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Insekt des Jahres 2003 ist die Feldgrille

Insekt des Jahres 2003 ist die Feldgrille (Grillus campestris).

Gryllus campestris Linnaeus, 1758 Feldgrille Heuschrecken und Fangschrecken Ungefährdet

Laut der Berechnung nehmen die Bestände von Gryllus campestris kurzfristig zu (Bestandsveränderung: +16 %). Aus Sicht des Autorenteams ist diese Bestandsentwicklung realistisch. So belegen mehrere Studien, dass sich die Art im Zuge des Klimawandels regional ausgebreitet hat (u.a. Pfeifer 2012, Poniatowski et al. 2018, Fumy et al. 2020, Poniatowski et al. 2020, Schuhmacher & Kelm 2021, Ogan et al. 2022). Die aktuell positive Bestandsentwicklung wirkt sich auch auf den langfristigen Bestandstrend aus: Gegenüber Maas et al. (2011) ist inzwischen von einer deutlichen Zunahme auszugehen.

Naturschutz - Zentrum für Artenvielfalt/Tiere und Pflanzen/Steckbriefe, Gutachten & mehr/Schrecken, Pseudoskorpion und Spinnen: Heuschrecken, Pseudoskorpion und Spinnen

Für diese Arten haben wir Ihnen hier aktuell zur Verfügung stehende Materialien zusammengestellt. Artensteckbrief Blauflügelige Ödlandschrecke 2020 Artensteckbrief Feldgrashüpfer 2022 Artensteckbrief Feldgrille 2020 Artensteckbrief Gefleckte Keulenschrecke 2020 Artensteckbrief Gemeine Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Italienische Schönschrecke 2020 Artensteckbrief Kurzflügelige Beißschrecke 2022 Artensteckbrief Langfühler-Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Lauchschrecke 2020 Artensteckbrief Rotleibiger Grashüpfer 2020 Artensteckbrief Säbel-Dornschrecke 2020 Artensteckbrief Steppengrashüpfer 2020 Artensteckbrief Sumpfschrecke 2020 Artensteckbrief Verkannter Grashüpfer 2020 Artensteckbrief Warzenbeißer 2022 Artensteckbrief Westliche Beißschrecke 2020 Artensteckbrief Zweifarbige Beißschrecke 2020 Artensteckbrief Zweipunkt-Dornschrecke 2020 Artgutachten Heuschrecken 2022 Artgutachten Heuschrecken 2020 Artgutachten Heuschrecken 2012 Projekt "Atlas der Heuschrecken Hessens" Netzwerk Heuschrecken in Hessen, Rundbrief 1/2020 Artensteckbrief 2018 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Artgutachten 2021 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Sondergutachten 2018 Pseudoskorpion Anthrenochernes stellae Für diese Arten haben wir Ihnen hier die aktuell zur Verfügung stehenden Materialien zusammengestellt. Artgutachten Laufkäfer und bodenlebende Spinnen 2023 Artgutachten Laufkäfer und bodenlebende Spinnen 2022 Niklas Krummel Tel.: 0641-200095 20

geradfl_Kap13_Zur_Oekologie.pdf

13 13.1 Wandlungen des Biotopspektrums M. WALLASCHEK Für die Interpretation des Faunenwandels wie auch für die Ermittlung der Biotopbindung ist die Frage von Interesse, ob sich Veränderungen des Biotopspektrums der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im Laufe der letzten 100 bis 150 Jahre nachweisen lassen. Da aus dem Landesgebiet erst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für eine größere Zahl von Ar- ten belastbare Hinweise zum Biotopspektrum vorliegen, soll der Vergleich mit der von ZACHER (1917, 269ff.) auf das damalige Reichsgebiet bezogenen „Tabellarischen Übersicht der Vertei- lung der deutschen Geradflügler auf die ökologi- schen Formationen“ gesucht werden. Bei den meisten Arten lässt sich trotz der weit geringeren Fläche Sachsen-Anhalts gegenwär- tig ein deutlich breiteres Biotopspektrum als bei ZACHER (1917) erkennen (Tab. 10). Das dürfte in erster Linie auf einem heute weit besseren fau- nistisch-ökologischen Kenntnisstand beruhen. Erst ab einer im Vergleich zu ZACHER mehrfach größeren Zahl von Biotoptypen ließen sich sinn- volle ökologische Begründungen für die Annah- me des Übergangs in vormals nicht oder nur ausnahmsweise besiedelte Biotoptypen, also für eine Erweiterung des Biotopspektrums finden. Das betrifft dann Conocephalus fuscus (ZACHER: 2 Biotoptypen/jetzt: 10) und Chrysochraon dispar (2/14) und dürfte eine Folge des Wandels der Landschaft sein, der heute beiden gemäßigt hygrophilen Langgrasarten in einer Vielzahl von Acker-, Grünland- und Magerrasenbrachen bes- te Existenzbedingungen bietet, während sie frü- her in Folge der Nutzung auch von Grenzer- tragsstandorten sowie von Rest- und Splitterflä- chen auf nicht mehr nutzbare Feuchtflächen be- grenzt waren (WALLASCHEK 1996a). Eine Einengung des Biotopspektrums betrifft, abgesehen von ausgestorbenen Arten mit im Grunde unbekanntem früherem Biotopspektrum in Sachsen-Anhalt, Blattella germanica (3/1), Barbitistes constrictus (2/1), Gryllotalpa gryllo- talpa (10/4), Tetrix bipunctata (3/1), Calliptamus italicus (3/1), Oedipoda germanica (2/1) und Stenobothrus nigromaculatus (4/3). Allerdings beruht die Einengung bei Blattella germanica wohl auf der Verwechslung mit einer Ectobius-Art (vgl. Arttext). Über Barbitistes constrictus und Gryllotalpa gryllotalpa liegen möglicherweise nicht genügend Untersuchun- gen vor, so dass die Einengung ein Artefakt sein Zur Ökologie der Orthopteren in Sachsen-Anhalt könnte. Die letztere Art dürfte aber auf Äckern heute durch das Tiefpflügen und den Biozidein- satz kaum reale Existenzchancen besitzen. Bei den anderen Species ist die Einengung wohl ei- ne Folge der Arealrandlage ihrer Bestände im Land. Das Fehlen einiger Gebirgsmatten-Arten auf dem Brocken dürfte mit der geringen Fläche subalpiner Matten, teils auch mit dem extremen Klima zusammenhängen. Einige Arten konnten in Sachsen-Anhalt gar nicht in solchen Biotoptypen gefunden werden, denen sie von ZACHER (1917) zugeordnet wor- den sind. Mantis religiosa wurde in einen Garten eingeschleppt. Barbitistes serricauda war ZA- CHER offenbar sicher nur aus Gärten bekannt, obwohl er im Text zur Art auch Wälder nennt. Auch früher lebte Tachycines asynamorus in Gewächshäusern. Oecanthus pellucens wurde aktuell in einen Garten eingeschleppt, früher a- ber in naturnahen Lebensräumen gefunden. Insgesamt halten sich nachweisbare Wandlun- gen des Biotopspektrums der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im betrachteten Zeitraum in engen Grenzen. Der Wissenszuwachs hat jedoch zur Folge, dass heute für die meisten Biotoptypen eine weit grö- ßere Zahl von Orthopterenarten bekannt ist als zu ZACHERs Zeiten. Bemerkenswert ist die große Zahl von Arten, die in Ackerbrachen gefunden wurden. Das sollte jedoch nicht als Erweiterung des Biotopspekt- rums der betreffenden Species, sondern ledig- lich als dessen Rückgewinnung betrachtet wer- den, da die wenig gedüngten und nicht mit Bio- ziden behandelten Äcker der Dreifelderwirtschaft bzw. deren Brachen solchen Arten ebenfalls Le- bensraum geboten haben. Noch heute können Extensiv-Äcker xerophile oder mesohemerobe Arten aufweisen (WALLASCHEK 1999e: Aufnahme 4b, WALLASCHEK 2003a: Sr1b, Zg3b; Decticus verrucivorus, Platycleis albopunctata, Gryllus campestris, Chorthippus mollis). Lediglich in Bezug auf Nadelwälder ist ein Rückgang der Artenzahlen von 26 auf 23 zu verzeichnen. Zudem sind hier bei 12 Arten ZA- CHERs Zuordnungen nicht bestätigt worden. Dem könnte jedoch zugrunde liegen, dass ZA- CHER Arten zu den Nadelwäldern gerechnet hat, die hier in eingestreuten Sandtrockenrasen-, Heide- und Grünlandflecken auftreten, aber heu- te nur diesen Biotoptypen zugeordnet werden (z.B. Oedipoda caerulescens, Omocestus viridu- lus). 207 Tab. 10: Das Biotopspektrum der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts im historischen Vergleich. Benennung der Biotoptypen (ökologischen Formationen) nach ZACHER (1917), nur Biotoptypen von Sachsen-Anhalt aufgeführt; ? = von ZACHER (1917) als fragliches Vorkommen im Biotoptyp bezeichnet, X = nur von ZACHER (1917) so zugeordnet, XA = ak- tuell im gleichen Biotoptyp, A = nur aktuell im Biotoptyp, (A) = hier früher in Sachsen-Anhalt nachgewiesen, * = nur in Stalldung- haufen im Biotoptyp, + = bisher nicht in reinen Laub- bzw. Nadelwäldern, kommt in Mischwäldern vor, X! = Zuordnung durch Verwechslung mit Ectobius-Art, # = Brachen. 208 A XA A XA X? XA XA XA A A A A# A# XA XXA AA AA AXA A XA A AA# XA A A XXA XA XA XA ? A# A A A A A X XA A XA XA A# A# A#XA XA A XA#XA A A A XA A X A X(A) A X X A A A A A# A A X(A) A A AA A AXA AXA A A X A XXAXA A A XA XA XA Ufer Gebirgsmatten A XA XA Moore XA A XA Salzwiesen Nadelwälder + XA + XA A XA A X! XA XA + XAXA XA XA XA XA XA XA XA A A ?A AA XA XAA XA A X X + XA XA + A + A + A ?A ? A A A A A A X A ?A A A A XA A A A A + A XA A A XA XA A X XA A A A ? X ? XA XA A XA A X A XA A XA + A XXA XAA XAXAXAXAA AA A A X A XA XA A A X XA A A A A A A A A XA A A X! X XA X ?A X XA AA A XA A XA XA A ? A XA XA A ? XA XA A A A A XA XA XA XA AXA* X A A XA XA A XA A A A XA A A XA Laubwälder XA Heiden Sandfelder XAWiesen A XA ? X XA BinnendünenXA Weinberge A* Sonnige Hügel Äcker XAAuenwälder XA Ruderalstellen Dermaptera L. minor L. riparia C. guentheri A. media F. auricularia Mantodea M. religiosa Blattoptera B. craniifer P. surinamensis B. orientalis P. americana P. australasiae B. germanica S. longipalpa E. sylvestris E. lapponicus P. maculata Ensifera P. falcata L. albovittata L. punctatissima I. kraussii B. serricauda B. constrictus M. thalassinum C. fuscus C. dorsalis T. viridissima T. cantans T. caudata D. verrucivorus G. glabra P. albopunctata M. brachyptera M. bicolor M. roeselii P. griseoaptera T. asynamorus G. bimaculatus G. campestris A. domesticus N. sylvestris O. pellucens M. acervorum G. gryllotalpa Caelifera T. subulata T. ceperoi T. undulata T. tenuicornis T. bipunctata C. italicus A. aegyptium P. pedestris L. migratoria P. stridulus O. caerulescens Gärten Häuser Taxon X X XA A X XAXA XA A AA A A A X X (A) XXX(A)X XXXXX X AAA#AXAXAXAXA X (A) (A) (A) A X A A A A# A# A A A# Ufer Gebirgsmatten Moore Salzwiesen X A A X A# A# A# Wiesen XA Auenwälder A Nadelwälder Heiden XA Laubwälder Sandfelder Weinberge Sonnige Hügel Äcker Ruderalstellen XA A Binnendünen O. germanica S. caerulans S. grossum C. dispar E. brachyptera O. viridulus O. haemorrhoidalis S. lineatus S. nigromaculatus S. crassipes S. stigmaticus G. sibiricus G. rufus M. maculatus C. albomarginatus C. dorsatus C. montanus C. parallelus C. apricarius C. vagans C. biguttulus C. brunneus C. mollis Gärten Häuser Taxon A XA XA XA A XA A A A A XA A AA A A A XA XA AA X A + A X X A + AXA X AX (A) AA A AA# A# A# A#XA XA A AA X A A AA XAA# XA#A AXA A AXA# A# A#A XA A XA A AXA AXA XA XAXA A A A AAXA A AXA A AXA XA XA XA A AA A XA XA A A So schreibt ZACHER (1917, 33) zum Vorkommen von Orthopterenarten in Wäldern: „Arm an Or- thopteren sind ferner die Wälder, besonders die Laubwälder, in denen sich neben Ohrwürmern und Schaben nur die Waldgrille (Nemobius syl- vestris L) findet und die trockenen Kiefernwäl- der, solange die Kronen dicht aneinander schließen und die Grasnarbe fast völlig fehlt. In diesen fand ich nur Tettix-Arten. Ist dagegen die Grasnarbe reicher entwickelt, ist z. B. ein reicher Bestand an Aira flexuosa vorhanden, so finden sich Stenobothrus lineatus PZ., Stauroderus- und Chorthippus-Arten ein. Auf Heidestellen in Kiefernwäldern finden sich Stenobothrus nigro- maculatus H.-S., stigmaticus RMB. und lineatus PZ., Tettix subulatus L., wenn sie ausgedehnter sind, auch Oedipoda coerulescens L. und viel- leicht Bryodema tuberculatum F. und Sphingo- notus cyanopterus CHP. Waldwege und Schnei- sen bevorzugt in Norddeutschland Podisma pe- destre L., die weiter südlich nur im Gebirge auf- tritt, sowie Stauroderus pullus PHIL.“ Angesichts des hier genannten Artenspektrums stellt sich aber doch die Frage, ob nicht Wälder, insbeson- dere Kiefernwälder, zu ZACHERs Zeiten wesent- lich größere offene, mit Heide und Trockenrasen bewachsene Stellen oder öfters fließende Gren- zen zwischen Wald und Offenland aufwiesen als heute (WALLASCHEK 2001a). Mehrere Untersuchungen in Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass Grasland- und Heidefle- cken in lichten Wäldern und auf Waldblößen durchaus auch heute Orthopterenarten des Of- fenlandes beherbergen und fließende Wald- + XA XA A AXA XA AA A XA A AXA XA A A XA A XA XA XA A XA X XA A XA XA A XA XA A A X XA X(A) XA (A) A XA XA A XA XAXA XA A XA A XA A AXA A A X X A A XA XA A XAXA X A AA A XA XA XA A A A XA A A Grasland-Grenzen deren Vorkommen begünsti- gen. So konnten in der Glücksburger Heide auf ei- nem unbefestigten, teils mit Sandmagerrasen bedeckten Weg durch einen Kiefernforst Platyc- leis albopunctata, Oedipoda caerulescens, O- mocestus haemorrhoidalis, Stenobothrus linea- tus, Myrmeleotettix maculatus und Chorthippus parallelus nachgewiesen werden (WALLASCHEK 1997c). Im NSG „Colbitzer Lindenwald“ fanden sich in einem mit Trockenrasen durchsetzten Teil des Lindenwaldes neben Waldorthopteren auch Stenobothrus lineatus, Chorthippus biguttulus und C. brunneus. In einer schmalen Laubwald- Schlagflur im Beetzendorfschen Forst lebten Chrysochraon dispar, Chorthippus parallelus und C. mollis. In einer an Grasland grenzenden Calluna-Heide in einem lichten Eichen- Hainbuchenwald bei Othal kamen Metrioptera roeselii, Stenobothrus lineatus, S. stigmaticus, Chorthippus parallelus, C. biguttulus und C. brunneus vor (WALLASCHEK 2001a). Andererseits ist wohl Chorthippus vagans im NSG „Steinklöbe“ ausgestorben, weil inzwischen ein dichter Waldmantel den Magerrasen vom Ei- chentrockenwald trennt, sich die Grasnarbe durch die Sukzession in beiden Biotoptypen verdichtete und offenbar auch das Kronendach der Eichen geschlossener ist als früher (SCHIEMENZ 1965, WALLASCHEK unveröff.). Es darf nicht vergessen werden, dass die aktuelle Zuordnung von Arten in Laub- oder Nadelwälder 209

