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BfS-Magazin: „Einblicke Nummer 14 | Informationen über ein Endlager“ (PDF, nicht barrierefrei)

Description: Asse E i n blicke Nr. 14 August 2011 Informationen über ein endlager Vor Einlagerungskammer 7: Der Arbeitsbereich in 750 Metern Tiefe nimmt Gestalt an GASTBEITRAG Endlagerung auf Nummer sicher Der ehemalige Oberbürgermeister Stuttgarts bemerkte in der Stuttgarter Zeitung vom 8. Januar 2008: „Einige britische Philo­ sophen, vor allem John Locke, haben das langfristige Denken zu ­einer Frage der Moral erklärt, je langfristiger desto moralischer: Da ist etwas dran.“ Was heißt es, bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle, ­moralisch zu handeln? Zuerst: Als Erfahrungswesen müssen wir lernen, nicht nur aus der Vergangenheit, sondern aus der wahrscheinlichen Zukunft heute unsere Schlüsse zu ziehen. Weil es mit der Lagerung radio­ aktiver Abfälle nur sehr begrenzte Erfahrungen gibt, stehen wir als Erfahrungswesen in der Tat vor einer neuen, kulturellen Ver­ antwortung, die Verantwortungsethik schwierig, aber nicht unmöglich macht, — näm­ lich uns mehr oder minder wahrscheinliche Zukünfte vorzustellen, hieraus ex ante ­unsere Schlüsse zu ziehen, also gewissermaßen prospektiv zu lernen und dann heute zu entscheiden, was jetzt wahrscheinlich eine sichere Endlagerung über viele Gene­ rationen im Kern ausmacht. Zweitens: Nicht das, was wir heute für die bestmögliche sichere Endlagerung halten, muss auch in der Zukunft so sein. Dies liegt — naturwissenschaftlich-technisch betrachtet — sowohl an der sehr begrenzten Prognostizierbarkeit der Stabilität der ver- schiedenen geologischen Wirtsformationen über Jahrtausende und der Wirkungen dort gelagerter, speziell hochradioaktiver, Abfälle über lange Zeiträume. Vor allen Dingen ist für solche Zeiträume kaum vorhersagbar, wie sich Gesellschaften mit ihren Ver­ haltensregeln und sonstigen Institutionen entwickeln werden. Robert Spaemann hat mit seiner Feststellung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Oktober 2008 recht: „Unsere wissenschaftlich-technische Zivilisation ist eine labile und gefährdete Ausnahmeerscheinung auf diesem Planeten. Es ist frivol, in sie für unsere Nachfahren Gefahrenquellen einzubauen.“ Aber was heißt das für die Endlagerung von Abfällen? Indem unser Gemeinwesen zukünftigen Generationen jene Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten zugestehen will, über die wir heute verfügen, heißt dies ­ für die Gegenwart, möglichst finale, faktisch nicht korrigierbare Entscheidungen und Handlungen zu vermeiden. Im Sinne einer so verstandenen Verantwortungsethik belastet eine sogenannte nicht-rückholbare Endlagerung zukünftige Generationen mit den Risiken unserer heutigen Prognosen über die Stabilität der verschiedenen Endlagerungsoptionen über Jahrtausende. Unsere Erfahrung aus der Evolution lehrt uns Bescheidenheit hinsichtlich der ­Sicherheit unserer — auch wissenschaftlichen — Erkenntnis, wie es der „kritische Ratio­ nalismus“ eines Karl Popper lehrt. Was uns heute sicher erscheint — die nicht-rückhol­ bare Endlagerung — kann sich schon in unserer, unserer Kinder- oder Enkelkinder-Zeit als Irrtum entpuppen und die Risiken für Fehlprognosen wachsen mit der Zeit, für die man Voraussagen versucht. Sicherheit auf Dauer im Sinne einer schon heute zu tragenden Verantwortung für zukünftige Generationen heißt deshalb aus meiner Sicht: Die Endlagerung muss nach bestem heutigem Wissen für uns gegenwärtig Lebende so risikoarm wie möglich sein. Falls wir