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Auswirkungen_Duerre_2018-20_Grundwasser.pdf

Description: PRAXIS | Wasserwirtschaft Auswirkungen der Dürreverhältnisse 2018-2020 auf die Grundwasserstände in Mitteldeutschland Die Jahre 2018-2020 waren außergewöhnlich trocken! Hiervon waren nicht nur menschliche Nutzungen, wie Land- und Forstwirtschaft oder Wasserversorgung, sondern auch der Naturraum, insbesondere aquatische Ökosysteme, betroffen. Ein besonders stark getroffenes Gebiet ist hierbei der mitteldeutsche Raum, der ohnehin durch geringe Niederschläge und Grundwasserneubildung charakterisiert ist. Im Rahmen der Studie wurden die Pegelstände von über 220 Grundwasser­ messstellen in Mitteldeutschland untersucht und das historische Ausmaß des Wasserdefizits aufgezeigt. Karsten Rinke, Sarah-Christin Mietz and Martin Schneppmüller 1 Motivation der Studie Die Jahre 2018, 2019 und 2020 waren durch ausgeprägte Tro- ckenperioden geprägt und werden in der Öffentlichkeit und Presse sowie in Fachkreisen zurecht als Dürre bezeichnet. Die Definition einer Dürre ist komplex und beinhaltet eine statisti- sche Bewertung, d. h. eine Dürre ist eine Zeit außergewöhn­licher Trockenheit mit deutlicher Abweichung vom Normalzustand. In der Typologie von Dürreereignissen werden meteorologische, hydrologische und landwirtschaftliche Dürren unterschieden. Erstere beschrieben Zeiten mit deutlich unterdurchschnittlichen Niederschlägen, hydrologische Dürren beziehen sich auf nied- rige Wasserverfügbarkeit in Oberflächengewässern und land- wirtschaftliche Dürren stehen in Verbindung mit geringer Bodenfeuchte und Ertragseinbußen in der landwirtschaftlichen Produktion. Die beiden aufeinanderfolgenden Jahre 2018 und 2019 haben in Zentraleuropa Dürreverhältnisse verursacht, die in den vergangen 250 Jahren nicht aufgetreten waren [1]. Die tro- ckenen Verhältnisse 2018 bis 2020 haben die Sichtweise auf die Ressource Wasser deutlich verändert und verdeutlicht, dass im Kompakt ¾ Die Pegelstände der vergangenen 30 Jahre von über 220 Grundwassermessstellen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg wurden untersucht und vielerorts historische Tiefstände in der Trockenperiode 2018-2020 erreicht ¾ Die trockenen Verhältnisse in 2018 bis 2020 sind zwar hinsichtlich ihrer Intensität außergewöhnlich gewesen, reihen sich aber konsistent in den fort- schreitenden Klimatrend ein. ¾ Sinkende Grundwasserstände werden bereits seit 2011 beobachtet und markieren damit eine Phase mit abnehmender Wasserverfügbarkeit im Mitteldeut- schen Raum. www.springerprofessional.de/wawi Zuge des Klimawandels auch in Deutschland regional Wasser- mangel (z. B. ausgetrocknete Fließgewässer) auftreten kann. In der im Juni 2021 veröffentlichten Nationalen Wasserstrategie greift die Bundesregierung die Wasserproblematik auf und zeichnet Wege für einen nachhaltigen Umgang mit der Res- source Wasser auf [2]. Aus diesem Strategiepapier geht deutlich hervor, dass die Politik den Handlungsbedarf erkannt hat. Für die Bürger und die Presse stehen in diesem Kontext in der Regel die menschlichen Wassernutzungen im Vordergrund und den größten Raum in den Berichterstattungen nimmt die Wasserversorgung, d. h. die Bereitstellung von Wasser in aus- reichender Menge und Qualität für Haushalte, Gewerbe und Industrie sowie die landwirtschaftliche Produktion ein. In diesem Beitrag möchten wir auf einen weiteren wichtigen Aspekt der Wasserproblematik der vergangenen drei Jahre hinweisen, der in unseren