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Ehemalige Hausmüllablagerungen in Berlin

Description: Ausgangssituation Arbeitsfortschritt Gefährdungspfad Grundwasser Gefährdungspfad Boden Gefährdungspfad Deponiegas Die früheren Hausmüllablagerungen im Berliner Stadtgebiet fallen aufgrund ihres Alters und Betriebsendes nicht unter die geltende Deponierichtlinie und sind danach keine Deponien oder Altdeponien. Sie gelten als Altablagerungen und werden nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) als altlastenverdächtige Flächen oder Altlasten kategorisiert und nach der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) hinsichtlich der Gefährdung betroffener Wirkungspfade bewertet. Mit der Änderung des Berliner Betriebegesetzes im Jahr 2004 wurden die Aufgaben der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) im Hinblick auf die Erfüllung der deponiebezogenen, bodenschutzrechtlichen Nachsorgepflichten auf die ehemaligen Müllverbringungsstandorte der BSR im Berliner Stadtgebiet ergänzt. Die ordnungsbehördliche berlinweite Zuständigkeit für diese Standorte wurde der Senatsverwaltung für Umwelt übertragen. Zwischen der für den Umweltschutz zuständigen Senatsverwaltung und den BSR und wurde in diesem Zusammenhang vereinbart, dass alle von den BSR beschickten Altablagerungen im Berliner Stadtgebiet hinsichtlich eventueller Gefährdungen der relevanten Wirkungspfade zu bewerten und nachsorgend zu sichern, sanieren oder zu überwachen sind. Den ersten Arbeitsschritt bildete die Identifizierung der Standorte mit Hinweisen über eine ehemalige Nutzung durch die BSR. Hierzu dienten Listenverzeichnisse der Müllabladeplätze in Berlin aus den Jahren 1971 und 1978. Diese Standortverzeichnisse für den ehemaligen Westteil der Stadt und Erkenntnisse über Altablagerungen aus dem ehemaligen Ostteil der Stadt bildeten die Grundlage für die Ermittlung und Festlegung von insgesamt 38 Standorten. Für 30 Standorte konnte danach ein überwiegender Hausmüllanteil am Gesamtinventar angenommen werden. Für 8 dieser Standorte ist der Hausmüllanteil gegenüber dem Gesamtinventar als untergeordnet anzusehen. In der Standortverteilung spiegelt sich die besondere, ehemalige politische Situation Berlins in der Nachkriegszeit und seiner Insellage wider. So liegen 36 Altablagerungsstandorte im Gebiet des ehemaligen West-Berlins und lediglich 2 Standorte im ehemaligen Ostteil der Stadt. Im ehemaligen Ostteil der Stadt wurde der Hausmüll nach dem 2. Weltkrieg grundsätzlich auf Mülldeponien außerhalb des Berliner Stadtgebietes verbracht. Die 38 Ablagerungsstandorte weisen sehr unterschiedliche Ablagerungszeiträume und Ablagerungsvolumen auf. Die Beendigung der standortbezogenen Schüttungen liegt dabei zwischen den Jahren 1948 und 1983. Die kleineren Altablagerungen wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit beschickt. Zu den größten Altablagerungen mit einem Ablagerungsvolumen von mehr als 1 Mio. m³ Hausmüll zählen die Standorte Wannsee, Lübars, Marienfelde, Egelpfuhl, Rohrbruchwiesen, Dörferblick und Köppchensee. Für die 38 Altablagerungsstandorte lag zum Arbeitsbeginn ein jeweils unterschiedlicher Erkenntnis- und Untersuchungsstand zu den verschiedenen Gefährdungspfaden vor. Für eine überwiegende Anzahl dieser Altablagerungen wurde im Rahmen eines Deponieprogramms bereits früher ein Grundwassermonitoring errichtet und durchgeführt. An vier der beim Gefährdungspfad Deponiegas in die höchste Priorität eingestuften Altablagerungen wurde bereits eine Besaugung bzw. Belüftung durchgeführt (Lübars, Rohrbruchwiesen, Egelpfuhl). In Wannsee erfolgte eine verwertungsorientierte Gasnutzung durch Vattenfall, die nach Ablauf des Nutzungsvertrages in eine Sicherung durch die BSR zu überführen war. Ein grundsätzliches Problem stellen an einigen Altablagerungen insbesondere die sensiblen Nachnutzungen durch