Description: Mobilfunk, WLAN & Co. – Bewertung der SCHEER-Stellungnahme 2023 SCHEER kommt zu dem Schluss, dass unterhalb der aktuellen Grenzwerte keine mäßige oder starke Evidenz für gesundheitsschädliche Wirkungen durch akute oder chronische Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern vorliegt. Das gilt somit auch für Mobilfunk. Laut SCHEER ist die Evidenz für nicht-thermische Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder unklar. Zukünftige Forschung mit strikten methodischen Qualitätskriterien ist notwendig. SCHEER empfiehlt eine technische Überarbeitung der Anhänge der EU -Ratsempfehlung 1999/519/EC und der Direktive 2013/35/EU für beruflich exponierte Personen auf Basis der aktualisierten Grenzwertempfehlung von ICNIRP aus dem Jahr 2020. Das BfS begrüßt die Stellungnahme von SCHEER und unterstützt deren Empfehlungen nach weiterer Forschung bezüglich Millimeterwellen und einer Aktualisierung der EU -Empfehlungen. SCHEER – wissenschaftliche Beratung der EU-Kommission Das Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks ( SCHEER ), ist eines von zwei unabhängigen wissenschaftlichen Komitees, das die Europäische Kommission in Sachen Verbrauchersicherheit, öffentliche Gesundheit und Umwelt berät. Auf Anfrage der Kommission nimmt SCHEER Stellung zu Fragen im Zusammenhang mit Gesundheits-, Umwelt- und neu auftretenden Risiken. Zu Beginn der Stellungnahme wird jedoch betont, dass die darin enthaltenen Ansichten nicht zwangsläufig die der Europäischen Kommission widerspiegeln, auch wenn diese der offizielle Auftraggeber ist: " The Opinions of the Scientific Committees present the views of the independent scientists who are members of the committees. They do not necessarily reflect the views of the European Commission. " Im Juni 2021 wurde SCHEER mit einer Stellungnahme durch die EU-Kommission beauftragt. Die Kernfrage lautete, ob die Anhänge der EU-Ratsempfehlung 1999/519/EC für die allgemeine Bevölkerung und der Direktive 2013/35/EU für beruflich exponierte Personen aktualisiert werden sollen. Dies sollte in Anbetracht der neusten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse seit der vorigen Stellungnahme vom Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks ( SCENIHR ) aus dem Jahr 2015 geprüft werden. Dabei sollten insbesondere die aktualisierten Grenzwertempfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor Nicht-Ionisierender Strahlung ( ICNIRP ) einbezogen werden (siehe ICNIRP 2020 ). Die Anfrage der EU -Kommission zur Aktualisierung der Dokumente bezog sich auf den Bereich der hochfrequenten elektromagnetischen Felder zwischen 100 Kilohertz ( kHz ) bis 300 Gigahertz ( GHz ). Hochfrequente elektromagnetische Felder werden auch für die moderne Kommunikation wie Rundfunk, Mobilfunk, schnurlose Telefone, WLAN oder Bluetooth genutzt. Expertengruppe analysiert für die Stellungnahme Fachliteratur Eine Arbeitsgruppe aus SCHEER -Mitgliedern und externen Experten fertigte die Stellungnahme an. Die Wahl der Arbeitsgruppenmitglieder sowie der externen Experten erfolgte nach einem transparenten Verfahren, das in der Entscheidung der Kommission über die Einrichtung wissenschaftlicher Ausschüsse in den Bereichen öffentliche Gesundheit, Verbrauchersicherheit und Umwelt beschrieben wird. Auf Basis der SCENIHR Opinion 2015 analysierte die SCHEER -Gruppe die seither neu erschienene wissenschaftliche Literatur daraufhin, ob neue Erkenntnisse zu möglichen Auswirkungen einer Exposition (Ausgesetztsein) gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf die menschliche Gesundheit bestehen und in welchem Maße die Bevölkerung gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern