Die Rolle der Umwelt wird bei der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bisher nur ansatzweise diskutiert. Um dieses Thema in den Focus zu bringen, veröffentlicht das UBA eine Zusammenstellung von Hintergründen und Daten zu dem Thema "Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt". Die Ergebnisse zeigen, dass die bisher berücksichtigten Anforderungen zur Minderung aus Sicht des UBA nicht reichen, um Umwelt und Gesundheit ausreichend zu schützen. Das UBA sieht dringenden Nachbesserungsbedarf und schlägt mögliche Handlungsoptionen vor.
Antibiotikaresistenzen sind ein gravierendes Problem für Umwelt und Gesundheit. Der aktuelle UMID – Umwelt + Mensch Informationsdienst stellt in einem Schwerpunkt aktuelle Diskussionen zum Thema vor. Weitere Beiträge informieren, wie Resistenzen in den Bereichen der Lebensmittelkette und der Humanmedizin überwacht werden. Die Onlineversion des UMID ist kostenfrei. Einen weiteren Schwerpunkt im Heft bildet das Thema Vulnerabilität im Kontext von Umwelt und Gesundheit. Auf einem Workshop zu diesem Thema wurden unter anderem Definitionen des Begriffs Vulnerabilität und verschiedene Einzelfragen wie etwa Vulnerabilität im Zusammenhang mit Verkehrslärm erörtert. Außerdem informiert die neue Ausgabe über die Hintergründe der Festsetzung von Grenzwerten für Stickstoffdioxid in der EU, die Planungen der EU hinsichtlich der Wiederverwendung von behandeltem Abwasser und widmet sich in weiteren Beiträgen dem demographischen Wandel und gesundem Altern in Deutschland. Die Zeitschrift UMID erscheint zweimal im Jahr und informiert über aktuelle Themen aus Umwelt & Gesundheit, Umweltmedizin und Verbraucherschutz. Die Onlineversion kann kostenfrei abonniert werden.
In diesem Bericht wird die Rolle von Antibiotikarückständen in der Umwelt für die Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in Umweltkompartimenten untersucht. Zunächst wird ein Überblick über das Verhalten und Auftreten von Antibiotika in der Umwelt gegeben. Darauffolgend werden Daten zu Effekten von Antibiotika auf Resistenz in Umweltkompartimenten zusammengetragen. Es liegen nicht genügend Daten vor, um Effekte von Rückständen auf das Auftreten von Resistenz bei umweltrelevanten Konzentrationen nachzuweisen. Basierend auf Sammlungen von minimalen Hemmkonzentrationen und Daten zu minimalen selektiven Konzentrationen können solche Effekte jedoch nicht ausgeschlossen werden. Testmethoden für das Auftreten und die Verbreitung von Antibiotikaresistenz in der Umwelt werden beschrieben und bewertet. Eine Kombination von Kultur- und PCR-Techniken, kombiniert mit Tests zur Genübertragung, bietet die meisten Vorteile. Die vorhandenen Testsysteme sind jedoch noch nicht standardisiert. Die Berücksichtigung von Effekten von Antibiotikarückständen auf die Resistenzbildung in der Umwelt innerhalb der Umweltrisikoabschätzung von Antibiotika wird diskutiert. Ein Resistenzmonitoring in der Umwelt wird empfohlen, um auch resistente Bakterien, die mit Gülle oder Kläranlagenabläufen in die Umwelt gelangen, und die Effekte von andere Stoffgruppen (z.B. Schwermetallen) auf die Resistenz abzudecken. Ein mögliches Testsystem wird vorgestellt, Forschungsbedarf wird identifiziert und die Ergebnisse eines internationalen Expertentreffens zum Thema werden beschrieben.<BR>Quelle: Forschungsbericht
Umweltbundesamt stellt sieben Maßnahmenschwerpunkte vor Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt den EU-Mitgliedstaaten, den Risiken, die von Antibiotika und Antibiotikaresistenzen (AMR) in der Umwelt ausgehen, besser zu begegnen. "Die Verbreitung von AMR ist ein weltweit zunehmendes Problem. Der "One Health Action Plan on AMR" der EU befasst sich mit diesem Thema vor allem im Bereich der Human- und Veterinärmedizin. Nach Meinung des UBA adressiert er jedoch bisher die Umwelt nur unzureichend. Dabei sind Boden und Wasser Entstehungsorte von Resistenzen (oder „Brutstätten“). Diese Risiken müssen wir richtig identifizieren, managen und minimieren", so Jutta Klasen, Leiterin der Abteilung „Chemikaliensicherheit“ des UBA. In einem neuen wissenschaftlichen Hintergrundpapier des UBA werden sieben Handlungsprioritäten benannt. Dazu gehören unter anderem: Ein vollständiges Verbot der Verwendung von unbehandeltem Klärschlamm als Düngemittel, die technische Aufrüstung von Abwasserbehandlungsanlagen in größeren Städten, die oft Brennpunkte für die Freisetzung von Antibiotikaresistenzen