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Kapitel 63 Bienen Rote Listen Sachsen-Anhalt 2020

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 777–790 63 Bearbeitet von Christoph Saure (3. Fassung, Stand: August 2019) Einführung Die Anzahl der Bienenarten wird für Deutschland mit ca. 570 bis 580 Arten angegeben (Scheuchl & Willner 2016, Westrich 2018). Diese hohe Artenzahl und die Spezialisierung vieler Arten auf bestimmte Pflanzen- gattungen sind entscheidend für die großen Ökosys- temleistungen, die Wildbienen durch die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen vollbringen. Wildbienen sind sogar effizientere Bestäuber als die Honigbiene, da sie gleichzeitig Pollen und Nektar sammeln und es dabei leichter zur Pollenübertragung auf die Blüten- narbe kommt (z. B. Garibaldi et al. 2013). Der enormen ökologischen Bedeutung der Wild- bienen steht ein kontinuierlicher Rückgang der Arten- und Individuenzahlen seit etwa fünf Jahrzehnten gegenüber (Biesmeijer et al. 2006, Potts et al. 2010). Den Wildbienen fehlt es zunehmend an geeigneten Nist- habitaten und Nahrungsressourcen. Der Verlust an Bestäuberinsekten ist ein globales Problem, welches sich auch in Sachsen-Anhalt bemerkbar macht, ist doch bereits mehr als jede zehnte Wildbienenart lan- desweit ausgestorben oder verschollen. Datengrundlagen Die wichtigsten Grundlagen für die Fortführung der Roten Liste der Bienen Sachsen-Anhalts sind die letzte Fassung der Roten Liste von Burger & Ruhnke (2004) sowie die Gesamtartenliste von Saure & Stolle (2016). Hinzu kommen mehrere Publikationen aus den ver- gangenen Jahren: Stolle (2009, 2014), Bock (2011), Jentzsch & Krug (2014), Creutzburg & Frenzel (2016), Art (wiss.) Quelle Bienen (Hymenoptera: Apiformes) Saure (2016), Koppitz et al. (2017), Jentzsch et al. (2017) und Saure & Wagner (2018). Eine Arbeit zu Wildbienen, Wespen und Schwebfliegen im Nationalpark Harz befindet sich derzeit im Druck (Saure & Marten in Dr.). Daneben wurden auch unveröffentlichte Arbeiten der Hochschule Anhalt (Bernburg) ausgewertet, nament- lich Epp (2016), Koppitz (2017), Schubert (2017) und Förs- ter (2019). Darüber hinaus flossen zahlreiche Fundda- ten aus verschiedenen Gutachten und Berichten des Autors in die Auswertung ein. Insgesamt wurden vom Autor seit 2013 ca. 13.000 Wildbienen aus Sachsen- Anhalt bestimmt, davon allein etwa 8000 Individuen aus drei großen Projekten in Streuobstwiesen (lan- desweit), auf Binnendünen (Elbtal) und in montanen Lagen (Ostharz). Die Nomenklatur folgt der Checkliste der Bienen Sachsen-Anhalts (Saure & Stolle 2016). Davon gibt es folgende Abweichungen: − Rophites canus Eversmann, 1852 wird zu Rhophitoides canus (Eversmann, 1852) (vgl. Scheuchl & Willner 2016, Westrich 2018) − Tetralonia malvae (Rossi, 1790) wird zu Eucera malvae (Rossi, 1790) (vgl. Dorchin et al. 2018) − Tetraloniella dentata (Germar, 1839) wird zu Eucera dentata Germar, 1839 (vgl. Dorchin et al. 2018) Bei der Zählung der Arten wird die Honigbiene Apis mellifera Linnaeus, 1758 hier nicht mehr berücksichtigt. Dadurch wird ein Vergleich mit den älteren Roten Listen (Dorn 1993a, Burger & Ruhnke 2004) sowie mit der ersten Checkliste für Sachsen-Anhalt (Dorn & Ruhnke 1999) ver- einfacht. Von der Honigbiene existieren in Deutschland keine echten Wildpopulationen mehr, sondern nur noch gezüchtete und hybridisierte Formen, die vom Imker als Nutztiere gehalten und versorgt werden. Anmerkungen und Überprüfung von Sammlungsmaterial (det. C. Saure) erwies sich als Andrena ruficrus