exponiert ist. Für die Bewertung wurden hauptsächlich systematische Reviews (Review = Übersichtsarbeit) und Meta-Analysen berücksichtigt. Fehlten diese, wurden narrative Reviews und Scoping Reviews herangezogen. Einzelne Studien wurden nur in Ausnahmefällen einbezogen. Für die Bewertung der Evidenz für gesundheitsschädliche Wirkungen beruft sich SCHEER auf das Dokument " Memorandum on Weight of Evidence (WoE) and uncertainties. Revision 2018 " ( SCHEER , 2018) [ 1 ] . Mit Evidenz ist dabei gemeint, wie deutlich die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien (in der Gesamtschau) für oder gegen eine bestimmte Annahme sprechen. In dem Dokument wird ein Klassifizierungsschema näher erläutert, das die vorhandenen wissenschaftlichen Daten unterschiedlicher Studientypen anhand ihrer Beweiskraft ( engl. weight of evidence ) in verschiedene Gruppen einordnet. Was SCHEER inhaltlich zu Exposition und Gesundheit feststellt SCHEER hat für die Stellungnahme Studien zur Dosimetrie , zu Wirkmechanismen und zu gesundheitlichen Wirkungen untersucht. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in der folgenden Tabelle. Ergebnisse der SCHEER-Stellungnahme SCHEER kommt in seiner Stellungnahme zu folgenden Schlüssen: Die Evidenz für negative Gesundheitseffekte durch chronische oder akute Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern unterhalb der Grenzwerte wird weder als mäßig noch als stark eingestuft – beruhend auf dem Klassifizierungsschema aus 2018 [ 1 ] . Das heißt, SCHEER sieht in den verfügbaren wissenschaftlichen Daten keine oder nur eine unklare oder schwache Beweiskraft für gesundheitsschädliche Wirkungen bei Expositionen unterhalb der Grenzwerte. Die Evidenz bei nicht-thermischen Wirkmechanismen aus Zellkulturstudien wird als unklar eingestuft, ebenfalls beruhend auf dem oben genannten Klassifizierungsschema. Der seit 1998 erzielte technologische Fortschritt in den Bereichen der rechnerischen und experimentellen Expositionsbewertung und der Dosimetrie ermöglicht eine erhöhte Genauigkeit der Bewertung der Exposition beim Menschen. Neue und aufkommende drahtlose Anwendungen nutzen höhere Frequenzen und eine niedrigere emittierte Leistung in engerer Nähe zum menschlichen Körper. Es gibt jedoch Situationen, in denen Strahlfokussierung (Beamforming) oder intensive gepulste Strahlung die Exposition für kurze Zeit erhöhen können. Da die aktualisierten ICNIRP -Expositionsrichtlinien Menschen effektiver vor hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von neuen technologischen Anwendungen schützen können, empfiehlt SCHEER eine technische Überarbeitung der Anhänge der Empfehlung 1999/519/EG des Rates und der Richtlinie 2013/35/EU. Weiterhin begrüßt SCHEER die derzeit laufende Durchführung von systematischen Reviews durch die Weltgesundheitsorganisation ( WHO ) und schlägt vor, dass alle zukünftigen Änderungen der Richtlinien in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern die Ergebnisse der systematischen Reviews berücksichtigen sollten (siehe hierzu auch Abschnitt „Zukünftige Risikobewertung“). Im Hinblick auf zukünftige Forschung empfiehlt SCHEER weitere Forschung in höheren Frequenzbereichen, u.a. im Millimeterwellenbereich oberhalb von 30 GHz . Des Weiteren ist SCHEER der Ansicht, dass zusätzliche Studien zu nicht-thermischen Wirkmechanismen, die strikte methodische Qualitätskriterien einhalten, notwendig sind. BfS teilt Einschätzungen und unterstützt Empfehlungen von SCHEER Das BfS begrüßt die Aktualisierung der SCENIHR -Bewertung von 2015 durch SCHEER . Anders als in der SCENIHR -Bewertung berücksichtigt SCHEER , wenn vorhanden, systematische