Insekt des Jahres 2003 ist die Feldgrille (Grillus campestris).
[Redaktioneller Hinweis: Die folgende Beschreibung ist eine unstrukturierte Extraktion aus dem originalem PDF] Poster „Heuschrecken in Rheinland-Pfalz“ INFORMATION Heuschrecken (Saltatoria) gehören zur Klasse der Insekten und sind mit den Schaben, Ohrwürmern und den Fangheuschrecken verwandt. In Europa sind ca. 600 Arten beschrieben, von denen die meisten Arten im klimagünstigen Mittelmeerraum vorkommen. Etwa 250 Arten sind bis nach Mitteleuropa und bis zu den Britischen Inseln verbreitet. Heuschrecken werden aufgrund ihrer äußeren Merkmale in Lang- und Kurzfühlerschrecken unterschieden. Die gezeigten Heuschrecken des Posters gehören im oberen Teil den Kurzfühlerschrecken und im unteren Teil den Langfühlerheuschrecken an. Die Fühler der Langfühlerschrecken weisen mindestens die eigene Körperlänge auf oder sind sogar länger. Zu ihnen zählen Laubheuschrecken und Grillen. Kurzfühlerschrecken haben kürzere Fühler und umfassen die Familien der Dornschrecken und der Feldheuschrecken. Am Körper besitzen sie drei Paar Laufbeine und meist zwei Paar Flügel. Die Flügel können in unterschiedlichem Maße zurückgebildet sein oder fehlen. Die südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale) besitzt stark verkürzte Stummelflügel und ist flugunfähig. Als typische Art des Mittelmeeres breitet sie sich ausgehend vom Breisgau nun immer weiter in Deutschland aus. Viele Heuschreckenarten kommunizieren über Lauterzeugungen, das sogenannte Stridulieren. Bei Langfühlerschrecken werden die Vorderflügel angehoben und gegeneinander gerieben und somit ein arttypisches Geräusch erzeugt. Kurzfühlerschrecken lösen ihre Laute aus, indem die Hinterschenkel über die Flügel gestrichen werden. An den Innenseiten des Hinterschenkels befinden sich kleine Fortsätze, die an der so genannten Schrillleiste der Flügel reiben. Die einzige heimische Sattelschrecke, die westliche Steppen- Sattelschrecke (Ephippiger ephippiger), ist sehr selten. Sie benötigt trocken-heiße Lebensräume und besiedelt ausschließlich Wärmeinseln. Im Wesentlichen erstreckt sich das nur sehr kleine Verbreitungsgebiet in Deutschland auf Weinbaugebiete in Rheinland-Pfalz. Zur Geschlechtsunterscheidung ist das Hinterleibsende meist gut geeignet, die Weibchen besitzen eine Legeröhre. Bei den Langfühlerschrecken ist die Legeröhre wie im Foto der westlichen Steppen-Sattelschrecke deutlich besser zu erkennen. Die meisten Kurzfühlerschrecken sind reine Pflanzenfresser und ernähren sich hauptsächlich von Gräsern. Vor allem Laubheuschrecken bevorzugen eine Mischkost und ernähren sich dabei auch von Insekten, insbesondere von deren Larven oder von Blattläusen. Die Paarungszeit der meisten Arten fällt in den Spätsommer. Das Weibchen legt die Eier mit der Legeröhre in den Boden, in Baumrinde, Pflanzenstengel oder auf die Unterseite von Blättern. 1 Nach der Überwinterung schlüpfen im Frühjahr daraus kleine Larven, die einer fertig entwickelten Heuschrecke ähnlich sehen. In bis zu zehn Larvenstadien erfolgt die Entwicklung zum fertigen Insekt, die Flügel entwickeln sich dabei erst in den letzten Larvenstadien. Um zu wachsen müssen sich die Tiere mehrmalig häuten. Die gezeigten Heuschrecken des Posters gehören im oberen Teil den Kurzfühlerschrecken und im unteren Teil den Langfühlerheuschrecken an. Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist die einzige Vertreterin der Fangschrecken und eine aus dem südlichen Europa nach Rheinland- Pfalz eingewanderte Art, die sich immer weiter ausbreitet. Diese Art bevorzugt warme, trockene Standorte mit reichlich Insektenleben. Ihre Beute besteht aus Heuschrecken, Wespen oder Bienen, für die sie dann zur lauernden Gefahr wird. Einige wenige Heuschreckenarten fallen besonders im Flug durch ihre gefärbten Flügel ins Auge. Sonst gut getarnt, fallen die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) dann durch ihre namensgebende Blaufärbung auf. Die die Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) besitzt dagegen rosa gefärbten Hinterflügeln. Alle drei Arten besiedeln trockene und recht warme Standorte, die meistens recht wenig Vegetation aufweisen. Bei den gezeigten Feldheuschrecken ist die häufigste einheimische Art der Gemeine Grashüpfer (Chorthippus parallelus). Als einige der wenigen Arten kann sie sogar in Fettwiesen überleben. Viele andere Arten bevorzugen magere Standorte. Das grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) ist eine der größten Langfühlerschrecken. Zum Teil kann man die sonst grünen Tiere auch als einfarbig gelbe Exemplare antreffen. Sie ist eine der anpassungsfähigsten Arten. Sie tritt oftmals in recht großer Anzahl auf und ernährt sich überwiegend von Insekten. Als besonders nützlicher Gartenbewohner wurde das grüne Heupferd sogar schon beim Fressen von Larven des Kartoffelkäfers beobachtet. Eine bemerkenswerte und seltene Art ist der Warzenbeißer (Decticus verrucivorus). Als typischer Bodenbewohner auf kurzrasigen Bergwiesen sowie Feuchtwiesen und Trockenrasen ernährt sich diese ausgesprochen tagaktive Art vorwiegend von Insekten. Sowohl der deutsche als auch der wissenschaftliche Name (verruca - Warze, voro - ich fresse) stammen von der Annahme, dass das Verdauungssekret des Warzenbeißers nach einem Biss Warzen vertrocknen lassen soll. 2 Im Poster wollen wir außerdem vier Vertreter der Grillen vorstellen, die neben den Feldheuschrecken zu den Langfühlerschrecken gehören. Das fast 50 m weit hörbare Stridulieren der männlichen Feldgrille (Gryllus campestris) hat wohl fast jeder schon einmal gehört. Mit ihrer dunklen Färbung und dem gedrungenen Körper lebt diese Art in selbst gegrabenen Erdhöhlen auf trockenen und sonnigen Flächen mit niedriger Vegetation. Die im Wald im Falllaub lebende Waldgrille (Nemobius sylvestris) bevorzugt dagegen sonnige Waldränder und -lichtungen, gebüschreiche Trockenrasen und ist ein ausgesprochener Bodenbewohner. Sie ist außergewöhnlich flink und springt sehr gut. Meist sieht man sie nur schnell im Laub verschwinden. Das Weinhähnchen (Oecanthus pellucens) hält sich vor allem in höheren Stauden und in Sträuchern auf. Diese sehr schlanke Art hat wohl den schönsten Gesang der heimischen Heuschrecken. Bis vor einigen Jahren kam das wärme liebende Weinhähnchen fast nur entlang des Rheins vor, nach Norden hin etwa bis zum Rheingau. Inzwischen breitet sich die Art stark aus und findet sich in Siedlungsgebieten und Kleingärten. Die Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) lebt weitgehend unterirdisch in selbst gegrabenen Gängen und begibt sich sonst nur nachts an die Oberfläche. Das vordere Beinpaar ist zu breiten Grabschaufeln umgeformt. Sie ernährt sich von Engerlingen, Raupen und Regenwürmern und wird oftmals als Wurzelschädling angesehen und bekämpft. Unter anderem aus diesem Grund sind immer mehr Vorkommen verschwunden. Die Maulwurfsgrille betreibt intensive Brutpflege. Die 200 bis 300 Eier werden in einer speziellen Bruthöhle abgelegt und vom Grillenweibchen beschützt sowie sauber gehalten. Die Entwicklung der Larven kann im Boden bis zu 2 oder 3 Jahre dauern. Wir wünschen viel Spaß beim Erkunden der faszinierenden Welt der Heuschrecken! Literatur: Bellmann, Heiko (1985): Heuschrecken: beobachten, bestimmen. Neumann-Neudamm, Melsungen. Braun, Manfred & Ursula (2001): Musikanten des Spätsommers- Heuschrecken im Naturpark Nassau, Zweckverband Naturpark Nassau, Nassau Sechsbeiner mit Legestachel: Zur Biologie und Ökologie unserer heimischen Heuschrecken http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/insektenundspinnen/heuschrecken/01470.htm http://www.natur-in-nrw.de/HTML/Artenuebersichten/heuschrecken-uebersicht.html Sollten Sie weiteres Interesse an dieser Insektengruppe haben, empfehlen wir Ihnen die bald erscheinende Publikation: "Die Fang- und Heuschrecken von Rheinland-Pfalz" von Manfred Alban Pfeifer, Manfred Niehuis und Carsten Renker (Hrsg.) (2011). – Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 41 Wir danken den Experten der GNOR bei der Unterstützung dieses Posters. 3
Laut der Berechnung nehmen die Bestände von Gryllus campestris kurzfristig zu (Bestandsveränderung: +16 %). Aus Sicht des Autorenteams ist diese Bestandsentwicklung realistisch. So belegen mehrere Studien, dass sich die Art im Zuge des Klimawandels regional ausgebreitet hat (u.a. Pfeifer 2012, Poniatowski et al. 2018, Fumy et al. 2020, Poniatowski et al. 2020, Schuhmacher & Kelm 2021, Ogan et al. 2022). Die aktuell positive Bestandsentwicklung wirkt sich auch auf den langfristigen Bestandstrend aus: Gegenüber Maas et al. (2011) ist inzwischen von einer deutlichen Zunahme auszugehen.