Kleingartenkolonien oder Freizeitparks dar, die prioritär zu berücksichtigen waren. Nach einer standortbezogenen Ermittlung des Erkundungsbedarfs und pfadbezogenen Prioritätensetzung wurde 2005 mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen. Ziel wart es in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren alle 38 Standorte durch geeignete Maßnahmen zu erkunden, zu bewerten und bedarfsgerecht zu sichern oder zu sanieren. Alle Maßnahmen wurden ordnungsbehördlich gegenüber den BSR angeordnet wobei im Vorfeld eine detaillierte technische Abstimmung erfolgte und ein Einvernehmen angestrebt wurde. Seit 2005 bis heute wurden an nahezu allen 38 Altablagerungen orientierende Untersuchungen durchgeführt. Lediglich bei wenigen Standorten stehen noch Detailerkundungen in einigen Flächenbereichen an, da die Untersuchungen und historischen Recherchen zum Teil andere Abgrenzungen oder Standortlagen ergaben. So konnten für drei Standorte zwar das Vorhandensein von Hausmüllablagerungen in den Verdachtsbereichen ausgeschlossen werden aber hinsichtlich der historischen BSR-Listen bislang keine Ersatzstandorte ausfindig gemacht werden. Dabei handelt es sich um Ablagerungen mit einem geringen Abfallvolumen und einem kurzen Ablagerungszeitraum nach Kriegsende. Die Recherchen dauern hierzu an. Die genaue Lagebestimmung war von Beginn der Arbeiten an ein Kernproblem, da die erwähnten Listen lediglich Straßennahmen enthielten und keine Lagepläne vorhanden waren. Oftmals wurden dabei die Anfahrtsstraßen als Adresse angegeben. Die durchgeführten Erkundungsmaßnahmen erfolgten für jede Altablagerung gefährdungspfadbezogen (Grundwasser, Boden, Deponiegas). Entgegen der Ersteinschätzung (2004) wurde an einer Vielzahl der untersuchten Standorte eine Deponiegasphase (Methan) festgestellt. An allen Altablagerungen wurden Grundwasseruntersuchungen und ein Monitoring durchgeführt. Neben der Bewertung des Gefährdungspfades Boden-Mensch auf den zum Teil überwiegend sensibel durch Kleingartenkolonien, Freizeitparks oder Gärten genutzten Ablagerungsbereichen stellt die Deponiegasproblematik weiterhin den Hauptarbeitsschwerpunkt dar. Vier Ablagerungen konnten bislang insgesamt hinsichtlich aller Gefährdungspfade nach Durchführung geeigneter Maßnahmen vom Gefahrenverdacht befreit werden. Seit 2005 wurde von den BSR auf Anordnung ein Grundwassermonitoring an insgesamt 34 der bekannten 38 Standorte durchgeführt. Hierzu standen weit über 400 Grundwassermessstellen zur Verfügung, deren Anzahl sich durch neu errichtete Messstellen noch vergrößerte. Die Grundwassermessstellen erfassen den Grundwasseran- und abstrom der Altablagerungen sowie die standortbezogenen, verschiedenen hydrogeologischen Grundwasserleiter. Für 10 Standorten wurde festgestellt, dass von diesen Altablagerungen keine Grundwassergefährdung ausgeht. Die Grundwasserüberwachung an diesen Standorten konnte eingestellt werden. An 25 Standorten wurde nach Bewertung der hydrogeologischen und hydrochemischen Situation eine Defizitanalyse erarbeitet, ein erforderlicher, weiterer Messstellenbau und eine standortbezogene Gefährdungsabschätzung für den Belastungspfad Boden-Grundwasser durchgeführt. Infolge wurde ein langfristiges, standortbezogenes Grundwassermonitoring angeordnet. Neben der Durchführung chemisch-physikalischer Grundwasseruntersuchungen und der Bewertung der Grundwasserbelastung wurden Stichtagsmessungen des Grundwasserstandes zur Bestimmung der aktuellen Grundwasserfließrichtung durchgeführt. Für einige Standorte kann nach Ablauf des noch andauernden Überwachungszeitraums und eine dann vorliegende mögliche Unbedenklichkeit der Grundwassersituation die Einstellung der Überwachung in Aussicht gestellt werden. An den Standorten mit einem laufenden Grundwassermonitoring sind nach derzeitigem Erkenntnisstand darüberhinausgehende Maßnahmen nicht erforderlich. Bislang