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Kapitel 62 Pflanzenwespen Rote Listen Sachsen-Anhalt 2020

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 769–776 62 Bearbeitet von Andreas Taeger* (Nachdruck der 2. Fassung, Stand: August 2003) Einführung Die Pflanzenwespen (Hymenoptera: Symphyta) um- fassen die ursprünglichsten Hautflügler, die durch das Fehlen der Wespentaille charakterisiert sind. Die so zusammengefassten Gruppen bilden verwandt- schaftlich keine Einheit. Aus historischen und prakti- schen Gründen werden sie in dieser Liste gemeinsam abgehandelt. Die bisher 723 in Deutschland bzw. 342 in Sach- sen-Anhalt nachgewiesenen Arten sind den folgen- den Gruppen zuzuordnen: Argidae (Bürsthorn-Blatt- wespen, 33/17), Blasticotomidae (1/1), Cephidae (Halmwespen,19/12), Cimbicidae (Keulhorn-Blatt- wespen, 22/12), Diprionidae (Buschhorn – Blatt- wespen, 16/4), Megalodontesidae (6/3), Orussidae (parasitoide Holzwespen, 3/1), Pamphiliidae (Ge- spinstblattwespen, 49/23), Siricidae (Holzwespen, 10/6), Tenthredinidae (Echte Blattwespen, 552/257), Xiphydriidae (Schwertwespen, 5/4), Xyelidae (Ur- blattwespen, 7/2). Das Wirtspflanzenspektrum der Pflanzenwespen umfasst neben den Blütenpflanzen auch Koniferen, Farne, Moose und Schachtelhalme. Die meisten Sym- phyta-Arten sind mono- bzw. oligophag, d.h. auf eine Wirtspflanzenart bzw. -gattung beschränkt. Nur selten ist es möglich, den Rückgang bzw. die Gefährdung von Pflanzenwespen unmittelbar mit dem Rückgang der Wirtspflanzen in Zusammenhang zu bringen. Die all- gemeine Erkenntnis, dass sich der Schutz der Arten nur über den Schutz der Lebensräume verwirklichen lässt, muss für die Pflanzenwespen unterstrichen werden. Die meisten Pflanzenwespen finden sich in vege- tationsreichen Feuchthabitaten. Die entsprechenden Arten sind oft weit im nördlichen Bereich der Palä- arktis verbreitet. Wahrscheinlich weniger als 20% der heimischen Symphyten bevorzugen Xerothermstand- orte. Die meisten Pflanzenwespenarten, die auf- grund von Lebensraumverlust bedroht sind, leben auf Feuchtflächen oder Trockenrasen. Viele Pflanzenwes- pen sind auch an Feldgehölzen und Gebüschsäumen zu finden. Die Bedeutung dieser Strukturen für die Artenvielfalt scheint sehr groß zu sein, doch wurde sie noch nicht genauer untersucht. Pflanzenwespen (Hymenoptera: Symphyta) Datengrundlagen Neben den eigenen Aufsammlungen aus der Zeit zwi- schen 1974 und 1982 wurde Sammlungsmaterial des DEI ausgewertet. Weitere umfangreiche Daten, die im Zusammenhang mit den Checklisten der Symphyta Deutschlands (Blank et al. 1998, 2001) erfasst wur- den, stammen insbesondere von F. Koch (Berlin) und E. Jansen (Leipzig). Das Arten- und Biotopschutzpro- gramm für den Landschaftsraum Elbe (Taeger & Ritzau 2001) lieferte eine weitere wichtige Datengrundlage. Außerdem flossen Daten, die bei der Zusammen- stellung der „Fauna Europaea” (Taeger & Blank 2003) ermittelt wurden, in die aktualisierte Liste ein. Der Erforschungsgrad der Gruppe in Sachsen-Anhalt ist im Vergleich mit den anderen Bundesländern als durchschnittlich anzusehen. Aus Sachsen-Anhalt und den angrenzenden Bundesländern wurden bisher 620 Arten nachgewiesen. Diese Zahl dürfte dem tatsäch- lichen Arteninventar Sachsen-Anhalts nahekommen. Die Einstufung in die Rote-Liste-Kategorien lehnt sich stark an die Rote Liste