13 13.1 Wandlungen des Biotopspektrums M. WALLASCHEK Für die Interpretation des Faunenwandels wie auch für die Ermittlung der Biotopbindung ist die Frage von Interesse, ob sich Veränderungen des Biotopspektrums der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im Laufe der letzten 100 bis 150 Jahre nachweisen lassen. Da aus dem Landesgebiet erst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für eine größere Zahl von Ar- ten belastbare Hinweise zum Biotopspektrum vorliegen, soll der Vergleich mit der von ZACHER (1917, 269ff.) auf das damalige Reichsgebiet bezogenen „Tabellarischen Übersicht der Vertei- lung der deutschen Geradflügler auf die ökologi- schen Formationen“ gesucht werden. Bei den meisten Arten lässt sich trotz der weit geringeren Fläche Sachsen-Anhalts gegenwär- tig ein deutlich breiteres Biotopspektrum als bei ZACHER (1917) erkennen (Tab. 10). Das dürfte in erster Linie auf einem heute weit besseren fau- nistisch-ökologischen Kenntnisstand beruhen. Erst ab einer im Vergleich zu ZACHER mehrfach größeren Zahl von Biotoptypen ließen sich sinn- volle ökologische Begründungen für die Annah- me des Übergangs in vormals nicht oder nur ausnahmsweise besiedelte Biotoptypen, also für eine Erweiterung des Biotopspektrums finden. Das betrifft dann Conocephalus fuscus (ZACHER: 2 Biotoptypen/jetzt: 10) und Chrysochraon dispar (2/14) und dürfte eine Folge des Wandels der Landschaft sein, der heute beiden gemäßigt hygrophilen Langgrasarten in einer Vielzahl von Acker-, Grünland- und Magerrasenbrachen bes- te Existenzbedingungen bietet, während sie frü- her in Folge der Nutzung auch von Grenzer- tragsstandorten sowie von Rest- und Splitterflä- chen auf nicht mehr nutzbare Feuchtflächen be- grenzt waren (WALLASCHEK 1996a). Eine Einengung des Biotopspektrums betrifft, abgesehen von ausgestorbenen Arten mit im Grunde unbekanntem früherem Biotopspektrum in Sachsen-Anhalt, Blattella germanica (3/1), Barbitistes constrictus (2/1), Gryllotalpa gryllo- talpa (10/4), Tetrix bipunctata (3/1), Calliptamus italicus (3/1), Oedipoda germanica (2/1) und Stenobothrus nigromaculatus (4/3). Allerdings beruht die Einengung bei Blattella germanica wohl auf der Verwechslung mit einer Ectobius-Art (vgl. Arttext). Über Barbitistes constrictus und Gryllotalpa gryllotalpa liegen möglicherweise nicht genügend Untersuchun- gen vor, so dass die Einengung ein Artefakt sein Zur Ökologie der Orthopteren in Sachsen-Anhalt könnte. Die letztere Art dürfte aber auf Äckern heute durch das Tiefpflügen und den Biozidein- satz kaum reale Existenzchancen besitzen. Bei den anderen Species ist die Einengung wohl ei- ne Folge der Arealrandlage ihrer Bestände im Land. Das Fehlen einiger Gebirgsmatten-Arten auf dem Brocken dürfte mit der geringen Fläche subalpiner Matten, teils auch mit dem extremen Klima zusammenhängen. Einige Arten konnten in Sachsen-Anhalt gar nicht in solchen Biotoptypen gefunden werden, denen sie von ZACHER (1917) zugeordnet wor- den sind. Mantis religiosa wurde in einen Garten eingeschleppt. Barbitistes serricauda war ZA- CHER offenbar sicher nur aus Gärten bekannt, obwohl er im Text zur Art auch Wälder nennt. Auch früher lebte Tachycines asynamorus in Gewächshäusern. Oecanthus pellucens wurde aktuell in einen Garten eingeschleppt, früher a- ber in naturnahen Lebensräumen gefunden. Insgesamt halten sich nachweisbare Wandlun- gen des Biotopspektrums der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im betrachteten Zeitraum in engen Grenzen. Der Wissenszuwachs hat jedoch zur Folge, dass heute für die meisten Biotoptypen eine weit grö- ßere Zahl von Orthopterenarten bekannt ist als zu ZACHERs Zeiten. Bemerkenswert ist die große Zahl von Arten, die in Ackerbrachen gefunden wurden. Das sollte jedoch nicht als Erweiterung des Biotopspekt- rums der betreffenden Species, sondern ledig- lich als dessen Rückgewinnung betrachtet wer- den, da die wenig gedüngten und nicht mit Bio- ziden behandelten Äcker der Dreifelderwirtschaft bzw. deren Brachen solchen Arten ebenfalls Le- bensraum geboten haben. Noch heute können Extensiv-Äcker xerophile oder mesohemerobe Arten aufweisen (WALLASCHEK 1999e: Aufnahme 4b, WALLASCHEK 2003a: Sr1b, Zg3b; Decticus verrucivorus, Platycleis albopunctata, Gryllus campestris, Chorthippus mollis). Lediglich in Bezug auf Nadelwälder ist ein Rückgang der Artenzahlen von 26 auf 23 zu verzeichnen. Zudem sind hier bei 12 Arten ZA- CHERs Zuordnungen nicht bestätigt worden. Dem könnte jedoch zugrunde liegen, dass ZA- CHER Arten zu den Nadelwäldern gerechnet hat, die hier in eingestreuten Sandtrockenrasen-, Heide- und Grünlandflecken auftreten, aber heu- te nur diesen Biotoptypen zugeordnet werden (z.B. Oedipoda caerulescens, Omocestus viridu- lus). 207 Tab. 10: Das Biotopspektrum der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im historischen Vergleich. Benennung der Biotoptypen (ökologischen Formationen) nach ZACHER (1917), nur Biotoptypen von Sachsen-Anhalt aufgeführt; ? = von ZACHER (1917) als fragliches Vorkommen im Biotoptyp bezeichnet, X = nur von ZACHER (1917) so zugeordnet, XA = ak- tuell im gleichen Biotoptyp, A = nur aktuell im Biotoptyp, (A) = hier früher in Sachsen-Anhalt nachgewiesen, * = nur in Stalldung- haufen im Biotoptyp, + = bisher nicht in reinen Laub- bzw. Nadelwäldern, kommt in Mischwäldern vor, X! = Zuordnung durch Verwechslung mit Ectobius-Art, # = Brachen. 208 A XA A XA X? XA XA XA A A A A# A# XA XXA AA AA AXA A XA A AA# XA A A XXA XA XA XA ? A# A A A A A X XA A XA XA A# A# A#XA XA A XA#XA A A A XA A X A X(A) A X X A A A A A# A A X(A) A A AA A AXA AXA A A X A XXAXA A A XA XA XA Ufer Gebirgsmatten A XA XA Moore XA A XA Salzwiesen Nadelwälder + XA + XA A XA A X! XA XA + XAXA XA XA XA XA XA XA XA A A ?A AA XA XAA XA A X X + XA XA + A + A + A ?A ? A A A A A A X A ?A A A A XA A A A A + A XA A A XA XA A X XA A A A ? X ? XA XA A XA A X A XA A XA + A XXA XAA XAXAXAXAA AA A A X A XA XA A A X XA A A A A A A A A XA A A X! X XA X ?A X XA AA A XA A XA XA A ? A XA XA A ? XA XA A A A A XA XA XA XA AXA* X A A XA XA A XA A A A XA A A XA Laubwälder XA Heiden Sandfelder XAWiesen A XA ? X XA BinnendünenXA Weinberge A* Sonnige Hügel Äcker XAAuenwälder XA Ruderalstellen Dermaptera L. minor L. riparia C. guentheri A. media F. auricularia Mantodea M. religiosa Blattoptera B. craniifer P. surinamensis B. orientalis P. americana P. australasiae B. germanica S. longipalpa E. sylvestris E. lapponicus P. maculata Ensifera P. falcata L. albovittata L. punctatissima I. kraussii B. serricauda B. constrictus M. thalassinum C. fuscus C. dorsalis T. viridissima T. cantans T. caudata D. verrucivorus G. glabra P. albopunctata M. brachyptera M. bicolor M. roeselii P. griseoaptera T. asynamorus G. bimaculatus G. campestris A. domesticus N. sylvestris O. pellucens M. acervorum G. gryllotalpa Caelifera T. subulata T. ceperoi T. undulata T. tenuicornis T. bipunctata C. italicus A. aegyptium P. pedestris L. migratoria P. stridulus O. caerulescens Gärten Häuser Taxon X X XA A X XAXA XA A AA A A A X X (A) XXX(A)X XXXXX X AAA#AXAXAXAXA X (A) (A) (A) A X A A A A# A# A A A# Ufer Gebirgsmatten Moore Salzwiesen X A A X A# A# A# Wiesen XA Auenwälder A Nadelwälder Heiden XA Laubwälder Sandfelder Weinberge Sonnige Hügel Äcker Ruderalstellen XA A Binnendünen O. germanica S. caerulans S. grossum C. dispar E. brachyptera O. viridulus O. haemorrhoidalis S. lineatus S. nigromaculatus S. crassipes S. stigmaticus G. sibiricus G. rufus M. maculatus C. albomarginatus C. dorsatus C. montanus C. parallelus C. apricarius C. vagans C. biguttulus C. brunneus C. mollis Gärten Häuser Taxon A XA XA XA A XA A A A A XA A AA A A A XA XA AA X A + A X X A + AXA X AX (A) AA A AA# A# A# A#XA XA A AA X A A AA XAA# XA#A AXA A AXA# A# A#A XA A XA A AXA AXA XA XAXA A A A AAXA A AXA A AXA XA XA XA A AA A XA XA A A So schreibt ZACHER (1917, 33) zum Vorkommen von Orthopterenarten in Wäldern: „Arm an Or- thopteren sind ferner die Wälder, besonders die Laubwälder, in denen sich neben Ohrwürmern und Schaben nur die Waldgrille (Nemobius syl- vestris L) findet und die trockenen Kiefernwäl- der, solange die Kronen dicht aneinander schließen und die Grasnarbe fast völlig fehlt. In diesen fand ich nur Tettix-Arten. Ist dagegen die Grasnarbe reicher entwickelt, ist z. B. ein reicher Bestand an Aira flexuosa vorhanden, so finden sich Stenobothrus lineatus PZ., Stauroderus- und Chorthippus-Arten ein. Auf Heidestellen in Kiefernwäldern finden sich Stenobothrus nigro- maculatus H.