sind, und eine umfassende und systematische Überwachung der AMR in der Umwelt. Antibiotika sind hochaktive Substanzen, die das Wachstum von Bakterien behindern und/oder abtöten. Einmal von Mensch und Tier ausgeschieden, können Antibiotika über Abwässer und Tierdünger in die Umwelt eingetragen werden. Antibiotika können auch aus Flüssen, Seen und Bächen oder über den Boden in das Grundwasser gelangen. Antibiotika wurden bereits in allen Umweltkompartimenten gefunden und können Organismen im Wasserökosystem schädigen. Die Eingangspfade von antibiotikaresistenten Bakterien sind im Allgemeinen identisch mit denen von Antibiotika. Sie kommen insbesondere dort vor, wo Wasser oder Boden kontaminiert sind. Am problematischsten ist dabei die Verbreitung von Antibiotika über Gülle und über Dung, die als Wirtschaftsdünger verwendet werden, da antibiotikaresistente Keime so weiter in der Umwelt verbreitet werden. Dort können sich resistente Keime dann vermehren und/oder ihre Resistenzgene an andere, für den Menschen gefährliche Krankheitserreger weitergeben. Je öfter dies geschieht, desto resistenter können sich Keime entwickeln und durchsetzen. In der Folge sind klassische Antibiotikabehandlungen gegen häufige bakterielle Erkrankungen nicht mehr wirksam. Studien haben gezeigt, dass selbst begrenzte Konzentrationen von Antibiotikarückständen für die Proliferation von AMR ausreichen. Das UBA empfiehlt, dass diese sieben prioritäre Handlungsfelder von der EU und den Mitgliedsstaaten angegangen werden: Prävention: Der Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin sollte auf das medizinisch notwendige Maß beschränkt werden. Kommunikation: Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Landwirte müssen über das Thema Antibiotika in der Umwelt und insbesondere über die korrekte Entsorgung von Antibiotikarückständen informiert und geschult werden. Zulassung von Antibiotika: Entwicklung und Umsetzung von Bewertungsmethoden und Kriterien für Antibiotika und Antibiotikaresistenzen. Direkte und indirekte Einleitung von Kläranlagen (kommunal und industriell): Identifikation von Hotspots für die Freisetzung von Antibiotika und Antibiotikaresistenzen. Verbesserung der Technologie in Kläranlagen. Zusammenstellung der Produktionsstandorte und Untersuchung der Emissionen aus Produktionsanlagen. Oberflächengewässer/Badegewässer/Grundwasser: Entwicklung von Überwachungsrichtlinien und Bewertungskonzepten für die Überwachung der Antibiotikaresistenz in Oberflächen- und Badegewässern. Reduktion des Eintrags von Antibiotikaresistenzen in Oberflächen- und Badegewässer, z. B. durch die Verbreiterung von Uferstreifen und die Ausweisung von Wasserschutzzonen. Düngemittel, die in der Landwirtschaft verwendet werden: Durchführung einer bedarfsgerechten Düngung. Verbot des Aufbringens von unbehandeltem Klärschlamm auf den Boden und Verwendung von Klärschlamm für die Rückgewinnung von Phosphor. Boden: Überwachung der Verbreitung von Antibiotikarückständen und antibiotikaresistenten Bakterien an ausgewählten Ackerflächen. Definition vorsorglicher Grenzwerte für Antibiotika, Zink und Kupfer im Boden.
EU soll Arzneimittel nachträglich bewerten - Internet-Portal zu Tierarzneimitteln für Landwirte und Veterinäre gestartet Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt dem EU-Gesetzgeber, für bereits zugelassene Tierarzneimittel eine Umweltbewertung vorzuschreiben, wenn zu diesen bisher keine Umweltdaten vorliegen. Insbesondere für Antibiotika ist das wichtig, denn Antibiotika können in Böden und Gewässern die Bildung von resistenten Krankheitserregern fördern. Nötig sind zudem Kriterien für die Zulassung, die das Resistenz-Potential von Antibiotika prüfen. Ergänzend will das UBA ein verpflichtendes und flächendeckendes Monitoring von problematischen Arzneimitteln in Gewässern und Böden einführen. Antibiotikaresistenzen sind vor allem in Krankenhäusern eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit, doch das UBA sieht auch zunehmende Antibiotikafunde in der Umwelt mit großer Sorge. Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA: „Wir müssen verhindern, dass Antibiotikarückstände in der Umwelt zum Problem werden, weil dies die Entwicklung von Resistenzen fördern könnte.“ Aus der Tierhaltung können über Gülle und Dung sowohl Antibiotika als auch resistente Erreger in Wasser und Boden gelangen und so die natürliche Entstehung von Resistenzen fördern. „Wir müssen daher gemeinsam mit der Tiermedizin und der Landwirtschaft daran arbeiten, den Eintrag von Antibiotika aus der Tierhaltung zu senken.