Augen zu wenig Aufmerksamkeit erlangt hat, langfristig aber immense Wichtigkeit einnimmt und Herausfor- derungen bringen wird: Die Verfügbarkeit von Wasser für den Naturraum, d. h. das Vorhandsein von Wasser, um unsere aqua- tischen Lebensräume (Flüsse, Seen, Feuchtgebiete, Moore, Auen- wälder) und deren Funktionen sowie die Produktivität der ter- restrischen Lebensräume (inkl. der landwirtschaftlichen Nutz- flächen) zu erhalten. Letztlich ist hier der Landschaftswasser- haushalt, d. h. der langjährige mittlere Zustand der Wasserver- fügbarkeit im Untergrund (Bodenkörper, Kapillarsaum, gesättigte Zone bzw. Grundwasser) angesprochen. Dessen Dynamik wird durch das Wasserdargebot in Form von Nieder- schlag und durch Wasserverluste in Form von Evapotranspira- tion, Transpiration und Abfluss geprägt. Der größte und wich- tigste Speicher in den Komponenten des Landschaftswasser- haushaltes ist das Grundwasser. Ein mehrjähriges Wasserdefizit in der Landschaft schlägt sich zwangsweise im Wasserstand des Grundwassers nieder. Diese Änderungen unterhalb der Erdoberfläche sind aber auch ohne Pegelmessstände für den Beobachter erkennbar. So sinkt der Wasserpegel grundwassergespeister Seen und es kommt in der Regel zu einem spürbaren Flächenverlust des Gewässers und 11 | 2021 49 entsprechendes Trockenfallen von Ufervegetation und Flach- wasserzonen (z. B. Seddiner See, Bild 1). Oft gehen diese Was- serverluste mit erheblichen Wasserqualitätseinbrüchen einher, denn die nun stärkere Aufheizung, erhöhte Sauerstoffzehrung und Nährstofffreisetzung führen zu starken Eutrophierungser- scheinungen (Bild 1), die u. a. mit vollständigem Sauerstoffver- lust, Schwefelwasserstoffbildung und Fischsterben einhergehen. In Fließgewässern verringern sich die Niedrigwasserabflüsse, die sich weitestgehend aus dem Grundwasser rekrutieren und im Extremfall zum vollständigen Austrocknen führen. Schließ- lich wird durch sich vergrößernde Grundwasserflurabstände der Abstand zwischen Vegetation und Grundwasseroberfläche erhöht. Durch den Verlust des Grundwasseranschlusses kann dies zur Austrocknung von Feuchtgebieten (grundwasserabhän- gige Vegetation) sowie dem Absterben von Baum- und Busch­ vegetation, d. h. Waldverlust (Bild 1) führen. In Deutschland existieren große regionale Unterschiede hin- sichtlich des Wasserdargebotes und der daraus resultierenden regionalen Wasserbilanz. Eine besonders niederschlagsarme Region mit Grundwassererneuerungsraten von weniger als 25 mm/a ist die mitteldeutsche Ebene, die weite Teile Sachsen- Anhalts (Regenschatten des Harzes), das Thüringer Becken sowie das südliche Brandenburg und nördliche Sachsen umfasst. Die Auswirkungen der Dürreverhältnisse im Zeitraum 2018- 2020 waren in dieser Region besonders stark. Diese Studie fokus- siert deshalb auf eine Analyse der Langzeitdynamik von ausge- wählten Grundwasserständen im Mitteldeutschen Raum. 2 Datenbasis Wir fokussierten unsere Analyse auf die Grundwasserstände in den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Es wurden nur solche Messstellen ausgewählt, die mindestens für die vergangenen 30 Jahre Beobachtungsdaten aufweisen. Außer- dem wurde darauf geachtet, dass die ausgewählten Messstellen möglichst ungestörte Grundwasserverhältnisse repräsentieren. Die Messstellen erfüllten in der Regel die folgenden Kriterien: ¾ mind. 500 m Abstand zu Grundwassernutzungen, ¾ mind. 1 000 m Abstand von großen Fließgewässern (Elbe, Saale, Oder etc.), ¾ Meidung von bergbaubeeinflussten