uns aber in unseren Erwartungen geirrt haben sollten und radioaktive Strahlung aus den Abfällen doch in die Biosphäre zu gelangen droht, muss die Revision der heutigen Entscheidung nicht nur prinzipiell, sondern auch praktisch möglich sein. Eine nicht — also weder grundsätzlich noch gar praktisch mögliche — rückholbare Endlagerung radioaktiver Abfälle wäre — angesichts unserer heutigen, sehr begrenzten Kenntnisse — langfristig risikoreich und mit der Verantwortung auch für folgende Generationen nicht zu vereinbaren. Denn auch diese sollten Entscheidungs- und Handlungsoptionen aus ihrer Sicht haben. Einen genera­ tionenübergreifenden Determinismus dürfen wir uns nicht anmaßen. Prof. Dr. Andreas Troge Präsident a. D. des Umweltbundesamtes Ein neuer Weg Um die Rückholung des radioaktiven Abfalls so sicher und schnell wie möglich durchführen zu können, ist ein neuer Schacht geplant. In 750 Metern Tiefe wird die erste Bohrung in eine Einlagerungs­ kammer vorbereitet A ußenstehenden erscheint es oft unvorstellbar, wie viele Menschen und welche Menge an Material über den Aufzug in Schacht 2 der Asse in die Tiefe ge­ bracht werden. Sämtliches Gerät, das im Bergwerk Verwendung findet, ist im eineinhalb mal zwei Meter großen und maximal sechs Meter hohen För­ derkorb transportiert worden. Die Au­ tos und Radlader, die unter Tage benö­ tigt werden, mussten zuvor demontiert bzw. mit dem Schneidbrenner zerlegt, hochkant transportiert und unten wie­ der zusammengebaut werden. Auch die rund 126.000 Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall gelangten einst über Schacht 2 in die Tiefe. Im letzten Jahr der Einlagerung, 1978, waren das über 30.000 Fässer. Den Atommüll nun im Zuge der Rückholung über denselben Weg nach oben zu befördern, ist keine op­ timale Lösung. Die Förderanlage ist auf einen bergbaulichen Betrieb aus­ gerichtet und bietet für die Rückho­ lung nicht die Förderkapazität, die von Gutachtern für ein zügiges Vorge­ hen empfohlen wird. Auch aus Sicht des Strahlenschutzes wäre ein wei­ terer Schacht deutlich vorteilhafter. Damit die Rückholung schnellstmög­ lich umgesetzt werden kann, hat das BfS frühzeitig entschieden, sowohl die bestehende Schachtförderanlage zu modernisieren als auch den Bau eines neuen Schachts (Schacht 5) zu verfol­ gen. In den letzten Monaten wurde geprüft, wo dieser neue Schacht 5 ge­ baut werden könnte (siehe Infografik Seite 2 und 3). Unter Berücksichtigung der geolo­ gischen Gegebenheiten und der vor­ gesehenen Verbindung zu dem beste­ henden Grubengebäude hat das BfS nun einen Standort gefunden, an dem ein Schachtneubau möglich wäre. Die­ ser Standort liegt etwa 500 Meter öst­ lich vom bisherigen Hauptschacht 2, allerdings in einem Naturschutz­gebiet. Als Nächstes muss mit Erkundungs­ bohrungen untersucht werden, ob der Standort geeignet ist. Dafür benötigt das BfS eine Genehmigung des Nieder­ sächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Auch die Belange des Naturschutzes müssen be­ rücksichtigt werden. Um Genehmigungen geht es auch beim Anbohren der Einlagerungskam­ mern 7 und 12 im Rahmen der Probe­ phase (Faktenerhebung). Das Nieder­ sächsische Umweltministerium (NMU) hatte die Genehmigung für das Anboh­ ren der beiden Kammern am 21. April an insgesamt 32 Auflagen gebunden, die es nun zu erfüllen gilt. Die Boh­ rungen sind der erste Schritt im Rah­ men der dreistufigen Probephase. Mit den Ergebnissen der Probephase sol­ len bestehende Unsicherheiten und Wissenslücken über den Zustand der Einlagerungskammern und der Abfall­ behälter beseitigt