Description: Asse E i n blicke Nr. 15 November 2011 Informationen über ein endlager Foto: Michael Fittkau Alles für die Sicherheit: Blick vom Preventer in den Arbeitsbereich vor Kammer 7 GASTBEITRAG Ethisches Problem ersten Ranges Die Bilder von den verheerenden Wirkungen des Erdbebens und des Tsunami in Japan, die eingetretene Kernschmelze in einem der Blöcke des Atomkraftwerkes – all das hat uns mit Schrecken und Entsetzen erfüllt. Wir haben Anteil am Leid der Menschen und fürchten, dass wir die Folgen der Dinge, die wir herstellen, nicht mehr absehen und verantworten können. Schon vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima war klar, dass die Nutzung der Kernenergie ein ethisches Problem ersten Ranges darstellt. Bereits der Atomunfall von Tschernobyl 1986 war eine deutliche Warnung. Und wir stehen nicht zuletzt vor der drän- genden Frage, wie die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu klären ist. Das alles bewegt auch die Menschen, die in der Asse arbeiten und mit ihren Möglichkeiten Schaden abwenden und möglichst große Sicherheit herstellen wollen. Das Unglück in Japan legt aber unsere Unsicherheit und Angst bloß. Es ist fragwürdig, was trägt und hält, wenn die Heimat, in der wir leben und zu Hause sind, in der unsere Kinder groß werden und unsere Häuser stehen, auf einmal für gefähr- lich gehalten wird. Und schließlich belastet uns unser besseres Wissen. Denn wir haben ja verstanden, dass es sauberen, ethisch einwandfreien Strom nicht zu den gewohnt niedrigen Preisen geben wird. Wir wissen, dass unser Lebensstil und unsere Ansprüche globale Gerechtigkeit genauso gefährden wie die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat be- reits 1987 die Auffassung vertreten, dass die Kernenergiegewinnung „mit dem biblischen Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, nicht zu vereinbaren ist“. Gleichzeitig sprach sie sich dafür aus, „so bald wie möglich auf andere Energieträger umzusteigen“. Und die Synode der Landeskirche Braunschweig hat sich zuletzt im März 2010 für einen Ausstieg aus der Kernenergie zum nächst- möglichen Zeitpunkt ausgesprochen. Die bevorzugte Nutzung der Kern energie sei kein verantwortlicher Beitrag zum Klimaschutz und behindere den notwendigen Umbau der Energieversorgung, hieß es. Abfälle zu produzieren, die über Millionen von Jahren tödliche Wir- kungen auf Mensch und Natur ausüben können, erzeugt ein ethisches Problem ersten Ranges. Es zeigt, dass die Folgen der Kernenergie letztlich nicht abschätzbar und deshalb auch nicht beherrschbar sind. Vor diesem Hintergrund war die Rücknahme der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke die richtige politische Entscheidung. In der Asse wird nun versucht, den allergrößten Schaden zu vermeiden, indem die dort eingelagerten 126.000 Fässer wieder herausgeholt werden sollen. Doch wohin mit ihnen? Sollen sie in ein oberirdisches Zwischenlager oder steht die Einlagerung im benachbarten Schacht Konrad bei Salzgitter an? Wir fordern ein transparentes Vorgehen in diesem Prozess, damit die hier Lebenden Vertrauen zurückgewinnen können, nicht ohne damit zu rechnen, dass uns das ethische Problem der Kernenergie in absehbarer Zeit noch dramatischer vor Augen steht als bisher. Prof. Dr. Friedrich Weber Landesbischof von Braunschweig Verschlusssache Die erste Bohrung in Einlagerungskammer 7 auf der 750-Meter-Sohle steht bevor. So sollen erste Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob und wie sich die