Deutschlands an (Taeger et al. 1998b). Für die Symphyta gibt es kein Werk, das die De- termination aller heimischen Arten ermöglicht. Die Identifikation der Arten ist zur Zeit nur mit Hilfe um- fangreicher Spezialliteratur möglich, deren Aufzäh- lung zu weit führen würde. Dem Anspruch einer um- fassenden Abhandlung kommt Zhelochovtsev (1988) am nächsten. Die Arbeiten von Muche (1968–1981) behandeln zwar die meisten deutschen Symphyta, sind allerdings nomenklatorisch oft inkorrekt. Auch führen die darin enthaltenen Schlüssel leider häufig nicht zum richtigen Ziel. Bestimmungstabellen für einige kleinere Gruppen enthält das Buch „Pflanzen- wespen Deutschlands” (Taeger & Blank 1998). Für die Determination großer bzw. auffälliger Arten kann der Schlüssel von Taeger et al. (2000) herangezogen werden. Zu vielen deutschen Arten wurden von Taeger et al. (1998a) Hinweise zur Verbreitung, Biologie und Gefährdung gegeben. Zahlreiche Angaben auf weiter- führende Literatur finden sich bei Liston (1995). Zur fehlenden zusammenfassenden Literatur kommen zahlreiche taxonomische Unsicherheiten bei der Ab- grenzung der Arten. Insgesamt kann sicherlich ein Drittel der Arten (insbesondere ein großer Anteil der Tenthredinidae-Unterfamilie Nematinae) als taxono- misch problematisch angesehen werden. * Der Autor stand für eine Aktualisierung der Roten Liste nicht zur Verfügung. Sie wurde mit unwesentlichen Änderungen in der Fassung von 2004 gedruckt. Um dem allgemeinem Erscheinungsbild der Beiträge in der aktuellen Auflage der Roten Liste Sachsen-Anhalts zu entsprechen, erfolgte jedoch eine Ergänzung des Textes durch zwei Farbtafeln (Fotos Marion Friedrich, https://arthropodafotos.de) und entsprechende Legenden (Andreas Stark). Für die großzügige Bereitstellung der Fotografien zur Illustration der Vielfalt der einheimischen Blattwespen sei Frau Dr. M. Friedrich (Chemnitz) herzlich gedankt [A. Stark]. 769 Pflanzenwespen Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Pflanzenwespen Sachsen-Anhalts. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Gefährdungskategorie R 1 2 - 2 16 - 0,6 4,7 0 1 0,3 Rote ListeGesamt 42 12,3342 Sonstige GesamtGesamt 83 24,3342 3 23 6,7 Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) G 43 12,6 Kategorien D 40 11,7 Seit dem Erscheinen der ersten Roten Liste für Sach- sen-Anhalt (Taeger 1998) haben sich einige nomenkla- torische Veränderungen ergeben, die hier nicht weiter erläutert werden können. Entsprechende Angaben sollen zum Ende des Jahres 2003 auf den Internetsei- ten der „Fauna Europaea” verfügbar sein. Die unten stehende Liste folgt der dort angewendeten Nomen- klatur. Im Vergleich zur Liste von 1998 erhöhte sich die Zahl der für Sachsen-Anhalt nachgewiesenen Symphyta um 42. Hierdurch und durch die Aufnahme zahlreicher Arten in die Kategorien D und G stieg die Zahl Rote-Liste-Arten von 87 auf 125. Die Erhöhung des Anteils der Rote-Liste-Arten von 29 % auf 37 % ist nicht auf eine stärkere Gefährdung der Symphyta zurückzuführen, sondern hauptsächlich Folge der veränderten Bewertungskriterien. In der vorigen Liste wurden die drei Arten Athalia lugens (Klug, 1815), Athalia scutellariae Cameron, 1880 und Hoplocampa testudinea Klug, 1816) noch als gefährdet eingestuft. Neuere Daten sprechen gegen diese Auffassung. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen V - - dafür liegt in den komplexen, nachhaltigen Verände- rungen der Umwelt über einen längeren Zeitraum. Es handelt sich um einen schleichenden Prozess, klare Einschnitte sind meist nicht erkennbar. Die wesent- lichsten Eingriffe sind wahrscheinlich Bach- und Flussregulation, Meliorierung von Feuchtwiesen, Trockenlegung von Mooren, Rodung von Gebüschen und Hecken, Waldrandbegradigungen, Auffors- tung von Grenzertragsböden (oft Magerstandorte), Düngung von Magerwiesen, Nutzung von wertvol- len Landschaftselementen durch Verbauung sowie die Intensivierung der Landwirtschaft. Die Summe dieser Eingriffe ist für den Rückgang der Arten ver- antwortlich zu machen. Die strukturelle Verarmung der Kulturlandschaft und deren Auswirkung auf die Pflanzenwespenfauna ist, wenn auch regional unter- schiedlich stark, klar festzustellen. Die Zahl günstiger Lebensräume ist hierdurch gravierend eingeschränkt worden. Es ist mit Sicherheit nicht möglich, die Arten- vielfalt lediglich durch ein Netz von Landschafts- und Naturschutzgebieten zu erhalten, zumal es über die Ansprüche der Insekten an vernetzte Komplexe von Teillebensräumen und erforderliche Arealgrößen kaum anwendbare Kenntnisse gibt. Der Rückgang der Arten spiegelt sich in der hier vor- gelegten Roten Liste wider. Ein wesentlicher Grund Abb. 1: Die Bürstenhornblattwespen der Gattung Arge sind mit 18 Arten in der Fauna Deutschlands vertreten. Die Larven der hier abgebil- deten, in Sachsen-Anhalt als ungefährdet eingestuften Art Arge cyanocrocea (Forster, 1771) entwickeln sich an Rosengewächsen (z. B. Rubus spp.). Abb. 2: Männchen der zu den Keulenblattwespen (Familie Cimbicidae) zählenden Abia nitens. Vertreter dieser Familie sind bundesweit laut BA geschützt. Abb. 3, 4: Große Birkenblattwespe (Cimbex femoratus). Die Weibchen (3) dieser ebenfalls zu den Keulenhornblattwespen zählenden Art sind aufgrund ihrer Größe von bis fast 3 cm Länge auffallende Insekten. Ihre stattlichen Larven (4) fressen ausschließlich an Birken (Betula spp.). Abb. 5: Unter den Halmwespen gibt es Arten, wie z. B. die leicht kenntliche Getreidehalmwespe (Cephus pygmaeus Linnaeus, 1767), die in landwirtschaftlichen Kulturen Schäden verursachen können. Im Bild eine unbestimmte Spezies der Gattung Cephus in copula. Abb. 6: Pamphilius betulae (Linnaeus, 1758). Die Gespinstblattwespen aus der artenreichen Gattung Pamphilius entwickeln sich vornehmlich an Laubgehölzen und besiedeln dabei gerne Hecken und locker bewachsene Waldränder. Abb. 7: Apethymus serotinus (O. F. Müller, 1776). Eiablage und Larvalentwicklung dieser leicht kenntlichen Art der Echten Blattwespen findet an Eichen (Quercus spp.) statt. Die Eier werden im Herbst in die Rinde von jungen Eichentrieben gelegt. Die im Frühling schlüpfenden Larven ernähren sich von den frisch austreibenden Blättern. Abb. 8: Die Rübsenblattwespe [Athalia rosae (Linnaeus,1758)] ist in Mitteleuropa weit verbreitet. Ihre Larven fressen an Kreuzblütlern und werden bei massivem Befall ihrer Wirtspflanzen als Schädlinge eingestuft (alle Fotos: M. Friedrich). 770 Pflanzenwespen 1 2 3 5 7 4 6 8 771

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Language: Deutsch

Issued: 2020-08-31

Modified: 2020-08-31

Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31

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