geradfl_Kap15_Orthopteren-in-der-Wirtschaft.pdf

15 15.1 Nutzwirkungen M. WALLASCHEK Zur Wahl des optimalen Standortes für einen Betrieb, die eine Entscheidung mit langfristiger und damit schwerwiegender Wirkung ist, können sogenannte Standortfaktoren herangezogen werden. Für die Gründung von Niederlassungen oder Zweigwerken spielt es eine wichtige Rolle, ob genügend qualifizierte Mitarbeiter bereits vorhanden oder aber bereit sind, an dem in Aussicht genommenen Ort ihren Arbeitsplatz und Wohnsitz zu nehmen. Dafür ist die Lebens- qualität eines Standortes von wesentlicher Be- deutung, darunter die Palette der Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung (SCHNECK 2000, WÖHE 1990). Letztere hängt eng mit der Ausstattung an Grünanlagen, Parks, Gewässern oder Wäl- dern, also mit dem natürlichen oder als natürlich empfundenen Reichtum an Biotoptypen und de- ren Lebewelt zusammen. Dazu gehört auch der Reichtum an Orthopteren, der das Landschaftsbild beeinflusst, Beiträge zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur- haushalts sowie zur Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzbarkeit der Naturgüter erbringt und über den Einsatz in Naturschutz, Land- schaftsplanung und Umweltbeobachtung Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität des Men- schen bereithält (vgl. Kap. 14.1). Zudem können einige heimische Orthopterenarten spezielle Nutzleistungen erbringen. Nach CAUSSANEL & ALBOUY (1991) ist der Sand- Ohrwurm eine Art, die sich sehr gut für die bio- logische Schädlingsbekämpfung eignet, weil er in einem weiten Beutespektrum aktiv ist, mehr Schadorganismen tötet als er frisst, sich als ef- fektiv bei der Bekämpfung von Raupen in Ge- treide und Baumwolle erwiesen hat und im La- bor leicht nachgezogen werden kann. Vom Gemeinen Ohrwurm und vom Gebüsch- Ohrwurm ist bekannt, dass zu ihrer bevorzugten Beute Blattläuse (Aphidina) gehören, zu deren Kontrolle, etwa an Äpfeln, Pflaumen, Hopfen und Weizen, sie durchaus etwas beitragen kön- nen (CAUSSANEL & ALBOUY 1991, HARZ 1957, MATZKE 2002, ZACHER 1917). Das hat sich bereits in Ratgebern für Hobby- gärtner niedergeschlagen (z.B. Flora 1989, KREUTER 1989, RICHBERG 1998). Allerdings wer- den meist lediglich für die Nutzung der ersten Art Hinweise gegeben (aufhängen mit Holzwolle gefüllter Blumentöpfe an von Blattläusen befal- lene Obstbäume). Der Gebüsch-Ohrwurm wird sich vor allem in Gärten ansiedeln und der Blatt- Orthopteren in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen lausjagd nachgehen, die reich mit Bäumen, Sträuchern, Lianen und Stauden ausgestattet sind und in denen auf Pestizide weitgehend ver- zichtet wird. Unter den Langfühlerschreckenarten sind einige, die ebenfalls mit der Vertilgung von Blattläusen und anderen Schadinsekten in Zusammenhang gebracht werden. Es handelt sich um die zoophagen Arten Gemeine Eichenschrecke, Grünes Heupferd, Zwitscherschrecke und Östli- ches Heupferd. Zumindest die ersten beiden sind in Gärten und Parks nicht selten anzutref- fen und sollten auch wegen ihres Nutzens für den Kleingärtner geduldet werden. Im Nahrungsspektrum einer Reihe pantophager Langfühlerschreckenarten sind ebenfalls Orga- nismen enthalten, die Schadwirkungen entfalten können. Da es sich aber zumeist um Bewohner naturnaher Lebensräume handelt, entspringen dem keine direkten wirtschaftlichen Vorteile. Ausnahmen bilden die Gewächshausschrecke und die Maulwurfsgrille; in Kulturen wird jedoch der Nutzen durch ihre Schadwirkungen zunichte (BEIER 1955, HARZ 1957, INGRISCH & KÖHLER 1998). Nicht unbedeutend ist die Verwendung von Schaben und Heuschrecken, wie z.B. Amerika- nische Schabe, Heimchen und Mittelmeer- Feldgrille, als Versuchs- und Futtertiere in der biologischen, medizinischen und pharmazeuti- schen Forschung. Auch in der Haltung von Heimtieren wie Reptilien und Vögeln gehören Schaben und Heuschrecken zum Spektrum der Futtertiere. Außerdem sind besonders Grillen beliebte Terrarientiere. Am Rande sei noch die Verwendung von Schaben, Fang-, Langfühler- und Kurzfühlerschrecken als äußerst vitamin- und proteinreiche Nahrung sowie in der Volks- medizin erwähnt. Orthopteren fanden in der Religion (mehrmalige Nennung von Heuschrecken in der Bibel; Pre- digten und Prozesse gegen Wanderheuschre- cken), im Kult (als Symbole für Vernichtung in Sumer und Ägypten), in der darstellenden Kunst (Heuschrecken als altpaläolithische Ritzzeich- nung auf Knochen, auf antiken und deutschen Münzen, altchinesischen und Renaissance- Bildern), in der Musik (MOHR) und Dichtung (so bei HOMER, SACHS, LESSING, RÜCKERT, DISTELLI, KELLER, DICKENS, RINGELNATZ, CLAUDIUS, BON- SELS), im Kunsthandwerk (Heuschrecken auf Porzellan) sowie in der Unterhaltung (Käfige mit Heuschrecken-Männchen in China, Italien und Deutschland, Grashüpfer Flip im Trickfilm „Die Biene Maja“) Verwendung. 245 Auch im Sprachgebrauch (z.B. „Graoshuppr“ für Grashüpfer im Raum Magdeburg) und im Volks- glauben (z.B. zirpendes Heimchen – Todesfall im Haus) spielen Orthopteren eine Rolle. Ausführliche Darstellungen der genannten The- men mit Verweisen auf weiterführende Literatur liefern SCHIMITSCHEK (1968) und auf das Lan- desgebiet bezogen WEIDNER (1938a, 1940), in der neueren Literatur DETZEL (1998) und KÖH- LER (2001). 15.2 Schadwirkungen M. WALLASCHEK & U. MIELKE „Gleichwie sich die Morgenröte ausbreitet über die Berge, kommt ein großes und mächtiges Volk, ... Vor ihm her geht ein verzehrend Feuer und nach ihm eine brennende Flamme. Das Land ist vor ihm wie ein Lustgarten, aber nach ihm wie eine wüste Einöde, und niemand wird ihm entgehen.“ (JOEL 2, Die Heilige Schrift 1957) An den Wanderheuschrecken, denn von ihnen ist hier bild- und wortgewaltig die Rede, wird die Ambivalenz von Schaden und Nutzen sichtbar. Sie bedeuten für sesshafte Ackerbauern in den betroffenen Ländern, wie auch früher in Mittel- deutschland (VATER 1994), Verheerung der Saa- ten, Teuerung und Hungersnöte. Nomaden kön- nen Wanderheuschrecken hingegen auch heute noch recht effektiv als Nahrung nutzen (SCHI- MITSCHEK 1968). Der Mensch musste von dem Moment an, in welchem er sesshaft wurde, mit einer Vielzahl von zusätzlichen Tierarten, nicht nur mit dem Körperungeziefer, um die Erhaltung der Früchte seiner Arbeit – Nahrung, Kleidung, Behausung, Vorräte – kämpfen. Die Härte dieses Kampfes kommt wohl in dem biblischen Zitat zum Ausdruck, und er ist heute nicht beendet, auch wenn es in den westlichen Industrieländern vielen so scheinen mag und die Begriffe „Schädling“ und „Nützling“ manchem aus ethischen, naturschutzfachlichen oder öko- logischen Gründen antiquiert oder sogar falsch erscheinen. Im Folgenden werden die Bereiche näher be- leuchtet, in denen heimische Orthopterenarten als Schädlinge wirksam werden können. Ziel ist es, ihr Schadenspotenzial für die menschliche Gesundheit, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau in Sachsen-Anhalt abzuschät- zen. Die Angaben folgen Anonymus (1983), BEIER (1955, 1959, 1961), ENGELBRECHT (1989), FROMMER & MIELKE (1998/99), HARZ (1957), INGRISCH & KÖHLER (1998), KEILBACH (1966), KEMPER (1950), KÖHLER & AßHOFF (2002), MIEL- KE (2000b), OCKERT (briefl. Mitt.), POSPISCHIL (2004), SCHWENKE (1972), SOMMER (1986), STEINBRINK (1989), VATER et al. (1992), VATER 246 (briefl. Mitt.), WEIDNER (1938a, 1972), WEYER & ZUMPT (1952) und ZACHER (1917). Gesundheitsschädlinge Die synanthropen Schabenarten erlangen vor al- lem als fakultative Überträger von Krankheitser- regern Bedeutung. Sie streuen mit ihren Exkre- menten oder durch