Rückholung umsetzen lässt D er Vergleich drängt sich einfach auf: Als vor fast 90 Jahren die Grab- kammer des ägyptischen Pharaos Tutenchamun 1922 geöffnet wurde, da wussten die Archäologen nicht, was sie erwartet. Das Ausmaß des Schatzes übertraf schließlich ihre Vorstellungen. Wenn nun in der Asse erstmals eine Einlagerungskam- mer angebohrt wird, ist die Spannung eine ganz ähnliche. Keinen Schatz gilt es zu ber- gen, sondern die Hinterlassenschaft einer Ära, in der man es mit der sicheren Unter- bringung des Atommülls aus heutiger Sicht nicht so genau nahm. Dazu gehört auch, dass Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall in einem Bergwerk lagern, welches abzu saufen droht. Es gibt deutliche Hinweise, dass eintretende Wässer bereits die Abfäl- le erreicht haben. Die Korrosion dürfte dafür gesorgt haben, dass bereits Fässer zerstört sind. Selbst die Behälter, die mit einer Betonabschirmung eingelagert wur- den, sind wahrscheinlich durch den Ge- birgsdruck schon beschädigt. In den vergangenen Monaten hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Geneh- migungen eingeholt und Auflagen erfüllt. Monate der Vorbereitung liegen hinter den Arbeitern in 750 Metern Tiefe. Eine Zelt- konstruktion, die sogenannte Einhausung, mit Personen- und Materialschleusen wur- de aufgebaut. Dadurch wird der Arbeitsbe- reich vom restlichen Grubengebäude ge- trennt. Die Luft aus der Einhausung wird mit einem Lüfter abgesaugt und gefiltert in das restliche Grubengebäude wieder zu- rückgeleitet. Somit können keine radioak- tiven Stoffe aus dem Zelt unkontrolliert entweichen. Installiert sind Messcontainer, in denen später das erbohrte Material un- tersucht wird, Geräte zur Überwachung des Arbeitsbereichs und Messgeräte, um die Mitarbeiter radiologisch zu überwa- chen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass beim Anbohren ein Brand in der Ein- lagerungskammer ausgelöst wird, steht Stickstoff zur Verfügung. Der Stickstoff würde die sauerstoffhaltige Luft verdrän- gen und einen Brand ersticken. Ende Sep- tember ist bereits vier Meter in das Ver- schlussbauwerk der Einlagerungskammer 7 gebohrt worden, um das Standrohr zu verankern. Das Standrohr wurde in das Bohrloch einbetoniert und dient als Befesti- gung für den Preventer. Der Preventer ist die zentrale Schutzeinrichtung beim An- bohren der Einlagerungskammer – er dich- tet die Bohrung während der Bohrarbeiten ab und sorgt dafür, dass keinerlei Gase und Partikel durch das Bohrloch unkontrolliert nach außen dringen. Schließlich ist unklar, wie gefährlich die Atmosphäre in der Kam- mer ist. Die Bohrungen sollen darüber nun erste Erkenntnisse liefern. Das BfS rechnet damit, dass die Abfallbehälter beschädigt sind. Auch darauf ist die etwa zehnköpfige Schichtmannschaft unter Tage eingestellt. Sobald der Preventer montiert ist, kann die Bohranlage endgültig aufgebaut und eingerichtet werden. Im Anschluss werden dann die Druckluftleitungen, Sicherungs- einrichtungen und Anlagen für den Trans- port des Bohrmaterials aufgebaut. Zum Schluss werden alle Messgeräte und Über- wachungseinrichtungen aufgestellt, mit denen die Luft im und aus dem Arbeitsbe- reich kontinuierlich überwacht wird. Zur späteren Überwachung des Bohrmaterials wurden spezielle Messcontainer vor Ort errichtet, in denen hochempfindliche Messgeräte vorhanden sind, die selbst kleinste Spuren von radioaktiven Stoffen nachweisen können. Auch das Bohren selbst wird einige Zeit in Anspruch nehmen, da die Arbeiter