Nylander, 1848 Andrena tarsata Nylander, 1848 Nomada symphyti Stoeckhert, 1930 Megachile pyrenaea Pérez, 1890 Sphecodes ruficrus (Erichson, 1835)Drewes (2001), auch Burger & Ruhnke (2004) Drewes (2001), auch Burger erwies sich als Nomada villosa Thomson, 1870 & Ruhnke (2004) Creutzburg & Frenzel (2016) irrtümlich gelistet (F. Creutzburg in litt.) Halictus langobardicus Blüthgen, 1944Creutzburg & Frenzel (2016) zwei überprüfte Weibchen stimmen nicht mit Vergleichs- material (det. A. W. Ebmer) überein und dürften eher Halic- tus simplex Blüthgen, 1923 entsprechen; da keine (eindeu- tig bestimmbaren) Männchen vorhanden sind, wird die Art nicht in die Landesfauna aufgenommen Dorn & Ruhnke (1999), auch Burger & Ruhnke (2004) in den Quellen nur mit „leg. Köller 1949“ zitiert; keine Belegtiere in MLUH; Art dürfte aufgrund der Gesamtver- breitung gar nicht in Sachsen-Anhalt vorkommen (vgl. Herrmann 2006) Sphecodes scabricollis Wesmael, 1835 Creutzburg & Frenzel (2016) erwies sich als Sphecodes spinulosus von Hagens, 1875 777 Bienen Auch einige in der Literatur fälschlicherweise für Sachsen-Anhalt gemeldete Wildbienenarten werden in der vorliegenden Roten Liste nicht berücksichtigt (siehe tabellarische Übersicht auf S. 777). Neu für Sachsen-Anhalt sind die Arten Colletes hede- rae, Colletes mlokossewiczi, Coelioxys alata, Nomada baccata und Sphecodes pseudofasciatus. Die Art Heriades rubicola wurde bereits von Saure & Wagner (2018) gemeldet. Hinzu kommen zwei Taxa, deren Artstatus nicht unumstritten ist, die aber dennoch hier für Sachsen-Anhalt berücksichtigt werden sollen (Andrena bremensis, Nomada glabella). Zehn Arten, die noch von Saure & Stolle (2016) als ver- schollen gelistet wurden, konnten wiedergefunden werden, nämlich Andrena nycthemera, Lasioglossum griseolum, Sphecodes rubicundus, Rophites algirus, Systropha curvicornis, Coelioxys aurolimbata, Coelio- xys brevis, Osmia xanthomelana, Nomada atroscutel- laris und Nomada pleurosticta (siehe „Bemerkungen zu ausgewählten Arten“). In der Bilanz führen acht Zugänge und drei Abgänge (Andreana tarsata, Sphecodes ruficrus, Nomada symphyti) dazu, dass die Anzahl der Wildbienenarten Sachsen-An- halts von 417 (nach Saure & Stolle 2016, ohne Honigbiene) auf 422 Arten gestiegen ist. Die Einstufung der Arten in die Gefährdungska- tegorien erfolgt vorwiegend über die jeweils aktuel- le Bestandssituation in Sachsen-Anhalt sowie über die Bestandsentwicklung in den vergangenen Jahren bzw. Jahrzehnten. Außerdem werden Risikofaktoren betrachtet, denen Arten in naher Zukunft ausgesetzt sein können. Zu den Risikofaktoren wird hier auch der Klimawandel gezählt, der sich negativ auf kältetoleran- te Arten der montanen Höhenstufe (Harz) auswirken kann. Bei der Gefährdungseinstufung werden auch die Kenntnisse des Bearbeiters über die Habitatansprüche der Arten sowie über den Erhaltungszustand der Wild- bienen-Lebensräume im Land berücksichtigt. Als „ausgestorben oder verschollen“ gilt eine Bienenart, wenn sie seit 25 Jahren nicht mehr in Sachsen-Anhalt nachgewiesen wurde, d. h. wenn der letzte Fund im Jahr 1994 oder früher erfolgte. Die wichtigsten Grundlagenwerke, denen auch Informationen zur Taxonomie, Biologie, Ökologie und Verbreitung der Arten für die vorliegende Publikation entnommen wurden, sind Scheuchl & Willner (2016), Wiesbauer (2017) und Westrich (2018). Als Einstiegslek- türe ist vor allem Westrich (2015) geeignet. Bemerkungen zu ausgewählten Arten Efeu-Seidenbiene – Colletes hederae Schmidt & Westrich, 1993 Neufund Die