Erbrechen des Vormagenin- haltes pathogene Mikroorganismen aus (azyk- lisch-exkretorische Übertragung) oder tragen sie auf ihrem Körper mit sich und können sie auf Speisen und Gegenständen ablagern, womit diese zu Kettengliedern von Infektketten werden (azyklisch-taktile Übertragung). An Schaben wurden Viren wie das Poliomyelitis- Virus, kokkenförmige Bakterien wie Staphylo- coccus aureus, Streptococcus spec. und Sarci- na spec., stäbchenförmige Bakterien wie Bacil- lus subtilis, Pseudomonas aeruginosa, Escheri- chia coli, Salmonella enteritidis, Proteus spec. und Serratia marcescens sowie humanpathoge- ne und toxinbildende Pilze festgestellt. Die Ei- tererreger unter ihnen verursachen in Kranken- häusern Wundinfektionen (nosokomiale Infekti- onen oder infektiöser Hospitalismus). Salmonel- la-enteritidis-Infektionen nehmen seit Mitte der 80iger Jahre in Deutschland und weltweit stark zu. Die Beladung mit Keimen erfolgt bei den ausge- dehnten Streifzügen an Unrat, infektiösem Mate- rial, Eiter, Sputum, Wundsekreten, Sterilmaterial oder Lebensmitteln, die in wechselnder Reihen- folge aufgesucht werden. Einige Keimarten kön- nen sich im Schabendarm vermehren und wer- den wochenlang ausgeschieden. Durch Fraß anderer Schaben an diesen Ausscheidungen oder an erbrochenem Vormageninhalt und Kör- perkontakt kommt es zur Ausbreitung der Keime in der ganzen Population. Prinzipiell kommt das Heimchen ebenfalls als Überträger von Krankheitserregern in Betracht. Durch die in Häusern meist kopfarmen Bestän- de, die relativ niedrige Aktivität und den verhält- nismäßig geringen Aktionsradius ist es aber we- niger gefährlich als die synanthropen Schaben. Auf Mülldeponien und Komposthaufen halten sich mitunter große Populationen, die im Herbst zumindest teilweise in umliegende Gebäude abwandern, wobei ebenfalls eine Verschleppung von Keimen erfolgen kann. Auch dem Gemeinen Ohrwurm wird nachgesagt, als Überträger von Krankheitserregern zu wirken, wenn er in Vor- ratsräume eindringt. Die Bedeutung der synanthropen Schaben als Allergieerreger wird immer noch unterschätzt. Immerhin reagieren 70 % der allergieempfindli- chen Menschen positiv auf ein von Schaben ausgeschiedenes Allergen. Stellenweise über- treffen Schaben in ihrer allergenen Potenz die Hausstaubmilben beim Zustandekommen von Hausstauballergien. Möglicherweise spielen a- ber auch durch Schaben vermittelte Infektketten eine ursächliche Rolle bei der Auslösung von Al- lergien. Laboranten können gegenüber Heu- schrecken Idiosynkrasie entwickeln. Die nächtlich, z.T. unangenehm riechenden, schnell und unberechenbar mit raschelndem Geräusch umherhuschenden synanthropen Schaben rufen bei vielen Menschen ein starkes Ekelgefühl hervor. Zudem überträgt sich der aus Stinkdrüsen herrührende unangenehm faulig- süßliche Geruch auf Materialien, wie z.B. Le- bensmittel. Sie sind also Lästlinge. In dieser Hinsicht ebenfalls zu erwähnen sind das Heimchen und der Gemeine Ohrwurm, die bei vielen Menschen Ekelgefühle auslösen. Be- sonders lästig wird die erste Art durch ihr uner- müdliches nächtliches Zirpen, die zweite, wenn sie nicht selten in großer Zahl in Wintergärten, Veranden, Zelte, Ferienhäuschen und Parterre- wohnungen eindringt. In seltenen Fällen hat man die ansonsten frei le- bende Gemeine Waldschabe als Eindringling in Waldhäusern festgestellt, darunter im Mai 2000 in einem Krankenhaus bei Magdeburg. Dieser in Bezug auf das betroffene Objekt hygienisch be- denkliche Befall musste durch einen Schäd- lingsbekämpfungsbetrieb getilgt werden. Natürlich können auch Heuschreckenarten wie die Gemeine Eichenschrecke und das Grüne Heupferd, wenn sie in Häuser einfliegen, Ekel und Abscheu auslösen. Es ist nicht ausgeschlossen und in früheren Zei- ten vielleicht auch nicht so selten vorgekommen, dass sich Ohrwürmer in das Ohr im Gras oder Heu liegender Menschen verirren. In das Mär- chenreich gehört es aber, dass sie das Trom- melfell durchbeißen und im Gehirn ihre Eier ab- legen. Noch im 19. Jahrhundert wurden sie übri- gens als Mittel gegen Taubheit empfohlen. Wer- den Ohrwürmer ergriffen, versuchen sie sich al- lerdings durch Kneifen mit den Zangen zu weh- ren, ein Versuch, der beim Menschen nicht zu Verletzungen führt, bei schreckhaften Zeitge- nossen aber wohl doch nicht erfolglos bleibt. Synanthrope Schaben können direkte Schäden durch Eindringen in Körperhöhlen und Benagen der Haut verursachen. Die großen Laubheuschrecken - Heupferde, Warzenbeißer und Heideschrecke - wissen sich durch Beißen zu wehren, wobei sie durchaus blutende Wunden erzeugen können. Der Lege- bohrer der Weibchen von Langfühlerschrecken dient aber nicht als Waffe. Es ist erwähnenswert, dass die Orientalische Schabe und das Heimchen als Gegenstand des sogenannten Ungezieferwahns (Dermatozoen- wahn) in Sachsen-Anhalt festgestellt worden sind. Dabei vermeint der Betroffene Befall durch das Getier auf der Haut oder in seiner Wohnung zu spüren. Schädlinge der Haus- und Nutztiere Der Gemeine Ohrwurm wird hin und wieder in Bienenstöcken angetroffen, wobei jedoch eine Schädigung der Bewohner durch das Tier noch nicht beobachtet worden ist. Für Ratten- und Mäusehaltungen in For- schungseinrichtungen, aber auch angesichts des Interesses, das diese Tiere bei Liebhabern finden, ist es von Bedeutung, dass die Deut- sche, die Orientalische, die Amerikanische und die Australische Schabe als Zwischenwirte des Rundwurms (Nematoda) Gongylonema ne- oplasticum (syn. G. neoplastica) fungieren, der in Nagetieren bösartige Geschwülste (Spiropte- ra-Karzinom) hervorrufen kann. Der Rundwurm siedelt sich in der Muskulatur der Blattopteren an und wird von Ratten und Mäusen aufge- nommen, wenn diese eine Schabe verzehren. Immerhin ist zu bedenken, dass in nicht wenigen Forschungseinrichtungen, insbesondere an Uni- versitäten, als Versuchstiere sowohl Nager als auch Schaben gehalten werden, wobei sie er- fahrungsgemäß nicht selten entweichen. Die genannten Schabenarten spielen für einen weiteren Nematoden, nämlich Spirocerca lupi (syn. S. sanguinolenta), ebenfalls die Rolle ei- nes Zwischenwirtes. Im Hund als Endwirt findet sich der Rundwurm in der Wand der Speiseröh- re, des Magens und der Aorta, wo er die Bildung von Geschwülsten auslösen kann. Gongylonema pulchrum ist ein weiterer Nema- tode, der möglicherweise die Deutsche Schabe als Zwischenwirt nutzt. Der Wurm parasitiert in den Endwirten Schaf, Ziege, Rind und Schwein, selten auch im Menschen. Es ist bekannt, dass auch in Viehställen gegen Schaben vorgegan- gen werden muss. Vor allem in Übersee treten die Rundwürmer Tetrameres americana und Oxyspirura mansoni parasitisch im Haushuhn und im Truthahn auf. Zwischenwirte sind u.a. die Deutsche Schabe bzw. die Surinamschabe. Pflanzenschädlinge In Gärten, Gärtnereien und Gewächshäusern richtet der Gemeine Ohrwurm manchmal durch Zerstören von Blüten, Knospen und Blättern von Zierpflanzen (Chrysanthemen, Dahlien, Glyzi- nien, Nelken, Zinnia) oder Gemüsepflanzen (Kohl, Blumenkohl, Rhabarber, Salat, Zwiebel), durch Anfressen von Früchten (Tomate, Erdbee- re) oder Wurzeln (Möhre, Sellerie, Kartoffel) so- wie Benagen von Blüten und Früchten von Obstbäumen (Pflaume, Pfirsich, Aprikose, Birne, Apfel) Schaden an. Ferner kann er die Maisern- te durch Befressen der Stempel sowie die Boh- nen- und Erbsenernte durch den Verzehr der halbreifen Samen beeinträchtigen. Zudem soll ihm Bedeutung bei der Übertragung von Fäul- niserregern des Obstes und von Brandpilzspo- ren (Ustilago zeae) zukommen. Einmal hat er 247