und urbanen Räumen (Flächenversiegelung). Die Datenbereitstellung erfolgte durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, Geschäftsbereich 5.0 - Gewässerkundlicher Landesdienst, und dem Landesamt für Umwelt Brandenburg, Abt. Wasserwirt- schaft 1, Referat W12. Insgesamt wurden 87 Messstellen aus Sachsen-Anhalt und 140 Messstellen aus Brandenburg ausge- wertet. Um eine Vergleichbarkeit der Datenreihen herzustellen wurde einerseits eine Standardisierung vorgenommen und andererseits die absolute Abweichung vom jeweiligen Mittelwert der Messreihe (Anomalie) berechnet sowie die Saisonalität eli- miniert. Entsprechend den Empfehlungen von Hellwig [3] wurden zunächst die Daten jeder Messstelle auf eine einheit­liche zeitliche Auf lösung aggregiert (monatlich, arithmetisches Mittel) und anschließend durch den langjährigen Monats­ 50 © A & B: Rinke, © C: Mietz PRAXIS | Wasserwirtschaft Bild 1: Auswirkungen der Dürreverhältnisse 2018 bis 2020 auf aquatische und terrestrische Lebensräume: A) Kleingewässer in der Nähe von Magdeburg (Bärenkolk, Gübs) in denen die Auf- heizung und der Wasserverlust oft mit Sauerstoffschwund und starken Wasserqualitätsproblemen einhergeht, B) Waldsterben, C) Wasserverlust und damit einhergehender Flächenverlust am Seddiner See, der Rückzug der Gewässerlinie ist zu schnell für das Nachrücken der Röhrichtzone und viele Tiergruppen (z. B.: Großmuscheln, siehe Vordergrund links) mittelwert (Referenzperiode 1990-2020, hydrologisches Jahr) korrigiert: _ ​Xj,t​ ​ − X ​ ​j,m​ _ Standardisierung: ​Xj,t,norm ​ ​= ​ ​s​ ​ ​​ j,m _ Anomalie: ​Xj,t,anom ​ ​= ​Xj,t​ ​ − X ​ ​j,m​​ (1) (2) Hierbei beschreibt Xj,t den Messwert an der Messtelle j zum Zeit- _ punkt t und X ​ ​j,m​sowie sj,m den arithmetischen Mittelwert sowie die Standardabweichung der Messreihe j im Monat m. Für die Berechnung der letzten beiden Maßzahlen wurden die Mess- werte des Zeitraums 1990 bis 2020 als Referenzzeitraum genutzt. Zu beachten ist, dass die Standardisierung zu einer dimensions- losen Zahl führt, während die Anomalie die Einheit (hier: m) bewahrt und somit absolute Grundwasserstände beschreibt. Parallel zu der Grundwasserdynamik wurden auch die mete- orologischen Verhältnisse in den Jahren 2018 bis 2020 in den langfristigen historischen Kontext auf der Basis von DWD-Beob- achtungsdaten eingeordnet und Auswirkungen auf den Wasser- kreislauf abgeleitet bzw. diskutiert. 11 | 2021www.springerprofessional.de/wawi PRAXIS | Wasserwirtschaft 3 Ergebnisse 3.1 Meteorologische Randbedingungen 3.2 Dynamik der Grundwasserstände Ein noch differenzierteres Bild bezüglich der Wasserverfügbar- keit in der Landschaft ergibt sich bei der Auswertung der Grund- wasserstände. Diese befinden sich seit 2011 in einem Abwärts- trend, der sich zwischen 2018 und 2020 rapide beschleunigte. So wurden an einzelnen Messstellen historische Tiefstände erreicht (Bild 3). Von den untersuchten 226 Messtellen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt zeigen 138 Messtellen (d. h. 61 %) in den Trockenjahren 2018 bis 2020 den tiefsten Grundwasserstand in den vergangenen 30 Jahren. In der letzten Dekade ist der Grund- wasserpegel der Region großflächig um nahezu einen Meter abgefallen (linearer Trend: 8 cm/a, R 2 = 0,4). Bei einer mittleren Porosität von 0,45 entspricht dies überschlägig einem Wasser- defizit von etwa 360 mm pro Dekade. Dies ist ein hoher Wert in Anbetracht der Tatsache, dass die mittlere Grundwassererneu- erung in weiten Teilen der Region lediglich 