Reviews und Meta-Analysen, um die neu erschienenen Publikationen zu bewerten. Aufgrund der großen Zahl und Heterogenität der Untersuchungen ist dies ein sinnvoller Ansatz. Es liegen nicht zu allen bewerteten möglichen Wirkungen und Wirkmechanismen Meta-Analysen oder systematische Reviews vor, weshalb SCHEER sich auf andere Reviewtypen, insbesondere narrative Reviews , stützen muss. Im Gegensatz zu systematischen Reviews fehlt in vielen der narrativen Reviews eine systematische Literaturrecherche und eine Berücksichtigung von Qualitätskriterien bei den einbezogenen Studien. Eine Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken allein auf Basis von narrativen Reviews ist mit Unsicherheit verbunden, da ein (mehr oder weniger) hohes Verzerrungsrisiko in den einbezogenen Studien vorliegen kann und möglicherweise nicht alle relevanten Studien erfasst werden. Auch SCHEER weist auf dieses Problem hin. SCHEER sieht auf Basis der aktuellen Studienlage keine mäßige oder starke Evidenz für mögliche negative gesundheitliche Wirkungen unterhalb der geltenden Grenzwerte und kommt damit zu einer ähnlichen Einschätzung wie das BfS . Auch andere nationale Organisationen ziehen einen vergleichbaren Schluss [ 2 , 3 , 4 ] . Bezüglich höherer Frequenzen, insbesondere im Millimeterwellenbereich oberhalb von 30 GHz , schließt sich das BfS der Empfehlung von SCHEER nach weiterer Forschung an. Vom BfS werden hierzu bereits einige Forschungsvorhaben gefördert. Für mögliche nicht-thermische Wirkmechanismen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf zellulärer Ebene sieht SCHEER keine konsistenten Hinweise und bewertet die Evidenz insgesamt als unklar. Dem stimmt das BfS zu. Die Beeinträchtigung des oxidativen Gleichgewichts wird zwar in den berücksichtigten narrativen Reviews als wahrscheinlich angesehen. Die Aussagekraft dieser Art von Literaturstudie ist gemäß der oben genannten Einschränkungen jedoch begrenzt. Für die weitere Risikobewertung ist das Ergebnis des systematischen Reviews der Weltgesundheitsorganisation ( WHO ) zu oxidativem Stress abzuwarten [ 5 ] . Weiterhin empfiehlt SCHEER eine technische Überarbeitung der Anhänge der EU -Ratsempfehlung 1999/519/EG für die Allgemeinbevölkerung und der Direktive 2013/35/EU für beruflich exponierte Personen. Beide basieren im Hochfrequenzbereich (100 kHz – 300 GHz ) nahezu vollständig auf den ICNIRP -Leitlinien von 1998. Im Vergleich dazu sind in der aktualisierten Grenzwertempfehlung von ICNIRP aus dem Jahr 2020 zahlreiche Detaillierungen erarbeitet worden, die auf dem derzeit aktuellen Wissensstand beruhen und die teils zu Erhöhungen des Schutzniveaus führen. Diese Aktualisierungen sind bisher nicht in der EU -Ratsempfehlung und der Direktive für beruflich exponierte Personen aufgegriffen worden. Aus diesem Grund unterstützt das BfS die Empfehlung von SCHEER . Zukünftige Risikobewertung Für die Neubewertung potenzieller Gesundheitswirkungen durch hochfrequente elektromagnetische Felder hat die WHO zehn systematische Reviews in Auftrag gegeben, an denen das BfS teilweise beteiligt ist [ 6 ] . Diese beschäftigen sich mit möglichen Zusammenhängen zwischen Mobilfunkstrahlung und Krebs, Fruchtbarkeit, kognitiven Effekten, allgemeinen Symptomen, oxidativem Stress und thermischen Effekten. Die Publikation der Ergebnisse ist für Ende 2023 geplant. Das BfS wird die Ergebnisse in seine Risikobewertung und der Planung zukünftiger Forschungsvorhaben berücksichtigen. Referenzen [1] SCHEER 2018, Memorandum on Weight of Evidence (WoE) and uncertainties. Revision 2018 . doi:10.2875/386011 [2] Bericht der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung im Auftrag des Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) [3] Stellungnahme der Strahlensschutzkommission (SSK) zu FR1 [4] 15. Bericht der schwedischen Strahlenschutzbehörde (SSM) [5] Henschenmacher B, Bitsch A, de Las Heras Gala T, et al. The effect of radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMF) on biomarkers of oxidative stress in vivo and in vitro: A protocol for a systematic review. Environ Int. 2022;158:106932. doi:10.1016/j.envint.2021.106932 [6] WHO systematische Reviews Stand: 25.10.2023
