Umweltbundesamt wertet Pläne zum Gewässerschutz aus Nur zehn Prozent der Oberflächen-Gewässer in Deutschland erreichen das Prädikat „guter ökologischer Zustand“. UBA-Präsident Jochen Flasbarth erklärte anlässlich des Welttages des Wassers: „Viele Flüsse, Seen und Bäche sind mittlerweile weitgehend sauber. Sauerstoffmangel kommt kaum noch vor. Allerdings sind zu viele Flüsse und Bäche in Deutschland immer noch eingeengt und begradigt. Deshalb können nur wenige Gewässer eine durchweg positive ökologische Qualität erreichen.“ Durch Fluss und Bachbegradigungen gehen Stromschnellen, Kiesbänke oder Überflutungsgebiete und damit auch die natürliche Vielfalt an Lebensräumen verloren. Die für viele Gewässer typischen Lebensgemeinschaften in Schotterstrecken oder Flachwasserzonen sind stark überformt oder ganz verschwunden. Ein weiteres Problem sind Phosphor und Stickstoff, die vielerorts immer noch in zu großem Umfang in Seen und Küstengewässer gelangen. Probleme treten auch beim Grundwasser auf, vor allem durch Nitrat aus der Landwirtschaft. Am heutigen Welttag des Wassers übergibt das Bundesumweltministerium der EU-Kommission die Pläne für den Gewässerschutz der zehn deutschen Flussgebiete. Nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU müssen die Bundesländer in so genannten Bewirtschaftungsplänen darlegen, wie die Gewässer ökologischer werden können. Das Umweltbundesamt ( UBA ) wertet diese Pläne zurzeit aus und entwickelt einen Überblick zur Gewässerqualität. Um die Wassergüte zu verbessern, sollen Landwirte unter anderem weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen. Viele Wasserversorger bieten dafür schon heute Unterstützung an. Die Kommunen werden - wo erforderlich - kleine Kläranlagen erweitern und planen ein besseres Regenwassermanagement, um Nähr- und Schadstoffe zurückzuhalten. Solche Vorsorgeleistungen, die nicht nur den Gewässern sondern auch der Trinkwasserqualität zugute kommen, fließen in den Wasserpreis mit ein. UBA-Präsident Flasbarth warnt: „Wenn Kartellämter Preissenkungen verfügen, wie jüngst vom Bundesgerichtshof bestätigt, darf sich das nicht auf die Wasserqualität auswirken.
Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz [Redaktioneller Hinweis: Die folgende Beschreibung ist eine unstrukturierte Extraktion aus dem originalem PDF] Ein besonderer Dank gilt den über 800 Bachpaten, die sich ehrenamtlich um über 2.600 km Gewässer in Rheinland-Pfalz kümmern. Dies zeigt, in welchem Maße die Aktion Blau auch Bürgerinnen und Bürger anspricht. Sie sind wichtige Stütze und Multiplikatoren auch des Gedankens der Hochwasservorsorge an den kleinen und mittleren Flüssen. 10 Jahre Aktion Blau – eine Erfolgsgeschichte Vor 10 Jahren hat das Umweltministerium die Aktion Blau gestartet. Ziel ist es, die in der Vergangenheit von Menschenhand durchgeführten Begradigungen und Befestigungen unserer Bäche und Flüsse wieder rückgängig zu machen, damit Tiere und Pflanzen wieder einen Lebensraum finden. Dafür ist nicht nur sauberes Wasser, sondern auch ein natürliches Gewässerbett notwendig. Außerdem bildet die Aktion Blau einen wichtigen Baustein im Hochwasserschutzkonzept des Landes Rheinland-Pfalz. Mit der Vielzahl von Renaturie- rungsmaßnahmen soll auch der natürliche Wasserrück- halt in der Fläche gefördert werden, um dadurch die Entstehung von Hochwasser zu mindern. In der Aktion Blau arbeiten seit 10 Jahren die gewäs- serunterhaltungspflichtigen Verbandsgemeinden, Städte und Landkreise, die Bachpaten, die Wasserwirtschafts- verwaltung und weitere Akteure daran, unsere Gewäs- ser und Gewässerauen wieder naturnah zu gestalten und damit erlebbar zu machen. Die Aktion Blau ist mittlerweile eine landesweite Erfolgsgeschichte für den dezentralen Wasserrückhalt und die Gewässerökologie. Denn in den vergangenen 10 Jahren hat sich viel getan: 70 Mio. Euro sind mittlerweile investiert. 1000 Gewässer mit einer Gesamtlänge von über 4000 Kilometern haben davon profitiert. Rund 500 Gewässerrückbauprojekte, 253 Gewässerpflegepläne sowie der Erwerb von 750 Hektar Auenflächen wurden finanziert oder gefördert. Darüber hinaus wurden unverzichtbare Grundlagen wie die Gewässerstrukturkartierung oder der Gewässerty- penatlas erarbeitet. Gewässernachbarschaften wurden zusammen mit Hessen im Rahmen der „Gemeinnützi- gen Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung“ initiiert, um Wissen und Informationsaustausch bei den für die Gewässerunter- haltung zuständigen Kommunen zu fördern. Vor allem aber standen die Projekte der Verbandsgemeinden, Städte und Kreise im Mittelpunkt: Beispiele wie das Naheprogramm oder das Gewässerrandstreifenprojekt „Ruwer“ stehen Pate für die Vielzahl der Maßnahmen auf staatlicher und kommunaler Ebene. Die Aktion Blau ist den Kinderschuhen entwachsen. Als Teenager bleibt sie weiter Schwerpunkt des rheinland- pfälzischen Hochwasserschutzkonzeptes. Die Möglich- keiten zur finanziellen Förderung entsprechender Projekte der Landkreise, Städte und Verbandsgemein- den werden deutlich verbessert. Die Aktion Blau unterstützt die Ziele der europäischen Wasserrahmen- richtlinie und wird zu deren erfolgreicher Umsetzung beitragen. Zum runden Geburtstag werden in diesem Heft viele Projektbeispiele aus dem bewegten und erfolgreichen ersten Jahrzehnt der Aktion Blau vorge- stellt. Hier finden Sie viele Anregungen für eigene Vorhaben zur Gewässerrenaturierung. Ich wünsche den Partnerinnen und Partnern der Aktion Blau auch in Zukunft viel Erfolg bei der ökologischen Entwicklung unserer Gewässer und Gewässerauen in Rheinland-Pfalz. Teil 1 10 Jahre Aktion Blau Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz Seite 5 Teil 2 Aktion Blau vor Ort Seite 88 Teil 1 10 Jahre Aktion Blau Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz 1Die Aktion Blau, das wegweisendes Programm 2Zehn Jahre Aktion Blau, eine Momentaufnahme 12 3Handreichungen für Akteure 14 4 Aktion Blau im 21. Jahrhundert 42 5Neue Aufgaben 44 6Strategien 46 7Die tragenden Säulen 56 8Wegweisende Projekte 58 9Perspektiven 86 6 1 Die Aktion Blau, ein wegweisendes Programm Vergangene Zeiten Seit je her gestalten Gewässer unsere Landschaften und Lebensbedingungen. Und seit alten Zeiten gestalten wir Menschen die Gewässer, um unsere Lebensbedingungen zu verbessern. Für die antiken Kulturen an den großen Strömen galten einfache Regeln: Ohne Wasser kein Leben, ohne Gewässer keine Kultur. Gewässergestaltung ist aber nicht nur historisch Quelle und Ausdruck menschlicher Kultur. Im Zuge der Technisierung sind im vergangenen Jahrhundert weiträumige und tiefgreifende Überformungen der Landschaft und der Gewässer möglich geworden. Die Gestaltung der Gewässer er- folgte meist monofunktional und nutzenorientiert zur Verbesserung der Siedlungs- und der Nahrungsmittelproduktion. Die Gewässer wurden begradigt, verlegt, eingeengt, verbaut und eingetieft. Wichtige Zusammenhänge des Wasser- und naturhaus- halts waren damals nachrangig oder nicht bekannt. Der Zugewinn an Nutzen ging deshalb oft mit einem Verlust an Funktionen einher. Heute werden Hochwasservorsor- ge, Geschiebehaushalt, Tiefenerosion, Stoffhaushalt, Landschaftsbild, Erholungsfunktion und andere Belange des Allgemeinwohls bei der Gewässerentwicklung selbst- verständlich beachtet. WeichenstellungDas Programm Die ausschließlich nutzenorientierte wasserbauliche Gestaltung der Gewässer führte zu unnatürlichen, repa- raturanfälligen