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Landwirtschaft mit Zukunft: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die aktuelle Agrarpolitik kümmert sich zu wenig um die Umweltfolgen der intensiven Landwirtschaft. Landwirtschaftspolitik muss Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt stärker in den Blick nehmen und die Interessen der Landwirtschaft mit denen von Gesellschaft und Umwelt in Einklang bringen. Bürgerinnen und Bürger können nun Ideen und Projekte für eine zukunftsfähige Landwirtschaft einreichen. Landwirtschaft braucht  ⁠ Biodiversität ⁠, ohne Bestäuber keine funktionierende Landwirtschaft. Umso erschreckender, dass die Insekten zunehmend aus der Natur verschwinden: Ihre Anzahl ist in den vergangenen Jahren um rund 75 Prozent zurückgegangen. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um das Massensterben aufzuhalten. 2019 wird ein entscheidendes Jahr für den Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der biologischen Vielfalt für die Anpassung der Landwirtschaft an den ⁠ Klimawandel ⁠ und zur Sicherung der Ernährung wurde beim Agrarkongress vom Bundesumweltministerium (⁠ BMU ⁠), Umweltbundesamt (⁠ UBA ⁠) und Bundesamt für Naturschutz (⁠ BfN ⁠) am 15. Januar 2019 diskutiert, welche Chancen die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU für eine zukunftsfähige Landwirtschaft bietet : Wichtig ist, dass Deutschland die nationalen Freiheiten bei der Ausgestaltung der Europäischen Agrarpolitik nutzt, den Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft zu verbessern. Partnerschaftliche Ansätze können dabei helfen, dass Landwirtschaft und Gesellschaft hierzu gemeinsam Ideen entwickeln. Bundesumweltministerin Svenja Schulze setzt für das Jahr 2019 zur Biodiversität drei Prioritäten: Ein Aktionsprogramm Insektenschutz mit konkreten und wirksamen Maßnahmen gegen das Insektensterben; eine Neuregelung des Umgangs mit Pestiziden, insbesondere mit Glyphosat; und eine Reform der EU-Agrarförderung, die die Landwirtinnen und Landwirte für das honoriert, was sie für Umwelt und Gesellschaft leisten. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist die zentrale Stellschraube: Dringend notwendige Fortschritte beim Natur-, Umwelt- und ⁠ Klimaschutz ⁠ dürfen bei den anstehenden Verhandlungen nicht ausbleiben. Bereits zum dritten Mal fand der BMU-Agrarkongress im Vorfeld der Grünen Woche in Berlin statt. Unter dem Titel „schützen. nutzen. leben. Gemeinsam für mehr Vielfalt“ diskutierten rund 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, wie es gelingen kann, dass die Landwirtschaftspolitik stärker zum Erhalt der Biologischen Vielfalt beiträgt und die Interessen von Landwirtinnen und Landwirten mit denen von Gesellschaft und Umwelt zusammen gebracht werden können. Damit knüpfte der diesjährige Agrarkongress an das Thema Gesellschaftsvertrag an, das bereits im Zentrum der vergangenen zwei Kongresse stand.

Eine zukunftsfähige Landwirtschaft für Alle

Die zunehmenden Konflikte innerhalb der deutschen Landwirtschaft unterstreichen die Dringlichkeit der Frage, welche Lösungswege erarbeitet werden können, die die Bedürfnisse der sehr unterschiedlich positionierten Akteursgruppen widerspiegeln. Der Agrarkongress, der gemeinsam vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Umweltbundesamt (UBA), Bundesamt für Naturschutz (BfN) und TMG Thinktank for Sustainability (TMG Research) organisiert wird, etablierte im Jahr 2017 die Idee des Gesellschaftsvertrages. Ein Gesellschaftsvertrag hat das Ziel, eine von verschiedenen Akteursgruppen gemeinsam getragene Zukunftsversion zu entwickeln. Im Zuge dessen veranstaltete TMG Research im Oktober 2019 mit Betrieben und Initiativen aus Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg Dialogveranstaltungen (Regionaldialoge), um gemeinsam zu erkunden, wie Gesellschaftsverträge im "Kleinen" bereits umgesetzt werden. Der vorliegende Bericht hebt die Notwendigkeit eines Gesellschaftsvertrages für die inklusive Gestaltung von Anpassungsprozessen hervor und fasst die Erkenntnisse der Regionaldialoge hinsichtlich der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages zusammen. Die Regionaldialoge haben maßgebliche Hinweise für die Prozessgestaltung eines Gesellschaftsvertrages und Einblicke in die für einen Gesellschaftsvertrag notwendigen Themenfelder gegeben. Dazu zählen unter anderem die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten und von Anpassungs- und Innovationsprozessen in Betrieben. Gleichzeitig betont der Bericht, dass auch politische Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene notwendig sind, damit der Gesellschaftsvertrag Teil eines heuristischen Politikansatzes sein kann, welcher Synergien zwischen relevanten Politikfeldern kreiert. Quelle: Forschungsbericht