werden. Ziel ist es, die Randbedingungen der Rückho­ lung zu klären, um die Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten ge­ währleisten zu können. Derzeit wird der erste Bohrstandort, der Bereich vor der Einlagerungskam­ mer 7, eingerichtet. In 750 Metern Tiefe wurde zunächst ein Betonfundament gegossen und auf den Beton ein dekon­ taminierbarer Bodenbelag ausgelegt. Auf den Bodenbelag wurden zwei Mess- container aufgebaut und der gesamte Arbeitsbereich mit einer Leichtbau­ wand (Einhausung) vom bestehenden Grubenbereich abgetrennt. Für den unwahrscheinlichen Fall, ­dass trotz al­ ler Sicherheitsvorkehrungen radioaktiv belastete Gase oder Stäube aus der Bohranlage austreten sollten, wird die Luft im Arbeits­bereich ständig abge­ saugt und gefiltert. Vor der ersten Boh­ rung müssen alle Anlagen und Geräte gemäß den Genehmigungsauflagen durch Gutachter und Aufsichtsbehör­ den aufwendig geprüft und abgenom­ men werden. Bei optimalem Verlauf könnte noch in diesem Jahr mit der Probe­bohrung begonnen werden. Die erste Bohrung soll klären, ob hinter dem Verschluss der Einlage­ rungskammer 7 ein Hohlraum anzu­ treffen ist. Sollte dem so sein, wird durch das Bohrloch eine Kamera- sonde eingeführt und Proben der Luft genommen. Aus Bildern und Kammerluft sollen sich erste Erkennt­ nisse ergeben. Allen Beteiligten ist klar, dass die Abfälle nach ihrer Rückholung sicher aufbewahrt werden müssen. Dafür muss ein Zwischenlager errichtet wer­ den. Eine standortunabhängige Kon­ zeptstudie hat sich bereits mit der Frage der Verpackung der geborgenen radio­a ktiven Materialien befasst. Bevor eine endgültige Entscheidung über den Standort des Zwischenlagers erfolgen kann, müssen alle Informa­ tionen für eine Abwägung der Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Konzepten ­vorliegen. Hierzu hat das BfS bereits 2010 eine Konzept- und Ge­ nehmigungsplanung europaweit aus­ geschrieben. Die Auftragsvergabe steht kurz bevor. asse einblicke nr. 14 August 2011 14. Wo ein neuer Schacht entstehen könnte Bei der Rückholung des radioaktiven Mülls aus der Schachtanlage Asse II müssen die Abfälle unter Tage geborgen, verpackt und anschließend nach über Tage transportiert werden. Derzeit hat das Bergwerk nur ei­ nen einzigen vollwertigen Schacht, den Schacht 2. Bei der Rückholung müssten so­ wohl der Abfall als auch das Personal und alle Materialien und Maschinen über die­ sen einen Schacht transportiert werden. Der vorhandene schmale Notschacht 4 ist für das Rückholen der Abfälle nicht ge­ eignet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) prüft deshalb, ob es eine Möglichkeit für den Bau eines neuen Schachts (Schacht 5) gibt. Die Rückholung des radioaktiven Abfalls über den bestehenden Schacht 2 wäre zwar nach der geplanten Moderni­ sierung prinzipiell technisch möglich, hät­ te aber vor allem aus Sicht des Strahlen­ schutzes Nachteile. Außerdem würde die begrenzte Kapazität eines einzigen voll­ wertigen Schachts die Rückholung der Abfälle und den Betrieb stark behindern. Bei einem neuen Schacht könnte zudem die Belüftung der Grube umgestellt werden. Die frische einziehende Luft könnte dann über den bestehenden Schacht 2 geleitet werden, über den auch das Personal einfährt. Die Abfälle würden über den neuen Schacht ab­ transportiert – ebenso die verbrauchte Luft. Diese Infografik zeigt, welche geologischen und bergbaulichen Randbedingungen bei der Planung eines neuen Schachtes be- rücksichtigt werden müssen und wo ein geeigneter Standort liegen könnte. Über Tage Standort B ASSE II Hauptschacht 