kennzeichnen sich die ermittelten ablagerungsbedingten relevanten Grundwasserbelastungen durch ein nur örtliches Schadensbild, d.h. auf den unmittelbaren Ablagerungsraum und das unmittelbare Umfeld begrenzten Belastungsbereich des Grundwassers. Dabei stehen insbesondere Schwermetalle im Vordergrund. Bei Altablagerungen mit Industriebabfällen, wurden auch punktuell organische Schadstoffe festgestellt, die aber, mit Ausnahme der Altablagerungen Hahneberg, bei der eine Grundwasserbelastung geringfügig über den Verdachtsbereich abströmt, keine Schadensfahnen ausbilden. Insgesamt kommt die Lage der Altablagerungen mit nur einem Standort in einem Trinkwasserschutzgebiet bei der Bewertung der Grundwassergefährdung entgegen. Hinsichtlich der aktuell problematischen Schadstoffgruppe PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) stichprobenhaft an relevanten Altablagerungen durchgeführte Grundwasseruntersuchungen ergaben lediglich vereinzelt Befunde im Bereich der Nachweisgrenze. Das Ergebnis unterstützt die Aussage des Leitfadens zur PFAS-Bewertung des Bundes wonach nur Altablagerungen und Altdeponien deren Betriebs- bzw. Deponiestillegung in den 1980er Jahren oder später erfolgte als relevante Verdachtsstandorte anzusehen sind, da hier eine intensive Verwendung der PFAS erfolgte. In den späten 1980er und 1990er Jahren erfolgten in Berlin keine Ablagerungen mehr. Die Bewertung des Gefährdungspfades Boden-Mensch an den Altablagerungen ist mit Ausnahme weniger Teilflächen weitestgehend abgeschlossen. Zunächst wurden Kleingartenanlagen als Standorte mit besonderer sensibler Nutzung untersucht und abschließend bewertet. Im Ergebnis kann die kleingärtnerische Nutzung grundsätzlich erhalten bleiben, jedoch war an allen Kleingartenanlagen die Auferlegung von Nutzungs-, oder Beschränkungsmaßnahmen erforderlich, die sich an den Belastungswerten und Beschaffenheit der Abdeckung orientierten. Aufgrund der zunehmenden Belastung zur Tiefe hin besteht ein gestaffeltes Grabeverbot für tiefere Bodeneingriffe auf allen Kleingartenanlagen. Die Nutzungsbeschränkungen wurden gegenüber den Grundstückseigentümern und den Pächtern angeordnet und gelten dauerhaft. Auf zwei Kleingartenanlagen waren Bodenaustauschmaßnahmen erforderlich. So erfolgten Maßnahmen zur Oberbodensanierung auf 23 Parzellen der Kleingartenkolonie Rohrbruchwiesen III in Spandau (2006) und auf 8 Parzellen der Kleingartenkolonie Sachtlebenstraße in Steglitz-Zehlendorf (2010). Zudem erfolgte eine Oberbodensanierung auf einem Privatgrundstück am Standort Olafstraße (2010). Ebenfalls als abgeschlossen gelten die Untersuchungen auf Freiflächen von Freizeitparks oder Grünanlagen in Bereichen einer möglichen sensiblen Nutzung. Die Untersuchungsergebnisse ergaben keine Gefährdung für eine freizeitbezogene Nutzung. Ausnahme bildet der Standort Rohrbruchwiesen. Hier steht für den Bereich der kanalseitigen Grünanlagen die abschließende Bewertung noch aus. Grundsätzlich gilt auf allen Altablagerungen mit Hausmüllablagerungen bei eventuell geplanten Baumaßnahmen eine zwingende Beteiligungspflicht der Bodenschutzbehörde der Senatsverwaltung für Umwelt. Zurzeit werden an 15 Altablagerungen kontinuierliche Überwachungen der Bodenluft durchgeführt. Problematisch ist hierbei die Bildung von Deponiegas, insbesondere Methangas, das durch die Umsetzung des organischen Abfalls innerhalb der Altablagerungen entsteht. Methangas ist ein Treibhausgas und 28mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Es bildet in einer bestimmten Konzentration zusammen mit Sauerstoff ein explosives Gemisch, was insbesondere bei bebauten Ablagerungen zu einer hohen Gefährdungslage führen kann. An den großen Altablagerungen Lübars, Marienfelde und Wannsee wurden aufgrund des noch hohen Gasbildungspotentials Gasfassungsanlagen installiert. Mittels Verdichteranlagen wird über Gassammelstränge