Description: MERKBLATT ÄUSSERE STRAHLENEXPOSITION DES PERSONALS BEI DER THERAPIE MIT RADIUM-223 DICHLORID Radium-223 Dichlorid ist ein Radiopharmakon zur Therapie von Knochenmetastasen bei kastrations- resistentem Prostatakarzinom. Radium-223 wird se- lektiv im Knochengewebe gespeichert, was zu ei- ner Bestrahlung der Tumorzellen führt. Das 223Ra-Präparat Xofigo® der Firma Bayer Phar- ma AG wurde im November 2013 für die ambulan- te Behandlung in Deutschland zugelassen. Es be- sitzt eine Zulassung der europäischen (EMA) und der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA). Zum Zeitpunkt der Zulassung von Xofigo® wurde ein Primärstandard zur Kalibrierung der Aktivime- ter verwendet, der vom National Institute of Stan- dards and Technology (NIST) 2010 entwickelt wur- de. Im Jahr 2015 wurde jedoch festgestellt, dass die Aktivität im NIST-Standardreferenzmaterial (NIST- SRM) von 2010 um 10 % zu niedrig angegeben war [NIST 2015, Ber 2015]. Daraus folgt, dass die mit dem alten Standard ermittelten Aktivitätswerte um 10% unterschätzt waren. Verfügung gestellt. Die Implementierung des neu- en Standards erfolgte am 18.04.2016. Alle Aktivi- tätsangaben in diesem Merkblatt beziehen sich auf das NIST-SRM von 2015. Für eine Therapie wird Xofigo® in Durchstechfla- schen mit 6 ml 223Ra Dichloridlösung und einer Ak- tivität von 6,6 MBq (entsprechend dem neuen Stan- dard) am Referenzdatum geliefert [Bay 2016, EMA 2016]. Die Behandlung erfolgt i. d. R. durch 6 i. v. Injektionen von je 55 kBq pro kg Körpergewicht (entsprechend dem neuen Standard) im Abstand von 4 Wochen. Unter Verwendung des alten Stan- dards NIST-SRM 2010 ging man (fälschlicherweise) davon aus, dass die Durchstechflaschen 6 MBq ent- halten und je Injektion 50 kBq pro Kg Körperge- wicht appliziert werden. In Deutschland wurde das aktualisierte NIST-SRM zur Kalibrierung der Messgeräte inzwischen zurDie Korrektur hat keinen Einfluss auf die Sicher- heit oder Wirksamkeit von Xofigo®, da die tat- sächliche Aktivitätsmenge, die dem Patienten ver- abreicht wird, sich dadurch nicht ändert. In den nuklearmedizinischen Zentren ist jedoch zu prü- fen, ob aufgrund der Korrektur eine Erhöhung der genehmigten Umgangsaktivität erforderlich ist. Abb. 1: Zerfallsschema von Radium-223Abb. 2: Zerfallskurven von Radium-223 und Tochternukliden Radium-223 ist ein Alphastrahler und hat eine Halbwertszeit von 11,4 Tagen. Es zerfällt über vier a-Emitter (Alphaenergie 5,0 - 7,5 MeV) und zwei b-Emitter (Eb, max = 1,37 und 1,42 MeV) in das stabi- le Tochternuklid 207Pb (Abb. 1). Bei einigen dieser Tochternuklide treten auch g-Strahlen unterschied- licher Energie (E = 0,01 - 1,27 MeV) auf, deren Emissionswahrscheinlichkeit in der Summe 0,7 pro a-Zerfall des Mutternuklids 223Ra beträgt. Alle Tochternuklide des 223Ra sind vergleichswei- se kurzlebig, was zur Folge hat, dass sich wenige Stunden nach der Abtrennung des Mutternuklids ein radioaktives Gleichgewicht mit den Töchtern einstellt. In dieser Zeit erhöht sich die Gesamtak- tivität des Nuklidgemisches aus 223Ra und dessen Töchtern auf etwa das 6-fache der ursprünglichen 223 Ra-Aktivität. Folglich enthält auch das angelie- ferte Vial eine Gesamtaktivität bis zum 6-fachen der angegebenen 223Ra-Aktivität zum Referenzzeit- punkt (Abb. 2). In den Fachinformation der Firma Bayer wird mit- geteilt, dass die von a-Teilchen, b-Teilchen und Gammastrahlung abgegebenen Energieanteile 95,3 %, 3,6 % und 1,1 % betragen [Bay 2016, EMA 2016]. Diese Zahlen sind jedoch nur bedingt geeig- net, um die Gefährdung des Personals durch äu- ßere Strahlenexpositionen beim Umgang mit 223Ra Dichlorid zu bewerten. Hierfür sind nicht zuletzt die b-strahlenden Tochternuklide 211Pb und 207Tl von Bedeutung, deren Summenaktivität im Gleich- gewicht 33 % der Gesamtaktivität ausmacht. Auf- grund dieser Tatsache und wegen