-S., stigmaticus RMB. und lineatus PZ., Tettix subulatus L., wenn sie ausgedehnter sind, auch Oedipoda coerulescens L. und viel- leicht Bryodema tuberculatum F. und Sphingo- notus cyanopterus CHP. Waldwege und Schnei- sen bevorzugt in Norddeutschland Podisma pe- destre L., die weiter südlich nur im Gebirge auf- tritt, sowie Stauroderus pullus PHIL.“ Angesichts des hier genannten Artenspektrums stellt sich aber doch die Frage, ob nicht Wälder, insbeson- dere Kiefernwälder, zu ZACHERs Zeiten wesent- lich größere offene, mit Heide und Trockenrasen bewachsene Stellen oder öfters fließende Gren- zen zwischen Wald und Offenland aufwiesen als heute (WALLASCHEK 2001a). Mehrere Untersuchungen in Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass Grasland- und Heidefle- cken in lichten Wäldern und auf Waldblößen durchaus auch heute Orthopterenarten des Of- fenlandes beherbergen und fließende Wald- + XA XA A AXA XA AA A XA A AXA XA A A XA A XA XA XA A XA X XA A XA XA A XA XA A A X XA X(A) XA (A) A XA XA A XA XAXA XA A XA A XA A AXA A A X X A A XA XA A XAXA X A AA A XA XA XA A A A XA A A Grasland-Grenzen deren Vorkommen begünsti- gen. So konnten in der Glücksburger Heide auf ei- nem unbefestigten, teils mit Sandmagerrasen bedeckten Weg durch einen Kiefernforst Platyc- leis albopunctata, Oedipoda caerulescens, O- mocestus haemorrhoidalis, Stenobothrus linea- tus, Myrmeleotettix maculatus und Chorthippus parallelus nachgewiesen werden (WALLASCHEK 1997c). Im NSG „Colbitzer Lindenwald“ fanden sich in einem mit Trockenrasen durchsetzten Teil des Lindenwaldes neben Waldorthopteren auch Stenobothrus lineatus, Chorthippus biguttulus und C. brunneus. In einer schmalen Laubwald- Schlagflur im Beetzendorfschen Forst lebten Chrysochraon dispar, Chorthippus parallelus und C. mollis. In einer an Grasland grenzenden Calluna-Heide in einem lichten Eichen- Hainbuchenwald bei Othal kamen Metrioptera roeselii, Stenobothrus lineatus, S. stigmaticus, Chorthippus parallelus, C. biguttulus und C. brunneus vor (WALLASCHEK 2001a). Andererseits ist wohl Chorthippus vagans im NSG „Steinklöbe“ ausgestorben, weil inzwischen ein dichter Waldmantel den Magerrasen vom Ei- chentrockenwald trennt, sich die Grasnarbe durch die Sukzession in beiden Biotoptypen verdichtete und offenbar auch das Kronendach der Eichen geschlossener ist als früher (SCHIEMENZ 1965, WALLASCHEK unveröff.). Es darf nicht vergessen werden, dass die aktuelle Zuordnung von Arten in Laub- oder Nadelwälder 209
15 15.1 Nutzwirkungen M. WALLASCHEK Zur Wahl des optimalen Standortes für einen Betrieb, die eine Entscheidung mit langfristiger und damit schwerwiegender Wirkung ist, können sogenannte Standortfaktoren herangezogen werden. Für die Gründung von Niederlassungen oder Zweigwerken spielt es eine wichtige Rolle, ob genügend qualifizierte Mitarbeiter bereits vorhanden oder aber bereit sind, an dem in Aussicht genommenen Ort ihren Arbeitsplatz und Wohnsitz zu nehmen. Dafür ist die Lebens- qualität eines Standortes von wesentlicher Be- deutung, darunter die Palette der Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung (SCHNECK 2000, WÖHE 1990). Letztere hängt eng mit der Ausstattung an Grünanlagen, Parks, Gewässern oder Wäl- dern, also mit dem natürlichen oder als natürlich empfundenen Reichtum an Biotoptypen und de- ren Lebewelt zusammen. Dazu gehört auch der Reichtum an Orthopteren, der das Landschaftsbild beeinflusst, Beiträge zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur- haushalts sowie zur Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzbarkeit der Naturgüter erbringt und über den Einsatz in Naturschutz, Land- schaftsplanung und Umweltbeobachtung Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität des Men- schen bereithält (vgl. Kap. 14.1). Zudem können einige heimische Orthopterenarten spezielle Nutzleistungen erbringen. Nach CAUSSANEL & ALBOUY (1991) ist der Sand- Ohrwurm eine Art, die sich sehr gut für die bio- logische Schädlingsbekämpfung eignet, weil er in einem weiten Beutespektrum aktiv ist, mehr Schadorganismen tötet als er frisst, sich als ef- fektiv bei der Bekämpfung von Raupen in Ge- treide und Baumwolle erwiesen hat und im La- bor leicht nachgezogen werden kann. Vom Gemeinen Ohrwurm und vom Gebüsch- Ohrwurm ist bekannt, dass zu ihrer bevorzugten Beute Blattläuse (Aphidina) gehören, zu deren Kontrolle, etwa an Äpfeln, Pflaumen, Hopfen und Weizen, sie durchaus etwas beitragen kön- nen (CAUSSANEL & ALBOUY 1991, HARZ 1957, MATZKE 2002, ZACHER 1917). Das hat sich bereits in Ratgebern für Hobby- gärtner niedergeschlagen (z.B. Flora 1989, KREUTER 1989, RICHBERG 1998). Allerdings wer- den meist lediglich für die Nutzung der ersten Art Hinweise gegeben (aufhängen mit Holzwolle gefüllter Blumentöpfe an von Blattläusen befal- lene Obstbäume). Der Gebüsch-Ohrwurm wird sich vor allem in Gärten ansiedeln und der Blatt- Orthopteren in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen lausjagd nachgehen, die reich mit Bäumen, Sträuchern, Lianen und Stauden ausgestattet sind und in denen auf Pestizide weitgehend ver- zichtet wird. Unter den Langfühlerschreckenarten sind einige, die ebenfalls mit der Vertilgung von Blattläusen und anderen Schadinsekten in Zusammenhang gebracht werden. Es handelt sich um die zoophagen Arten Gemeine Eichenschrecke, Grünes Heupferd, Zwitscherschrecke und Östli- ches Heupferd. Zumindest die ersten beiden sind in Gärten und Parks nicht selten anzutref- fen und sollten auch wegen ihres Nutzens für den Kleingärtner geduldet werden. Im Nahrungsspektrum einer Reihe pantophager Langfühlerschreckenarten sind ebenfalls Orga- nismen enthalten, die Schadwirkungen entfalten können. Da es sich aber zumeist um Bewohner naturnaher Lebensräume handelt, entspringen dem keine direkten wirtschaftlichen Vorteile. Ausnahmen bilden die Gewächshausschrecke und die Maulwurfsgrille; in Kulturen wird jedoch der Nutzen durch ihre Schadwirkungen zunichte (BEIER 1955, HARZ 1957, INGRISCH & KÖHLER 1998). Nicht unbedeutend ist die Verwendung von Schaben und Heuschrecken, wie z.B. Amerika- nische Schabe, Heimchen und Mittelmeer- Feldgrille, als Versuchs- und Futtertiere in der biologischen, medizinischen und pharmazeuti- schen Forschung. Auch in der Haltung von Heimtieren wie Reptilien und Vögeln gehören Schaben und Heuschrecken zum Spektrum der Futtertiere. Außerdem sind besonders Grillen beliebte Terrarientiere. Am Rande sei noch die Verwendung von Schaben, Fang-, Langfühler- und Kurzfühlerschrecken als äußerst vitamin- und proteinreiche Nahrung sowie in der Volks- medizin erwähnt. Orthopteren fanden in der Religion (mehrmalige Nennung von Heuschrecken in der Bibel; Pre- digten und Prozesse gegen Wanderheuschre- cken), im Kult (als Symbole für Vernichtung in Sumer und Ägypten), in der darstellenden Kunst (Heuschrecken als altpaläolithische Ritzzeich- nung auf Knochen, auf antiken und deutschen Münzen, altchinesischen und Renaissance- Bildern), in der Musik (MOHR) und Dichtung (so bei HOMER, SACHS, LESSING, RÜCKERT, DISTELLI, KELLER, DICKENS, RINGELNATZ, CLAUDIUS, BON- SELS), im Kunsthandwerk (Heuschrecken auf Porzellan) sowie in der Unterhaltung (Käfige mit Heuschrecken-Männchen in China, Italien und Deutschland, Grashüpfer Flip im Trickfilm „Die Biene Maja“) Verwendung. 