ein Unterdruck an die tiefreichenden Gasbrunnen angelegt, das Deponiegas abgesaugt und in den Fackelanlagen verbrannt. Der nach innen gerichtete Unterdruck verhindert einen Gasaustritt über die Geländeoberfläche, unterstützt die Umsetzung des organischen Materials und stabilisiert die Altablagerung langfristig. Neben der eigentlichen Sicherung dieser Standorte hat die Fassung und Verbrennung des Methangases (Treibhausgas) eine hohe klimaökologische Bedeutung. Aufgrund der allgemein abklingenden Methangasproduktion und damit des abnehmenden Methangasgehaltes im gefördertem Deponiegas wurden nach Jahren des Betriebes von Hochtemperaturfackeln an den Standorten Lübars und Marienfelde Anlagen zur Schwachgasbehandlung in Betrieb genommen, die auch geringe Methangehalte verbrennen können. An der Altablagerung Wannsee wurde aktuell das Gasfassungssystem ertüchtigt (2023/24). Das Methangas wird hier sowohl über eine Fackel verbrannt als auch im nahegelegenen Helmholtz-Zentrum verwertet (siehe auch Altablagerung Wannsee ). An bebauten Standorten, die aufgrund ihres „geringen“ Methangasgehaltes, der keine dauerhafte Deponiegasfassung und Verbrennung zuließ, waren für deren Sicherung und Stabilisierung innovative Verfahren und Anlagen erforderlich und es kamen lokale Sicherungskonzepte zur Anwendung. So wurden 2013 im Bereich der Kleingartenanlage Rudower Höhe und der Wochenendsiedlung an der Rudower Höhe und 2017 in der Kleingartenanlage Rohrbruchwiesen sowie an den Vereinsheimen am Bootshausweg lokale, dauerhafte Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hinsichtlich Methangases umgesetzt. Hier erfolgen zur Gebäudesicherung lokale Absaugungen mit geringen Unterdrücken über die Gebäude umlaufende Rigolensysteme und eine Ableitung des Methangases. Während bei der Altablagerung Rohrbruchwiesen aufgrund des hohen Grundwasserstandes eine flächendeckende Absaugung nicht möglich und die zunächst betriebene Belüftung daher uneffektiv war, kam speziell an der Wochenendsiedlung mit fester Wohnbebauung eine Absaugung ebenfalls nicht infrage, da unkalkulierbare Setzungen zu Schädigungen vom Eigentum Dritter geführt hätten. An exponierten Bereichen erfolgen zusätzlich regelmäßig Innenraum- und Oberflächenmessungen auf Deponiegas, auch wurden Gaswarngeräte installiert. Weitere Sicherungsmaßnahmen bezogen auf den Gefährdungspfad Deponiegas erfolgten auf der Altablagerung Dörferblick (2014) und KGA-Egelpfuhl (2020/21) in Form der Errichtung eines Methangasoxidationsfeldes (MOF) und der Installation einer Belüftungsanlage in der Kleingartenanlage Am Stichkanal in Steglitz-Zehlendorf im Frühjahr 2012. Zudem wurde die Altablagerung Potsdamer Chaussee in Spandau zur Gefahrenabwehr 2006 eingezäunt. An allen Standorten mit derzeit laufenden, flächendeckenden oder lokalen Gasfassungs- oder Belüftungsanlagen wird die aktuelle Methangasbildung durch die regelmäßige Überwachung der Bodenluftmessstellen erfasst und die Wirksamkeit der Anlagen und deren technischer Zustand ständig überprüft. An 20 der insgesamt 38 Standorte mit Hausmüllablagerungen wurde entweder keine Deponiegasbildung festgestellt oder konnte die Überwachung wegen Unbedenklichkeit eingestellt werden. Die Sicherung der Standorte mit anhaltend hoher Methangasbildung wird auch in Zukunft eine wichtige arbeits- und kostenintensive Aufgabe des nachsorgenden Bodenschutzes bleiben und noch Jahrzehnte andauern.

Types:
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    text_type: Editorial,
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Origin: /Land/Berlin/UVK

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Region: Berlin, Stadt

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License: other-closed

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Time ranges: 2025-03-17 - 2025-03-17

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