Origin: /Bund/BfS/Website
Tags: Gesundheitsgefährdung ? Elektromagnetisches Feld ? Dosimetrie ? Europäische Kommission ? Nichtionisierende Strahlung ? Rundfunk ? Umweltauswirkung ? Akute Exposition ? Gesundheitliche Auswirkungen ? Chronische Exposition ? Weltgesundheitsorganisation ? Strahlenexposition ? Stress ? Umweltberatung ? Bewertungsverfahren ? Gesundheitsschutz ? Gütekriterien ? Literaturauswertung ? Literaturstudie ? Mensch ? Studie ? Allgemeine Gesundheit ? Gesundheitliche Bewertung ? Mobilfunk ? Expositionsanalyse ? Metaanalyse ? Forschungsprojekt ? Bevölkerung ? Grenzwert ? Technischer Fortschritt ? Umweltschutz ? Risikobewertung ?
License: all-rights-reserved
Language: Deutsch
Issued: 2023-10-25
Time ranges: 2023-10-25 - 2023-10-25
öffnet englischsprachige Internetseite zum SCHEER (Öffnet neues Fenster)
http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/scheer_en (Webseite)Richtlinie 2013/35/EU (Öffnet neues Fenster)
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1418224363390&uri=CELEX:32013L0035 (Webseite)Henschenmacher et al. in Environment International (Öffnet neues Fenster)
https://doi.org/10.1016/j.envint.2021.106932 (Webseite)Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz - 300 GHz) (Öffnet neues Fenster)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:31999H0519&from=EN (Webseite)SCHEER-Opinion (Öffnet neues Fenster)
https://health.ec.europa.eu/consultations/scheer-public-consultation-preliminary-opinion-scientific-evidence-radiofrequency_en (Webseite)2015 Commission decision on establishing Scientific Committees in the field of public health, consumer safety and the environment pdf (Öffnet neues Fenster)
https://health.ec.europa.eu/system/files/2016-11/call_2015_5383_decision_with_annexes_en_0.pdf (Webseite)Memorandum on weight of evidence and uncertainties Revision 2018 pdf (Öffnet neues Fenster)
https://health.ec.europa.eu/system/files/2019-02/scheer_o_014_0.pdf (Webseite)ICNIRP 2020 Guidelines for limiting exposure to electromagnetic fields (100 kHz to 300 GHz) pdf (Öffnet neues Fenster)
https://www.icnirp.org/cms/upload/publications/ICNIRPrfgdl2020.pdf (Webseite)Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) - Bericht Mobilfunk und Strahlung 2019 (Öffnet neues Fenster)
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/59384.pdf (Webseite)Elektromagnetische Felder des Mobilfunks im Zuge des aktuellen 5G-Netzausbaus – Technische Aspekte und biologische Wirkungen im unteren Frequenzbereich (Öffnet neues Fenster)
https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse/DE/2021/2021-12-10_Stgn_5G_Mobilfunk.html (Webseite)EMF Report 2020 / Bericht zu EMF aus dem Jahr 2020 der schwedischen Strahlenschutzbehörde (Öffnet neues Fenster)
https://www.stralsakerhetsmyndigheten.se/contentassets/fce87121bd5e47ca95ad16d93d03f638/202108-recent-research-on-emf-and-health-risk.pdf (Webseite)Aufruf der WHO für die Erstellung von systematischen Reviews zur Beurteilung des EMF-Risikos (Öffnet neues Fenster)
https://www.who.int/news-room/articles-detail/call-for-expressions-of-interest-for-systematic-reviews-(2019) (Webseite)Accessed 1 times.