245 Auch im Sprachgebrauch (z.B. „Graoshuppr“ für Grashüpfer im Raum Magdeburg) und im Volks- glauben (z.B. zirpendes Heimchen – Todesfall im Haus) spielen Orthopteren eine Rolle. Ausführliche Darstellungen der genannten The- men mit Verweisen auf weiterführende Literatur liefern SCHIMITSCHEK (1968) und auf das Lan- desgebiet bezogen WEIDNER (1938a, 1940), in der neueren Literatur DETZEL (1998) und KÖH- LER (2001). 15.2 Schadwirkungen M. WALLASCHEK & U. MIELKE „Gleichwie sich die Morgenröte ausbreitet über die Berge, kommt ein großes und mächtiges Volk, ... Vor ihm her geht ein verzehrend Feuer und nach ihm eine brennende Flamme. Das Land ist vor ihm wie ein Lustgarten, aber nach ihm wie eine wüste Einöde, und niemand wird ihm entgehen.“ (JOEL 2, Die Heilige Schrift 1957) An den Wanderheuschrecken, denn von ihnen ist hier bild- und wortgewaltig die Rede, wird die Ambivalenz von Schaden und Nutzen sichtbar. Sie bedeuten für sesshafte Ackerbauern in den betroffenen Ländern, wie auch früher in Mittel- deutschland (VATER 1994), Verheerung der Saa- ten, Teuerung und Hungersnöte. Nomaden kön- nen Wanderheuschrecken hingegen auch heute noch recht effektiv als Nahrung nutzen (SCHI- MITSCHEK 1968). Der Mensch musste von dem Moment an, in welchem er sesshaft wurde, mit einer Vielzahl von zusätzlichen Tierarten, nicht nur mit dem Körperungeziefer, um die Erhaltung der Früchte seiner Arbeit – Nahrung, Kleidung, Behausung, Vorräte – kämpfen. Die Härte dieses Kampfes kommt wohl in dem biblischen Zitat zum Ausdruck, und er ist heute nicht beendet, auch wenn es in den westlichen Industrieländern vielen so scheinen mag und die Begriffe „Schädling“ und „Nützling“ manchem aus ethischen, naturschutzfachlichen oder öko- logischen Gründen antiquiert oder sogar falsch erscheinen. Im Folgenden werden die Bereiche näher be- leuchtet, in denen heimische Orthopterenarten als Schädlinge wirksam werden können. Ziel ist es, ihr Schadenspotenzial für die menschliche Gesundheit, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau in Sachsen-Anhalt abzuschät- zen. Die Angaben folgen Anonymus (1983), BEIER (1955, 1959, 1961), ENGELBRECHT (1989), FROMMER & MIELKE (1998/99), HARZ (1957), INGRISCH & KÖHLER (1998), KEILBACH (1966), KEMPER (1950), KÖHLER & AßHOFF (2002), MIEL- KE (2000b), OCKERT (briefl. Mitt.), POSPISCHIL (2004), SCHWENKE (1972), SOMMER (1986), STEINBRINK (1989), VATER et al. (1992), VATER 246 (briefl. Mitt.), WEIDNER (1938a, 1972), WEYER & ZUMPT (1952) und ZACHER (1917). Gesundheitsschädlinge Die synanthropen Schabenarten erlangen vor al- lem als fakultative Überträger von Krankheitser- regern Bedeutung. Sie streuen mit ihren Exkre- menten oder durch Erbrechen des Vormagenin- haltes pathogene Mikroorganismen aus (azyk- lisch-exkretorische Übertragung) oder tragen sie auf ihrem Körper mit sich und können sie auf Speisen und Gegenständen ablagern, womit diese zu Kettengliedern von Infektketten werden (azyklisch-taktile Übertragung). An Schaben wurden Viren wie das Poliomyelitis- Virus, kokkenförmige Bakterien wie Staphylo- coccus aureus, Streptococcus spec. und Sarci- na spec., stäbchenförmige Bakterien wie Bacil- lus subtilis, Pseudomonas aeruginosa, Escheri- chia coli, Salmonella enteritidis, Proteus spec. und Serratia marcescens sowie humanpathoge- ne und toxinbildende Pilze festgestellt. Die Ei- tererreger unter ihnen verursachen in Kranken- häusern Wundinfektionen (nosokomiale Infekti- onen oder infektiöser Hospitalismus). Salmonel- la-enteritidis-Infektionen nehmen seit Mitte der 80iger Jahre in Deutschland und weltweit stark zu. Die Beladung mit Keimen erfolgt bei den ausge- dehnten Streifzügen an Unrat, infektiösem Mate- rial, Eiter, Sputum, Wundsekreten, Sterilmaterial oder Lebensmitteln, die in wechselnder Reihen- folge aufgesucht werden. Einige Keimarten kön- nen sich im Schabendarm vermehren und wer- den wochenlang ausgeschieden. Durch Fraß anderer Schaben an diesen Ausscheidungen oder an erbrochenem Vormageninhalt und Kör- perkontakt kommt es zur Ausbreitung der Keime in der ganzen Population. Prinzipiell kommt das Heimchen ebenfalls als Überträger von Krankheitserregern in Betracht. Durch die in Häusern meist kopfarmen Bestän- de, die relativ niedrige Aktivität und den verhält- nismäßig geringen Aktionsradius ist es aber we- niger gefährlich als die synanthropen Schaben. Auf Mülldeponien und Komposthaufen halten sich mitunter große Populationen, die im Herbst zumindest teilweise in umliegende Gebäude abwandern, wobei ebenfalls eine Verschleppung von Keimen erfolgen kann. Auch dem Gemeinen Ohrwurm wird nachgesagt, als Überträger von Krankheitserregern zu wirken, wenn er in Vor- ratsräume eindringt. Die Bedeutung der synanthropen Schaben als Allergieerreger wird immer noch unterschätzt. Immerhin reagieren 70 % der allergieempfindli- chen Menschen positiv auf ein von Schaben ausgeschiedenes Allergen. Stellenweise über- treffen Schaben in ihrer allergenen Potenz die Hausstaubmilben beim Zustandekommen von Hausstauballergien. Möglicherweise spielen a- ber auch durch Schaben vermittelte Infektketten eine ursächliche Rolle bei der Auslösung von Al- lergien. Laboranten können gegenüber Heu- schrecken Idiosynkrasie entwickeln. Die nächtlich, z.T. unangenehm riechenden, schnell und unberechenbar mit raschelndem Geräusch umherhuschenden synanthropen Schaben rufen bei vielen Menschen ein starkes Ekelgefühl hervor. Zudem überträgt sich der aus Stinkdrüsen herrührende unangenehm faulig- süßliche Geruch auf Materialien, wie z.B. Le- bensmittel. Sie sind also Lästlinge. In dieser Hinsicht ebenfalls zu erwähnen sind das Heimchen und der Gemeine Ohrwurm, die bei vielen Menschen Ekelgefühle auslösen. Be- sonders lästig wird die erste Art durch ihr uner- müdliches nächtliches Zirpen, die zweite, wenn sie nicht selten in großer Zahl in Wintergärten, Veranden, Zelte, Ferienhäuschen und Parterre- wohnungen eindringt. In seltenen Fällen hat man die ansonsten frei le- bende Gemeine Waldschabe als Eindringling in Waldhäusern festgestellt, darunter im Mai 2000 in einem Krankenhaus bei Magdeburg. Dieser in Bezug auf das betroffene Objekt hygienisch be- denkliche Befall musste durch einen Schäd- lingsbekämpfungsbetrieb getilgt werden. Natürlich können auch Heuschreckenarten wie die Gemeine Eichenschrecke und das Grüne Heupferd, wenn sie in Häuser einfliegen, Ekel und Abscheu auslösen. Es ist nicht ausgeschlossen und in früheren Zei- ten vielleicht auch nicht so selten vorgekommen, dass sich Ohrwürmer in das Ohr im Gras oder Heu liegender Menschen verirren. In das Mär- chenreich gehört es aber, dass sie das Trom- melfell durchbeißen und im Gehirn ihre Eier ab- legen. Noch im 19. Jahrhundert wurden sie übri- gens als Mittel gegen Taubheit empfohlen. Wer- den Ohrwürmer ergriffen, versuchen sie sich al- lerdings durch Kneifen mit den Zangen zu weh- ren, ein Versuch, der beim Menschen nicht zu Verletzungen führt, bei schreckhaften Zeitge- nossen aber wohl doch nicht erfolglos bleibt. Synanthrope Schaben können direkte Schäden durch Eindringen in Körperhöhlen und Benagen der Haut verursachen. Die großen Laubheuschrecken - Heupferde, Warzenbeißer und Heideschrecke - wissen sich durch Beißen zu wehren, wobei sie durchaus blutende Wunden erzeugen können. Der Lege- bohrer der Weibchen von Langfühlerschrecken dient aber nicht als Waffe. Es ist erwähnenswert, dass die Orientalische Schabe und das Heimchen