) ist weltweit verbreitet. In Mitteleuro- pa ist sie mit 3 Gattungen vertreten: Phalacrus Paykull, Olibrus Erichson und Stilbus Seidlitz. In Sachsen-Anhalt sind alle 22 in Deutschland vorkommenden Arten nachgewiesen worden. Die Arten sind in allen Merkmalen variabel, was in der Vergangenheit zur Aufstellung von u.a. nicht haltbarer Arten und vieler “Variationen” etc. geführt hat. Vogt, der die Familie für “Die Käfer Mitteleuropas” (Freude et. al 1967) bearbeitete, weist auf die Bestim- mungsschwierigkeiten, besonders der Gattung Olibrus, hin, die ihre Ursache in eben dieser Variabilität haben. Die Untersuchung der Genitalien, manchmal auch der weiblichen, bringt dann und wann Hilfe, doch sind die Genitalien noch nicht von allen Arten sicher bekannt, wofür taxonomische Unsicherheiten verantwortlich sind. Bezüglich der Nomenklatur folgen wir Vogt (1967) eingeschlossen die Veränderungen aus dem Supple- ment 2, Band 13, zu diesem Werk sowie dem online- Verzeichnis der Käfer Deutschlands. Die Lebensweise 683 Rindenglanzkäfer 12 34 Abb. 1: Rhizophagus cribratus entwickelt sich in frisch-toten Laub-, seltener Nadelhölzern. Die Imagines findet man unter der Rinde (Foto: F. Köhler). Abb. 2: Olibrus gerhardti lebt in Wäldern an Senecio-Arten und ist in ganz Deutschland sehr selten (Foto: F. Köhler). Abb. 3: Pyroch- roa coccinea der Gemeine Feuerfäfer, ist meist nicht selten und auf blühender Vegetation in der Nähe von Wäldern anzutreffen (Foto: S. Schönebaum). Abb. 4: Die Entwicklung dieser Spezies erfolgt unter der Rinde abgestorbener Bäume, oft an liegenden Stämmen (Foto: A. Stark). der Arten der bei uns vertretenen Gattungen ist in den Grundlagen bekannt, es gibt aber noch manche zu lö- sende Frage, besonders auch zur Kenntnis der Larven. Die Vertreter der Gattung Phalacrus leben von den Sporen ausgewählter Brand- und Rostpilze, die auf verschiedenen Gräsern siedeln. Wir finden die Arten vorwiegend dort, wo sich die mit Pilzen be- siedelten Gräser ungestört entwickeln können, also überwiegend auf Brachen und auf nur extensiv ge- nutzten Flächen. Manche der Arten sind wärme- und trockenheitsliebend, andere eher hygrophil. Die Arten können an den Orten ihres Vorkommens in Anzahl auftreten, sind aber nie allgemein häufig und auch nicht überall, wo sie nach unserer Meinung leben könnten, verbreitet. Zwei Arten, P. fimetarius Fabricius (brisouti REY, 1872) und P. championi Guilleb., haben in jüngster Zeit ihr Verbreitungsareal stark erweitert. Phalacrus substriatus Gyllenhal konnte zwischenzeit- lich ebenfalls wiedergefunden werden, hier zeichnet Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Rindenglanz-, Glanz- und Feuerkäfer Sachsen-Anhalts. Monotomidae Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Phalacridae Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Pyrochroidae Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 684 0Gefährdungskategorie R 1 23 Rote ListeGesamt 1 4,51 4,54 18,22 9,13 13,611 50,022 - -2 9,16 27,36 27,33 13,617 77,322 1 25,0- -- -- -- -1 25,04 Rindenglanzkäfer Tab. 2: Änderungen in der Anzahl der Einstufungen in die Gefährdungskategorien im Vergleich der Roten Listen der Rindenglanz-, Glanz- und Feuerkäfer Sachsen-Anhalts aus den Jahren 2004 und 2020. Gefährdungskategorie 0 – Ausgestorben oder verschollen R – Extrem seltene Arten mit geographischer Restriktion 1 – Vom Aussterben bedroht 2 – Stark gefährdet 3 – Gefährdet Gesamt Rote Liste 2004 (AZ = 44) (absolut) (%) 4 9,1 36,836,3 5 8 6 2611.4 18,2 13,7 59,110 8 6 2920,8 16,7 12,5 60,4 sich in Sachsen-Anhalt ein Verbreitungsschwerpunkt in anmoorigen Habitaten des Oberharzes ab. Die Olibrus-Arten entwickeln sich sämtlich in den Blütenständen