Systemen, die wichtige Funktionen im Naturhaushalt nicht mehr erfüllen. Die Gewässer neigen zu Tiefenerosion, sind lebensfeindlich haben ei- nen gestörten Stoffhaushalt und das Hochwasser wird verschärft. Diese Entwicklung ist mit nachhaltiger Hoch- wasservorsorge und nachhaltiger Wasserwirtschaft im Sinne der Agenda 21 nicht vereinbar. Deshalb galt es, nachhaltige und funktionstüchtige Formen der Gewäs- serentwicklung zu finden, die eine ökologische Funkti- onsfähigkeit gewährleisten, die Belange des Allgemein- wohls integrieren und auch eine angepasste Nutzung der Gewässer und Auen ermöglichen.Rheinland-Pfalz hat deshalb 1994 mit der Aktion Blau ein Programm ins Leben gerufen, das die Gewässerunter- haltungspflichtigen bei dieser Aufgabe unterstützt. Ziel ist die Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfä- higkeit der gewässer. Die Gewässer sollen so entwickelt werden, dass sie mit Form und Struktur den prägenden Hochwasserabflüssen angepasst sind und in diesem nachhaltigen Gleichgewicht alle wesentlichen Funktionen im Naturhaushalt und für den Menschen erfüllen können. Das Aktionsprogramm umfasst alle Aktivitäten, des Landes, der Landkreise, der Kommunen und der Bürger, die dieser Zielsetzung dienen. Die Farbe Blau kennzeich- net in Gewässergüte und Gewässerstrukturgüte solche Gewässerabschnitte, die sich in einem ökologisch guten Zustand befinden. Diese Weichenstellung für eine nachhaltige Gewässer- entwicklung war damals wegweisend und hat bundes- weit sowie international viel Anerkennung gefunden. 6 Aktion Blau Aktion Blau 7
Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz [Redaktioneller Hinweis: Die folgende Beschreibung ist eine unstrukturierte Extraktion aus dem originalem PDF] MINISTERIUM FÜR UMWELT, LANDWIRTSCHAFT, ERNÄHRUNG, WEINBAU UND FORSTEN Aktion blAu Plus Aktion MINISTERIUM FÜR UMWELT, LANDWIRTSCHAFT, ERNÄHRUNG, WEINBAU UND FORSTEN Plus Blau GewässerentwicklunG in rheinland-pfalz Der Weg zur Aktion BlAu Plus im Jahr 1995 hat das umweltministerium die Aktion Blau gestartet. ziel des Aktionspro- gramms ist, die in der Vergangenheit von Menschenhand durch- geführten Begradigungen und Befestigungen un- serer Bäche und Flüsse nach Möglichkeit wieder rückgängig zu machen und den gewässern einen angemessenen entwicklungsraum zurückzugeben. in den 1990er Jahren wurde erkannt, dass wir Bäche und Flüsse oft zu sehr eingeengt und auch zu wenig Platz für Hochwasser gelassen haben. Heute wissen wir aus erfahrung, dass diese entwicklung mit vielen nachteilen einherging. Damit unsere gewässer wieder nachhaltig funktio- nieren, ist nicht nur sauberes Wasser notwendig, sondern auch ein naturnahes und hochwasser- angepasstes gewässerbett. Diese erkenntnisse spiegeln sich inzwischen auch in der europäischen Wasserpolitik und in unseren deutschen Wasser- gesetzen: Den „guten ökologischen zustand“ zu erreichen und Hochwasserrisiken weitgehend zu vermeiden ist eine europäische Herausforderung! nachdem mit beachtlichen investitionen die Abwasserreinigung landesweit erfolgreich aus- gebaut und unterhalten wird, liegt zukünftig ein schwerpunkt auf der nachhaltigen ökologischen entwicklung der gewässer. Von Beginn an verfolgt die Aktion Blau die drei Hauptziele der gewässer- entwicklung: Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit, stärkung des natürlichen Hochwasserrückhalts und die integration weiterer Belange des Allgemeinwohls. Mit dem symbolischen „Plus“ ist die Aktion Blau seit 2011 noch stärker den örtlichen Belangen verbunden. Alle erfahrungen aus den örtlichen Projekten haben gezeigt, dass viele gewässerpro- jekte mit weiteren interessen des Allgemeinwohls vernetzt werden können und so entwicklung und interessen der kommunalen gebietskörperschaften kooperativ befördert werden. Diese synergien sol- len frühzeitig erkannt und bei den Projekten kon- zeptionell integriert werden. Viele Projekte können so ein deutliches Plus an Mehrwert erzielen. im zustand unserer gewässer spiegelt sich seit Jahrtausenden immer auch der entwicklungsstand unserer kultur, denn sie sollen nicht nur lebense- lixier befördern, sie sollen immer als lebensadern einer ökologisch intakten vitalen kulturlandschaft funktionieren. Das ist heute erst für ein Drittel aller gewässer erreicht, diesen Anspruch aber flächen- deckend zu erfüllen ist eine generationenaufgabe. Packen sie also weiter mit an und realisieren sie ihre Projekte mit einem Plus für die Bürgerschaft. Die Möglichkeiten zur finanziellen Förderung von Aktion Blau Plus-Projekten wurden mit dem „Plus“ in den Förderrichtlinien der Wasserwirtschaft nochmals verbessert. Dazu finden sie in dieser Broschüre mehr als 40 verschiedene erfolgreiche Projekte der Aktion Blau Plus. Die Vielfalt der Projekte zeugt von der Vielfalt der Möglichkeiten, die das Aktionsprogramm eröffnet. Als verantwortliche entscheidungsträger werden sie ideen und Beispiele finden. Bei allen Projekten sind die Plus-Aspekte und die Plus-Part- ner benannt und beschrieben. lassen auch sie sich inspirieren und starten sie ihre eigenen Projekte. Mein besonderer Dank gilt den kommunen für die zahlreichen umgesetzten Projekte, aber auch den vielen Bachpaten, die sich ehrenamtlich um das Wohlergehen „ihrer“ gewässer kümmern. Dies zeigt, in welchem Maße die Aktion Blau Plus auch Bürgerinnen und Bürger anspricht. zum runden geburtstag danke ich den vielen Partnerinnen und Partnern der Aktion Blau Plus herzlich für die beachtlichen leistungen und wün- sche auch in zukunft viel Freude und erfolg bei der entwicklung unserer gewässer und gewässerauen in rheinland-Pfalz. ulrike Höfken staatsministerin für umwelt, landwirtschaft, ernährung, Weinbau und Forsten rheinland-Pfalz 3 4 Inhalt 1 Der Weg zur Aktion Blau Plus start der Aktion Blau Die ziele der Aktion Blau Die Aktion Blau Plus 2 Gewässerentwicklung im 21. Jahrhundert ein Blick zurück europäische Wasserpolitik gewässerentwicklung in der kulturlandschaft 3 Das Plus Das Plus Prinzip Die Beispiele Das Förderprogramm 6 8 12 14 16 18 20 22 26 28 30 32 4Perspektiven Für die zukunft34 36 5Aktion Blau Plus vor Ort40 Form und Funktion strukturentwicklung entwicklungskorridore Durchgängigkeit Hochwasserrückhalt konzepte kooperationen Mensch und gewässer Wohnumfeld42 54 66 78 90 102 114 126 140 5
