Die Aufnahme von Biodiversität in unterschiedliche politische Sektoren und Ebenen ist eine zentrale Voraussetzung für eine sozial-ökologische Transformation. Um die globalen Ziele des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) zu erreichen und dessen nationale Umsetzung sicherzustellen, müssen insbesondere die indirekten Treiber des Biodiversitätsverlusts adressiert werden. Die wissenschaftliche Debatte zur Politikintegration von Biodiversität (Biodiversity Policy Integration - BPI) sieht derzeit nur eine limitierte Berücksichtigung der Biodiversität in den meisten Sektoren in Deutschland und identifiziert entsprechende Ansatzpunkte, um die BPI zu verbessern. Im vorliegenden Beitrag gehen wir der Frage nach, wie sich Biodiversitätspolitiken in unterschiedlichen Sektoren und politischen Ebenen in Deutschland weiterentwickeln müssen, um die direkten und indirekten Treiber des Biodiversitätsverlusts zu adressieren. Wir nutzen dazu Erkenntnisse aus sechs Workshops mit 137 Expertinnen und Experten zu den Themenfeldern (1) Wiederherstellung von Ökosystemen, (2) Schutzgebiete und Erhaltungszustand, (3) Klima und Biodiversität, (4) Meere und Küsten, (5) Wirtschaft und Konsum sowie (6) Bildung, Kommunikation und gesellschaftliches Bewusstsein. Anhand der drei Hebel einer gemeinsamen Planung und Vision, einer Anpassung des regulativen Rahmens sowie eines adaptiven institutionellen Lernens zeigt der Beitrag auf, wie diese Transformation im Querschnitt gelingen kann. Dabei wird klar, dass der angestoßene Prozess sein transformatives Potenzial nur entfalten kann, wenn der bestehende regulative Rahmen sowie die zu Grunde liegenden administrativen Routinen und Mandate in Frage gestellt und in Hinblick auf ihre Biodiversitätswirkung neu ausgerichtet werden.
Die Transformation von Regenwäldern zu Ölpalmen-Plantagen führt zu dramatischen Verlusten an biologischer Vielfalt und ökologischen Funktionen. Um Verbesserungsmöglichkeiten in einer Ölpalmen-Landschaft zu untersuchen, pflanzten wir Bauminseln zur Biodiversitäts-Anreicherung. Die Anpflanzungen umfassen vier Inselgrößen und sechs native Baumarten in verschiedenen Diversitätsstufen mit insgesamt 56 Experimentalflächen. Wir untersuchen (1) das Baumwachstum, (2) die pflanzliche Sukzession und (3) den Einfluss der umgebenden Landschaft. Darüber hinaus analysieren wir ökologische und ökonomische Zielkonflikte und integrieren interdisziplinäre Studien.
Die Intensivierung der Landnutzung ist ein wichtiger Faktor für den Verlust der biologischen Vielfalt in terrestrischen Ökosystemen. Studien in Graslandökosystemen haben gezeigt, dass Veränderungen im lokalen Pflanzenreichtum Effekte auf höhere trophische Ebenen, biotische Interaktionen und damit verbundene Ökosystemprozesse haben können. Einer dieser Prozesse, die Prädation auf Pflanzensamen, kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Demographie von Pflanzenarten haben und letztlich die Artenvielfalt und die Gemeinschaftsstruktur verändern. Bislang fehlt uns ein klares Verständnis, wie sich Samen-Prädation auf Veränderungen in Grasländern reagieren. Bisher waren die Fortschritte begrenzt durch die Kluft zwischen Biodiversitätsexperimenten einerseits, und reinen Beobachtungsstudien andererseits. Ein neues Grünlandexperiment zielt darauf ab, dies zu überwinden, indem es die Managementintensität einzelner Faktoren der Landnutzung experimentell erhöht oder verringert. Darüber hinaus wird der Reichtum der lokalen Pflanzenarten durch die Zugabe von Saatgut beeinflusst. Das neue Experiment dient damit als wichtige Brücke zwischen Beobachtungs- und experimentellen Grünland-Biodiversitätsstudien. In unserem Projektantrag planen wir auf allen 75 Plots des neuen Experimentes zu arbeiten. Wir werden die Beziehungen zwischen der Pflanzengemeinschaft und den bodenbewohnenden Arthropoden und dem Ökosystemprozess der Samen-Prädation als Reaktion auf Veränderungen der Landnutzungsintensität und der Vegetationsmerkmale untersuchen: (i) Untersuchung der Veränderungen der Vielfalt an Arthropodenarten und funktionellen Gruppen, der Merkmalsvielfalt und der Zusammensetzung der Gemeinschaft in allen drei Exploratorien. Dies ermöglicht es erstmals, die Auswirkungen einzelner Komponenten der Landnutzung, d.h. der Bewirtschaftung durch Mähen und Weiden sowie der Düngung, zu entflechten. (ii) Quantifizierung der Ökosystemprozessrate der Samen-Prädation und des relativen Beitrags der verschiedenen Taxa der Samenprädatoren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir ein neuartiges Feldexperiment unter realen Bedingungen durchführen, dass in das neue Grünlandexperiment im Hainich-Dün eingebettet ist.(iii) Wir werden die Ernährungspräferenzen von Samenprädatoren qualitativ und quantitativ mit zusätzlichen Messungen erfassen. Wir werden Merkmalseigenschaften der Arten wie Körpergröße und Mandibelbreite mit Hilfe neuartiger HD-Mikroskopiertechniken ermitteln. Messungen der elementaren Zusammensetzung von Konsumenten und ihren Ressourcen werden neue Erkenntnisse über Fraßinteraktionen liefern.Das Projekt wird eng mit anderen Projekten der Biodiversitäts-Exploratorien zusammenarbeiten. Insgesamt kombiniert unser neuartiger Ansatz Manipulationen von Diversität und Messungen einer Prozessrate mit reellen Formen der Landnutzung. Er wird einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Rolle der Pflanzendiversität und der Intensität der Landnutzung für die Samen-Prädation liefern.