von Kompositen. Sie sind mono- und oligophag. Die Imagines werden auf und in den Blü- tenköpfen ihrer Entwicklungspflanzen gefunden, sind aber auf einigen Pflanzen (z. B. Disteln) leicht zu über- sehen, weil sie sich dort tief verstecken können. Da die Imagines überwintern, sind sie oft leichter in den Winterquartieren zu finden, wo man sie aus Graswur- zeln, Laub und anderer Bodenstreu, aus Moospols- tern und Reisighaufen sieben kann. Manche Arten (O. corticalis Panzer) verbringen die Winter auch hinter abgestorbenen, losen Baumrinden. Zu den Olibrus- Arten gehört mit O. aeneus (Fabricius) die häufigste Phalacride, die bei uns fast überall in Anzahl auftritt, wo Kamillen (Matricaria etc.) sich dauernd ansiedeln können (seltener auf kurzzeitigen Brachen). Von den Arten der Gattung Stilbus sind die Ent- wicklungsstadien weitgehend unbekannt. Fragen bestehen auch bezüglich der Lebensweise. Die Larven könnten sich von Algen ernähren, wahrscheinlich auch die Imagines. Alle Arten haben eine Vorliebe für feuchte (nicht nasse!) Lebensstätten, so insbesondere S. oblongus (Erichson), meiden aber Kälte und fehlen deswegen weitgehend schon in den Höhenlagen der Mittelgebirge. Die häufigste Art, S. testaceus (Panzer), zeigt zugleich die größte Vielfalt in den Lebensstät- ten; die seltenste, S. oblongus (Erichson), ist in ihrem Vorkommen auf „Schilfstandorte“ beschränkt. Die genannten Schwierigkeiten bei der Bestim- mung und die zugleich mangelnde Attraktivität machen die Phalacriden zu den nur selten in den Sammlungen vertretenen Käfern. Angaben zur Ver- Art (wiss.) Rote Liste 2020 (AZ = 48) (absolut) (%) 2 4,2 breitung wurden Wahnschaffe (1883), Eggers (1901), Rapp (1933–35, 1953), Borchert (1951) und Horion (1960), Graser (1992) sowie dem online-Verzeichnis der Käfer Deutschlands entnommen, zur Lebensweise und Ökologie konnte u.a. Koch (1989) herangezogen werden. Unsere Kenntnisse von der lokalen Verbrei- tung sind momentan noch sehr lückenhaft. Darum ist die Einordnung der Phalacriden in das System der Roten Listen recht schwierig. Die hier vorgelegte Liste kann darum weiterhin nur ein Versuch sein, gestar- tet in der Hoffnung, dass weitere Fundmeldungen zu mehr Sicherheit in der Bewertung führen. Die Familie der Feuerkäfer (Coleoptera: Pyroch- roidae) ist in Mitteleuropa mit vier Arten vertreten, gleichfalls in Deutschland, nachdem Agnathus deco- ratus aus der ehemaligen Familie Lagriidae, jetzt zu den Tenebrionidae gehörend, hierher versetzt wurde. Die drei ursprünglichen Arten der Familie aus den Gattungen Pyrochroa Geoffroy und Schizotus New- man sind in Sachsen-Anhalt weit verbreitet, aber mit Ausnahme von Pyrochroa coccinea (Linné) meist nicht häufig. Für Agnathus decoratus (Germar) dagegen liegt nur eine Meldung aus Halle/Saale vor (Borchert 1951). Borchert führt als Funddaten hier „Gm 18“ (=Germar) an, gemeint ist höchstwahrscheinlich das Jahr 1818, in dem Germar die Art beschrieben hat. Die Lebensweise der Arten ist einander sehr ähn- lich. Die Larven entwickeln sich im Mulm unter der Borke von Laubbäumen, wo sie räuberisch leben und auch Artgenossen verzehren. Die Imagines kann man in der Puppenwiege unter Borke finden, sie suchen nach dem Verlassen derselben Blüten auf und sind dann vorzugsweise von Gesträuch zu klopfen. Kat. Bem. Monotomidae – Rindenglanzkäfer Rhizophagus aeneus (Richter, 1820) Rhizophagus cribratus Gyllenhal, 1827 Rhizophagus depressus (Fabricius, 1792) Rhizophagus ferrugineus (Paykull, 1800) Rhizophagus grandis Gyllenhal, 1827 Rhizophagus nitidulus (Fabricius, 1798) 1 2 R 3 0 1 01) 685
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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