Helmstedt/Braunschweig. – 1,5 Kilometer Gewässer in nur drei Wochen: In rekordverdächtiger Zeit konnte die Renaturierung der Scheppau zwischen Rieseberg und Autobahn A2 im Landkreis Helmstedt in diesem Sommer abgeschlossen werden. Neben idealen Bedingungen profitierte das im Auftrag des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) durchgeführte Projekt dabei auch von den Erfahrungen, die bereits andernorts an der Scheppau gemacht wurden. Gestern (14.09.) erfolgte die wasserbauliche Abnahme. – 1,5 Kilometer Gewässer in nur drei Wochen: In rekordverdächtiger Zeit konnte die Renaturierung der Scheppau zwischen Rieseberg und Autobahn A2 im Landkreis Helmstedt in diesem Sommer abgeschlossen werden. Neben idealen Bedingungen profitierte das im Auftrag des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) durchgeführte Projekt dabei auch von den Erfahrungen, die bereits andernorts an der Scheppau gemacht wurden. Gestern (14.09.) erfolgte die wasserbauliche Abnahme. „Insbesondere aus den Erkenntnissen von der Entwicklung des Bachs in den beiden vorrangegangenen Projektabschnitten konnten wir für die jetzt im aktuellen Abschnitt durchgeführten Arbeiten viel Nutzen ziehen“, berichtet Edith Büscher-Wenst vom NLWKN in Braunschweig. Die Projektverantwortliche hebt am Rande der Abnahme zudem eine bewährt gute Zusammenarbeit mit dem Unterhaltungsverband Schunter und die fachlich versierte Arbeit der ausführenden Baufirma Mittelweser Tiefbau GmbH hervor. Auch die Bereitstellung von Flächen durch die Niedersächsischen Landesforsten und die Stadt Königslutter sei ein Garant für eine optimale Lösung in diesem Abschnitt gewesen, so Büscher-Wenst. Zurück zum naturnahen Zustand Zurück zum naturnahen Zustand Wie Untersuchungen belegen, ist die Scheppau – wie die meisten Bäche des Flachlandes – durch den historischen Ausbau, die Begradigung und Unterhaltung an Strukturen und Arten zwischenzeitlich stark verarmt. „Durch die jetzt durchgeführten Renaturierungen werden nun wieder günstige Voraussetzungen für eine naturnahe Besiedlung des Baches mit Fischen und Kleinstlebewesen, dem sogenannten Makrozoobenthos, geschaffen“, betont Büscher-Wenst. Außerdem werde eine größere Resilienz des Gewässers gegen Klimaveränderungen erreicht. Vorbild für die Arbeiten war die Natur selbst: So wurde etwa der natürliche Bachlauf durch die Anlage von Mäandern (Bachschlaufen) weitgehend nachempfunden. Im Bereich des Forstes Sundern konnte durch die Wiederherstellung des historischen Verlaufs der Scheppau ein strukturreicher neuer Verlauf im Wald geschaffen werden . Im Rahmen des Projektes wurden außerdem viel Totholz in Form von Stubben und Buhnen und rund 140 Tonnen Kiesgemisch in die Scheppau eingebaut. Ergänzend wurden verschiedene Profilanpassungen vorgenommen. „Der Bach bekommt auf diese Weise seine durch Begradigung und Ausbau verlorengegangenen natürlichen Strukturen zurück“, so Büscher-Wenst. Neu angelegte Senken im Grünland und Grabenaufweitungen beziehen auch die Aue der Scheppau in das Vorhaben ein. Sie sollen eine Wasserrückhaltung im Gebiet begünstigen. Vollständig abgeschlossen wird die Maßnahme voraussichtlich im Herbst durch eine Initialbepflanzung mit Gehölzen. . Vierte Projektstufe in Vorbereitung Vierte Projektstufe in Vorbereitung „Mit der in dieser Woche durchgeführten Bauabnahme ist wieder ein kleiner Schritt zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in der Region erreicht“, erläutert NLWKN-Projektleiterin Silke Seemann. Gemäß der von der EU verabschiedeten Richtlinie gilt die Scheppau als eines der Prioritätsgewässer in der Region. Sie wird deshalb im Zuge des niedersächsischen Aktionsprogramms Gewässerlandschaften in insgesamt vier Abschnitten ökologisch aufgewertet. Der abschließende vierte Abschnitt zwischen der Autobahn und Mündung in der Schunter befindet sich planerisch in Vorbereitung. Das Vorhaben wird vollständig über das Programm zur Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2014 bis 2020 (PFEIL) finanziert.
Hannover/ Hildesheim – Die Belastung des Grundwassers mit Nährstoffen wie Nitrat ist derzeit ein beherrschendes Thema der umweltpolitischen Debatte. Aber auch auf die Qualität und die Bewertung der Oberflächengewässer haben diese Parameter einen großen Einfluss, wie Frank Doods, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz am Montag auf dem Gewässerforum in Hannover feststellte: „Nur zwei Prozent der Flüsse, Bäche und Seen in Niedersachsen erreichen den von der Europäischen Union vorgegebenen guten ökologischen Zustand oder das gute ökologische Potential. Ursache für die schlechte Einstufung der anderen Oberflächengewässer sind nicht nur bauliche Maßnahmen wie Begradigungen, Wanderungshindernisse oder massive Ufereinfassungen aus Beton, sondern eben auch Funde von Schadstoffen wie Pestiziden und Industriechemikalien oder zu hohe Nährstoffeinträge“. Während der Tagung in der Akademie des Sports stellten Sachverständige aus Wissenschaft und Verwaltung unter anderem eine landesweite Nährstoffmodellierung vor, mit deren Hilfe der konkrete Reduktionsbedarf für die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor für die niedersächsischen Oberflächengewässer beziffert werden konnte. „Demnach müssen wir die Stickstoffeinträge um circa 37.000 Tonnen im Jahr verringern, beim Phosphor liegt die einzusparende Menge bei rund 1.400 Tonnen im Jahr, wenn wir die gesetzlichen Vorgaben erfüllen wollen“, erklärte Anne Rickmeyer, Direktorin des NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz), der das Gewässerforum organisierte. Zu Grunde gelegt wurden dabei die Grenzwerte von 2,8 Milligramm je Liter für Gesamtstickstoff (TN) und bis zu 0,3 Milligramm je Liter für Phosphat. „Das Bewirtschaftungsziel von 2,8 mg TN/l dient hauptsächlich dem Schutz der Küstengewässer. Da die Stickstoffeinträge aber zum großen Teil aus dem Binnenland in die Küstengewässer gelangen, legen wir diesen Wert auch im Binnenland zugrunde“, erläuterte Stephanie Gudat vom NLWKN in Hildesheim. Grundlage der Berechnungen war ein Modell, das bundesweiten Empfehlungen folgte und in das auf Basis eines digitalen 100 x 100 Meter Landschaftsrasters unter anderem Eintragspfade in die Oberflächengewässer wie Grundwasserzuflüsse, Abschwemmungen, Erosionen und Drainagen eingingen. Neben diesen diffusen Einträgen wurden aber auch punktuelle Einträge aus Kläranlagen oder Regenüberläufen der Kanalisation ausgewertet. „Dieses Modell ist ein gutes Tool für Niedersachsen, da wir nicht nur den Reduktionsbedarf insgesamt, sondern auch lokale Handlungsschwerpunkte und Herkünfte ermitteln können, was eine wichtige Grundlage für die Planung von Maßnahmen darstellt“, ergänzte Gudat. Einen weiteren Tagungsschwerpunkt legte das Gewässerforum auf die Funde so genannter Spurenstoffe wie Arzneimittelrückstände, Industrie- und Haushaltschemikalien sowie Pflanzenschutzmittel in Oberflächengewässern. „Als Spurenstoffe werden künstliche Substanzen bezeichnet, die in nur sehr geringer Konzentration in den Gewässern nachgewiesen werden, die aber in Abhängigkeit ihrer Giftig- und Abbaubarkeit Einfluss auf die Gewässerqualität haben können. Etliche dieser Stoffe oder Stoffgruppen wurden in den vergangenen Jahren erstmals u.a. im Rahmen von Untersuchungen in niedersächsischen Gewässern ermittelt“, berichtete Dr. Mario Schaffer vom NLWKN in seinem Vortrag. Eine dieser Sonderuntersuchungen auf Arzneimittel ergab beispielsweise, dass an 66 Prozent der 25 beprobten Fließgewässerüberblicksmessstellen Rückstände von Human- und/oder Veterinärantibiotika nachweisbar waren. Eine Gemeinsamkeit der positiv beprobten Fundstellen war, dass sie an größeren Gewässern lagen, die zumeist auch abwasserbeeinflusst sind. „Auch im Bereich der Spurenstoffe unterscheiden wir nach diffusen Eintragsquellen wie der Landwirtschaft oder Punktquellen, wie industrielle Direkteinleiter oder kommunale Kläranlagen“, ergänzte Schaffer. Staatssekretär Doods dankte den Fachleuten für ihren Einsatz und ihre unentbehrliche Grundlagenarbeit und betonte, dass zur Lösung der Probleme nur eine enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche und Akteure beitragen könne: „Einer alleine oder gar im Gegeneinander werden wir es nicht schaffen“. Er kündigte an: „Wir werden an allen Stellen genau hinsehen und analysieren müssen. Konkret: Noch viel mehr als bisher. Ich erwarte, dass es schon bald neue Grenzwerte gibt – und an dieser Diskussion wird sich Niedersachsen an vorderster Stelle beteiligen“.