“ Zur „Grünen Woche“ startet das UBA das neue Internetportal „Tierarzneimittel in der Umwelt“. Darin werden vor allem für tierärztliches Fachpersonal und Landwirte praxisnahe Maßnahmen vorgeschlagen, um den Antibiotikaeintrag in die Umwelt zu minimieren. Seit 2014 wird in der EU eine neue Gesetzgebung für die Zulassung von Tierarzneimitteln verhandelt. Der Vorschlag der EU-Kommission geht besonders auf Antibiotika und deren Risiken für die menschliche Gesundheit ein. Für das Umweltbundesamt ist dies die Gelegenheit, die Berücksichtigung von Umweltaspekten im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu verbessern. Das UBA weist bereits seit langem auf die fehlende Umweltbewertung für „Altarzneimittel“ hin. So fehlt für rund 50 Prozent der verkehrsfähigen Antibiotika für Nutztiere eine umfassende Umweltbewertung, da es vor 2005 keine EU-weiten Vorgaben für eine solche Bewertung gab. Das UBA fordert daher ein EU-weites „Altarzneimittel¬programm“ zur nachträglichen Umweltbewertung von Tierarzneimitteln. Dies betrifft beispielsweise das häufig verwendete Antibiotikum Sulfadimidin, welches bei Atemwegserkrankungen und Darminfektionen von Schweinen und Hühnern angewendet wird. In Deutschland hat das UBA diesen Wirkstoff bereits im Boden und Grundwasser nachgewiesen. Problematisch ist zudem die Verbreitung von Antibiotika über Gülle und Dung, die als Wirtschaftsdünger verwendet werden. Dadurch gelangen Antibiotika-resistente Keime in die Umwelt. Sie können sich dort vermehren und ihre Resistenzgene auch auf Erreger übertragen, die für den Menschen gefährlich sind. Je häufiger das geschieht, desto mehr resistente Keime können heran wachsen und sich durchsetzen. Da bei Antibiotika-Anwendung eine enge Verbindung zwischen Tiergesundheit, menschlicher Gesundheit und Umwelt besteht, ist ein vorsorgendes, Sektor-übergreifendes Handeln (One-Health-Ansatz) geboten. „Derzeit fehlt uns noch ein flächendeckender Überblick zum Vorkommen von Antibiotika in der Umwelt. Daher brauchen wir für bestimmte Antibiotika und andere problematische Arzneimittelwirkstoffe ein EU-weites und verpflichtendes Monitoring – in Flüssen, Seen, Bächen, im Grundwasser und in landwirtschaftlich genutzten Böden“, sagte UBA-Präsidentin Krautzberger. Auch sei ratsam, Antibiotika-Resistenzen an potentielle Resistenz -„Hot-Spots“ wie in Kläranlagen, Krankenhäusern, großen Tiermastanlagen und in der Nähe von pharmazeutischen Produktionsstätten besser zu untersuchen. Im vergangenen Jahr wurde ein EU-Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen veröffentlicht, in dem aber verpflichtende Maßnahmen für die Umwelt bislang fehlen. Aus Sicht des UBA muss die Umwelt in diesem Aktionsplan mehr Gewicht bekommen. Auch Tierarzneimittelnutzer können einen Beitrag leisten, den Antibiotikaeinsatz zu senken. Im Internetportal „Tierarzneimittel in der Umwelt“ unter www.uba.de/tierarzneimittel stellt das UBA in über 20 Artikeln Informationen und Empfehlungen für Landwirte, Tiermediziner und interessierte Verbraucher bereit. Diese wurden gemeinsam mit Tierärztinnen und -ärzten sowie Landwirtinnen und -wirten erarbeitet. Besonderen Raum nimmt die Vorbeugung ein, also krankheitsvermeidende Haltungsbedingungen und Stärkung des Immunsystems. Denn Tierarzneimittel, die nicht erst verabreicht werden müssen, belasten auch nicht die Umwelt. Hintergrund: Die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung ist in Deutschland seit 2011 um mehr als die Hälfte auf 742 Tonnen (2016) gesunken. Die Menge an Antibiotika aus Wirkstoffklassen, die z. B. auch für die Therapie beim Menschen wichtig sind, bleibt jedoch gleich hoch (BVL, 2017). Der Einsatz in der Tierhaltung hat Folgen, auch für die Umwelt. Mit der Gülle kommen die von Tieren ausgeschiedenen Antibiotikarückstände auf unsere Äcker, wo sie sich im Boden anreichern können. Auch im Grund- und Oberflächenwasser werden vereinzelt Rückstände von Antibiotika nachgewiesen. Diese Rückstände in Gewässern können für einige Wasserorganismen sehr schädlich sein. Zudem können sie die Bildung von Resistenzen in Mikroorganismen fördern, die natürlicherweise in Böden und im Wasser leben. Da darunter auch Mikroorganismen sein könnten, die beim Menschen Krankheiten auslösen, sollte vermieden werden, dass Resistenzen vermehrt in der Umwelt entstehen und sich verbreiten.