Der Einfluss von Biodiversitätsverlust auf die Dynamiken von Nahrungsnetzen hängt von der Komplexität und Konfiguration der Nahrungsnetze, der trophischen Position der Organismen, sowie derer spezifischen Eigenschaften ab, wie zum Beispiel Konsumentenspezialisierung, Fraß- und Wachstumsraten. Funktionelle Eigenschaften von Organismen und deren gegenläufige Abhängigkeiten (trade-offs) spielen eine Schlüsselrolle für Ökosystemfunktion. Das beantragte Projekt verfolgt das Ziel, die Bedeutung von inter- und intraspezifischer Merkmalsvariabilität (trait variation) für den zeitlichen Verlauf von Biomassen und mittleren Eigenschaften in einem limnischen Modell-System mit Ciliaten als Konsumenten und Mikroalgen als Beute zu untersuchen. Wir werden insbesondere den trade-off zwischen Hungerresistenz und maximaler Fraßrate in Abhängigkeit von unterschiedlicher Ressourcenverfügbarkeit untersuchen. Hierbei konzentrieren wir uns auf zwei Typen von Hungerresistenz, die mit unterschiedlichen Konsumenteneigenschaften einhergehen, nämlich 1) die Fähigkeit den Grundmetabolismus auf Kosten der Reproduktion zu reduzieren, und 2) die Fähigkeit zusätzlich zur Phagotrophie Kohlenstoff photosynthetisch zu fixieren (Mixotrophie). Darüber hinaus wollen wir untersuchen, wie induzierbare Angriffs- und Verteidigungsstrategien (Formen von großen Morphotypen, die dann innerhalb ihrer trophischen Ebene fressen können, bzw. die fraßresistenter sind) mit diesem trade-off interagieren indem trophische Interaktionen verändert werden. Laborexperimente werden durchgeführt, in denen die inter- und intraspezifische Merkmalsvariabilität von Konsumenten in unterschiedlichen Nahrungsnetzen und bei unterschiedlicher Ressourcenverfügbarkeit (Beute und Licht) manipuliert werden. Die kontinuierliche oder gepulste Hinzugabe von Ressourcen, die zeitweise Ressourcen-Limitierung mit sich bringt, wird einen großen Einfluss auf die Biomassen und mittleren Eigenschaften der Populationen und Gemeinschaften haben. Außerdem werden die Konsequenzen dieser inter- und intraspezifischen Merkmalsvariabilität für das gegenseitige Wechselspiel zwischen Merkmals- und Biomassedynamik auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen (Klone, Arten, Gemeinschaften) in einem komplexeren System über einen längeren Zeitraum untersucht. Alle Laborexperimente werden mit mathematischer Modellierung komplementiert, welche dazu verhelfen soll, das experimentelle Design darauffolgender Experimente zu optimieren und die den beobachteten Populationsdynamiken zugrundeliegenden Mechanismen zu identifizieren. Dieser gemeinsame Ansatz wird das bestehende experimentelle und theoretische Wissen über das Wechselspiel von Biomasse- und Merkmalsdynamiken in Mehrarten-Nahrungsnetzen erheblich erweitern und wird darüber hinaus unser Verständnis über die Konsequenzen von Konsumenten-Merkmalsvariabilität (i.e. ihr adaptives Potential unter Ressourcenfluktuationen) für Ökosystemprozesse und -funktionen maßgeblich stärken.
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