Die deutschen Vorkommen der Gelbbauchunke liegen im Hauptareal (inkl. Arealzentrum) der Art und haben einen Flächenanteil von etwa 15 % am gesamten Verbreitungsareal. Da die aktuelle weltweite Gefährdung nicht bekannt ist, ergibt sich die Verantwortlichkeitskategorie „Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten“. Für die nominotypische Unterart der Gelbbauchunke (Bombina variegata variegata) besteht aufgrund eines sehr hohen deutschen Anteils von über 33 % am Weltbestand eine Verantwortlichkeit hohen Maßes für die weltweite Erhaltung ihrer Bestände (Laufer 2006). Die Gelbbauchunke ist typischerweise eine Bewohnerin des Hügellandes und der Mittelgebirge (Gollmann et al. 2012). Durch Deutschland verläuft ein Teil der nordöstlichen Arealgrenze der Art. Diese erstreckt sich vom südlichen Niedersachsen durch den östlichen Teil Thüringens, wo die Art bereits im vergangenen Jahrhundert einen enormen Arealverlust erlitten hat (Nöllert 1996, Podloucky 1996). Aktuelle Vorkommen im Westen von Sachsen sind wahrscheinlich nicht autochthon und wurden von der Gefährdungsanalyse ausgeschlossen. Der Verbreitungsschwerpunkt befindet sich in Süddeutschland. Etwa ein Viertel der Rasternachweise Deutschlands liegt in Baden-Württemberg (Genthner & Hölzinger 2007). Bundesweit ist die Gelbbauchunke im Zeitraum 2000 bis 2018 in etwa 14 % der TK25-Q nachgewiesen. Damit ist sie mäßig häufig, wenngleich sie in weiten Teilen Deutschlands, vor allem im Norden nur noch in kleineren und zum Teil stark isolierten Beständen vorkommt. Der langfristige Bestandstrend zeigt einen sehr starken Rückgang. Dieser ist vor allem durch Zerstörung primärer Lebensräume in Bach- und Flussauen, aber auch durch Aufgabe von militärischen Standortübungsplätzen und die veränderte Nutzung oder Verkleinerung von Abbaustellen begründet. Der kurzfristige Bestandstrend liegt bei einer starken Abnahme. Diese kommt durch rasche Gewässersukzession und -verlandung sowie durch Verfüllen von Kleingewässern (z. B. Einebnen landwirtschaftlicher Nutzflächen, Beseitigen von Fahrspuren im Wald) und zu rasches Trockenfallen der Reproduktionsgewässer zustande. Die Gefährdungsanalyse ergibt insgesamt die Rote-Liste-Kategorie „Stark gefährdet“. Die Gelbbauchunke bevorzugt Lebensräume aus Kleingewässerkomplexen unterschiedlicher Sukzessionsstadien. Die Laichabgabe erfolgt vor allem in vegetationsarmen, meist nur temporären Gewässern (Reproduktionsgewässer). Als Aufenthaltsgewässer dienen hingegen vegetationsreichere, vielfach permanente Wasseransammlungen. Das kleinräumige Mosaik aus solch unterschiedlichen Kleingewässern entstand durch die Morpho- und Hydrodynamik auf historischen Überschwemmungsflächen. Aktuell ist die Gelbbauchunke auf ein regelmäßiges Naturschutzmanagement angewiesen. Dort, wo es möglich ist, werden seit vielen Jahren erfolgreich Naturschutzmaßnahmen zur Lebensraumverbesserung der Gelbbauchunke durchgeführt. Damit die Gefährdungssituation der Art sich nicht verschärft, müssen die Maßnahmen dringend auch zukünftig fortgesetzt werden. Auf diese Abhängigkeit wird durch die Zusatzangabe „Na“ hingewiesen. Die Rote-Liste-Kategorie „Stark gefährdet“ hat sich nicht verändert, da auch die aktuelle Bestandssituation und die Bestandstrends wie in der vorherigen Roten Liste eingeschätzt wurden. Die wichtigsten Gefährdungsursachen für die Gelbbauchunke sind: Fehlende Vernetzung von Kleingewässern und Landlebensräumen einschließlich der Überschwemmungsflächen: Durch Begradigung von Flüssen und Bächen und die zunehmende Verbauung von Talauen wird die natürliche Morpho- und Hydrodynamik unterbrochen; Zerstörung der Fortpflanzungs- und Aufenthaltsgewässer wie Quellstellen auf Wiesen und Weiden, Senken in Wässerungswiesen, Gräben, Sumpfgebiete, Altarme, Kolke, Flutmulden, Kies- und Schlickbänke in den noch überwiegend naturnahen Bach- und Flussauen; Beseitigung von Wagenspuren der historisch überwiegend unbefestigten Wald- und Feldwege; Drainage und Auffüllen von Senken in Ackerflächen zur Erleichterung der landwirtschaftlichen Nutzung; Veränderung der Nutzungsform in Abbaugebieten von Bodenressourcen: Die früher flächige Bearbeitung wurde durch intensiveren Tiefenabbau ersetzt und die Förderungsprozesse wurden beschleunigt; Aufgabe von militärischen Übungsplätzen und somit der Verlust der künstlichen Dynamik in der Landschaft. Notwendige Maßnahmen für den Schutz der Gelbbauchunke sind: Renaturierungen von Fließgewässern und Wiederherstellung des ehemaligen Auenreliefs auf Überschwemmungsflächen, wodurch die natürliche Morpho- und Hydrodynamik ungehindert stattfinen kann; Aushagerung landwirtschaftlich genutzter Lebensräume durch angepasstes Nutzungsregime, z. B. durch extensive Beweidung; Belassen von Fahrspuren, die während der forstlichen Nutzung durch Forstschlepper oder Holzerntemaschinen auf Waldwegen, Rückegassen, Maschinenwegen und Holzlagerplätzen entstehen; unbefestigte Feld- oder Waldwege mit Wagenspuren und Pfützen sollten nicht befestigt werden; sofern das unumgänglich ist, sind im unmittelbaren Umfeld an geeigneter Stelle Kleingewässer anzulegen und zu pflegen; Durchführung großräumiger sowie länderübergreifender Vernetzungskonzepte, wobei mindestens alle 500 m ein Komplex aus etwa zehn Kleingewässern angelegt werden muss und deren langfristige, dauerhafte Pflege sicherzustellen ist.