Zukunftsfähige Landwirtschaft: Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Veränderungen in der Landwirtschaft zu Gunsten der Landwirtinnen und Landwirte, der Umwelt und der Verbraucherinnen und Verbraucher sind dringend notwendig. Die Zeit ist reif für eine breite gesellschaftliche Debatte über die Ziele der Landwirtschaftspolitik. Darüber tauschten sich rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Agrarkongresses aus. Unter dem Titel „Gemeinsam Zukunft wachsen lassen – Ein Gesellschaftsvertrag für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher“ diskutierten am 16. Januar 2018 Vetreterinnen und Vertreter aus Politik, Landwirtschaft, Umwelt, Wissenschaft, Verbraucherinteressen, Gesundheit und die interessierte Öffentlichkeit. Gekommen waren unter anderem Umweltministerin Barbara Hendricks, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, Klaus Töpfer (ehemaliger Bundesumweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen) und ⁠ UBA ⁠-Präsidentin Maria Krautzberger. Thema war die Notwendigkeit, sowie Möglichkeiten einer Neugestaltung der Landwirtschaft, die auf einem Konsens zwischen allen Teilen der Gesellschaft basieren. Mit dem so genannten Gesellschaftsvertrag soll ein Dialogprozess über eine zukunftsfähige Landwirtschaft angestoßen werden, welcher die Belange aller Betroffenen in einem umfassenden und fairen Prozess verhandelt. Wichtig ist, dass dieser Prozess dann im Rahmen einer transparenten und planbaren agrarpolitischen Strategie umgesetzt werden kann. In den Diskussionen und Beiträgen wurde deutlich, dass die europäische Ebene mitadressiert werden muss und dass in vielen relevanten Bereichen dringender Handlungsbedarf besteht. Der mittel- und langfristige Prozess zur Erarbeitung eines Gesellschaftsvertrages darf daher nicht als Entschuldigung dienen kurzfristige, notwendige Entscheidungen zu ermöglichen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks eröffnete den Kongress und skizzierte ihre Vorstellungen für einen gesellschaftlichen Agrar- und Umweltkonsens. „Nur gemeinsam können wir die Umwelt- und Akzeptanzprobleme der Landwirtschaft lösen und gleichzeitig den Landwirtinnen und Landwirten eine Zukunftsperspektive geben.“ Viel zu lange schon spaltet eine Agrarpolitik nach dem Motto „Wachse oder Weiche“ Landwirtschaft und Gesellschaft. Als Positivbeispiel, das zeigt, dass ein gesellschaftlich getragener Wandel möglich ist, führte sie den Atomkonsens an. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bekräftigte die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Umwelt. Aber er forderte auch anzuerkennen, dass Umweltschutz nur einer von vielen Aspekten in der Landwirtschaft ist. Der Markt müsse sich so ändern, dass mehr ⁠ Nachhaltigkeit ⁠ möglich ist. Es sei aber letzendlich die Aufgabe der Politik, dies zu ermöglichen. Für ihn ist entscheidend der Landwirtschaft eine wirtschaftliche Perspektive mit Planungssicherheit zu geben und die Landwirtinnen und Landwirte nicht allein zu lassen. Dass unsere Landwirtschaftspraxis Auswirkungen auf die Landwirte und Landwirtinnen in Entwicklungsländern hat, müsse uns bewußt sein, betonte Klaus Töpfer, Mitglied des Think Tanks for Sustainability, ehemaliger Bundesumweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen. Mit vielen Maschinen und wenig Menschen produzierten die reichen Länder billige Lebensmittel, die als Exporte die heimischen Märkte in den armen Ländern gefährden. Auf der anderen Seite bestimmen ihm zufolge 5 große Einzelhändler in Deutschland die Preise für Lebensmittel, und lassen den Landwirten wenig Spielraum für finanzielle Investionen in Nachhaltigkeit. Um dem ländlichen Raum eine Zukunft zu geben müsse die Politik deswegen einen funktionierenden und gesunden Mittelstand in der Landwirtschaft unterstützen. Mit einem Gesellschaftsvertrag für eine zukunftsfähige Landwirtschaft