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Methodensteckbrief: Ausschlusskriterium großräumige Vertikalbewegungen (PDF)

Description: Ausschlusskriterium „Großräumige Vertikalbewegungen“ es ist eine großräumige geogene Hebung von im Mittel mehr als 1 mm pro Jahr über den Nachweiszeitraum von einer Million Jahren zu erwarten § 22 Abs. 2 Nummer 1 StandAG Was sind großräumige Vertikalbewegungen? Großräumige Vertikalbewegungen umfassen Hebungs- oder Senkungsbewegungen der Li- thosphäre (Erdkruste und oberer Erdmantel). Eine wesentliche Ursache für solche Vertikalbe- wegungen sind Veränderungen im dynamischen Gleichgewichtszustand zwischen der Lithos- phäre 1 und dem darunterliegenden duktilen (verformbaren) Erdmantel. Verändert sich die Di- cke oder das Gewicht der Lithosphäre, kommt es zu sogenannten isostatischen Ausgleichs- bewegungen. Mögliche Auslöser hierfür sind Mächtigkeitsänderungen der Erdkruste durch magmatische oder gebirgsbildende Prozesse, die insbesondere entlang von tektonisch akti- ven kontinentalen Plattengrenzen auftreten. Zusätzlich führen Massenänderungen an der Oberfläche der Lithosphäre durch Erosion und Vergletscherung zu bedeutenden Vertikalbe- wegungen (Teixell et al., 2009). Auch die Dynamik des Erdmantels beeinflusst die Oberflä- chengestalt der Erde. So kann eine Veränderung der Konvektionsbewegungen im Erdmantel Vertikalbewegungen in dem darüber liegenden Lithosphärenteil bewirken (Sleep, 1990). Großräumige Vertikalbewegungen in Deutschland – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Vor der Oberkreide (vor 100 Millionen Jahren) liegen in Deutschland keine Hinweise auf be- deutende Hebungsphasen vor. Dieser Zeitraum ist vorwiegend von Subsidenz (Absenkung) und Grabenbildung im norddeutschen Raum geprägt, während der süddeutsche Raum als relativ stabile Plattform nur geringe Vertikalbewegungen aufweist (Lange et al., 2008; Jähne-Klingenberg et al., 2019). Zu Beginn der Oberkreide verändert sich jedoch das Spannungsregime in Deutschland. Die- ser Wechsel wird der beginnenden Konvergenzbewegung zwischen Afrika, Iberia und Europa zugeschrieben, sodass es als Fernwirkung in Teilen Deutschlands zu Einengungstektonik und Strukturinversionen kommt (Kley & Voigt, 2008). Dabei wurden in Mittel- und Norddeutschland sowohl bestehende Abschiebungen (Dehnungsstrukturen) als auch Aufschiebungen (Stau- chungsstrukturen) reaktiviert, sowie neue Aufschiebungen gebildet. Da die Hebung entlang diskreter Aufschiebungen erfolgte, erfuhren nur isolierte Bereiche (unter anderem der Harz, das Niedersächsische Bergland sowie der Thüringer Wald und die Lausitz) erhöhte Hebungs- 1 Als Lithosphäre wird die äußerste Schicht des Erdkörpers bezeichnet. Sie umfasst die Erdkruste und den äußersten Teil des Erdmantels, den lithosphärischen Mantel. Die Lithosphäre kann insgesamt als starr bezeichnet werden. Geschäftszeichen: SG02101/27/6-2020#5 | Stand: 13.03.2020 1 beträge (Thomson & Zeh, 2000; Kockel, 2003; Lange et al., 2008). Im Harz waren die He- bungsbewegungen derart stark ausgeprägt, dass Erosionsraten von im Mittel 1000 m inner- halb von einer Million Jahre erreicht wurden (von Eynatten et al., 2007). Über den Harz hinaus hielt die oberkretazische Einengungsphase bis zum Beginn des Känozoikums vor 66 