Der NLWKN Süd in Braunschweig setzt im Bewilligungszeitraum 25.03.2020 - 31.12.2022 das aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit 3,73 Mio. € geförderte KliMo-Projekt „Optimierung des Wasserhaushaltes in ausgewählten Mooren der Südheide“ um. Bei dem Projekt handelt es sich um ein Kooperationsprojekt mit den Niedersächsischen Landesforsten. Unterstützt wird das Projekt vom Unterhaltungsverband Lachte und dem Landkreis Gifhorn. Im Rahmen des KliMo-Projekts werden zwei Projektgebiete im Landkreis Gifhorn mit einer Gesamtfläche von insgesamt 630 ha in den Naturschutzgebieten „Großes Moor bei Gifhorn“ ( NSG BR 051 ; FFH 315, V45 ) und „Obere Lachte, Kainbach, Jafelbach“ ( NSG BR 098 ; FFH 086) bearbeitet. Neben den positiven Effekten für das Klima werden durch die Renaturierungsmaßnahmen in den beiden Mooren die Schutz- und Entwicklungsziele in den FFH- und EU-Vogelschutzgebieten umgesetzt und somit wertvolle Beiträge zur Umsetzung von Natura 2000 und EG-Wasserrahmenrichtlinie sowie der Niedersächsischen Strategie zur biologischen Vielfalt geleistet. Weiterhin dient die Umsetzung auch den Zielen des Programms Niedersächsische Moorlandschaften. Quell- und Durchströmungsmoore im NSG „Obere Lachte, Kainbach, Jafelbach“ Quell- und Durchströmungsmoore im NSG „Obere Lachte, Kainbach, Jafelbach“ Die in diesem Naturschutzgebiet gelegenen Niedermoore wurden im Verlaufe des 19. Jahrhunderts durch Begradigung und Vertiefung der natürlich vorhandenen Bäche und durch die Schaffung weiterer Gräben entwässert, um Flächen forst- und landwirtschaftlich zu nutzen. Auf einem erheblichen Teil der betroffenen Flächen wurde die wirtschaftliche Nutzung inzwischen eingestellt, sodass heute die Möglichkeit zur Wiedervernässung der Moorböden gegeben ist. Kernziel der KliMo-finanzierten Maßnahmen in diesem Gebiet ist die Wiedervernässung des Quell- und Durchströmungsmoores. Dazu ist die Stabilisierung des Wasserhaushalts durch die Herstellung einer naturnahen Grundwassersituation mit Wasserrückhaltung in den entwässerten Niedermoorkörpern notwendig. Im Zuge dessen sollen auch die natürlich vorhandenen Bäche wieder zu naturnahen, heidebachtypischen Fließgewässern entwickelt werden. Die geplanten Maßnahmen umfassen vor allem das Verfüllen künstlich angelegter Entwässerungsgräben, das Anheben der künstlich vertieften Gewässersohlen auf das Niveau eines natürlichen Bachlaufs sowie den Abbau von Fließbarrieren. Wiedervernässung des abgetorften Hochmoores im NSG „Großes Moor bei Gifhorn“ Wiedervernässung des abgetorften Hochmoores im NSG „Großes Moor bei Gifhorn“ Auch das Große Moor bei Gifhorn wurden in den vergangenen 200 Jahren durch verschiedene Eingriffe des Menschen erheblich verändert. Noch heute findet in diesem Gebiet industrieller Torfabbau statt. Das Hochmoor steht als Rückzugsgebiet für eine vielfältige an Moore gebundene Flora und Fauna mit dem Ziel der Renaturierung unter Naturschutz. Bereits im Frühjahr 2018 wurde das Flurbereinigungsverfahren „Großes Moor“ eingeleitet. Zielsetzung ist es möglichst große Flächenkomplexe für eine Wiedervernässung zu erhalten. Aufbauend auf diesem Verfahren soll in dem hier vorgestellten KliMo-Projekt der südliche Teilbereich des Gebiets wiedervernässt werden. Der Grundwasserspiegel soll bis auf Geländeniveau angehoben werden, sodass der Moorkörper wieder dauerhaft durchnässt ist und sich auf tiefergelegenen Flächen eine Überstauung einstellt. Dazu wird ein Hauptvorfluter, der auch in trockenen Witterungsperioden große Mengen Wasser aus dem Gebiet abführt, dauerhaft gestaut. Zudem werden Dämme und Verwallungen errichtet, um eine gleichmäßige Vernässung des Gebiets zu erreichen. Als langfristiges Ziel sollen – über verschiedene Zwischenstadien – hochmoorähnliche, weitgehend offene Moorflächen entwickelt werden.
In Baden-Württemberg leben 70 Heu- und Fangschreckenarten. 30 der 70 Arten sind bestandsgefährdet. Damit sind im Vergleich zur Roten Liste 1998 zwar nur unwesentlich mehr Arten gefährdet, doch mit Blick auf die einzelnen Arten werden Verschiebungen deutlich. So gibt es Arten, die von den Klimaveränderungen profitieren, wohingegen andere aufgrund zunehmender Hitze- und Dürreperioden aus tieferen Lagen verschwinden und in ihrer Verbreitung zurückgehen. Der Verlust von Lebensräumen ist nach wie vor der Hauptgrund, der zur Gefährdung führt. Gezielte Schutzmaßnahmen sind daher unumgänglich, um die Vielfalt der Heuschrecken zu erhalten. Drei besonders interessante Vertreter aus der Ordnung der Heuschrecken sind die Maulwurfsgrille, der Warzenbeißer und die Alpine Gebirgsschrecke. Grafik zeigt: Anzahl der baden-württembergischen Heu- und Fangschreckenarten in der jeweiligen Gefährdungskategorie der Roten Liste (Stand 2020). Bildnachweis: LUBW Versteckt und nur in der Nacht ist die Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) aktiv. Dicht unter der Oberfläche legt die bis zu fünf Zentimeter große Grille Gänge an, in denen sie fast ihr ganzes Leben verbringt. Nicht nur die Lebensweise und das Aussehen ähneln dem Maulwurf, auch ihre Ernährung hat die Grille mit dem Säugetier gemein: Sie ernährt sich vorwiegend von Würmern, Schneckeneiern und anderen Bodenlebewesen. Nur selten bekommt man das außergewöhnliche Tier zu Gesicht, was ihre Erfassung sehr schwierig macht. In Folge gezielter Aufrufe wurden 2018 und 2019 aber 100 neue Funde gemeldet. Viele ehemalige Vorkommen konnten jedoch nicht mehr bestätigt werden, sodass eine Gefährdung unbekannten Ausmaßes anzunehmen ist. Die Grille bevorzugt vor allem lockere und feuchte Böden, wie sie zum Beispiel an Bächen oder unter frisch-feuchten Wiesen vorkommen. Durch Bachbegradigungen und Entwässerung von Wiesen und Mooren verliert die Maulwurfsgrille ihren Lebensraum. Bild zeigt: Maulwurfsgrille, Bildnachweis: Juliane Saar Der Warzenbeißer (Decticus verrucivorus) kann beißen, wenn man versucht ihn zu fangen. Dieser Eigenschaft verdankt er auch seinen Namen. Früher wurden die Tiere zur Warzenbehandlung verwendet. Durch den Biss in die Warze sollte diese besser heilen. Zu finden ist die Heuschrecke auf Heideflächen und extensiv genutzten Weiden. Doch diese Lebensräume werden immer seltener, was die Population der Heuschrecke gefährdet. Sie ernährt sich hauptsächlich von Insekten, Spinnen und weichen Kräutern. Werden die Flächen nicht mehr extensiv bewirtschaftet, verfilzt die Vegetation wodurch dem Warzenbeißer ein Teil seiner Nahrung und Orte zur Eiablage entzogen werden. Viele Vorkommen der Art leiden unter einer fortschreitenden Verkleinerung und Verinselung ihrer Lebensräume. Die Beweidung mit Schafen und Rindern bietet aber die Möglichkeit, geeignete Flächen offenzuhalten und damit zum Erhalt der beeindruckenden Art beizutragen. Bild zeigt: Warzenbeißer, Bildnachweis: Torsten Bittner Wie der Name schon erahnen lässt, bevorzugt die Alpine Gebirgsschrecke (Miramella alpina) die Berge und Lagen über 600 Höhenmeter. In Baden-Württemberg ist sie daher fast ausschließlich im Schwarzwald anzutreffen und insbesondere in feuchten Wiesen, Mooren und lichten Nadelwäldern verbreitet. Sie ernährt sich von Gräsern, Flechten und Moosen. Im Gegensatz zu anderen Schrecken oder Grillen können die Männchen nicht mit den Beinen oder Flügeln zirpen. Um die Weibchen anzulocken knarren und klicken sie daher mit ihren Mundwerkzeugen. Da die Art nicht fliegen kann, benötigt sie eine gute Vernetzung der Lebensräume. Durch die Klimaveränderungen und zunehmend heiße und trockene Sommer ist die Art bereits aus tiefer gelegenen Flächen verschwunden. Bild zeigt: Alpine Gebirgsschrecken, Bildnachweis: Joachim Wimmer