als Gegenstand des sogenannten Ungezieferwahns (Dermatozoen- wahn) in Sachsen-Anhalt festgestellt worden sind. Dabei vermeint der Betroffene Befall durch das Getier auf der Haut oder in seiner Wohnung zu spüren. Schädlinge der Haus- und Nutztiere Der Gemeine Ohrwurm wird hin und wieder in Bienenstöcken angetroffen, wobei jedoch eine Schädigung der Bewohner durch das Tier noch nicht beobachtet worden ist. Für Ratten- und Mäusehaltungen in For- schungseinrichtungen, aber auch angesichts des Interesses, das diese Tiere bei Liebhabern finden, ist es von Bedeutung, dass die Deut- sche, die Orientalische, die Amerikanische und die Australische Schabe als Zwischenwirte des Rundwurms (Nematoda) Gongylonema ne- oplasticum (syn. G. neoplastica) fungieren, der in Nagetieren bösartige Geschwülste (Spiropte- ra-Karzinom) hervorrufen kann. Der Rundwurm siedelt sich in der Muskulatur der Blattopteren an und wird von Ratten und Mäusen aufge- nommen, wenn diese eine Schabe verzehren. Immerhin ist zu bedenken, dass in nicht wenigen Forschungseinrichtungen, insbesondere an Uni- versitäten, als Versuchstiere sowohl Nager als auch Schaben gehalten werden, wobei sie er- fahrungsgemäß nicht selten entweichen. Die genannten Schabenarten spielen für einen weiteren Nematoden, nämlich Spirocerca lupi (syn. S. sanguinolenta), ebenfalls die Rolle ei- nes Zwischenwirtes. Im Hund als Endwirt findet sich der Rundwurm in der Wand der Speiseröh- re, des Magens und der Aorta, wo er die Bildung von Geschwülsten auslösen kann. Gongylonema pulchrum ist ein weiterer Nema- tode, der möglicherweise die Deutsche Schabe als Zwischenwirt nutzt. Der Wurm parasitiert in den Endwirten Schaf, Ziege, Rind und Schwein, selten auch im Menschen. Es ist bekannt, dass auch in Viehställen gegen Schaben vorgegan- gen werden muss. Vor allem in Übersee treten die Rundwürmer Tetrameres americana und Oxyspirura mansoni parasitisch im Haushuhn und im Truthahn auf. Zwischenwirte sind u.a. die Deutsche Schabe bzw. die Surinamschabe. Pflanzenschädlinge In Gärten, Gärtnereien und Gewächshäusern richtet der Gemeine Ohrwurm manchmal durch Zerstören von Blüten, Knospen und Blättern von Zierpflanzen (Chrysanthemen, Dahlien, Glyzi- nien, Nelken, Zinnia) oder Gemüsepflanzen (Kohl, Blumenkohl, Rhabarber, Salat, Zwiebel), durch Anfressen von Früchten (Tomate, Erdbee- re) oder Wurzeln (Möhre, Sellerie, Kartoffel) so- wie Benagen von Blüten und Früchten von Obstbäumen (Pflaume, Pfirsich, Aprikose, Birne, Apfel) Schaden an. Ferner kann er die Maisern- te durch Befressen der Stempel sowie die Boh- nen- und Erbsenernte durch den Verzehr der halbreifen Samen beeinträchtigen. Zudem soll ihm Bedeutung bei der Übertragung von Fäul- niserregern des Obstes und von Brandpilzspo- ren (Ustilago zeae) zukommen. Einmal hat er 247
14 Orthopteren im Naturschutz M. WALLASCHEK 14.1 Naturschutz und Naturschutzrecht In einem weiten Sinn umfasst Naturschutz die Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der natürlichen Lebensgrundlagen, in einem engeren Sinn die Gesamtheit der Maß- nahmen zum Schutz seltener und bestandsbe- drohter Arten (Artenschutz), seltener und ge- fährdeter Lebensräume und ihrer Lebensge- meinschaften (Biotopschutz) sowie für die Erho- lung wertvoller Landschaften (Landschafts- schutz). Naturschutz ist keine Naturwissen- schaft, sondern ein Politikfeld und eine ange- wandte Forschungsdisziplin, da er auf Wertent- scheidungen beruht. Er nutzt aber wissenschaft- liche Methoden und Erkenntnisse für die Formu- lierung, Umsetzung und Kontrolle seiner Ziele (DIERßEN 1990, JESSEL & TOBIAS 2002, SCHAE- FER & TISCHLER 1983, SEDLAG & WEINERT 1987, WEGENER 1998). Die Orthopteren können sowohl Gegenstand des Arten-, Biotop- und Landschaftsschutzes als auch Mittel sein, allgemeine Ziele des Natur- schutzes zu definieren und zu verwirklichen. Un- ter dem ersten Gesichtspunkt ist darauf hinzu- weisen, dass die heimischen Geradflüglerarten nach § 1 BNatSchG (2002) als Teil von Natur und Landschaft allein schon auf Grund ihres ei- genen Wertes zu schützen sind. Darüber hinaus leisten sie im Sinne des Geset- zes wesentliche Beiträge zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie zur Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutz- barkeit der Naturgüter. Zeugnis davon legen z.B. die Rolle von Chelidurella guentheri als wichtige pantophage Tierart im Hainsimsen-Buchenwald des Solling, die Nutzung von ca. 10 % der Pri- märproduktion europäischer Rasenökosysteme durch phytophage Acrididae, die Bedeutung von Orthopteren als Beute und Wirte sowie die Wir- kung zoophager Orthopteren ab (ELLENBERG et al. 1986, HARZ 1957, INGRISCH & KÖHLER 1998, MATZKE 2002). Bisher wenig beachtet wird, dass Orthopteren die Schutzgüter Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie Erholungswert von Natur und Landschaft wesentlich beeinflussen können. Jedem Wande- rer wird die Veränderung des Klangbildes der sommerlichen Landschaft auffallen, wenn er aus der Stadt in ein Wiesental eintritt – dort Straßen- lärm, hier ein Hauch von Süden im Zirpen der Grashüpfer. Wer Heidelandschaften mit und oh- ne die Gesänge von Feldgrille, Warzenbeißer oder Heideschrecke kennengelernt hat, wird de- ren Anwesenheit zu schätzen wissen. Die Landschaftsplanung ist die Fachplanung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Sie hat deren Erfordernisse und Maßnahmen für den jeweiligen Planungsraum darzustellen und zu begründen (§ 13 BNatSchG 2002, JESSEL & TOBIAS 2002, SPITZER 1995). Da Orthopterenarten wesentliche Funktionen in den von ihnen besiedelten Ökosystemen erfül- len, viele von ihnen gut bekannte spezifische e- xistenz- und ausbreitungsökologische Ansprü- che stellen und das Landschaftsbild beeinflus- sen sowie effektiv erfasst und meist schon im Gelände determiniert werden können, eignen sie sich als Mittel der Landschaftsplanung. Sie liefern eine Reihe von Indikatoren, an denen der Ist-Zustand eines Planungsraumes, bezogen auf die Planungsaufgabe, dargestellt werden kann, die weiter die Bewertung des Planungs- raumes, die Formulierung von naturschutzfachli- chen Entwicklungszielen oder Leitbildern, die Aufstellung von Wirkungsprognosen oder die Beurteilung der Schutzwürdigkeit, die Ableitung von Maßnahmen oder Empfehlungen sowie Nachkontrollen ermöglichen. Dazu gehören z.B. zoogeographische Indikato- ren wie Anwesenheit und Häufigkeit expansiver oder regressiver Arten, autökologische Indikato- ren wie das Vorkommen stenotoper Arten, zoo- zönologische Kriterien wie die Vollständigkeit charakteristischer Artengruppen oder natur- schutzfachliche Kriterien wie die Zahl von Rote- Liste-Arten. Solche Indikatoren dürften auch für die neu ins Gesetz aufgenommene Umweltbeo- bachtung (§ 12 BNatSchG 2002) nützlich sein. Die Möglichkeiten zur Bewertung von sachsen- anhaltinischen Orthopterenlebensräumen mit Hilfe solcher Indikatoren hat WALLASCHEK (1996a) aufgezeigt. Im Folgenden wird der konkrete Beitrag der bis- her erarbeiteten Kenntnisse über die Orthopte- ren Sachsen-Anhalts zum Arten-, Biotop- und Landschaftsschutz des Landes dargelegt. 