am Ende nur sehr langsam vorangehen können. Schritt für Schritt soll sich der Bohrer in Richtung Kammer vorarbeiten – durch eine rund 20 Meter dicke Schutzwand aus Beton, Asphalt und Steinen. In regelmäßigen Ab- ständen wird das Material aus dem Bohrloch auf Radioaktivität überprüft. Zum Schluss wird nur noch in 10-cm-Schritten gebohrt. Die Messungen sind zeitaufwendig. Wenn sich der Bohrer der Einlagerungskammer nä- hert, muss mit Messsonden sichergestellt werden, dass nicht versehentlich ein Fass angebohrt wird. Hierfür muss zunächst der Bohrer ausgebaut und eine Messsonde ein- gebaut werden. Steigt die Radioaktivität im Bohrmaterial stark an oder befindet sich ein Fass direkt vor der Bohrkrone, wer- den die Bohrarbeiten sofort unterbrochen. Dann kommen die Messspezialisten zum Einsatz. Sie nehmen Gasproben aus dem Bohrloch und untersuchen diese auf gefähr- liche Stoffe. Eine Kamera soll Bilder aus dem Bohrloch liefern. Da die Kammer 7 nach der Einlagerung weitgehend mit zermahlenem Salz verfüllt wurde, ist unklar, ob überhaupt Hohlräume zu finden sind. Sobald die ersten Ergebnisse aus Kam- mer 7 vorliegen, werden diese bewertet. Dabei kommen vorher festgelegte Kriterien in den Bereichen Strahlenschutz, technische Machbarkeit und bergbauliche Sicherheit zum Einsatz. Besonderes Augenmerk gilt der Strahlenbelastung für das Personal. Die Gesamtdosis für die Beschäftigten bei der Rückholung soll die Größenordnung nicht überschreiten, die beim Rückbau kerntech- nischer Anlagen in Deutschland aufgetreten ist. Der Entwurf des Kriterienberichtes zur Probephase (Faktenerhebung) wurde vom BfS Anfang des Jahres vorgestellt. Er dient als Diskussionsgrundlage, zu der Ände- rungs- oder Ergänzungsvorschläge einge- bracht werden können. Bevor erste Ergeb- nisse aus den Einlagerungskammern vorliegen, wird der Kriterienbericht ab- schließend veröffentlicht. asse einblicke nr. 15 November 2011 KAMMER 7 Preventer Bohrkleinbunker Verschlussbauwerk Radiologische Filter 1 15. Bohrstangenlager DER ARBEITSBEREICH VOR EINLAGERUNGSKAMMER 7 Für die Bohrarbeiten in 750 Metern Tiefe wurde ein neuer Arbeitsbereich eingerichtet. Der Gefahrenbereich ist durch eine Zeltkonstruktion, die soge- nannte Einhausung, vom restlichen Grubengebäude abgetrennt. Die Bohr- mannschaft kann den Arbeitsbereich nur durch Schleusen betreten oder ver- lassen. Das Schaubild zeigt die wichtigsten Be- standteile der Ausrüstung sowie die Bereiche, in denen gebohrt, das he- rausgebohrte Material aufgefangen und auf seine Strahlung hin untersucht wird. Wichtig sind auch die Zufuhr von Frischluft und das Absaugen der verbrauchten Luft. Ein großer Ventila- tor saugt die Abluft über ein 60 Zenti- meter dickes Rohr aus der Einhausung ab. Die abgesaugte Luft wird dabei durch einen radiologischen Filter ge- leitet und gereinigt, bevor sie wieder in das Bergwerk zurückgeführt wird. Frischluft strömt über eine Öffnung in den eingehausten Bereich nach. Die Bohrmaschine wird hydraulisch betrie- ben. Dafür müssen ebenfalls Leitungen verlegt werden. Eine Druckluftanlage sorgt dafür, dass das beim Anbohren entstehende Bohrmehl aus dem Bohr- loch geblasen wird. Das Bohrmehl wird dabei in einem für diesen Zweck er- richteten Sammelbehälter, dem Bohr kleinbunker, wieder aufgefangen. Über eine separate Leitung kann im Notfall auch Stickstoff in das Bohrloch geleitet werden. Falls beim Anbohren in der Einlagerungskammer ein Brand aus- brechen sollte, könnte dieser sofort mit Stickstoff gelöscht