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg Geburtshelferkröte Alytes obstetricans (Laurenti, 1768) Als einzige heimische Amphibienart betreibt die Geburtshelfer- kröte eine besondere Brutpflege, bei der das Männchen Laich- schnüre um die Hinterbeine gewickelt mit sich herumträgt. Seine nächtlichen Rufe klingen wie „üh..üh..üh“ und erinnern im Chor an Glockengeläut, was der Art den Beinamen Glo- ckenfrosch einbrachte. Der graubraune Körper der Tiere wirkt gedrungen, die Augen sind dunkel marmoriert mit goldfarbener Iris. Die Pupille steht nicht waagerecht wie bei Fröschen und Kröten, sondern senkrecht. Schnecken. Bei der Paarung an Land umklammert das Männ- chen die Lenden des Weibchens, so dass beide Tiere mit ihren Hinterbeinen ein „Körbchen“ bilden, in das die Eier abgegeben und besamt werden. Nach einer Brutfürsorge von zwei bis sechs Wochen trägt das Männchen die Laichschnüre zum Gewässer und entlässt dort die Larven. Dieses Brutpflegeverhalten bietet den Eiern Schutz vor Verdriftung in Fließgewässern und Fress- feinden wie Fischen. Als eine weitere Besonderheit können die Larven der Geburtshelferkröte in kalten Gewässern wachsen oder im Bodenschlamm überwintern, wozu die Larven der mei- sten anderen Froschlurche nicht in der Lage sind. LEBENSRAUM Die Geburtshelferkröte liebt hügelige bis bergige Landschaften mit warmen, lockeren Sandböden zum Graben. Früher traf man sie an vegetationsarmen, sandig-kiesigen Uferbereichen naturna- her Bäche und Flüsse an. Da diese Lebensräume heute immer seltener werden, weicht die Geburtshelferkröte auf Kiesgruben und Steinbrüche oder Geröll-, Erd- und Steinhaufen an Ortsrän- dern und Bauernhöfen aus. Das funktioniert aber nur dort, wo die Tiere auch genügend Tümpel, Löschteiche oder strömungs- arme Gewässer für die Entwicklung der Larve vorfinden. LEBENSWEISE Geburtshelferkröten ruhen tagsüber verborgen in Mauerspalten, Steinhaufen oder selbst gegrabenen Erdhöhlen. In der Nacht erwachen sie jedoch zu neuem Leben und suchen auf wenig bewachsenen Flächen ihre Nahrung. Auf dem Speiseplan ste- hen neben zahlreichen Insekten, Spinnen, Asseln, Würmer und MASSE UND ZAHLEN Gesamtlänge: 3 bis 5 cm Gewicht: ca. 8 g VERBREITUNG Die Geburtshelferkröte ist eine Charakterart bewaldeter Mit- telgebirgslagen. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der Nordhälfte der Iberischen Halbinsel über fast ganz Frankreich in zwei Ausläufern bis nach Mitteleuropa. Der östliche Aus- läufer umfasst den Norden der Schweiz sowie den Südteil des Schwarzwaldes, über den nordöstlichen Ausläufer besiedelt die Art Wallonien, Luxemburg, das Saarland und Rheinland- Pfalz und erreicht über die Mittelgebirge Nordrhein-Westfa- lens und Nordhessens das südliche Weserbergland, den Harz, den Thüringer Wald sowie die Rhön. VERBREITUNG IN BADEN-WÜRTTEMBERG In Baden-Württemberg besiedelt die Geburtshelferkröte den südlichen Schwarzwald sowie einige benachbarte Gebiete wie das untere Wutachtal, den Klettgau, das Hochrheintal und die Markgräfler Rheinebene. BESTANDSENTWICKLUNG IN BADEN-WÜRTTEMBERG Trotz regelmäßiger Schutzmaßnahmen sind deutliche Popu- lationsrückgänge zu verzeichnen. Besonders das Markgräfler Land ist von starken Rückgängen in den letzten Jahren betrof- fen. Durch mehrere Schutzprojekte hat sich die Situation dort in den letzten Jahren gebessert. Lokal sind im Südschwarz- wald gravierende Bestandsrückgänge durch intensive Schutz- maßnahmen verhindert worden. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ ROTE LISTE BW SCHUTZSTATUS D BNATSCHG 23BESONDERSSTRENG STARK GEFÄHRDETGEFÄHRDETGESCHÜTZTGESCHÜTZT GEFÄHRDUNGSURSACHEN VERORDNUNGEN UND RICHTLINIEN EG-VO 338/97FFH-RICHTLINIE ANHANGANHANG - - IV - BARTSCHV - - SCHUTZMASSNAHMEN seit Jahrhunderten Zerstörung der ursprünglichen Lar- ven- und Landhabitate durch Eingriffe in die Dynamik von Bächen und kleinen Flüssen (z.B. Begradigungen und Einengungen des Bachbetts, die das natürliche Strö- mungsmosaik zerstören und die Ausbildung natürlicher Uferstrukturen wie Abbruchkanten, Kies- und Sandbänke verhindern) Zerstörung von sekundären Larven- und Landhabitaten in der Kulturlandschaft (z.B. Verfüllen von Löschteichen und Bewässerungsgräben, Beseitigung von Lesesteinhau- fen und Trockenmauern) Verfüllung oder sonstige Rekultivierung von Abbaugebie- ten wie Kiesgruben und Steinbrüchen bzw. deren natürli- che Wiederbewaldung Entfernen des Fischbesatzes aus Kleinteichen Verhinderung von Ablassen von Löschbecken zu Reini- gungszwecken ohne vorherige Bergung von Larven Neuanlage und Wiederherstellung von Larvengewässern In Landlebensräumen: Anlage sandiger Bereiche und Steinhaufen, Rückschnitt von Gehölzen SCHUTZPROJEKTE Umsetzung FFH-Richtline Art des Zielartenkonzepts Baden-Württemberg FFH-RICHTLINIE Die FFH-Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der EU, deren Namen sich von Fauna (= Tiere), Flora (= Pflanzen) und Habitat (= Lebensraum) ableitet. Wesentliches Ziel dieser Richtlinie ist die Erhaltung der Biologischen Vielfalt durch den Aufbau eines Schutzgebietssystems. Neben der Aus- weisung von Schutzgebieten (FFH-Gebieten) für Arten des Anhangs II wird der Erhaltungszustand dieser und der Arten des Anhangs IV und V überwacht. FFH-GEBIETE Für die Geburtshelferkröte, als Art des Anhangs IV, werden im Rahmen der FFH-Richtlinie keine Schutzgebiete ausgewie- sen. ERHALTUNGSZUSTAND IN BADEN-WÜRTTEMBERG EINZELBEWERTUNG GESAMTBEWERTUNG VERBREITUNGSGEBIETPOPULATIONHABITATZUKUNFTSAUSSICHTEN UNGÜNSTIG-UNGÜNSTIG-UNGÜNSTIG-UNGÜNSTIG- UNZUREICHENDSCHLECHTSCHLECHTSCHLECHT UNGÜNSTIG- SCHLECHT
Lebensraumtyp 91D0* – Moorwälder In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Veränderung des standorttypischen Wasserhaushalts (auch außerhalb) • Bodenbearbeitung, Rückung mittels unangepasster Technik/Technologie • Nährstoffeinträge • Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Bewirtschaftungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Erhaltung bzw. Wiederherstellung des natürlichen Wasserregimes • Förderung lebensraumtypischer Gehölze • Nutzungsverzicht • Befahren nur in Trocken- oder Frostperioden Lebensraumtyp 91E0* – Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior Teil: Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Veränderung der natürliche Hydrodynamik und Quelltätigkeit durch Grundwas- serabsenkung, Gewässerausbau und -unterhaltung (insbesondere Wegebau und Durchschneidungen, Querverbaue, Gewässerbegradigungen und -vertiefungen, Ufersicherungen, Abgrabungen) • Gewässerverunreinigung und Vermüllung • Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft • Intensive Weidenutzung bei ungenügender Auskoppelung der Waldflächen (bes. Bach-Galeriewälder) • Forstliche Nutzung in Quellwäldern • Unangepasste Technologien bei der Holzernte und Rückung Bewirtschaftungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Erhaltung und Wiederherstellung hoher Grundwasserstände und ungestörter Über- flutungsdynamik sowie natürlicher Quelltätigkeit, ggf. Rückbau von Dammbauten, Bachbegradigungen etc. • Nutzungsverzicht auf Teilflächen, besonders in Quellwäldern zwingend • Bei Bachwäldern (Galeriewäldern) durch Sicherung einer Mindestbreite Erhaltung des typischen Artgefüges • Kahlschlagverzicht • Möglichst plenterartige, einzelstammweise und schonende Bewirtschaftung mit ho- hen Zieldurchmessern • Waldbewirtschaftung nur unter Anwendung boden- und bestandesschonender Ar- beitsverfahren und Technik • Befahren nur in Trocken- oder Frostperioden • Kein Durchrücken von Bachläufen • Zurückdrängen lebensraumfremder Baumarten wie Eschen-Ahorn, Grau-Erle, Rot- Esche, Kanadische Pappel, Gemeine Fichte außerhalb ihres natürlichen Verbrei- tungsgebietes Lebensraumtyp 91E0* – Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior Teil: Weichholzauenwälder an Fließgewässern In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Alle Maßnahmen, die zur