14.2 Artenschutz 14.2.1 Verantwortlichkeit Sachsen-Anhalts für den Erhalt von Orthopterenarten Deutschland trägt für die Erhaltung einer Reihe von Heuschreckenarten Verantwortung, weil be- deutende Teile ihrer Areale bzw. ihrer Weltbe- stände oder isolierte Vorposten im Bundesgebiet liegen bzw. die Bestände in weiten Teilen des Areals gefährdet sind. Dabei werden die Katego- 231 rien „!! in besonderem Maße verantwortlich“, „(!!) in besonderem Maße für Vorposten verantwort- lich“ und „! stark verantwortlich“ unterschieden (MAAS et al. 2002). In den anderen Orthopteren- taxa wurde von uns nach Arten gesucht, welche die maßgeblichen Kriterien erfüllen. Diese Arten sind zugleich als zoogeographisch bedeutsame Arten aufzufassen (vgl. Kap. 14.2.2). Weil Naturschutz in Deutschland Ländersache ist, geht die Verantwortung auf die Bundeslän- der über, die Bestände dieser Species auf dem Landesgebiet besitzen. Daher wird hier die Verbreitung der entsprechenden in Sachsen- Anhalt vorkommenden Arten nochmals kurz be- schrieben (vgl. Kap. 7 bis 11). !! in besonderem Maße verantwortlich Deutschland ist lediglich für eine Art in besonde- rem Maße verantwortlich, und zwar für Isophya kraussii, da sich mehr als ein Drittel des Ge- samtareals und das Arealzentrum in Deutsch- land befinden (MAAS et al. 2002). Ihre Bestände liegen in Sachsen-Anhalt am Nordrand des Are- als. Sie kommt hier sehr wenig verbreitet und mit stationärer Arealdynamik im Harz, auf den nördlichen Randplatten des Thüringer Beckens sowie im Leipziger Land vor. Ein alter Fundort liegt nördlich von Magdeburg. (!!) in besonderem Maße für Vorposten ver- antwortlich Deutschland ist für die Erhaltung der Vorposten von acht Heuschreckenarten in besonderem Maße verantwortlich (MAAS et al. 2002). In Sachsen-Anhalt besitzen oder besaßen Gampsocleis glabra, Podisma pedestris und Stenobothrus crassipes reliktäre Vorposten, die mindestens 100 km von der nächst gelegenen Population entfernt liegen. Gampsocleis glabra verfügt im Land Schollene über zwei räumlich getrennte Bestände, die zu den größten in Mitteleuropa verbliebenen gehö- ren, wobei jedoch der Fortbestand allein der mi- litärischen Nutzung der Lebensräume geschul- det ist. Der letzte Nachweis von Podisma pe- destris reicht in das Jahr 1947 zurück. Alle bis- herigen Fundortangaben stammen aus dem Harz. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass noch Bestände existieren. Die Vorkommen von Stenobothrus crassipes im sachsen- anhaltinischen Teil des Kyffhäusers bei Kelbra sind als nordöstliche Ausläufer der Thüringer Exklave zu betrachten (KÖHLER 2001). ! stark verantwortlich Bei Chelidurella guentheri, Barbitistes serricau- da und Nemobius sylvestris umfasst der in Deutschland liegende Arealteil zwischen einem Zehntel und einem Drittel des Gesamtareals. Außerdem befinden sich hier Verbreitungs- schwerpunkte aller drei Arten (MAAS et al. 2002). 232 Chelidurella guentheri ist wohl überall in den Waldlandschaften Sachsen-Anhalts zu finden. Die Vorkommen von Barbitistes serricauda be- finden sich in Sachsen-Anhalt an der nördlichen Arealgrenze. Besiedelt wird das Saale-Unstrut- Gebiet und der Harz. Ein alter Fundort liegt im Östlichen Harzvorland in Halle (Saale). Ange- sichts der geringen Fundortzahl, der aktuellen Funde in Niedersachsen und eines alten Fundes in Brandenburg kann nicht ausgeschlossen wer- den, dass die Art in Sachsen-Anhalt bisher an nicht wenigen Stellen übersehen worden ist. Die Bestände von Nemobius sylvestris liegen in Sachsen-Anhalt an der nördlichen Arealgrenze. Die Art besiedelt den Saale-Unstrut-Raum rela- tiv geschlossen. Sie besitzt im Fläming und im Elbe-Mulde-Tiefland Exklaven. 14.2.2 Zoogeographisch bedeutsame Arten Entsprechend der in Kap. 5.3 aufgestellten Krite- rien werden in Tab. 22 unter Bezug auf die Er- gebnisse in Kap. 12 die zoogeographisch be- deutsamen Orthopterenarten Sachsen-Anhalts zusammengestellt. Dabei kann es zu Mehrfach- nennungen von Arten kommen. Aus Tab. 22 geht hervor, dass ein beachtlicher Teil der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts al- lein schon aus zoogeographischen Gründen für den Naturschutz interessant ist. Dabei betrifft das nicht allein aus seiner Sicht negative Ten- denzen wie Bestandsrückgänge, Verluste von Teilen der Areale oder sogar Verluste von Arten, sondern ebenso auch Zugewinne an Beständen und Arealflächen oder die Tatsache, dass be- deutende Teile der deutschen Bestände einiger Orthopterenarten auf dem Landesgebiet liegen (pleistodemische Arten). Aus Letzterem ergeben sich für den sachsen- anhaltinischen Naturschutz besondere Aufgaben im Rahmen des Bundesgebietes, also eine Er- weiterung der in Kap. 14.2.1 beschriebenen Verantwortlichkeiten. Hinzuweisen ist darauf, dass sich unter den bis- her in Sachsen-Anhalt registrierten 13 sy- nanthropen Orthopterenarten mit Labia minor, Mantis religiosa, Blatta orientalis, Blattella ger- manica und Acheta domesticus immerhin fünf Arten befinden, denen der Aufenthalt im Freiland teils dauerhaft, teils zumindest zeitweise möglich ist. Eine Lösung von der Anthropozönose würde sie ebenfalls als zoogeographisch bedeutsam erscheinen lassen. Das scheint vor allem bei Mantis religiosa nicht völlig unmöglich zu sein, geht sie doch in Frank- reich bis zum 50°, in Osteuropa bis zum 53° Breitengrad. Das Mitteldeutsche Trockengebiet und der Saale-Unstrut-Raum liegen aber zwi- schen 51° und 52° nördlicher Breite. Außerdem besitzt sie in Berlin eine Exklave. Tab. 22: Zoogeographisch bedeutsame Arten in Sachsen-Anhalt (exkl. synanthrope). Alle Angaben mit Ausnahme pleistodemischer Arten auf das Landesgebiet von Sachsen-Anhalt und das Jüngere Subatlantikum bezogen; Arten alphabetisch geordnet. Kriterium (Artenzahl) Arten an der Arealgrenze (12) Arten am Arealrand (8) Arten in Exklaven (12) Erloschene Arten (4) Arten mit expansiver Are- aldynamik (5; lokal: 5) Arten mit regressiver A- realdynamik (3; lokal: 14) Pleistodemische Arten (Areal: 1; Deutschland: 6) Zoogeographisch bedeutsame Arten Barbitistes serricauda, B. constrictus, Conocephalus fuscus, Gomphocerippus rufus, Isophya kraussii, Leptophyes albovittata, Myrmecophilus acervorum, Nemobius sylvestris, Oedipoda ger- manica, Phaneroptera falcata, Phyllodromica maculata, Stenobothrus nigromaculatus, Tetrix ce- peroi Chorthippus vagans, Gryllus campestris, Psophus stridulus, Sphingonotus caerulans, Steno- bothrus lineatus, S. stigmaticus, Tetrix bipunctata, Tetrix tenuicornis Calliptamus italicus, Euthystira brachyptera, Gampsocleis glabra, Gomphocerippus rufus, Gomphocerus sibiricus, Locusta migratoria, Metrioptera bicolor, Nemobius sylvestris, Oecanthus pellucens, Podisma pedestris, Stenobothrus crassipes, Tettigonia caudata Calliptamus italicus, Gomphocerus sibiricus, Locusta migratoria, Podisma pedestris Chrysochraon dispar, Conocephalus fuscus, Metrioptera bicolor, Oecanthus pellucens, Phanerop- tera falcata; lokal expansiv: Chorthippus apricarius, Gomphocerippus rufus, Leptophyes puncta- tissima, Meconema thalassinum, Tettigonia caudata Oedipoda germanica, Psophus stridulus, Sphingonotus caerulans; lokal regressiv: Chorthippus montanus, C. vagans, Decticus verrucivorus, Gryllus campestris, Labidura riparia, Metrioptera brachyptera, Oedipoda caerulescens, Omocestus haemorrhoidalis, Phyllodromica maculata, Ste- nobothrus crassipes, S. nigromaculatus, S. stigmaticus, Stethophyma grossum, Tetrix bipunctata In Bezug auf das Areal als Teil des deutschen Bestandes: Chelidurella guentheri; In Bezug auf Deutschland: Chorthippus apricarius, Gampsocleis glabra, Labidura riparia, Lep- tophyes albovittata, Myrmecophilus acervorum, Tetrix ceperoi 14.2.3 Besonders und streng geschützte Or- thopterenarten Von den in Anlage 1 der BArtSchV (1999) ge- nannten 17 Orthopterenarten sind bisher sieben in Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden (Tab. 23). Es handelt sich um eine Fangschrecken-, eine Langfühlerschrecken- und fünf Kurzfühler- schreckenarten. Mantis religiosa ist bisher nur kurzzeitig aufge- treten. Die dauerhafte Ansiedlung im Land als Folge von Verdriftung oder Verschleppung in geeignete Räume wie das Saale-Unstrut-Gebiet oder das Mitteldeutsche Trockengebiet wäre möglich. Das Wiedererscheinen von Calliptamus italicus ist angesichts der Vorkommen in Bran- denburg ebenfalls nicht auszuschließen. Der letzte