der relativ ho- hen Energie der b-Teilchen (Eb, max = 1,37 und 1,42 MeV) sind äußere Strahlenbelastungen nicht aus- zuschließen. Bei genauerer Betrachtung muss zwi- schen einer möglichen Ganzkörperexposition und einer Exposition der Haut, vor allem an den Hän- den, unterschieden werden. Die Messgröße für die externe Strahlenbelastung des Körpers ist die Tiefen-Äquivalentdosis, H*(10). In 50 cm Abstand von einer 223Ra Punktquelle mit 6,6 MBq beträgt die entsprechende Dosisleistung 0,033 µSv/min unter Berücksichtigung der Folge- produkte, [BfS 2016]. Signifikante Ganzkörperexpo- sitionen des Personals können folglich nahezu aus- geschlossen werden. Hautexpositionen werden vor allem durch b-Strah- lung verursacht. Für die Messgröße der Hautdo- sis, die Oberflächen-Äquivalentdosis, H‘(0,07), ist der entsprechende Dosisleistungskoeffizient für 211 Pb und 207Tl mit 1,30 bzw. 1,27 mSv/(h MBq) [Pet 1993] deutlich größer, das Modell der Punkt- quelle jedoch ungeeignet. Unter realistischen Expositionsbedingungen führen die Selbstabsorpti- on in der Radionuklidlösung und die Schwächung der b-Teilchen in der Wand von Spritzen oder Vials zu einer deutlichen Reduzierung dieser Koeffizi- enten. Andererseits ist beim Hantieren mit Radio- pharmaka der Abstand zu den Händen oft kleiner als 10 cm und kann bei unsachgemäßem Umgang nahe Null sein, z. B. wenn eine Spritze oder das Vial nicht abgeschirmt sind und mit den Fingern berührt werden. Dann können hohe lokale Haut- dosen auftreten. Der Hersteller von Xofigo® hat Messungen der Do- sisleistung mit verschiedenen Verfahren an einem Vial veranlasst. Diese ergaben eine relativ geringe Dosisleistung von maximal 0,64 mSv/(h MBq) (un- ter Berücksichtigung des aktualisierten Standards NIST-SRM 2015). Für ein anderes realistisches Szenario, den Kontakt mit einer 5 ml-Spritze, stehen berechnete Dosisleis- tungskoeffizienten zahlreicher Nuklide zur Verfü- gung [Del 2002], aber leider nicht für 223Ra. Aus den Daten von Nukliden mit ähnlichen b-Energien lässt sich jedoch ableiten, dass die Oberflächen-Do- sisleistung an einer mit 223Ra-Dichlorid gefüllten 5 ml-Spritze im Mittel ca. 20 mSv/(h MBq) betragen kann. Zur Verifizierung dieses Sachverhalts hat das Bun- desamt für Strahlenschutz (BfS) Messungen durch- geführt. Dazu wurden Thermolumineszenzdosime- ter (TLD) axial an der Oberfläche einer 5 ml-Spritze mit 3,05 MBq 223Ra fixiert und 30 Minuten be- strahlt. Die Kalibrierung der TLD erfolgte mit 90Y (Eb, max = 2,28 MeV). Der gemessene Dosisleistungs- koeffizient betrug 17±1 mSv/(h MBq) und stimmt somit recht gut mit der theoretischen Vorhersage überein. Das ist ein 26-fach höherer Wert als der an einem Vial gemessene. Dafür sind insbesondere die unterschiedliche Geometrie (geringerer Durch- messer der Spritze, d.h. weniger Selbstabsorpti- on) und das andere Wandmaterial (0,5 mm Plastik statt 1 mm Glas) verantwortlich. Würde man die am Vial gemessene Dosisleistung für die Abschät- zung der an der Wandung einer 5 ml-Spritze zu erwartenden Dosisleistung zu Grunde legen, wür- de die Gefährdung in Hinblick auf Hautexpositio- nen deutlich unterschätzt. An der Wand einer mit 3,8 MBq 223Ra gefüllten Plastikspritze kommt es bei Hautkontakt über einen Zeitraum von 1 min zu ei- ner Dosis von 1,08 mSv. Von den Werten am Vial ausgehend würde man hingegen nur 0,04 mSv erwarten. Wegen des großen Dosisleistungskoeffizienten gehört 223Ra zu der Gruppe von b-strahlenden Nukliden mit dem höchsten Gefährdungspotenti- al durch Hautexpositionen. Für diese Nuklide, zu denen z.B. auch 90Y zählt, werden Teilkörperdosi- meter (Fingerringdosimeter) der amtlichen Person- endosismessstellen zur Überwachung des Grenz- wertes der Hautdosis (500 mSv/a) empfohlen, wenn die jährliche Umgangsaktivität 1 GBq überschreitet [BfS 2015]. Verglichen mit anderen Radionuklidtherapien