werden. Beim Verlassen des Arbeitsbereiches werden die Arbeiter auf mögliche Kontamina- tionen hin untersucht. Dasselbe gilt für das Material, das aus dem Bohr bereich kommt. Pausen können die Arbeiter in einem eigens aufgestellten Personalcontainer machen, denn das Essen und Trinken ist in Strahlen- schutzbereichen verboten. Bohranlage 12 BohrortStrecke Von hier frisst sich der Bohrer Stück für Stück durch die ca. 20 Meter dicke Wand bis zur Einlagerungskammer. Vor Beginn der Bohrarbeiten wird ein Stahlrohr etwa vier Meter in die Wand einbetoniert, das sogenannte Standrohr. Darauf wird der Preventer gesetzt. Das ist eine Schutzvorrichtung, die verhindert, dass beim Bohren gefährliche Stoffe unkontrolliert austreten können.Im Bereich unmittelbar vor dem Bohrort wird u. a. das Bohrgestänge gelagert. Auf der linken Seite ist der radiologische Filter zu sehen, durch den die gesamte Abluft geleitet wird. Hier werden mögliche kontaminierte Schwebstoffe herausgefiltert. Mit Druckluft wird das Bohrmehl zu einem Sammelbehälter gefördert und auf gefangen. In regelmäßigen Abständen wird das Bohrmehl beprobt und im Messcontainer radiologisch untersucht. asse einblicke nr. 15 November 2011 Personalcontainer Druckluftregler 6 Druckluftspeicher Antriebsaggregat Heiße Materialschleuse Heiße Personalschleuse Messcontainer 2 2 4 5 Personalumkleide Kompressor Schleuse für Großgeräte Messcontainer 1 3 Elektro- versorgung 3456 MesscontainerSchleusenDoppelkompressorObere Ebene Auf diesem Bild sieht man den Messcontainer 1, der neben mobilen Messgeräten auch über zwei Wisch testplätze verfügt. Mit den Wischtests können alle Oberflächen (z. B. vom Bohrgestänge) auf radioaktive Stoffe kontrolliert werden. Von hier aus werden auch der gesamte Arbeitsbereich und die Luftführung überwacht. Im Messcontainer 2 stehen zwei hochemp- findliche Messgeräte, mit denen kleinste Mengen an radioaktiven Stoffen nachgewiesen werden können. Mit diesen Messgeräten wird das Bohrmehl untersucht, das beim Durchbohren des Kammerverschlusses anfällt.Jeder Mitarbeiter, der den Arbeitsbereich betreten oder verlassen will, muss eine Personenschleuse passieren. Beim Verlassen wird er in der „heißen Schleuse“ auf Konta- minationen hin untersucht. In der Schleuse befindet sich eine Dusche, in der sich der Mitarbeiter im Falle einer Kon- tamination reinigen kann. Erst wenn keine Kontaminati- onen mehr gemessen werden, darf er die Schleuse verlas- sen. Das Reinigungswasser wird aufgefangen, gesammelt und entsorgt. Auch alle Materialien, die in den und aus dem Bereich gebracht werden, müssen die Schleusen passieren.Außerhalb der Einhausung stehen die beiden elektrisch angetriebenen Kompressoren, die die Druckluft für das Ausspülen und den Transport des Bohrmehls erzeugen. Die erzeugte Druckluft wird in Druckluftspeichern (auf der oberen Ebene) gesammelt. Für die Drucklufter zeugung reicht ein Kompressor aus. Der zweite dient als Reserve. So können die Kompressoren auch bei lau- fendem Bohrbetrieb gewartet werden.Hier steht der Personalcontainer, in dem die Arbei- ter ihre vorgeschriebenen Pausen machen können. Nur hier ist das Essen und Trinken erlaubt. Neben dem Personalcontainer befinden sich die Druck luftspeicher. Sie sorgen dafür, dass auch bei einem Stromausfall immer ausreichend Druckluft vor handen ist, um die Bohrarbeiten sicher einstellen zu können.
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Region: Peine
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