Nachweis von Psophus stridulus stammt aus dem Jahr 1986 bei Dessau, ältere sind aus dem Harz bekannt. Bei diesen drei Arten sind nach der Ansiedlung bzw. nach dem Wiederfund Maßnahmen zur naturschutzrechtlichen Siche- rung und verträglichen Nutzung oder Pflege der Lebensräume zu treffen. Bei Gampsocleis glabra stehen sich die Nut- zungsinteressen der Bundeswehr und die Inte- ressen des Naturschutzes keineswegs konträr gegenüber. Die Erhaltung der Bestände bedarf aber der Fortführung der schon bisher vorbildlich gehandhabten Abstimmung zwischen Komman- dantur, Standortverwaltung, Bundesforstamt und Unterer Naturschutzbehörde, in einigen Punkten auch der Verfeinerung von Pflege- und Entwick- lungsmaßnahmen. Oedipoda germanica ist derzeit auf wenige Ge- biete im Saale-Unstrut-Raum bei Naumburg und Freyburg/Unstrut beschränkt, die ihren sehr spezifischen existenzökologischen Ansprüchen gerecht werden. Ein älterer Fundort am Süßen See ist erloschen, wobei hier die Wiederbesied- lung aufgrund des Landschaftswandels derzeit unwahrscheinlich ist. Oedipoda caerulescens und Sphingonotus cae- rulans sind weiter als die vorgenannten Arten verbreitet, lassen aber Schwerpunkte ihrer Verbreitung erkennen. Das könnte für die zu- ständigen Behörden Anlass sein, das Netz von Schutzgebieten und die sonstigen Naturschutz- maßnahmen auf Effektivität zu prüfen. Die bei- den Arten zeigen derzeit Verbreitungsschwer- punkte in den Folgelandschaften des Braunkoh- lebergbaus, in vom Sand- und Kiesabbau ge- prägten Räumen, auf Truppenübungsplätzen sowie im Bereich des Südlichen Landrückens und angrenzender Sandgebiete. Die erste Art besiedelt stärker als die zweite Landschaften, die reich an Kalk-, Silikat- und Schwermetallma- gerrasen sind bzw. auch suburbane Landschaf- ten. Da sich die existenzökologischen Verhält- nisse für beide Arten besonders in den Braun- kohlebergbau-Folgelandschaften und auf Trup- penübungsplätzen durch Nutzungsaufgabe oder –verminderung, Rekultivierung und Sukzession verschlechtern, erscheinen vor allem Erhaltung und verträgliche Nutzung oder Pflege natürlicher oder naturnaher Lebensräume wie offene Bin- nendünen, Sand- und Kiesufer, Sand-, Kalk-, Si- likat- und Schwermetallmagerrasen angezeigt. 233
18 Anhang 271 Tab. A1: Orthopteren des Landesgebietes von Sachsen-Anhalt vor dem Weichselhochglazial. Nach BEIER (1964), EHRMANN (1999), WALLASCHEK (2003d); FA = frühestes fossiles Auftreten. Geologische Gliederung Dermaptera Tertiär, Untermiozän Tertiär, Eozän bis Oligozän Kreide Jura Jura, Lias Mantodea Tertiär, Untermiozän ?Perm, Lias Blattoptera Pleistozän Tertiär, Untermiozän Tertiär, Mitteleozän Tertiär Perm, Unterrotliegendes Karbon, Oberkarbon, Stefan C Karbon, (? Unteres Devon) Ensifera Pleistozän Tertiär, Untermiozän Tertiär, Mitteleozän Tertiär Jura Trias Oberes Karbon Caelifera Pleistozän, Weichselglazial Tertiär, Mitteleozän Tertiär Jura Untere Trias 272 Taxon Forficulidae: Bitterfeld FA: Labiduridae (Baltischer Bernstein) FA: Forficulidae (China) FA: Labiidae (Karatau) FA: Dermaptera (Karatau in Südkasachstan) Chaeteessidae (Larven), Mantidae (Larven): Bitterfeld FA: Mantodea FA: Blatta ?orientalis (Bornholt in Schleswig-Holstein) Blattoptera (Larven): Bitterfeld Parallelophoridae Parallelophora anomala HAUPT 1956: Geiseltal Parallelophora acuta HAUPT 1956: Geiseltal Ectobiidae Telmablatta impar HAUPT 1956: Geiseltal Isoplates longipennis HAUPT 1956: Geiseltal Nyctiboridae Eolampra longicauda PONGRACZ 1935: Geiseltal Epilampra spec.: Geiseltal FA: Blattidae, Blattellidae, Blaberidae (z.B. Baltischer Bernstein) Phylloblattidae Anthracoblattina n. sp. A: Plötz Compsoblattidae Compsoblatta mangoldti SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Sennewitz Mylacridae Dictyomylacris densistriate (A. H. MÜLLER 1975): Plötz Neorthroblattina germari (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Löbejün, Plötz Phylloblattidae Phylloblatta gandryi (MEUNIER 1921): Plötz, Wettin Phylloblatta splendens SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Wettin, Plötz Phylloblatta amabilis SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Wettin, Löbejün, Plötz Phylloblatta flabellata (GERMAR 1842): Wettin, Löbejün, Plötz, Dölau Anthracoblattina didyma (ROST 1839): Wettin, Löbejün Anthracoblattina spectabilis (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün Xenoblatta russoma (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün Xenoblatta muetzei SCHNEIDER 1978: Plötz, Wettin Xenoblatta simoniana SCHNEIDER 1978: Plötz Xenoblatta ploetziana SCHNEIDER 1978: Plötz Compsoblattidae Compsoblatta anaglyptica (GERMAR 1842): Wettin, Löbejün, Plötz Compsoblatta anthracophila (GERMAR 1842): Wettin, Plötz Compsoblatta nobilis (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Löbejün, Plötz Compsoblatta plana (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Wittekind, Plötz Spiloblattinidae Spiloblattina steinbachi (GUTÖHRL 1934): Wettin Sysciophlebia euglyptica (GERMAR 1851): Wettin, Plötz Sysciophlebia subtilis (SCHLECHTENDAHL 1906): Wettin, Plötz Poroblattinidae Poroblattina parvula (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün, Plötz Poroblattina rotundata (SCUDDER 1885): Wettin, Löbejün FA: Blattoptera FA: Phaneropterinae Tettigoniidae (Larven), Grylloidea: Bitterfeld Gryllidae spec: Geiseltal FA: Conocephalinae, Decticinae, Platycleis FA: Gryllus, Acheta, Nemobius, Oecanthinae (z.B. Baltischer Bernstein) FA: Gryllotalpidae (Westeuropa), Raphidophoridae FA: Tettigoniidae FA: Gryllidae (Westeuropa) FA: Ensifera FA: Melanoplinae, Stenobothrus, Chorthippus (Starunia) Tetrigidae: Tetrix spec.: Geiseltal FA: Acrididae, Anacridium, Locusta, Oedipoda, Gomphocerus FA: Tetrigidae FA: Caelifera Tab. A2: Die spätglaziale und holozäne Orthopterenfauna im Gebiet Sachsen-Anhalts. Nach WALLASCHEK (2003d), ergänzt um eigene Einschätzungen zu den Mantodea. Quartär-Gliederung nach SEDLAG & WEINERT (1987): HGl = Hochglazial; Spätglazial: Böl = Bölling, ÄDr = Ältere Dryas, All = Alleröd, JDr = Jüngere Dryas; Altholozän: PBor = Präboreal, Bor = Boreal; Mittelholozän: ÄAt = Älteres Atlantikum, JAt = Jünge- res Atlantikum, SBor = Subboreal; Jungholozän: ÄSAt = Älteres Subatlantikum, JSAt = Jüngeres Subatlantikum; Gw = Gegen- wart (ab 1950, aber Jüngeres Subatlantikum!). Distributionsgrad der Arten: + wenig verbreitet, ++ verbreitet, +++ weit verbreitet. Einwanderungswege und -richtungen (= Wege): 1 = für atlantomediterrane und holomediterrane Arten: 1a) entlang der Küste des Atlantiks und der Nordsee-norddeutsche Tief- ebene, 1b) Mittelmeer-Rhone-Saone-Maas-norddeutsche Tiefebene, 1c) M.-R.-S.-Mosel-hess. Gebirge-Randplatten Thür. Be- cken-Unstrut, 1d) M.-R.-S.-Doubs-Burgund. Pforte-Rhein-Main-Saale; 2 = für pontomediterrane und holomediterrane Arten sowie südliche Populationen kaspischer, mongolischer, sibirischer und tu- ranoeremischer Arten: 2a) Schwarzmeer-Donau-Pannonien-Süddeutschland-Naab-Main-Saale, 2b) S.-D.-P.-March-Boskowitzer Furche-Elbe, 2c) S.-D.-P.