geradfl_Kap6_Geradfluegler.pdf

6 Geradflügler (Orthoptera s.l.) in Sachsen-Anhalt M. WALLASCHEK 6.1 Kenntniszuwachs WEIDNER (1938a) schreibt, dass das Volk in Mit- teldeutschland fünf Gruppen von Geradflüglern kennt: die Heuschrecken, das Heimchen, die Schaben, den Ohrwurm und in manchen Ge- genden die Maulwurfsgrille. Das dürfte heute trotz aller modernen Tierfilme und Tierbücher nicht viel anders sein, wird doch das Volkswis- sen über Insektenarten, so auch Orthopterenar- ten, offenkundig durch deren wirtschaftliche oder gesundheitliche Bedeutung bestimmt. So kann es kaum verwundern, dass sich, soweit bekannt, die ältesten Aufzeichnungen über Ge- radflügler in unserem Raum auf Einfälle der Eu- ropäischen Wanderheuschrecke und die durch sie hervorgerufenen Schäden beziehen. Nach WEIDNER (1938a, 1940) wurde das Gebiet von Sachsen-Anhalt nachweislich z.B. 1338 (Raum Halle und Harz) und 1693 (Raum Naumburg) davon berührt. Gelegentlich haben sich wohl die Tiere auf dem Landesgebiet fortgepflanzt, so um 1875 in der Gegend von Körbelitz bei Magde- burg. Die Wissenschaft nahm allerdings auch damals schon andere Geradflüglerarten ins Blickfeld. Im Laufe der letzten drei Jahrhunderte wurde dabei zunehmend mehr Wert auf die genaue Angabe von Ort und Zeit des Fundes gelegt. So nannte RÜLING (1786) den Kleinen Zangen- träger, den Gemeinen Ohrwurm, die Orientali- sche Schabe, eine Waldschabe, das Grüne Heupferd, den Warzenbeißer, die Feldgrille, das Heimchen, die Maulwurfsgrille, die Europäische Wanderheuschrecke und die Rotflügelige Schnarrschrecke für den „Harz“. SAXESEN (1834) zählte die Zwitscherschrecke, den Warzenbeißer, die Kurzflügelige Beißschre- cke und die Rotflügelige Schnarrschrecke als Bewohner des „Oberharzes“, worunter er alle höheren Berge mit vorherrschendem Nadelholz- bestand fasste, auf. Er gab bereits einzelne, ihm besonders auffällige Fundorte genauer an, wo- bei allerdings keiner davon in Sachsen-Anhalt liegt. Von TASCHENBERG (1871) über ZACHER (1917) und LEONHARDT (1917, 1929) bis WEIDNER (1938a, 1940), RAPP (1943), KÜHLHORN (1955) und SCHIEMENZ (1969), um nur die wichtigsten älteren faunistischen Werke über sachsen- anhaltinische Orthopteren aufzuführen, erfolgte die Nennung von Fundorten vor allem in Form der Namen nächstgelegener Ortschaften. Teil- weise wurden sie mit einer genaueren Beschrei- bung der Lage der Fundlokalität, mit der Mee- reshöhe, dem Funddatum, einer Häufigkeitsan- gabe und der Biotopbeschreibung publiziert. Heute sollte es üblich sein, all diese Daten in faunistischen Veröffentlichungen aufzuführen, um die Wiederholbarkeit der Untersuchung und die Nutzung für Belange der Zoogeographie und Ökologie zu gewährleisten. Leider wird die in Jahrhunderten erreichte Einsicht in die Notwen- digkeit einer genauen Dokumentation von Fun- den derzeit nicht selten ignoriert, indem man z.B. die Lage von Fundorten nur als Meß- tischblatt(quadranten)nummern bekannt gibt. Wissenschaftliche Veröffentlichungen über Vor- kommen und Verbreitung von rezenten Gerad- flüglern auf dem Landesgebiet von Sachsen- Anhalt beginnen mit BURMEISTER (1838), der den Fund eines Weibchens von Myrmecophilus a- cervorum auf einer Chaussee in Halle (Saale) meldete. Seitdem sind 35 Publikationen mit faunistischen Primärdaten über Ohrwürmer erschienen, über Fangschrecken sind es 2, über Schaben 34 und über Heuschrecken 160. Die Verteilung über Zeitintervalle von je einem halben Jahrhundert Länge zeigt die enorme Zunahme der Publikati- onstätigkeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Abb. 1). Inzwischen gibt es kaum noch eine Region, aus der nicht wenigstens eine Veröffent- lichung vorliegt (vgl. WALLASCHEK 1996d) und ist die erste Arbeit mit Verbreitungskarten von Ge- radflüglerarten für das Land Sachsen-Anhalt publiziert worden (WALLASCHEK et al. 2002). Bisher sind fünf Ohrwurm-, eine Fangschrecken-, zehn Schaben-, 27 Langfühlerschrecken- und 34 Kurzfühlerschreckenarten aus dem Landes- gebiet bekannt geworden, also 77 Species. Die Kenntnis der Zahl der rezenten Orthopterenar- ten hat in den oben genannten Intervallen er- heblich zugenommen, wobei die Phase des stärksten Kenntniszuwachses in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag (Abb. 2). Ende der zweiten Hälfte des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts resultierten Neufunde vor allem aus intensiverer Nachsuche, darunter auch nach Irrgästen und synanthropen Arten. Die Gesamtzahl der Datensätze nimmt für die Orthopterenordnungen Sachsen-Anhalts folgen- de Werte an: Dermaptera 943, Mantodea 1, Blattoptera 426, Ensifera 12.959, Caelifera 21.621, zusammen also 35.950. 23 Die Verteilung der Anzahl von Publikationen wie auch Datensätzen auf die einzelnen Zeitab- schnitte (Abb. 1, Abb. 3) ist auf einen Wandel der gesellschaftlichen Bedeutsamkeit faunisti- scher Forschungen an heimischen Orthopteren zurückzuführen. Lange Zeit befassten sich nur einzelne Forscher mit der Faunistik. Synanthro- pe Schaben und Heuschrecken erlangten in Folge der Zunahme der menschlichen Bevölke- rungsdichte stärkere Beachtung aus hygieni- scher Sicht, was sich jedoch zumeist nicht in ei- ner wesentlichen Befruchtung des faunistischen Kenntnisstandes durch Mediziner, Hygieniker und Schädlingsbekämpfer ausdrückte. Obwohl einzelne Ohrwurm- und Heuschrecken- arten zuweilen erhebliche Schäden im Garten- und Obstbau anrichten können, andererseits Ohrwürmer für den biologischen Pflanzenschutz Bedeutung erlangt haben, steuern Agrarwissen- schaftler und Landwirte bisher ebenfalls nur sel- ten faunistische Kenntnisse über diese Arten bei. Nach der politischen Wende 1989/1990 lösten die enorm gestiegenen wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen eine große Zahl von Eingriffs- und Naturschutzplanungen aus. Das führte zu einer rasanten Zunahme der Datensät- ze, auch für die bisher vernachlässigten Ohr- würmer und Schaben (Abb. 3). Sie zeigt, dass diese heimischen Orthopterentaxa über die wirt- schaftliche oder gesundheitliche Bedeutung ein- zelner Vertreter hinaus einen erheblichen Stel- lenwert in der Umweltüberwachung und – vorsorge sowie in der zoogeographischen und ökologischen Forschung erhalten haben. Belegt wird das zunehmende Interesse an den heimischen Geradflüglern auch durch die nicht geringe Zahl von 26 Sekundärveröffentlichungen mit direktem Bezug auf Sachsen-Anhalt (z.B. Faunenwerke, Checklisten, Rote Listen, Listen charakteristischer Arten von FFH- Lebensraumtypen und Landschaften, Arten- und Biotopschutzprogramme). Völlig losgelöst von Forschungen an den rezen- ten Orthopteren Sachsen-Anhalts liefen bisher paläoentomologische Untersuchungen, über de- ren Ergebnisse immerhin 13 Publikationen vor- liegen. Dabei besitzen fossile Geradflügler aus heimischen Lagerstätten eine weit über die Lan- desgrenzen hinaus reichende Bedeutung (WAL- LASCHEK 2003d). Sie werfen ein Schlaglicht auf die Vielfalt und das gewaltige Ausmaß der or- thopterologischen und geographischen Verän- derungen auf dem Landesgebiet, in Mitteleuropa und auf der nördlichen Halbkugel, die sich of- fensichtlich teils sprunghaft, teils kaum merklich vollzogen haben. Auch daran wird das Momen- tane der hier vorliegenden Arbeit sichtbar. 250 Publikationen 200 150 100 50 0 bis 1849 1850-1899 1900-1949 1950-1999 Zeitraum Dermaptera Mantodea Blattoptera Saltatoria Abb. 1: Kumulierte Zahl von Publikationen mit rezenten faunistischen Primärdaten. 24 2000-2004 80 70 60 Artenzahl 50 40 30 20 10 0 bis 1849 1850-1899 1900-1949 1950-1999 2000-2004 Zeitraum Dermaptera Mantodea Blattoptera Ensifera Caelifera Abb. 2: Kumulierte Zahl aus Sachsen-Anhalt publizierter rezenter Orthopterenarten. 40000 35000 Datensätze 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 bis 1949 1950-1999 2000-2004 Zeitraum Dermaptera, Mantodea, Blattoptera Ensifera Caelifera Abb. 3: Kumulierte Zahl von Datensätzen. 25