Millionen Jahren an. Seit diesem Zeitpunkt wurden mit Ausnahme der zentralen Alpen in Deutschland keine vergleichbaren Hebungsraten mehr erreicht (Jähne-Klingenberg et al., 2019). Die Heraushebung der Alpen beginnt im Eozän (56 bis 34 Millionen Jahren) (Froitzheim et al., 2008). Die gegenwärtige Hebung der östlichen Alpen ist durch eine Kombination verschiede- ner Prozesse zu erklären: Durch isostatische Ausgleichsbewegungen nach Gletscherauflast und Erosion sowie durch tektonische Krustenverdickung und Mantelkonvektion (Sternai et al., 2019). Die aktuellen Hebungsraten der Alpen betragen 1-2 mm pro Jahr und sind zu einem großen Anteil den isostatischen Ausgleichsbewegungen nach Abschmelzen der Gletscher der letzten Eiszeit zuzuschreiben. Die Zeitspanne einer solchen postglazialen Ausgleichsbewe- gung liegt in der Größenordnung von 10 000 Jahren, sodass der Anteil dieser Bewegungs- komponente in geologisch naher Zukunft abgeklungen sein wird (Mey et al., 2016). Die Bildung des Oberrheingrabens ist vermutlich auf das kombinierte Wirken der Alpen und Pyrenäenbildung zum einen und der Öffnung des Atlantiks zum anderen zurückzuführen (Rei- cherter et al., 2008). Seit der Hauptphase der Grabenbildung wurden an dessen Flanken der Schwarzwald und die Vogesen in den letzten 34 Millionen Jahren um insgesamt 2500 m her- ausgehoben (Meschede, 2018; Jähne-Klingenberg et al., 2019). Für die in der Eifelregion beobachteten Hebungen werden thermische Mantelanomalien (Rit- ter et al., 2001; Keyser et al., 2002) oder eine elastische Verbiegung der Erdkruste (Klein et al., 2016) diskutiert. Während für aktuelle Hebungen in der Eifel über den Zeitraum von 1983 bis 2007 Hebungsraten von 0,75-1,25 mm pro Jahr gemessen wurden, sind längerfristig ge- mittelte Hebungsraten über die letzten 800.000 Jahre mit 0,06-0,38 mm/Jahr bedeutend ge- ringer (Meyer & Stets, 2002; Klein et al., 2016). Ausgehend von der geologischen Überlieferung entwickeln Jähne-Klingenberg et al. (2019) vier unterschiedliche Zukunftsszenarien über das Eintreten von Hebungsereignissen in den nächsten 1 Million Jahren in Deutschland. Variiert wurde zwischen den Szenarien sowohl die Intensität der endogenen (z.B. Magmatismus) und exogenen (z.B. Erosion) Prozesse mit Ein- fluss auf den zukünftigen Hebungsbetrag als auch der zugrundeliegende zeitliche Bezugsrah- men (z.B. endogene und exogene Prozesse wie sie im Holozän, im Neogen oder im Känozo- ikum beobachtet wurden). Im Ergebnis zeigt sich, dass auf Basis der vorliegenden Daten- grundlage und dem derzeitigen Prozessverständnis keine Hebungsbeträge von mehr als 1 mm pro Jahr über den Nachweiszeitraum von einer Million Jahre in Deutschland wahr- scheinlich sind. Gründe für diese Einschätzung basieren unter anderem auf der intrakontinentalen Lage Deutschlands - weit entfernt von aktiven Plattenrändern - und der geringen Wahrscheinlich- keit, dass sich das grundlegende geodynamische Umfeld innerhalb des Nachweiszeitraumes drastisch verändern wird. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass der Nachweiszeitraum von einer Million Jahren für endogene Veränderungen in geologischen Zeitskalen eher kurz ist. Auch Studien mit einer ähnlichen Fragestellung für das Gebiet der Nordschweiz zeigen, dass Hebungsraten von mindestens 1 mm pro Jahr für die nächsten eine Million Jahre nicht zu erwarten sind, sondern im Bereich von 0,1 mm pro Jahr liegen (Müller et al., 2002; Nagra, 2002). Geschäftszeichen: SG02101/27/6-2020#5 | Stand: 13.03.2020 2 Wieso werden großräumige Vertikalbewegungen von der Endlagersuche ausgeschlossen? Der Ausschluss von Vertikalbewegungen wird im Standortauswahlgesetz (StandAG) mit dem Ausschlusskriterium „Großräumige Vertikalbewegungen“ geregelt. Laut § 22 StandAG sollen Gebiete mit Hebungen von im Mittel mehr als 1 mm pro Jahr über den Nachweiszeitraum von einer Millionen Jahre ausgeschlossen werden – das entspricht einem Hebungsbetrag von ei- nem Kilometer innerhalb der nächsten eine Million Jahre (Abbildung 1). Weiterführende Er- klärungen zu diesem Kriterium liefert der Begründungstext zum StandAG (BT-Drs. 18/11398), wo auf einen Zusammenhang zwischen Hebungsbewegungen und Erosion – und damit einer möglichen Freilegung des Endlagers – verwiesen wird: Durch das Kriterium werden Gebiete ausgeschlossen, in denen über den Nach- weiszeitraum großräumige Hebungen zu erwarten sind. Bewertungsgrundlage für das Kriterium ist die zu erwartende Hebungsrate, also die entsprechend heutiger Prognosen zu erwartende Hebung der Erdoberfläche pro Jahr, die wiederum über den Nachweiszeitraum zu mitteln ist. Liegt diese Hebungsrate im Mittel über 1 mm pro Jahr, so wäre über den Nachweiszeitraum mit einer resultierenden Hebung von mehr als 1000 m zu rechnen. Für Gebiete, die derart großen Hebungen ausgesetzt sind, ist eine Prognose der geologischen Gesamtsituation nicht mit der erforderli- chen Sicherheit möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass an der Geländeoberflä- che verstärkt Erosion auftritt, die die notwendige Schutzwirkung der Überdeckung des Endlagers beeinträchtigen oder diese Schichten vollständig abtragen kann. Quelle: Bundestag-Drucksache 18/11398, S. 68 So will die BGE das Ausschlusskriterium „Großräumige Vertikalbewegun- gen“ anwenden (Sollte sich auf Grundlage von Fachdiskussionen die Notwendigkeit einer methodischen Anpassung ergeben, kann der hier gezeigte Zwischenstand von dem Ergebnis im Zwischenbericht Teilgebiete abweichen.) Ein Ausschluss erfolgt für Gebiete in denen eine Hebung der Erdoberfläche von mehr als einem Kilometer innerhalb der nächsten eine Million Jahre als wahrscheinlich angesehen wird. Diese Gebiete werden in allen endlagerrelevanten Tiefen ausgeschlossen. Das derzeitige Prozessverständnis und die Ergebnisse von Jähne-Klingenberg et al. (2019) verdeutlichen jedoch, dass derartige Hebungsbeträge und Raten über den Nachweiszeitraum in Deutschland nicht wahrscheinlich sind. Daher wird es voraussichtlich im Zwischenbericht Teilgebiete zu keinem Ausschluss auf Grundlage dieses Kriteriums kommen. Geschäftszeichen: SG02101/27/6-2020#5 | Stand: 13.03.2020 3

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Tags: Schwarzwald ? Thüringer Wald ? Lausitz ? Lausitzer Bergland ? Oberrheingraben ? Fluss ? Norddeutschland ? Vogesen ? Erosion ? Standortauswahlgesetz ? Endlager ? Endlagerung ? Gletscher ? Szenario ? Eifel ? Gletscherschwund ? Erdkruste ? Studie ? Afrika ? Alpen ? Europa ? Erdoberfläche ? Lithosphäre ? Atlantischer Ozean ?

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