-March-Mährische Pforte-Schlesien-Südlicher Landrücken; 3 = für kaspische, mongolische, sibirische und turanoeremische Arten: 3a) Kaspisches/Schwarzes Meer-südrussisch- ukrainische Steppen-wolhynisch-podolische Platte-Schlesien-Südlicher Landrücken, 3b) Asiatischer Steppen- und Waldstep- pengürtel-südrussisch/ukrainische Steppen-wolhynisch-podolische Platte-Schlesien-Südlicher Landrücken, 3c) Borealer Wald- gürtel-polnisch-norddeutsche Tiefebene; 4 = Einschleppung durch den Menschen (Anthropochorie); Reihenfolge nach mutmaßlicher Bedeutung. Taxon Dermaptera Labia minor Labidura riparia Chelidurella guentheri Apterygida media Forficula auricularia Artenzahl Mantodea Mantis religiosa Artenzahl Blattoptera Blaberus craniifer Pycnoscelus surinamensis Blatta orientalis Periplaneta americana Periplaneta australasiae Blattella germanica Supella longipalpa Ectobius sylvestris Ectobius lapponicus Phyllodromica maculata Artenzahl Ensifera Phaneroptera falcata Leptophyes albovittata Leptophyes punctatissima Isophya kraussii Barbitistes serricauda Barbitistes constrictus Meconema thalassinum Conocephalus fuscus Conocephalus dorsalis Tettigonia viridissima Tettigonia cantans Tettigonia caudata Decticus verrucivorus Gampsocleis glabra Platycleis albopunctata Metrioptera brachyptera Metrioptera bicolor Metrioptera roeselii Pholidoptera griseoaptera Tachycines asynamorus Gryllus bimaculatus Gryllus campestris Acheta domesticus Nemobius sylvestris Oecanthus pellucens Myrmecophilus acervorum Gryllotalpa gryllotalpa Artenzahl Caelifera Tetrix subulata Tetrix ceperoi HGlBölÄDrAllJDrPborBorÄAt . . . . + 1. . . . + 1. . . . + 1. + . . ++ 2. . . . + 1. + + + ++ 4. ++ ++ ++ ++ 4. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. . . . . . . . + . 1. . . . . . . + +2. . . . . . . + + . 2. . . . . . . ++ ++ . 2. . . . . . . + ++ . 2. . . . .. . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2+ .+ .+ .Sbor ÄSAt JSAtGw + ++ ++ +++ +++ +++ +++ ++ +++ 4 5++ ++ +++ +++ +++ 5++ ++ +++ +++ +++ 5+++ ++ ++ ++ +++ 5++ 2, 4 + 3, 4 ++ 1 ++ 1 +++ 1, 2, 3, 4 5 . 0. 0. 0. 0. 0+ 1 4 . . . . . . . ++ +++ . 2. . . . . . . . + . . . . . . . . . . . . +++ +++ +++ +++ +++ +++ + ++ ++ 3 3 4. . + . . . . +++ +++ ++ 4. . + . . . . +++ +++ ++ 4. . +++ + + +++ . ++ ++ ++ 7+ + ++ + + +++ + ++ ++ + 10 4 4 4 4 4 4 4 3, 2 3, 2 2, 3 . . . . .. . + . .. . . . . . ++ . . ++ . + . . . . . . . . . 3. . . . . . + . . + . + . . . . . . . . . 3+ . + + + . ++ . + ++ . ++ + . . . . . . . + 11+ + + + + + ++ ++ ++ + + + + ++ ++ + + + ++ +++ +++ + + + ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ + + + ++ + + + + + ++ + + ++ + + + + + +++ ++ +++ ++ +++ +++ . . . . . . + + + . . . + ++ ++ . . . + + + ++ ++ ++ 23 23 23+ + ++ ++ ++ + +++ + ++ +++ ++ + ++ + ++ ++ + +++ +++ . . ++ . ++ . ++ ++ 23+ + ++ ++ ++ + +++ + ++ +++ ++ + ++ + ++ ++ + +++ +++ . . ++ . ++ . ++ ++ 23+ ++ ++ ++ ++ + ++ + ++ +++ ++ + ++ + +++ ++ + +++ +++ + . +++ ++ + + ++ ++ 26++ + ++ + + + ++ ++ ++ +++ ++ + + + ++ + + +++ +++ + + ++ ++ + + + + 27 2, 3 1, 2 2, 4 2 2, 3 2, 3 2, 3 1, 2 3 1, 2, 3 3, 2 3, 2 3 2, 3 1 3 3 3, 2 3 4 4 1, 2 4 1 1, 2, 4 2, 3 1, 2 ++ .+ .++ .+++ ++++ ++++ ++++ +++++ ++ 3, 2 1, 2 ++ + JAt ++ + Wege 273
Für diese Arten haben wir Ihnen hier aktuell zur Verfügung stehende Materialien zusammengestellt. Artensteckbrief Blauflügelige Ödlandschrecke 2020 Artensteckbrief Feldgrashüpfer 2022 Artensteckbrief Feldgrille 2020 Artensteckbrief Gefleckte Keulenschrecke 2020 Artensteckbrief Gemeine Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Italienische Schönschrecke 2020 Artensteckbrief Kurzflügelige Beißschrecke 2022 Artensteckbrief Langfühler-Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Lauchschrecke 2020 Artensteckbrief Rotleibiger Grashüpfer 2020 Artensteckbrief Säbel-Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Steppengrashüpfer 2020 Artensteckbrief Sumpfschrecke 2020 Artensteckbrief Verkannter Grashüpfer 2020 Artensteckbrief Warzenbeißer 2022 Artensteckbrief Westliche Beißschrecke 2020 Artensteckbrief Zweifarbige Beißschrecke 2020 Artensteckbrief Zweipunkt-Dornschrecke 2020 Artgutachten Heuschrecken 2022 Artgutachten Heuschrecken 2020 Artgutachten Heuschrecken 2012 Projekt "Atlas der Heuschrecken Hessens" Netzwerk Heuschrecken in Hessen, Rundbrief 1/2020 Artensteckbrief 2018 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Artgutachten 2022 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Artgutachten 2021 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Sondergutachten 2018 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Für diese Arten haben wir Ihnen hier die aktuell zur Verfügung stehenden Materialien zusammengestellt. Artgutachten Laufkäfer und bodenlebende Spinnen 2023 Artgutachten Laufkäfer und bodenlebende Spinnen 2022 Niklas Krummel Tel.: 0641-200095 20
Heuschrecken und Grashüpfer Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Bezeichnungen „Heuschrecke“ und „Grashüpfer“ häufig synonym verwendet. Die Grashüpfer bilden allerdings lediglich eine Unterfamilie in der Ordnung der Heuschrecken. Die Einteilung der Heuschrecken in die Langfühlerschrecken und Kurzfühlerschrecken macht es einfacher diese Artengruppe zu überblicken. Die Bezeichnungen lassen sich in den meisten Fällen direkt für einen ersten Bestimmungsschritt nutzen: Die Langfühlerschrecken haben meist Fühler, die mindestens so lang wie der Körper der Tiere sind. Bei den Kurzfühlerschrecken sind die Fühler erheblich kürzer. Klangbilder und "Ohren" an den Beinen Besonders im Hochsommer machen sich die Heuschrecken durch artspezifische „Gesänge“ bemerkbar. Dabei handelt es sich je nach Art um unterschiedlich erzeugte Laute der männlichen Tiere. Feldgrillen reiben ihre Vorderflügel aneinander, viele Grashüpfer erzeugen Tonfolgen durch Reiben der Hinterbeine an den Flügeln, und die Sumpfschrecke produziert kurze Klicklaute, indem sie ein Hinterbein nach hinten schleudert. Viele Heuschreckenarten, die anhand ihrer äußeren Merkmale nur schwer zu unterscheiden sind, lassen sich anhand ihrer charakteristischen Lautäußerungen („Stridulation“) bis zur Art bestimmen. Auch die Heuschrecken selbst finden im Labyrinth der sommerlichen Vegetation ihre arteigenen Partner über die spezifischen Lautäußerungen. Ihre „Ohren“ liegen übrigens nicht am Kopf, sondern sind kleine Öffnungen an den Vorderbeinen oder am Hinterleib. Wegen deren Abstand voneinander sind Heuschrecken zu präzisem Richtungshören in der Lage. Wie geht es den Heuschrecken? Die Rote Liste behandelt nicht nur die in ihrem Bestand bedrohten Arten, sondern alle 82 als etabliert geltenden Heuschreckenarten sowie die einzige einheimische Fangschreckenart, die Europäische Gottesanbeterin ( Mantis religiosa ). Insgesamt 26 Arten (31,3 %) gelten als bestandsgefährdet: davon sind 6 Arten (7,2 %) vom Aussterben bedroht, 10 Arten (12,0 %) stark gefährdet und 10 Arten (12,0 %) gefährdet. Weitere 9 Arten (10,8 %) sind noch nicht bestandsgefährdet im Sinne der Rote-Liste-Kategorien, stehen aber auf der Vorwarnliste. Als ausgestorben oder verschollen gelten 4 Arten (4,8 %). Ungefährdet sind derzeit 41 Arten – dies entspricht 49,4 % der einheimischen Heuschrecken- und Fangschreckenarten – darunter so bekannte Arten wie der Gemeine Grashüpfer, die Feldgrille und das Grüne Heupferd. Da viele Heuschreckenarten im Offenland leben, spielen für ihre Gefährdung meist Faktoren wie Veränderungen der Landnutzung, Versiegelung von Flächen oder Fragmentierung von Lebensräumen eine wesentliche Rolle. Daneben werden die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher: Zu den Verlierern gehören insbesondere Arten, die eine hohe Habitatfeuchte oder ein kühles Bergklima benötigen. Aktuelle Rote Liste (Stand: Dezember 2020 [Daten], November 2021 [Taxonomie]) Poniatowski, D.; Detzel, P.; Drews, A.; Hochkirch, A.; Hundertmark, I.; Husemann, M.; Klatt, R.; Klugkist, H.; Köhler, G.; Kronshage, A.; Maas, S.; Moritz, R.; Pfeifer, M.A.; Stübing, S.; Voith, J.; Winkler, C.; Wranik, W.; Helbing, F. & Fartmann, T. (2024): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken und Fangschrecken (Orthoptera et Mantodea) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (7): 88 S. Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind als Download verfügbar, die Rote Liste auch als elektronische Publikation . Artportraits Alpen-Gebirgsschrecke ( Miramella alpina ) Kleine Goldschrecke ( Euthystira brachyptera )