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14 Orthopteren im Naturschutz M. WALLASCHEK 14.1 Naturschutz und Naturschutzrecht In einem weiten Sinn umfasst Naturschutz die Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der natürlichen Lebensgrundlagen, in einem engeren Sinn die Gesamtheit der Maß- nahmen zum Schutz seltener und bestandsbe- drohter Arten (Artenschutz), seltener und ge- fährdeter Lebensräume und ihrer Lebensge- meinschaften (Biotopschutz) sowie für die Erho- lung wertvoller Landschaften (Landschafts- schutz). Naturschutz ist keine Naturwissen- schaft, sondern ein Politikfeld und eine ange- wandte Forschungsdisziplin, da er auf Wertent- scheidungen beruht. Er nutzt aber wissenschaft- liche Methoden und Erkenntnisse für die Formu- lierung, Umsetzung und Kontrolle seiner Ziele (DIERßEN 1990, JESSEL & TOBIAS 2002, SCHAE- FER & TISCHLER 1983, SEDLAG & WEINERT 1987, WEGENER 1998). Die Orthopteren können sowohl Gegenstand des Arten-, Biotop- und Landschaftsschutzes als auch Mittel sein, allgemeine Ziele des Natur- schutzes zu definieren und zu verwirklichen. Un- ter dem ersten Gesichtspunkt ist darauf hinzu- weisen, dass die heimischen Geradflüglerarten nach § 1 BNatSchG (2002) als Teil von Natur und Landschaft allein schon auf Grund ihres ei- genen Wertes zu schützen sind. Darüber hinaus leisten sie im Sinne des Geset- zes wesentliche Beiträge zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie zur Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutz- barkeit der Naturgüter. Zeugnis davon legen z.B. die Rolle von Chelidurella guentheri als wichtige pantophage Tierart im Hainsimsen-Buchenwald des Solling, die Nutzung von ca. 10 % der Pri- märproduktion europäischer Rasenökosysteme durch phytophage Acrididae, die Bedeutung von Orthopteren als Beute und Wirte sowie die Wir- kung zoophager Orthopteren ab (ELLENBERG et al. 1986, HARZ 1957, INGRISCH & KÖHLER 1998, MATZKE 2002). Bisher wenig beachtet wird, dass Orthopteren die Schutzgüter Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie Erholungswert von Natur und Landschaft wesentlich beeinflussen können. Jedem Wande- rer wird die Veränderung des Klangbildes der sommerlichen Landschaft auffallen, wenn er aus der Stadt in ein Wiesental eintritt – dort Straßen- lärm, hier ein Hauch von Süden im Zirpen der Grashüpfer. Wer Heidelandschaften mit und oh- ne die Gesänge von Feldgrille, Warzenbeißer oder Heideschrecke kennengelernt hat, wird de- ren Anwesenheit zu schätzen wissen. Die Landschaftsplanung ist die Fachplanung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Sie hat deren Erfordernisse und Maßnahmen für den jeweiligen Planungsraum darzustellen und zu begründen (§ 13 BNatSchG 2002, JESSEL & TOBIAS 2002, SPITZER 1995). Da Orthopterenarten wesentliche Funktionen in den von ihnen besiedelten Ökosystemen erfül- len, viele von ihnen gut bekannte spezifische e- xistenz- und ausbreitungsökologische Ansprü- che stellen und das Landschaftsbild beeinflus- sen sowie effektiv erfasst und meist schon im Gelände determiniert werden können, eignen sie sich als Mittel der Landschaftsplanung. Sie liefern eine Reihe von Indikatoren, an denen der Ist-Zustand eines Planungsraumes, bezogen auf die Planungsaufgabe, dargestellt werden kann, die weiter die Bewertung des Planungs- raumes, die Formulierung von naturschutzfachli- chen Entwicklungszielen oder Leitbildern, die Aufstellung von Wirkungsprognosen oder die Beurteilung der Schutzwürdigkeit, die Ableitung von Maßnahmen oder Empfehlungen sowie Nachkontrollen ermöglichen. Dazu gehören z.B. zoogeographische Indikato- ren wie Anwesenheit und Häufigkeit expansiver oder regressiver Arten, autökologische Indikato- ren wie das Vorkommen stenotoper Arten, zoo- zönologische Kriterien wie die Vollständigkeit charakteristischer Artengruppen oder natur- schutzfachliche Kriterien wie die Zahl von Rote- Liste-Arten. Solche Indikatoren dürften auch für die neu ins Gesetz aufgenommene Umweltbeo- bachtung (§ 12 BNatSchG 2002) nützlich sein. Die Möglichkeiten zur Bewertung von sachsen- anhaltinischen Orthopterenlebensräumen mit Hilfe solcher Indikatoren hat WALLASCHEK (1996a) aufgezeigt. Im Folgenden wird der konkrete Beitrag der bis- her erarbeiteten Kenntnisse über die Orthopte- ren Sachsen-Anhalts zum Arten-, Biotop- und Landschaftsschutz des Landes dargelegt. 14.2 Artenschutz 14.2.1 Verantwortlichkeit Sachsen-Anhalts für den Erhalt von Orthopterenarten Deutschland trägt für die Erhaltung einer Reihe von Heuschreckenarten Verantwortung, weil be- deutende Teile ihrer Areale bzw. ihrer Weltbe- stände oder isolierte Vorposten im Bundesgebiet liegen bzw. die Bestände in weiten Teilen des Areals gefährdet sind. Dabei werden die Katego- 231 rien „!! in besonderem Maße verantwortlich“, „(!!) in besonderem Maße für Vorposten verantwort- lich“ und „! stark verantwortlich“ unterschieden (MAAS et al. 2002). In den anderen Orthopteren- taxa wurde von uns nach Arten gesucht, welche die maßgeblichen Kriterien erfüllen. Diese Arten sind zugleich als zoogeographisch bedeutsame Arten aufzufassen (vgl. Kap. 14.2.2). Weil Naturschutz in Deutschland Ländersache ist, geht die Verantwortung auf die Bundeslän- der über, die Bestände dieser Species auf dem Landesgebiet besitzen. Daher wird hier die Verbreitung der entsprechenden in Sachsen- Anhalt vorkommenden Arten nochmals kurz be- schrieben (vgl. Kap. 7 bis 11). !! in besonderem Maße verantwortlich Deutschland ist lediglich für eine Art in besonde- rem Maße verantwortlich, und zwar für Isophya kraussii, da sich mehr als ein Drittel des Ge- samtareals und das Arealzentrum in Deutsch- land befinden (MAAS et al. 2002). Ihre Bestände liegen in Sachsen-Anhalt am Nordrand des Are- als. Sie kommt hier sehr wenig verbreitet und mit stationärer Arealdynamik im Harz, auf den nördlichen Randplatten des Thüringer Beckens sowie im Leipziger Land vor. Ein alter Fundort liegt nördlich von Magdeburg. (!!) in besonderem Maße für Vorposten ver- antwortlich Deutschland ist für die Erhaltung der Vorposten von acht Heuschreckenarten in besonderem Maße verantwortlich (MAAS et al. 2002). In Sachsen-Anhalt besitzen oder besaßen Gampsocleis glabra, Podisma pedestris und Stenobothrus crassipes reliktäre Vorposten, die mindestens 100 km von der nächst gelegenen Population entfernt liegen. Gampsocleis glabra verfügt im Land Schollene über zwei räumlich getrennte Bestände, die zu den größten in Mitteleuropa verbliebenen gehö- ren, wobei jedoch der Fortbestand allein der mi- litärischen Nutzung der Lebensräume geschul- det ist. Der letzte Nachweis von Podisma pe- destris reicht in das Jahr 1947 zurück. Alle bis- herigen Fundortangaben stammen aus dem Harz. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass noch Bestände existieren. Die Vorkommen von Stenobothrus crassipes im sachsen- anhaltinischen Teil des Kyffhäusers bei Kelbra sind als nordöstliche Ausläufer der Thüringer Exklave zu betrachten (KÖHLER 2001). ! stark verantwortlich Bei Chelidurella guentheri, Barbitistes serricau- da und Nemobius sylvestris umfasst der in Deutschland liegende Arealteil zwischen einem Zehntel und einem Drittel des Gesamtareals. Außerdem befinden sich hier Verbreitungs- schwerpunkte aller drei Arten (MAAS et al. 2002). 