Einschränkung oder Veränderung der natürlichen Überflu- tungs- und Gewässerdynamik, der Erosion, der Subrosion, der Sedimentation und zur Beeinträchtigung der Nährstofffracht führen • Einschränkung der Vernetzung von Gewässer und Aue • landwirtschaftliche Nutzung (Weide) auf ganzer Fläche oder bis zur Gewässerlinie • Gewässerverunreinigung und Vermüllung • Unangepasste forstliche Nutzung Bewirtschaftungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Verzicht auf Beweidung • Belassen von Biotop- und Altbäumen bis zum natürlichen Zerfall • Pflegemaßnahmen zur Selektion nicht lebensraumtypischer Gehölze (z.B. Eschen- Ahorn, Rot-Esche, Kanadische Pappel) • Regelmäßiges Beseitigen ökologisch bedenklichen Schwemmgutes Lebensraumtyp 91F0 – Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Alle Maßnahmen, die zur Einschränkung oder Veränderung der natürlichen Überflu- tungs- und Gewässerdynamik, der Erosion, der Subrosion, der Sedimentation und zur Beeinträchtigung der Nährstofffracht führen • Einschränkung der Vernetzung von Gewässer und Aue • Einbringen von nichtlebensraumtypischen Gehölzen Bewirtschaftungsempfehlungen für diesen Lebensraum: • Erhalt und Förderung der lebensraumytpischen Gehölzzusammensetzung • Schaffung und Erhaltung des natürlichen Überflutungsregimes • Zurückdrängen von nichtlebensraumtypischen Gehölzen (z.B. Rot-Esche) NATURA 2000 in Sachsen-Anhalt Bewirtschaftungshinweise für die in Sachsen- Anhalt vorkommenden Waldlebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie Lebensraumtyp 91T0 – Mitteleuropäische Flechten-Kiefernwälder In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Stoffeinträge und Humusakkumulation • Aufgabe historischer Nutzungsformen Handlungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Dauerhafte Erhaltung hoher Totholz-, Biotop- und Altbaumanteile • Nachahmung humuszehrender historischer Bewirtschaftungsformen (experimen- telle Streunutzung) Lebensraumtyp 9410 – Montane bis alpine bodensaure Fichtenwälder In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Nutzungen, die über eine gruppenweise Nutzung hinausgehen • Bodenschutzkalkung natürlich saurer Standorte • Unangepasste forstliche Nutzung und Bodenbearbeitung • Einbringen nichtlebensraumtypischer Gehölze Bewirtschaftungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Förderung vitaler und autochthoner Bäume, Erhalt des Genpools autochthoner Fichten • Entwicklung eines Dauerwaldes (Waldentwicklung unter weitestgehender Zulas- sung natürlicher walddynamischer Prozesse) • Schonende Holzernte und -bringung (Holzbringung mit besonders bodenschonen- den Verfahren, z.B. seilwindengestützt oder mit Seilkran) • Einzelbaumweise bis kleinflächige Verjüngung • Entwicklung mosaikartiger Strukturen, insbesondere Erhöhung des Anteils an Alt- bäumen, die einem natürlichen Zerfall überlassen werden *) prioritär zu schützender Lebensraum 1 Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) 2 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 S. 7) 3 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Juli 2004 (GVBl. LSA 454-475) 4 Waldgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.04.1994 (GVBl. Nr. 17/1994, S. 520) Impressum: Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Fachgebiet 45 Wald-FFH, Prüfung auf Verträglichkeit PF 20 08 41, 06009 Halle (Saale) Sitz: Reideburger Straße 47, 06116 Halle (Saale) Tel.: (03 45) 57 04 - 611, Fax: (03 45) 57 04 - 605 E-Mail: poststelle@lau.mlu.sachsen-anhalt.de Internet: www.lau-st.de Europäische Kommission Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE © www.photo-company.com • In Ausnahmefällen behutsame, einzelstammweise Zielstärkennutzung unter Anwen- dung boden- und bestandesschonender Arbeitsverfahren und Technik (Seilwinde/ Seilkran) • Berücksichtigung des Schutzwaldcharakters der Bestände und der Standorte Landesamt für Umweltschutz Durch die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie1 sowie der Fauna-Flora-Habitat-Richt- linie2 (FFH-RL) werden die Voraussetzungen für den Aufbau eines zusammenhängenden ökologischen Netzes von Schutzgebieten in Europa geschaffen. Das Schutzgebiets- Netzwerk „NATURA 2000“ setzt sich aus den Schutzgebieten der EU-Vogelschutzricht- linie sowie den Schutzgebieten der FFH-Richtlinie zusammen, die sich flächenmäßig teilweise überlappen. Gebietsbezogene Schutzgegenstände: • FFH-Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie • die Arten nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie • die Vogelarten nach Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie • regelmäßig auftretende Zugvogelarten gemäß Art. 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutz- richtlinie Vorrangiges Ziel der FFH-Richtlinie ist der Erhalt der biologischen Vielfalt, der Schutz der natürlichen und naturnahen Lebensräume sowie der Schutz wildlebender Pflanzen- und Tierarten. Die Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der bedroh- ten Arten und Lebensräume sowie die Sicherung einer günstigen Gebietsentwicklung sind dabei von zentraler Bedeutung. In das Schutzgebietssystem „NATURA 2000“ sind neben extrem seltenen und klein- räumig vorkommenden Lebensräumen auch relativ großflächig existierende, jedoch für bestimmte Bereiche Europas charakteristische und artenreiche Lebensräume integriert. So sind auch in Sachsen-Anhalt verschiedene Waldlebensraumtypen noch relativ weit verbreitet. Insbesondere für diese Lebensräume besteht ein großes forstwirtschaftli- ches Nutzungsinteresse. Unter Berücksichtigung des Umweltintegrationsprinzips wird eine Bewirtschaftung der NATURA 2000-Gebiete nicht ausgeschlossen. Wirtschaftliche Entwicklung und naturschutzfachliche Aspekte sollen hier dem Prinzip der Nachhaltig- keit folgen. Der Artikel 6 der FFH-Richtlinie fordert die Erhaltung günstiger ökologischer Zustände für Lebensraumtypen und Arten. Er gibt den Rahmen vor, wie die Nutzung erfolgen soll um alle Schutzaspekte zu berücksichtigen. In Sachsen-Anhalt werden die europäischen Vorschriften insbesondere durch die §§ 44, 45 und 46 des Naturschutzgesetzes LSA3 umgesetzt. Das Waldgesetz4 für das Land Sachsen-Anhalt regelt im § 4 Abs. 2 die Grundsätze für eine naturgemäße Bewirtschaftung des Waldes. Im Folgenden werden Bewirtschaftungshinweise für die in Sachsen-Anhalt vorkommen- den Waldlebensraumtypen in NATURA 2000 Gebieten gegeben. Diese Hinweise sind nicht abschließend, sollen aber bei der forstlichen Bewirtschaftung der NATURA 2000 Gebiete einen naturschutzfachlichen Rahmen darstellen. Ziel ist eine richtlinienkonforme Bewirtschaftung ohne erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensraumtypen und Habitate der Arten. Folgende Maßnahmen und Tätigkeiten stellen für alle Waldlebensraumtypen im Regel- fall in „Natura 2000 Gebieten“ erhebliche Beeinträchtigungen dar: • Intensivierung der bisherigen forstlichen Nutzung • Kahlschläge, Waldweide und Waldumwandlungen nach Landeswaldgesetz • Entnahme von Horst-, Höhlen- und sonstigen Biotopbäumen • Nichtbeachten von Vorkommen naturschutzfachlich wertvoller Pflanzen- und Tier- arten und deren Ansprüche bei der Durchführung von Arbeiten • Aktive Entmischung des natürlichen Artenspektrums • Anbau, Förderung oder natürliche Verjüngung nicht lebensraumtypischer Gehölze und Pflanzen • Freisetzung von genmanipulierten Gehölzen • Waldbewirtschaftung unter Anwendung von boden-, bestandesschädigenden sowie standortsunangepassten Arbeitsverfahren und Technik • Unsachgemäßer Einsatz von Rücketechnik (insbesondere in Wäldern auf grundwas- sernahen Standorten) • Bodenverdichtung durch flächiges Befahren • Wegeneubau und Wegeausbau bei Flächeninanspruchnahme in einem Lebensraum- typ oder einer Lebensstätte einer Art oder die Verwendung nicht standortgemäßer