ist das Risiko von Hautexpositionen des Personals bei Therapien mit 223Ra Dichlorid aber dennoch ge- ring, da die applizierte 223Ra Aktivität relativ nied- rig ist. Auch die Höhe der äußeren Ganzkörperex- position des Pflegepersonals oder der Angehörigen durch Patienten wird als vernachlässigbar einge- schätzt, da die Dosisleistung in 1 m Abstand vom Patienten den Wert von 0,2 µSv/h nicht übersteigt [Dau 2014]. Aus den angeführten Gründen sollten sich Strah- lenschutzmaßnahmen zum Schutz des an der The- rapie beteiligten Personals, von Pflegekräften und Angehörigen im Wesentlichen auf die Vermeidung von Inkorporationen und Kontaminationen kon- zentrieren. Hierzu sind die üblichen strahlenhygie- nischen Maßnahmen zur Vermeidung von Inkorpo- rationen beim Umgang mit offenen Radionukliden einzuhalten, z. B. das Tragen von Handschuhen, Laborkleidung und Mundschutz, sowie regelmä- ßige Kontaminationskontrollen. Darüber hinaus wird zwecks Minimierung äußerer Strahlenexpo- sitionen, insbesondere der Haut, die Verwendung geeigneter Abschirmungen für Spritzen und Vials empfohlen. Hierfür sind keine speziellen Abschir- mungen für b-strahlende Radiopharmaka erforder- lich. Es können z.B. auch kommerzielle Spritzenab- schirmungen aus Wolfram für g-Strahler wie 99mTc verwendet werden. Weitere Hinweise zum Strah- lenschutz des Personals beim Umgang mit 223Ra Di- chlorid finden sich unter [BfS 2016, Bay 2016, EMA 2016] sowie in einer Muster-Strahlenschutzanwei- sung [MHH 2014]. Impressum Bundesamt für Strahlenschutz Externe und interne Dosimetrie, Biokinetik Postfach 10 01 49 38201 Salzgitter Telefon: + 49 (0) 30 18333 - 0 Telefax: + 49 (0) 30 18333 - 1885 Internet: www.bfs.de E-Mail: ePost@bfs.de Stand: Februar 2017 Literatur: Bay 2016Xofigo® 1100 kBq/ml Injektionslösung, Bayer-Fachinformation, April 2016 DE/3, http://www.fachinfo.de EMA 2016Xofigo Radium-223 dichloride, Annex 1, Summery of Product Characteris- tics, http://www.ema.europa.eu/docs/ en_GB/document_library/EPAR_-_Pro- duct_Information/human/002653/ WC500156172.pdf, 25.05.2016 NIST 2015Revision of the NIST Standard for 223 Ra: New Measurements and Re- view of 2008 Data, Jornal of Research of the National Institute of Standard and Technology, Vol. 120, pages 37-57, 2015, http://www.nist.gov/nvl/jres.cfm Ber 2015Bergeron E et al. Secondary standards for 223Ra revised, Appl. Radiat. Isot. 101:10-14, 2015 BfS 2015Empfehlung von Kriterien für die Teil- körperdosimetrie in der Nuklearme- dizin, Bundesamt für Strahlenschutz, GMBl. 2015, Nr. 22, S. 438-440 BfS 2016Strahlenschutzmaßnahmen bei der Anwendung von Xofigo®; Überarbeite- te Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom 18.Dezember 2015; GMBl. 2016 Nr. 8, S.177 Pet 1993Petoussi N., Zankl M. et al. Dose dis- tributions in the ICRU sphere for mo- noenergetic photons and electrons and for 800 radionuclides, GSF-Bericht 7/93, 1993 Del 2002Delacroix, D. et al. Radionuclide and Radiation Protection Data Handbook 2002, Rad. Prot. Dosimetry; 98 (1) 2002 Dau 2014Dauer L.T. et al. Radiation safety con- siderations for the use of 223RaCl DE in men with castration-resistant pro- state cancer. Health Phys. 2014; 106(4):494–504 MHH 2014 Strahlenschutzanweisung für den Um- gang mit Ra-223 Dichlorid, V 1.0 vom 13.02.2014, Medizinische Hochschu- le Hannover, L. Geworski, Persönliche Mitteilung, April 2015.
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Tags: Glas ? Salzgitter ? Kunststoff ? Alphastrahlung ? Ente ? Gammastrahlung ? Huhn ? Wolfram ? Arzneimittel ? Dosimetrie ? Kalibrierung ? Dosisleistung ? Bucht ? Niedermoor ? Radionuklid ? Strahlenexposition ? Strahlenschutz ? Szenario ? Therapie ? Radiopharmakon ? Energie ? Halbwertszeit ? Haut ? Messdaten ? Produktnorm ? Punktquelle ? Verunreinigung ?
Region: Peine
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