232 Chelidurella guentheri ist wohl überall in den Waldlandschaften Sachsen-Anhalts zu finden. Die Vorkommen von Barbitistes serricauda be- finden sich in Sachsen-Anhalt an der nördlichen Arealgrenze. Besiedelt wird das Saale-Unstrut- Gebiet und der Harz. Ein alter Fundort liegt im Östlichen Harzvorland in Halle (Saale). Ange- sichts der geringen Fundortzahl, der aktuellen Funde in Niedersachsen und eines alten Fundes in Brandenburg kann nicht ausgeschlossen wer- den, dass die Art in Sachsen-Anhalt bisher an nicht wenigen Stellen übersehen worden ist. Die Bestände von Nemobius sylvestris liegen in Sachsen-Anhalt an der nördlichen Arealgrenze. Die Art besiedelt den Saale-Unstrut-Raum rela- tiv geschlossen. Sie besitzt im Fläming und im Elbe-Mulde-Tiefland Exklaven. 14.2.2 Zoogeographisch bedeutsame Arten Entsprechend der in Kap. 5.3 aufgestellten Krite- rien werden in Tab. 22 unter Bezug auf die Er- gebnisse in Kap. 12 die zoogeographisch be- deutsamen Orthopterenarten Sachsen-Anhalts zusammengestellt. Dabei kann es zu Mehrfach- nennungen von Arten kommen. Aus Tab. 22 geht hervor, dass ein beachtlicher Teil der Orthopterenarten Sachsen-Anhalts al- lein schon aus zoogeographischen Gründen für den Naturschutz interessant ist. Dabei betrifft das nicht allein aus seiner Sicht negative Ten- denzen wie Bestandsrückgänge, Verluste von Teilen der Areale oder sogar Verluste von Arten, sondern ebenso auch Zugewinne an Beständen und Arealflächen oder die Tatsache, dass be- deutende Teile der deutschen Bestände einiger Orthopterenarten auf dem Landesgebiet liegen (pleistodemische Arten). Aus Letzterem ergeben sich für den sachsen- anhaltinischen Naturschutz besondere Aufgaben im Rahmen des Bundesgebietes, also eine Er- weiterung der in Kap. 14.2.1 beschriebenen Verantwortlichkeiten. Hinzuweisen ist darauf, dass sich unter den bis- her in Sachsen-Anhalt registrierten 13 sy- nanthropen Orthopterenarten mit Labia minor, Mantis religiosa, Blatta orientalis, Blattella ger- manica und Acheta domesticus immerhin fünf Arten befinden, denen der Aufenthalt im Freiland teils dauerhaft, teils zumindest zeitweise möglich ist. Eine Lösung von der Anthropozönose würde sie ebenfalls als zoogeographisch bedeutsam erscheinen lassen. Das scheint vor allem bei Mantis religiosa nicht völlig unmöglich zu sein, geht sie doch in Frank- reich bis zum 50°, in Osteuropa bis zum 53° Breitengrad. Das Mitteldeutsche Trockengebiet und der Saale-Unstrut-Raum liegen aber zwi- schen 51° und 52° nördlicher Breite. Außerdem besitzt sie in Berlin eine Exklave. Tab. 22: Zoogeographisch bedeutsame Arten in Sachsen-Anhalt (exkl. synanthrope). Alle Angaben mit Ausnahme pleistodemischer Arten auf das Landesgebiet von Sachsen-Anhalt und das Jüngere Subatlantikum bezogen; Arten alphabetisch geordnet. Kriterium (Artenzahl) Arten an der Arealgrenze (12) Arten am Arealrand (8) Arten in Exklaven (12) Erloschene Arten (4) Arten mit expansiver Are- aldynamik (5; lokal: 5) Arten mit regressiver A- realdynamik (3; lokal: 14) Pleistodemische Arten (Areal: 1; Deutschland: 6) Zoogeographisch bedeutsame Arten Barbitistes serricauda, B. constrictus, Conocephalus fuscus, Gomphocerippus rufus, Isophya kraussii, Leptophyes albovittata, Myrmecophilus acervorum, Nemobius sylvestris, Oedipoda ger- manica, Phaneroptera falcata, Phyllodromica maculata, Stenobothrus nigromaculatus, Tetrix ce- peroi Chorthippus vagans, Gryllus campestris, Psophus stridulus, Sphingonotus caerulans, Steno- bothrus lineatus, S. stigmaticus, Tetrix bipunctata, Tetrix tenuicornis Calliptamus italicus, Euthystira brachyptera, Gampsocleis glabra, Gomphocerippus rufus, Gomphocerus sibiricus, Locusta migratoria, Metrioptera bicolor, Nemobius sylvestris, Oecanthus pellucens, Podisma pedestris, Stenobothrus crassipes, Tettigonia caudata Calliptamus italicus, Gomphocerus sibiricus, Locusta migratoria, Podisma pedestris Chrysochraon dispar, Conocephalus fuscus, Metrioptera bicolor, Oecanthus pellucens, Phanerop- tera falcata; lokal expansiv: Chorthippus apricarius, Gomphocerippus rufus, Leptophyes puncta- tissima, Meconema thalassinum, Tettigonia caudata Oedipoda germanica, Psophus stridulus, Sphingonotus caerulans; lokal regressiv: Chorthippus montanus, C. vagans, Decticus verrucivorus, Gryllus campestris, Labidura riparia, Metrioptera brachyptera, Oedipoda caerulescens, Omocestus haemorrhoidalis, Phyllodromica maculata, Ste- nobothrus crassipes, S. nigromaculatus, S. stigmaticus, Stethophyma grossum, Tetrix bipunctata In Bezug auf das Areal als Teil des deutschen Bestandes: Chelidurella guentheri; In Bezug auf Deutschland: Chorthippus apricarius, Gampsocleis glabra, Labidura riparia, Lep- tophyes albovittata, Myrmecophilus acervorum, Tetrix ceperoi 14.2.3 Besonders und streng geschützte Or- thopterenarten Von den in Anlage 1 der BArtSchV (1999) ge- nannten 17 Orthopterenarten sind bisher sieben in Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden (Tab. 23). Es handelt sich um eine Fangschrecken-, eine Langfühlerschrecken- und fünf Kurzfühler- schreckenarten. Mantis religiosa ist bisher nur kurzzeitig aufge- treten. Die dauerhafte Ansiedlung im Land als Folge von Verdriftung oder Verschleppung in geeignete Räume wie das Saale-Unstrut-Gebiet oder das Mitteldeutsche Trockengebiet wäre möglich. Das Wiedererscheinen von Calliptamus italicus ist angesichts der Vorkommen in Bran- denburg ebenfalls nicht auszuschließen. Der letzte Nachweis von Psophus stridulus stammt aus dem Jahr 1986 bei Dessau, ältere sind aus dem Harz bekannt. Bei diesen drei Arten sind nach der Ansiedlung bzw. nach dem Wiederfund Maßnahmen zur naturschutzrechtlichen Siche- rung und verträglichen Nutzung oder Pflege der Lebensräume zu treffen. Bei Gampsocleis glabra stehen sich die Nut- zungsinteressen der Bundeswehr und die Inte- ressen des Naturschutzes keineswegs konträr gegenüber. Die Erhaltung der Bestände bedarf aber der Fortführung der schon bisher vorbildlich gehandhabten Abstimmung zwischen Komman- dantur, Standortverwaltung, Bundesforstamt und Unterer Naturschutzbehörde, in einigen Punkten auch der Verfeinerung von Pflege- und Entwick- lungsmaßnahmen. Oedipoda germanica ist derzeit auf wenige Ge- biete im Saale-Unstrut-Raum bei Naumburg und Freyburg/Unstrut beschränkt, die ihren sehr spezifischen existenzökologischen Ansprüchen gerecht werden. Ein älterer Fundort am Süßen See ist erloschen, wobei hier die Wiederbesied- lung aufgrund des Landschaftswandels derzeit unwahrscheinlich ist. Oedipoda caerulescens und Sphingonotus cae- rulans sind weiter als die vorgenannten Arten verbreitet, lassen aber Schwerpunkte ihrer Verbreitung erkennen. Das könnte für die zu- ständigen Behörden Anlass sein, das Netz von Schutzgebieten und die sonstigen Naturschutz- maßnahmen auf Effektivität zu prüfen. Die bei- den Arten zeigen derzeit Verbreitungsschwer- punkte in den Folgelandschaften des Braunkoh- lebergbaus, in vom Sand- und Kiesabbau ge- prägten Räumen, auf Truppenübungsplätzen sowie im Bereich des Südlichen Landrückens und angrenzender Sandgebiete. Die erste Art besiedelt stärker als die zweite Landschaften, die reich an Kalk-, Silikat- und Schwermetallma- gerrasen sind bzw. auch suburbane Landschaf- ten. Da sich die existenzökologischen Verhält- nisse für beide Arten besonders in den Braun- kohlebergbau-Folgelandschaften und auf Trup- penübungsplätzen durch Nutzungsaufgabe oder –verminderung, Rekultivierung und Sukzession verschlechtern, erscheinen vor allem Erhaltung und verträgliche Nutzung oder Pflege natürlicher oder naturnaher Lebensräume wie offene Bin- nendünen, Sand- und Kiesufer, Sand-, Kalk-, Si- likat- und Schwermetallmagerrasen angezeigt. 233