2 Notschacht 4 Standort A Unter Tage Das Ergebnis Standort B Notschacht 4 Hauptschacht 2 Legt man alle Bereiche übereinander, in denen aus Sicherheitsgründen nicht ge­ bohrt werden kann, erkennt man im unteren Bild, dass es nur zwei kleine Bereiche (A und B) gibt, in denen theoretisch ein neuer Schacht gebaut werden könnte. Die beiden Stellen liegen östlich bzw. westlich vom bisherigen Hauptschacht 2 (Bild oben). Im direkten Vergleich scheidet der Standort A aber praktisch aus, denn der neue Schacht würde hier sehr dicht an die stark durch­ bauten Grubenbereiche grenzen und auch die Kalisalze antreffen. Am Standort B ist der Untergrund voraussichtlich wesentlich stabiler. Der neue Schacht könnte an dieser Stelle fast ausschließlich im festen Steinsalz gebaut werden. Auch würde der neue Schacht weit weg von den bestehenden Ab- baukammern und Gängen liegen. Über Tage gäbe es außerdem genügend Platz für die Förderanlage und die Schachthalle. Standort A Sicherheitsrelevante Bereiche im Bergwerk ASSE I ASSE II Standort A Sicherheitsabstand zum Schacht Asse I ASSE II Nicht geeignet ist der Bereich, der sich zur abgesoffenen Schachtanlage Asse I hin er- streckt. Der bergrechtlich vorgeschriebene Sicherheitsabstand muss gewahrt werden. Standort B 3 2 1 Hauptschacht 2 ProbeBohrungEN Um zu überprüfen, ob ein Standort tatsäch­ lich für den neuen Schacht geeignet ist, wird dieser Bereich zunächst mit drei Bohrungen erkundet. Eine Erkundungsbohrung wird senk­ recht von über Tage erstellt. Zwei weitere erfolgen unter Tage in einer Tiefe von etwa 575 Metern leicht schräg nach unten in Rich­ tung des geplanten Schachtes sowie waage­ recht in etwa 700 Metern Tiefe. Die unter­ tägigen Erkundungsbohrungen werden aus dem bestehenden Grubengebäude gebohrt. Erst nach Auswertung der Ergebnisse ist eine Entscheidung für den Bau eines neuen Schachtes möglich. Notschacht 4 Zwei Schächte sind auf der Asse noch in Betrieb: der Hauptschacht 2 und der Notschacht 4 7 4 anhydrit und Nebengebirge Zu bestimmten Gesteinsschichten müssen beim Bau des neuen Schachts Sicherheits- abstände eingehalten werden. Das betrifft insbesondere den Rötanhydrit an der Süd­ flanke (1) und den Anhydrit an der Nord­ flanke (2), in denen Wasser vermutet wird. So wird verhindert, dass weiteres Wasser in das Grubengebäude fließt. Daher kann auch nicht rechts und links neben dem Salzsattel einfach durch das Nebengebirge (3) bzw. in die Flanken gebohrt werden. Dieser Bereich ist zudem durch die Form des ­Salzsattels und das Fehlen eines schützenden Hutge­ steins für Bohrungen ungeeignet. KaliSALZ Der neue Schacht kann genauso wenig im leicht löslichen und weniger standfesten Kalisalz (4) gebaut werden. 5 6 575 m 5 Geologisch unsichere Bereiche und Sicherheitsabstände Zu weiteren unsicheren Bereichen gehören u. a. die stark verformten bzw. beanspruch­ ten Bereiche im Salzstock und im Nebenge­ birge. Denn die Stabilität des Nebengebirges ist hier bereits beeinträchtigt. Zu den Salz­ abbaukammern muss ein Sicherheitsab­ stand von 50 bis 75 Metern eingehalten wer­ den (5). Zu den Gängen im Grubengebäude werden mindestens 25 Meter empfohlen (6). Auch die Bereiche um den Hauptschacht 2 und den Notschacht 4 (7) dürfen aus Sicher­ heitsgründen nicht angebohrt werden. Hier müssen ebenso bergrechtlich festgelegte Sicherheitsabstände eingehalten werden.

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Origin: /Bund/BGE/Website

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Region: Peine

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