weitgehend auf Hedera helix als Pollenquelle spezialisierte Art wurde von W. Osterman im Septem- ber 2019 in Halle nachgewiesen (Coll. Stolle). R. Paxton 778 konnte bereits zwei Jahre zuvor, am 03.10.2017, eben- falls in Halle ein Colletes-Weibchen an Efeu beobach- ten (Paxton in litt.). Dabei handelte es sich vermutlich um C. hederae, möglicherweise aber auch um die nah verwandte Art Colletes succinctus (Linnaeus, 1758), die im Herbst auch Efeublüten besucht (aber nicht darauf spezialisiert ist). Die expansive Efeu-Seidenbiene ist mittlerweile auch in Nordostdeutschland angelangt. Im Herbst 2019 wurde sie erstmals in Brandenburg und Berlin festgestellt (Saure et al. 2019). Östliche Seidenbiene – Colletes mlokossewiczi Radoszkowski, 1891 Neufund Diese Seidenbiene wurde von Burger & Kuhlmann (2008) erstmalig für Deutschland gemeldet. Die Autoren nennen vier Fundorte, alle im Kyffhäuser und im Bundesland Thü- ringen gelegen. Die auf Korbblütler als Pollenquellen spe- zialisierte Art wurde aktuell bei Nebra nachgewiesen, nur ca. 30 Kilometer östlich vom Kyffhäuser (zwei Männchen, 24.06.2019, leg. Saure). Damit kommt die Art in Deutsch- land auch noch in einem zweiten Bundesland vor. Die Gesamtverbreitung der auf Trockenrasen und in Steppen- biotopen lebenden Art erstreckt sich von Portugal über das südliche Mitteleuropa und Südeuropa nach Osten bis Zentralasien (vgl. Burger & Kuhlmann 2008). Belgische Lockensandbiene – Andrena batava Pérez, 1902 Wie bereits bei Saure & Stolle (2016) wird hier A. ba- tava als eine von Andrena apicata Smith, 1847 abwei- chende Art angesehen (vgl. Scheuchl & Willner 2016). Es wird angenommen, dass sich Literaturmeldungen von A. apicata (sensu lato) für Sachsen-Anhalt auf A. batava beziehen, zumal dem Autor der vorliegen- den Roten Liste im Land bisher nur Exemplare von A. batava vorlagen. Der Artstatus von A. batava ist aber umstritten und bedarf weiterer Untersuchungen (Westrich 2018). Schwarzbeinige Rippensandbiene – Andrena bimacu- lata (Kirby, 1802) Burger & Ruhnke (2004) sowie Saure & Stolle (2016) stuften diese Sandbiene für Sachsen-Anhalt noch als verschollen ein und zitieren Blüthgen (1925) mit dem letzten Nachweis. Blüthgen fand die „äußerst seltene“ Art bei Naumburg (Blütengrund). Neue Nachwei- se aus den Jahren 2010 bis 2014 meldeten bereits Creutzburg & Frenzel (2016) aus der Umgebung von Friedeburg und Schafstädt (vid. C. Schmid-Egger). Bremer Herbstsandbiene – Andrena bremensis Alfken, 1900 Der Artstatus der Bremer Herbstsandbiene ist um- stritten. Während Scheuchl & Willner (2016) sie als eigenständige Art aufführen, ist sie für andere Auto- ren eine Unterart von Andrena simillima Smith, 1851 Bienen 1 3 2 4 Abb. 1: Weibchen der Grauen Lockensandbiene Andrena nycthemera Imhoff, 1868, in Sachsen-Anhalt wiedergefunden im Jahr 2019 (Foto: S. Kühne & C. Saure). Abb. 2: Weibchen der Stängel-Löcherbiene Heriades rubicola Pérez, 1890, die in Sachsen-Anhalt erstmalig im Jahr 2017 nachgewiesen wurde (Foto: S. Kühne & C. Saure). Abb. 3: Weibchen der Hufeisenklee-Mauerbiene Osmia xanthomelana (Kirby, 1802), in Sach- sen-Anhalt wiedergefunden im Jahr 2017 (Foto: S. Kühne & C. Saure). Abb. 4: Männchen der Kleinen Spiralhornbiene Systropha curvicornis (Scopoli, 1770), in Sachsen-Anhalt wiedergefunden im Jahr 2018 (Foto: S. Kühne & C. Saure). 779

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2020-08-31

Modified: 2020-08-31

Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31

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