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18 Anhang 271 Tab. A1: Orthopteren des Landesgebietes von Sachsen-Anhalt vor dem Weichselhochglazial. Nach BEIER (1964), EHRMANN (1999), WALLASCHEK (2003d); FA = frühestes fossiles Auftreten. Geologische Gliederung Dermaptera Tertiär, Untermiozän Tertiär, Eozän bis Oligozän Kreide Jura Jura, Lias Mantodea Tertiär, Untermiozän ?Perm, Lias Blattoptera Pleistozän Tertiär, Untermiozän Tertiär, Mitteleozän Tertiär Perm, Unterrotliegendes Karbon, Oberkarbon, Stefan C Karbon, (? Unteres Devon) Ensifera Pleistozän Tertiär, Untermiozän Tertiär, Mitteleozän Tertiär Jura Trias Oberes Karbon Caelifera Pleistozän, Weichselglazial Tertiär, Mitteleozän Tertiär Jura Untere Trias 272 Taxon Forficulidae: Bitterfeld FA: Labiduridae (Baltischer Bernstein) FA: Forficulidae (China) FA: Labiidae (Karatau) FA: Dermaptera (Karatau in Südkasachstan) Chaeteessidae (Larven), Mantidae (Larven): Bitterfeld FA: Mantodea FA: Blatta ?orientalis (Bornholt in Schleswig-Holstein) Blattoptera (Larven): Bitterfeld Parallelophoridae Parallelophora anomala HAUPT 1956: Geiseltal Parallelophora acuta HAUPT 1956: Geiseltal Ectobiidae Telmablatta impar HAUPT 1956: Geiseltal Isoplates longipennis HAUPT 1956: Geiseltal Nyctiboridae Eolampra longicauda PONGRACZ 1935: Geiseltal Epilampra spec.: Geiseltal FA: Blattidae, Blattellidae, Blaberidae (z.B. Baltischer Bernstein) Phylloblattidae Anthracoblattina n. sp. A: Plötz Compsoblattidae Compsoblatta mangoldti SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Sennewitz Mylacridae Dictyomylacris densistriate (A. H. MÜLLER 1975): Plötz Neorthroblattina germari (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Löbejün, Plötz Phylloblattidae Phylloblatta gandryi (MEUNIER 1921): Plötz, Wettin Phylloblatta splendens SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Wettin, Plötz Phylloblatta amabilis SCHLECHTENDAHL i.l. 1906: Wettin, Löbejün, Plötz Phylloblatta flabellata (GERMAR 1842): Wettin, Löbejün, Plötz, Dölau Anthracoblattina didyma (ROST 1839): Wettin, Löbejün Anthracoblattina spectabilis (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün Xenoblatta russoma (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün Xenoblatta muetzei SCHNEIDER 1978: Plötz, Wettin Xenoblatta simoniana SCHNEIDER 1978: Plötz Xenoblatta ploetziana SCHNEIDER 1978: Plötz Compsoblattidae Compsoblatta anaglyptica (GERMAR 1842): Wettin, Löbejün, Plötz Compsoblatta anthracophila (GERMAR 1842): Wettin, Plötz Compsoblatta nobilis (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Löbejün, Plötz Compsoblatta plana (SCHLECHTENDAHL i.l. 1906): Wettin, Wittekind, Plötz Spiloblattinidae Spiloblattina steinbachi (GUTÖHRL 1934): Wettin Sysciophlebia euglyptica (GERMAR 1851): Wettin, Plötz Sysciophlebia subtilis (SCHLECHTENDAHL 1906): Wettin, Plötz Poroblattinidae Poroblattina parvula (GOLDENBERG 1869): Wettin, Löbejün, Plötz Poroblattina rotundata (SCUDDER 1885): Wettin, Löbejün FA: Blattoptera FA: Phaneropterinae Tettigoniidae (Larven), Grylloidea: Bitterfeld Gryllidae spec: Geiseltal FA: Conocephalinae, Decticinae, Platycleis FA: Gryllus, Acheta, Nemobius, Oecanthinae (z.B. Baltischer Bernstein) FA: Gryllotalpidae (Westeuropa), Raphidophoridae FA: Tettigoniidae FA: Gryllidae (Westeuropa) FA: Ensifera FA: Melanoplinae, Stenobothrus, Chorthippus (Starunia) Tetrigidae: Tetrix spec.: Geiseltal FA: Acrididae, Anacridium, Locusta, Oedipoda, Gomphocerus FA: Tetrigidae FA: Caelifera Tab. A2: Die spätglaziale und holozäne Orthopterenfauna im Gebiet Sachsen-Anhalts. Nach WALLASCHEK (2003d), ergänzt um eigene Einschätzungen zu den Mantodea. Quartär-Gliederung nach SEDLAG & WEINERT (1987): HGl = Hochglazial; Spätglazial: Böl = Bölling, ÄDr = Ältere Dryas, All = Alleröd, JDr = Jüngere Dryas; Altholozän: PBor = Präboreal, Bor = Boreal; Mittelholozän: ÄAt = Älteres Atlantikum, JAt = Jünge- res Atlantikum, SBor = Subboreal; Jungholozän: ÄSAt = Älteres Subatlantikum, JSAt = Jüngeres Subatlantikum; Gw = Gegen- wart (ab 1950, aber Jüngeres Subatlantikum!). Distributionsgrad der Arten: + wenig verbreitet, ++ verbreitet, +++ weit verbreitet. Einwanderungswege und -richtungen (= Wege): 1 = für atlantomediterrane und holomediterrane Arten: 1a) entlang der Küste des Atlantiks und der Nordsee-norddeutsche Tief- ebene, 1b) Mittelmeer-Rhone-Saone-Maas-norddeutsche Tiefebene, 1c) M.-R.-S.-Mosel-hess. Gebirge-Randplatten Thür. Be- cken-Unstrut, 1d) M.-R.-S.-Doubs-Burgund. Pforte-Rhein-Main-Saale; 2 = für pontomediterrane und holomediterrane Arten sowie südliche Populationen kaspischer, mongolischer, sibirischer und tu- ranoeremischer Arten: 2a) Schwarzmeer-Donau-Pannonien-Süddeutschland-Naab-Main-Saale, 2b) S.-D.-P.-March-Boskowitzer Furche-Elbe, 2c) S.-D.-P.-March-Mährische Pforte-Schlesien-Südlicher Landrücken; 3 = für kaspische, mongolische, sibirische und turanoeremische Arten: 3a) Kaspisches/Schwarzes Meer-südrussisch- ukrainische Steppen-wolhynisch-podolische Platte-Schlesien-Südlicher Landrücken, 3b) Asiatischer Steppen- und Waldstep- pengürtel-südrussisch/ukrainische Steppen-wolhynisch-podolische Platte-Schlesien-Südlicher Landrücken, 3c) Borealer Wald- gürtel-polnisch-norddeutsche Tiefebene; 4 = Einschleppung durch den Menschen (Anthropochorie); Reihenfolge nach mutmaßlicher Bedeutung. Taxon Dermaptera Labia minor Labidura riparia Chelidurella guentheri Apterygida media Forficula auricularia Artenzahl Mantodea Mantis religiosa Artenzahl Blattoptera Blaberus craniifer Pycnoscelus surinamensis Blatta orientalis Periplaneta americana Periplaneta australasiae Blattella germanica Supella longipalpa Ectobius sylvestris Ectobius lapponicus Phyllodromica maculata Artenzahl Ensifera Phaneroptera falcata Leptophyes albovittata Leptophyes punctatissima Isophya kraussii Barbitistes serricauda Barbitistes constrictus Meconema thalassinum Conocephalus fuscus Conocephalus dorsalis Tettigonia viridissima Tettigonia cantans Tettigonia caudata Decticus verrucivorus Gampsocleis glabra Platycleis albopunctata Metrioptera brachyptera Metrioptera bicolor Metrioptera roeselii Pholidoptera griseoaptera Tachycines asynamorus Gryllus bimaculatus Gryllus campestris Acheta domesticus Nemobius sylvestris Oecanthus pellucens Myrmecophilus acervorum Gryllotalpa gryllotalpa Artenzahl Caelifera Tetrix subulata Tetrix ceperoi HGlBölÄDrAllJDrPborBorÄAt . . . . + 1. . . . + 1. . . . + 1. + . . ++ 2. . . . + 1. + + + ++ 4. ++ ++ ++ ++ 4. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. . . . . . . . + . 1. . . . . . . + +2. . . . . . . + + . 2. . . . . . . ++ ++ . 2. . . . . . . + ++ . 2. . . . .. . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2. . . . . . + . . + . . . . . . . . . . . 2+ .+ .+ .Sbor ÄSAt JSAtGw + ++ ++ +++ +++ +++ +++ ++ +++ 4 5++ ++ +++ +++ +++ 5++ ++ +++ +++ +++ 5+++ ++ ++ ++ +++ 5++ 2, 4 + 3, 4 ++ 1 ++ 1 +++ 1, 2, 3, 4 5 . 0. 0. 0. 0. 0+ 1 4 . . . . . . . ++ +++ . 2. . . . . . . . + . . . . . . . . . . . . +++ +++ +++ +++ +++ +++ + ++ ++ 3 3 4. . + . . . . +++ +++ ++ 4. . + . . . . +++ +++ ++ 4. . +++ + + +++ . ++ ++ ++ 7+ + ++ + + +++ + ++ ++ + 10 4 4 4 4 4 4 4 3, 2 3, 2 2, 3 . . . . .. . + . .. . . . . . ++ . . ++ . + . . . . . . . . . 3. . . . . . + . . + . + . . . . . . . . . 3+ . + + + . ++ . + ++ . ++ + . . . . . . . + 11+ + + + + + ++ ++ ++ + + + + ++ ++ + + + ++ +++ +++ + + + ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ + + + ++ + + + + + ++ + + ++ + + + + + +++ ++ +++ ++ +++ +++ . . . . . . + + + . . . + ++ ++ . . . + + + ++ ++ ++ 23 23 23+ + ++ ++ ++ + +++ + ++ +++ ++ + ++ + ++ ++ + +++ +++ . . ++ . ++ . ++ ++ 23+ + ++ ++ ++ + +++ + ++ +++ ++ + ++ + ++ ++ + +++ +++ . . ++ . ++ . ++ ++ 23+ ++ ++ ++ ++ + ++ + ++ +++ ++ + ++ + +++ ++ + +++ +++ + . +++ ++ + + ++ ++ 26++ + ++ + + + ++ ++ ++ +++ ++ + + + ++ + + +++ +++ + + ++ ++ + + + + 27 2, 3 1, 2 2, 4 2 2, 3 2, 3 2, 3 1, 2 3 1, 2, 3 3, 2 3, 2 3 2, 3 1 3 3 3, 2 3 4 4 1, 2 4 1 1, 2, 4 2, 3 1, 2 ++ .+ .++ .+++ ++++ ++++ ++++ +++++ ++ 3, 2 1, 2 ++ + JAt ++ + Wege 273