Materialien • Flächige, in den Mineralboden tiefgründig eingreifende Bodenbearbeitungsverfahren • Veränderung des Bodenreliefs • Ganzflächige Räumung von Schlagabraum • Handlungen welche die Oberflächen- und Grundwasserführung verändern • Meliorationsmaßnahmen wie Vollumbruch zur Kulturbegründung oder die Entwässe- rung in grundwasserbeeinflussten Lebensraumtypen oder Lebensstätten von Arten • Neuanlage von Entwässerungseinrichtungen, Wildäckern und Wildwiesen • Ausbleibende Naturverjüngung und populationsgefährdender Verbiss charakteris- tischer und naturschutzfachlich wertvoller Pflanzenarten infolge einer ökologisch nicht tragbaren Schalenwilddichte • Kalkung natürlich saurer Standorte, Düngung, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln • Intensive, dem Wald unangepasste Freizeitaktivitäten • Beeinträchtigung und Zerstörung der Habitate von geschützten und lebensraumtypi- schen Tierarten Nachfolgende Handlungen haben in der Regel positiven Einfluss auf die Entwicklung der Waldlebensraumtypen: • Schaffung und Erhalt der biotischen und abiotischen Vorraussetzung für eine natür- liche Verjüngung und den Aufwuchs der Hauptbaumarten, der Kennarten und der charakteristischen Begleitvegetation in den jeweiligen Lebensräumen • Zurückdrängen lebensraumtypfremder Gehölze • Mischungsregulierung unter Wahrung eines breiten, dem jeweiligen Lebensraumtyp entsprechenden Baumartenspektrums • Entwicklung zum Dauerwald • Entwicklung mosaikartig verteilter unterschiedlicher Altersstadien innerhalb der Be- stände • Maßnahmen, welche dem Erhalt und der Förderung eines hohen Anteils von Altbäu- men bzw. Altholzinseln dienen und diese bis zum Erreichen der natürlichen Zerfalls- phase schützen • Erhalt und Förderung von liegendem und stehendem Totholz und Biotopbäumen • Gestufte, naturnahe und gut strukturierte Gestaltung von Waldaußen- und Waldin- nenrändern mit den jeweils lebensraumtypischen Gehölzarten • Verlängerung der Umtriebszeiten bzw. Erhöhung von Zieldurchmessern • Ökogerechte Wildbewirtschaftung (angepasste Schalenwildbestände sind eine der Voraussetzungen zur natürlichen Regeneration der Waldgesellschaften) • Bestandes- und baumschonende Saatgutgewinnung • Natürlich dynamische Waldentwicklung mit Nutzungsverzicht auf Teilflächen • Waldbewirtschaftung nur unter Anwendung boden-, bestandesschonender und standortsangepasster Arbeitsverfahren und Technik • Standortsangepasster Bestandesaufschluss entsprechend der Prinzipien einer öko- gerechten Waldwirtschaft, ohne Schematismus und unter Berücksichtigung des Schutzes ökologisch wertvoller Bestandeselemente Spezielle, zusätzliche Hinweise zu den einzelnen Waldlebensraumtypen: Lebensraumtyp 9110 – Hainsimsen-Buchenwald Lebensraumtyp 9130 – Waldmeister-Buchenwald In der Regel Beeinträchtigungen dieser Lebensräume durch: • Bewirtschaftung mit zu geringen Umtriebszeiten bzw. zu geringen Zielstärken • Verschiebung des charakteristischen Baumartenspektrums mit Dominanzverlust der Rotbuche • Veränderung der Bestandesstrukturen durch übermäßige Stark- und Totholznutzung bzw. durch die Bewirtschaftung der Bestände in schematischen Schlagformen (z.B. Schirmschlagbetrieb auf großer Fläche) • Bewirtschaftung mit bestandes- und bodenschädigenden Holzernte- und Verjüngungs- methoden Bewirtschaftungsempfehlungen für diese Lebensräume: • Nutzungsverzicht auf Teilflächen • Femel- oder plenterartige Bewirtschaftung mit hohen Zieldurchmessern • Belassen von Altholzinseln • Dauerhafte Erhaltung hoher Totholz-, Biotop- und Altbaumanteile • Waldbewirtschaftung nur unter Anwendung boden- und bestandesschonender Ar- beitsverfahren und Technik Lebensraumtyp 9150 – Mitteleuropäischer Orchideen-Kalk-Buchenwald In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Veränderungen des Waldinnenklimas und der Lichtverhältnisse durch forstliche Maßnahmen können zu Konkurrenzverschiebungen in der Bodenvegetation und damit zur Beeinträchtigung der Wuchsbedingungen naturschutzfachlich wertvoller Arten führen • Bodenbearbeitungsmaßnahmen (außer motormanuelle bzw. manuelle plätzeweise) in Bereichen mit Arten der Anhänge • Holzernte und Rückung innerhalb der Vegetationsperiode (bezogen auf die Ent- wicklung der Bodenvegetation des jeweiligen Bestandes) • Gesteinsabbau • Touristische Nutzung (Klettersteige, Wanderwege) Bewirtschaftungsempfehlungen für diesen Lebensraum: • Bewirtschaftungsverzicht der wenigen Vorkommen dieses Lebensraumes • Erhalt lichter Bestockung in Bereichen mit gut ausgebildeter charakteristischer Bo- denvegetation • Einzelbaumweise bis kleinflächige Verjüngung • Ergänzungspflanzungen mit lebensraumtypischen Gehölzen Lebensraumtyp 9160 – Subatlantischer oder mitteleuropäischer Stieleichenwald oder Eichen-Hainbuchenwald Lebensraumtyp 9190 – Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen In der Regel Beeinträchtigungen dieser Lebensräume durch: • Veränderung des standorttypischen Wasserhaushalts • Verschiebung des charakteristischen Baumartenspektrums (Entmischung), insbe- sondere bei Verringerung oder Verlust der Eichenanteile • Bewirtschaftung mit zu geringen Umtriebszeiten bzw. zu geringen Zielstärken • Veränderung der Bestandesstrukturen durch übermäßige Stark- und Totholznutzung Bewirtschaftungsempfehlungen für diesen Lebensraum: • Erhalt bzw. Wiederherstellung des natürlichen Wasserregimes • Nutzungsverzicht auf Teilflächen • Entwicklung strukturierter Waldränder • Mischungsregulierung unter Wahrung eines breiten, dem Lebensraumtyp entspre- chenden Baumartenspektrums (Regulierung von Dominanzen, Förderung von Eiche) • Einzelstammweise oder femelartige Bewirtschaftung mit hohen Zieldurchmessern • Belassen von Altholzinseln Lebensraumtyp 9170 – Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Verschiebung des charakteristischen Baumartenspektrums (Entmischung), insbe- sondere bei Verringerung oder Verlust der Eichenanteile • Bewirtschaftung mit zu geringen Umtriebszeiten bzw. zu geringen Zielstärken • Veränderung der Bestandesstrukturen durch übermäßige Stark- und Totholznutzung Bewirtschaftungsempfehlungen für diesen Lebensraum: • Exemplarische Reaktivierung historischer Waldnutzungsformen (Mittelwaldwald- wirtschaft) auf geeigneten Flächen • Bewirtschaftung im Plenter- oder Femelschlagbetrieb mit hohen Umtriebszeiten und Zieldurchmessern (behutsame Einzelstammnutzung und Durchlichtung der Be- stände auf kleiner Fläche und damit Schaffung naturnaher Strukturen) • Bewirtschaftung des Hainbuchen-Ulmen-Hangwaldes entsprechend des Schutz- waldcharakters (dauerhafte Gewährleistung der Bodenschutzfunktion) Lebensraumtyp 9180* – Schlucht- und Hangmischwälder In der Regel Beeinträchtigungen dieses Lebensraumes durch: • Unangepasste Rücketechnik und Nutzungstechnologie • Verschiebung des charakteristischen Baumartenspektrums (Entmischung) • Bewirtschaftung mit zu geringen Umtriebszeiten bzw. zu geringen Zielstärken • Veränderung der Bestandesstrukturen durch übermäßige Stark- und Totholznutzung bzw. durch die Bewirtschaftung der Bestände in schematischen Schlagformen • Nutzungen, die über eine einzelstamm- oder gruppenweise Nutzung hinaus gehen Bewirtschaftungsempfehlung für diesen Lebensraum: • Aussetzen der Bewirtschaftung, insbesondere in gut ausgebildeten, kleinflächigen Schlucht- und Hangmischwäldern • Dauerhafte Erhaltung hoher Totholz-, Biotop- und Altbaumanteile
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Bund | 2 |
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Type | Count |
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Förderprogramm | 1 |
Taxon | 1 |
Text | 6 |
unbekannt | 2 |
License | Count |
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Resource type | Count |
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