25 bis 50 mm/a beträgt [4]. Die Messreihen zeigen eine erhebliche Variabilität über den Beobachtungszeitraum und es ist deshalb hilfreich, auf standar- disierte Werte zurückzugreifen (Bild 3), um die Variabilität innerhalb der Datenreihen zu berücksichtigen. Es zeigt sich hier, dass das Wasserdefizit in 2020 ungefähr dem Wasserüberschuss im Jahr 2011 entspricht. Mitteldeutschland hat also besonders in der vergangenen Dekade einen erheblichen Wechsel der Was- serverfügbarkeit erlebt, von ungewöhnlich hohen Grundwasser- ständen zu historisch niedrigen Grundwasserständen. Diese Tat- sache unterstreicht die Beobachtung, die sich bereits aus der Analyse der meteorologischen Verhältnisse zeigte, und verdeut- licht, dass die Wasserverknappung zwar in den vergangenen drei © Rinke Die meteorologischen Verhältnisse in 2018 bis 2020 waren im langjährigen Vergleich außergewöhnlich warm und trocken (Bild 2). Insbesondere für die Lufttemperatur sind die aufgetre- tenen hohen Werte aber keine singuläre Ausnahmesituation, sondern vielmehr im Erwartungsbereich des gegenwärtigen Erwärmungstrends, der seit den letzten Dekaden des vergange- nen Jahrhunderts feststellbar ist. Die Verhältnisse in 2018 bis 2020 sind somit zwar einerseits aus historischer Sicht als extrem zu bezeichnen, anderseits deutete sich diese Entwicklung bereits in dem Trend über die letzten Jahre an und die Dürreverhält- nisse bestätigen vielmehr den Trend als dass sie eine sprung- hafte Systemänderung repräsentieren. Es ist interessant, dass die Sonnenscheindauer einen sehr ähnlichen Trend aufweist (Bild 2). Diese ansteigende Sonnen- scheindauer mit einhergehender Temperatursteigerung deutet eher auf eine Abnahme der Bewölkung hin, da die Solarkons- tante, d. h. die Energieabgabe der Sonne, über diesen Zeitraum unverändert blieb. Der Niederschlag, der insgesamt ohnehin eine höhere Variabilität aufweist, zeigt keinen deutlichen Trend über den Zeitraum. Hier wechseln sich trockene und feuchte Jahre in unterschiedlichen Abständen und Verhältnissen ab. Die Jahre 2018 bis 2020 sind bezüglich des Niederschlags außerge- wöhnlich, da sie eine Folge mehrerer besonders trockener Jahre darstellen. Durch das geringere Wasserdargebot und die tempe- raturbedingt höhere Verdunstung ist die Wasserverfügbarkeit der Landschaft gesunken. Dies ist in integralen Variablen gut zu erkennen, z. B. im Sommerabfluss der Mittelelbe (Pegel Magde- burg-Strombrücke, Bild 2), der den niedrigsten Wert seit über 75 Jahren eingenommen hat. Bei den Tageswerten wurden 2018 bis 2020 mehrfach der absolute Pegeltiefststand seit Anbeginn der Messungen unterschritten. Bild 2: A) Jahresmittel der Lufttemperatur und des Niederschlags für Deutschland der vergangen 140 Jahre; B) Langfristige Entwick- lung der Sonnenscheindauer seit 1950; C) Mittlerer Sommerabfluss der Elbe beim Pegel Magdeburg; die Linie repräsentiert jeweils die langfristige Entwicklung der Variablen durch einen geglätteten Verlauf (mittels eines GAM, Generalized Aditive Model), die gelb unter- legte Fläche markiert die Entwicklung seit 1980, in diesem Zeitraum zeigen Lufttemperatur und Sonnenscheindauer einen Anstieg www.springerprofessional.de/wawi 11 | 2021 51

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LHW

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License: all-rights-reserved

Language: Deutsch

Issued: 2021-10-18

Modified: 2021-10-18

Time ranges: 2021-10-18 - 2021-10-18

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