geradfl_Inhalt.pdf

Die Geradflügler des Landes Sachsen-Anhalt Inhalt Vorwort6 1Zusammenfassung7 2Abstract7 3Danksagung9 4Einleitung11 5 5.1 5.2 5.3Methoden Zoogeographische Daten Ökologische Daten Angewandte Daten15 15 18 20 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.4Geradflügler (Orthoptera s.l.) in Sachsen-Anhalt Kenntniszuwachs Zoogeographische und ökologische Grundlagen Areale, Faunen und Faunenwandel Existenzökologische Faktoren Ausbreitungsökologische Faktoren Landschaftliche Situation Allgemeines Landschaftsgliederung Böden Klima Gewässer Vegetation und Landnutzung Checkliste23 23 26 26 28 29 30 30 30 30 31 32 32 33 7Ohrwürmer (Dermaptera) Labia minor (LINNAEUS, 1758), Kleiner Zangenträger Labidura riparia (PALLAS, 1773), Sand-Ohrwurm Chelidurella guentheri (GALVAGNI, 1993), Wald-Ohrwurm Apterygida media (HAGENBACH, 1822), Gebüsch-Ohrwurm Forficula auricularia LINNAEUS, 1758, Gemeiner Ohrwurm40 40 42 44 46 48 8Fangschrecken (Mantodea) Mantis religiosa (LINNAEUS, 1758), Gottesanbeterin50 50 9Schaben (Blattoptera) Blaberus craniifer BURMEISTER, 1838, Riesenschabe Pycnoscelus surinamensis (LINNAEUS, 1758), Surinamschabe Blatta orientalis LINNAEUS, 1758, Orientalische Schabe Periplaneta americana (LINNAEUS, 1758), Amerikanische Schabe Periplaneta australasiae (FABRICIUS, 1775), Australische Schabe Blattella germanica (LINNAEUS, 1767), Deutsche Schabe Supella longipalpa (FABRICIUS, 1798), Braunbandschabe Ectobius sylvestris (PODA, 1761), Podas Waldschabe Ectobius lapponicus (LINNAEUS, 1758), Gemeine Waldschabe Phyllodromica maculata (SCHREBER, 1781), Gefleckte Kleinschabe52 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 3 10Langfühlerschrecken (Ensifera) Phaneroptera falcata (PODA, 1761), Gemeine Sichelschrecke Leptophyes albovittata (KOLLAR, 1833), Gestreifte Zartschrecke Leptophyes punctatissima (BOSC, 1792), Punktierte Zartschrecke Isophya kraussii BRUNNER VON WATTENWYL, 1878, Plumpschrecke Barbitistes serricauda (FABRICIUS, 1798), Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes constrictus BRUNNER VON WATTENWYL, 1878, Nadelholz-Säbelschrecke Meconema thalassinum (DEGEER, 1773), Gemeine Eichenschrecke Conocephalus fuscus (FABRICIUS, 1793), Langflügelige Schwertschrecke Conocephalus dorsalis (LATREILLE, [1804]), Kurzflügelige Schwertschrecke Tettigonia viridissima LINNAEUS, 1758, Grünes Heupferd Tettigonia cantans (FUESSLY, 1775), Zwitscherschrecke Tettigonia caudata (CHARPENTIER, 1842), Östliches Heupferd Decticus verrucivorus (LINNAEUS, 1758), Warzenbeißer Gampsocleis glabra (HERBST, 1786), Heideschrecke Platycleis albopunctata (GOEZE,1778), Westliche Beißschrecke Metrioptera brachyptera (LINNAEUS, 1761), Kurzflügelige Beißschrecke Metrioptera bicolor (PHILIPPI, 1830), Zweifarbige Beißschrecke Metrioptera roeselii (HAGENBACH, 1822), Roesels Beißschrecke Pholidoptera griseoaptera (DEGEER, 1773), Gewöhnliche Strauchschrecke Tachycines asynamorus ADELUNG, 1902, Gewächshausschrecke Gryllus bimaculatus DEGEER, 1773, Mittelmeer-Feldgrille Gryllus campestris LINNAEUS, 1758, Feldgrille Acheta domesticus (LINNAEUS, 1758), Heimchen Nemobius sylvestris (BOSC, 1792), Waldgrille Oecanthus pellucens (SCOPOLI, 1763), Weinhähnchen Myrmecophilus acervorum (PANZER, [1799]), Ameisengrille Gryllotalpa gryllotalpa (LINNAEUS, 1758), Maulwurfsgrille72 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 11Kurzfühlerschrecken (Caelifera) Tetrix subulata (LINNAEUS, 1758), Säbeldornschrecke Tetrix ceperoi (BOLIVAR, 1887), Westliche Dornschrecke Tetrix undulata (SOWERBY, 1806), Gemeine Dornschrecke Tetrix tenuicornis (SAHLBERG, 1893), Langfühler-Dornschrecke Tetrix bipunctata (LINNAEUS, 1758), Zweipunkt-Dornschrecke Calliptamus italicus (LINNAEUS, 1758), Italienische Schönschrecke Anacridium aegyptium (LINNAEUS, 1764), Ägyptische Knarrschrecke Podisma pedestris (LINNAEUS, 1758), Gewöhnliche Gebirgsschrecke Locusta migratoria LINNAEUS, 1758, Europäische Wanderheuschrecke Psophus stridulus (LINNAEUS, 1758), Rotflügelige Schnarrschrecke Oedipoda caerulescens (LINNAEUS, 1758), Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda germanica (LATREILLE, [1804]), Rotflügelige Ödlandschrecke Sphingonotus caerulans (LINNAEUS, 1767), Blauflügelige Sandschrecke Stethophyma grossum (LINNAEUS, 1758), Sumpfschrecke Chrysochraon dispar (GERMAR, [1834]), Große Goldschrecke Euthystira brachyptera (OCSKAY, 1826), Kleine Goldschrecke Omocestus viridulus (LINNAEUS, 1758), Bunter Grashüpfer Omocestus haemorrhoidalis (CHARPENTIER, 1825), Rotleibiger Grashüpfer Stenobothrus lineatus (PANZER, [1796]), Heidegrashüpfer Stenobothrus nigromaculatus (HERRICH-SCHÄFFER, 1840), Schwarzfleckiger Heidegrashüpfer Stenobothrus crassipes (CHARPENTIER, 1825), Zwerggrashüpfer Stenobothrus stigmaticus (RAMBUR, [1838]), Kleiner Heidegrashüpfer Gomphocerus sibiricus (LINNAEUS, 1767), Sibirische Keulenschrecke Gomphocerippus rufus (LINNAEUS, 1758), Rote Keulenschrecke Myrmeleotettix maculatus (THUNBERG, 1815), Gefleckte Keulenschrecke Chorthippus albomarginatus (DEGEER, 1773), Weißrandiger Grashüpfer Chorthippus dorsatus (ZETTERSTEDT, 1821), Wiesengrashüpfer Chorthippus montanus (CHARPENTIER, 1825), Sumpfgrashüpfer Chorthippus parallelus (ZETTERSTEDT, 1821), Gemeiner Grashüpfer Chorthippus apricarius (LINNAEUS, 1758), Feld-Grashüpfer Chorthippus vagans (EVERSMANN, 1848), Steppengrashüpfer Chorthippus biguttulus (LINNAEUS, 1758), Nachtigall-Grashüpfer Chorthippus brunneus (THUNBERG, 1815), Brauner Grashüpfer Chorthippus mollis (CHARPENTIER, 1825), Verkannter Grashüpfer126 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 4 12 12.1 12.2 12.3 12.4Zur Zoogeographie der Orthopteren in Sachsen-Anhalt Struktur der Orthopterenfauna Artenreichtum Ausbreitungs- und Refugialräume Zoogeographische Gliederung195 195 197 198 199 13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5Zur Ökologie der Orthopteren in Sachsen-Anhalt Wandlungen des Biotopspektrums Ökologische und bionomische Artengruppen Artenreichtum Zoozönologische Aspekte Orthopterenfauna und heutige potenzielle natürliche Vegetation207 207 210 211 212 226 14 14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3Orthopteren im Naturschutz Naturschutz und Naturschutzrecht Artenschutz Verantwortlichkeit Sachsen-Anhalts für den Erhalt von Orthopterenarten Zoogeographisch bedeutsame Arten Besonders und streng geschützte Orthopterenarten Gefährdung von Orthopterenarten Schutz der Orthopterenarten Biotop- und Landschaftsschutz FFH-Lebensraumtypen und ihre Orthopterenarten Biotopverbund Zielartensysteme in den Naturräumen231 231 231 231 232 233 234 236 239 239 240 240 15 15.1 15.2 15.3 15.3Orthopteren in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen Nutzwirkungen Schadwirkungen Schadenspotenzial in Sachsen-Anhalt Prophylaxe und umweltverträgliche Bekämpfung245 245 246 249 251 16 16.1 16.2 16.3 16.4Forschungsbedarf Zoogeographie Ökologie Naturschutz Wirtschaft und Gesundheit253 253 253 253 254 17 17.1 17.2 17.3Literatur Paläoorthopterologische Literatur Faunistische Primärliteratur Sonstige Literatur255 255 255 261 18Anhang271 5

Heuschrecken (Saltatoria)

Heuschrecken und Grashüpfer Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Bezeichnungen „Heuschrecke“ und „Grashüpfer“ häufig synonym verwendet. Die Grashüpfer bilden allerdings lediglich eine Unterfamilie in der Ordnung der Heuschrecken. Die Einteilung der Heuschrecken in die Langfühlerschrecken und Kurzfühlerschrecken macht es einfacher diese Artengruppe zu überblicken. Die Bezeichnungen lassen sich in den meisten Fällen direkt für einen ersten Bestimmungsschritt nutzen: Die Langfühlerschrecken haben meist Fühler, die mindestens so lang wie der Körper der Tiere sind. Bei den Kurzfühlerschrecken sind die Fühler erheblich kürzer. Klangbilder und "Ohren" an den Beinen Besonders im Hochsommer machen sich die Heuschrecken durch artspezifische „Gesänge“ bemerkbar. Dabei handelt es sich je nach Art um unterschiedlich erzeugte Laute der männlichen Tiere. Feldgrillen reiben ihre Vorderflügel aneinander, viele Grashüpfer erzeugen Tonfolgen durch Reiben der Hinterbeine an den Flügeln, und die Sumpfschrecke produziert kurze Klicklaute, indem sie ein Hinterbein nach hinten schleudert. Viele Heuschreckenarten, die anhand ihrer äußeren Merkmale nur schwer zu unterscheiden sind, lassen sich anhand ihrer charakteristischen Lautäußerungen („Stridulation“) bis zur Art bestimmen. Auch die Heuschrecken selbst finden im Labyrinth der sommerlichen Vegetation ihre arteigenen Partner über die spezifischen Lautäußerungen. Ihre „Ohren“ liegen übrigens nicht am Kopf, sondern sind kleine Öffnungen an den Vorderbeinen oder am Hinterleib. Wegen deren Abstand voneinander sind Heuschrecken zu präzisem Richtungshören in der Lage. Wie geht es den Heuschrecken? Die Rote Liste behandelt nicht nur die in ihrem Bestand bedrohten Arten, sondern alle 82 als etabliert geltenden Heuschreckenarten sowie die einzige einheimische Fangschreckenart, die Europäische Gottesanbeterin ( Mantis religiosa ). Insgesamt 26 Arten (31,3 %) gelten als bestandsgefährdet: davon sind 6 Arten (7,2 %) vom Aussterben bedroht, 10 Arten (12,0 %) stark gefährdet und 10 Arten (12,0 %) gefährdet. Weitere 9 Arten (10,8 %) sind noch nicht bestandsgefährdet im Sinne der Rote-Liste-Kategorien, stehen aber auf der Vorwarnliste. Als ausgestorben oder verschollen gelten 4 Arten (4,8 %). Ungefährdet sind derzeit 41 Arten – dies entspricht 49,4 % der einheimischen Heuschrecken- und Fangschreckenarten – darunter so bekannte Arten wie der Gemeine Grashüpfer, die Feldgrille und das Grüne Heupferd. Da viele Heuschreckenarten im Offenland leben, spielen für ihre Gefährdung meist Faktoren wie Veränderungen der Landnutzung, Versiegelung von Flächen oder Fragmentierung von Lebensräumen eine wesentliche Rolle. Daneben werden die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher: Zu den Verlierern gehören insbesondere Arten, die eine hohe Habitatfeuchte oder ein kühles Bergklima benötigen. Aktuelle Rote Liste (Stand: Dezember 2020 [Daten], November 2021 [Taxonomie]) Poniatowski, D.; Detzel, P.; Drews, A.; Hochkirch, A.; Hundertmark, I.; Husemann, M.; Klatt, R.; Klugkist, H.; Köhler, G.; Kronshage, A.; Maas, S.; Moritz, R.; Pfeifer, M.A.; Stübing, S.; Voith, J.; Winkler, C.; Wranik, W.; Helbing, F. & Fartmann, T. (2024): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken und Fangschrecken (Orthoptera et Mantodea) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (7): 88 S. Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar. Artportraits Alpen-Gebirgsschrecke ( Miramella alpina ) Kleine Goldschrecke ( Euthystira brachyptera )

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