würde die Möglichkeit geschaffen, eine konsensbasierte Neuausrichtung der Agrarpolitik zu erreichen. Peter Feindt, Professor für Agrar- und Ernährungspolitik an der HU Berlin, stellte das Konzept vor. Wichtig war für ihn, dass solch ein Vertrag nur dann fair ist, wenn er unter fairen Bedingungen  verhandelt wurde. Eine Möglichkeit diesen Prozess auf den Weg zu bringen, bieten sogenannte „Deliberative Bürgerforen“, in denen  gemeinwohlorientierte Positionen in einem „Dialog der Gerechtigkeit“ erarbeitet werden. Deren Ergebnisse dürften dann zwar von der Politik abgelehnt werden, aber nur mit stichhaltiger Begründung. Vorrausetzung des Vertrages sei allerdings, dass die Landwirtschaft eine marktfähige Produktion sicherstellt und Gemeinwohlleistungen erbringt. Alexander Müller, Co-Autor des in Vorbereitung des Kongresses entstandenen Policy Papers und Mitglied des Think-Tanks for Sustainability hob hervor, dass der traditionelle Weg, Landwirtschaft von oben zu gestalten, überholt ist. Als Beispiel nannte er den Mansholt-Plan, in dem 1968 die EU-Kommission beschlossen hatte die Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe zu steigern. Um eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu entwicklen sei aber ein Prozess nötig, der alle gesellschaftlichen Interessen mit einbezieht. Unter dem Stichwort „Spiegel der Bedürfnisse“ stellten im Anschluss zehn Vertreterinnen und Vertretern die Sicht der Landwirtschaft, Umwelt, der Verbraucherinnen und Verbrauchern, des Gesundheitswesens, der Wasserversorger und die Belange der Entwicklungsländer dar. Die Forderungen wurden zeitgleich von einem Zeichner auf die Leinwand gebracht und veranschaulichen die unterschiedlichen Bedürfnisse, die an und von der Landwirtschaft gestellt werden. Über Chancen, Risiken und Perspektiven eines Gesellschaftsvertrages als ein Instrument zur Neuausrichtung der Agrarpolitik diskutierten am Nachmittag Maria Krautzberger (Präsidentin des UBA), Christiane Grefe (Publizistin und Journalistin), Peter Feindt und Alexander Müller. Alle waren sich einig, dass sich dringend und schnell etwas ändern muss, um Zielkonflikte zu beseitigen. Auch über die wichtige Rolle der Europäischen Union und der Gemeinsamen Agrarpolitik bei der Entwicklung des Gesellschaftsvertrags waren sich alle einig. Diskutiert wurde auch über die Rolle der Wissenschaft, die in Zukunft mehr langfristig und strategisch ausgerichtet werden muss. „Damit ein Gesellschaftsvertrag funktionieren kann, braucht es politisches Commitment und jemand, der die Verantwortung für den Prozess übernimmt“, betonte Maria Krautzberger. Wie der Gesellschaftsvertrag  umgesetzt werden könnte, stand im Mittelpunkt der politischen Abschlussdiskussion mit Maria Flachsbarth (Parlamentarische Staatssekretärin im ⁠ BMEL ⁠), Jochen Flasbarth (Staatssekretär im ⁠ BMUB ⁠), Robert Habeck (Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Digitalisierung, Schleswig Holstein) und Maria Noichl (MdEP, Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europaparlaments). Dass die Diskussion über einen Gesellschaftsvertrag in das Parlament gehört und nach festen Regeln geführt werden muss, dafür sprach sich Maria Flachsbarth aus. Eine Möglichkeit bietet die Einrichtung einer Enquete-Kommission, in der Ideen konkretisiert und gebündelt werden. Solch eine Kommission ermöglicht einen Erkenntnisgewinn, der dann in politische Entscheidungen mit einbezogen werden kann. Demgegenüber wurden die vielen, vor allem seitens des Publikums vorgestellten bottom-up-Lösungsansätze (z.B. Ernährungsräte, solidarische Landwirtschft, urban gardening) als gute Beispiele herangezogen, um zu verdeutlichen, dass Transformationsprozesse zu allererst auf regionaler und lokaler Ebene stattfinden und unterstützt werden müssten, bevor sie auf Bundes- oder europäischer Ebene Erfolg haben können. Jochen Flasbarth fasste abschließend zusammen, dass die Erkenntnis wächst, dass ein Gesellschaftsvertrag notwendig ist, um eine grundlegende Veränderung in der Agrarpolitik herbeizuführen. Ein solcher Vertrag müsse aber auf jeden Fall praktikabel sein. In den vielen relevanten Bereichen mit akutem Handlungsbedarf müsse die Regierung natürlich trotzdem kurzfristig Entscheidungen treffen. Was die konkrete Umsetzung und Weiterbearbeitung des Themas anbelangt, befänden wir uns derzeit jedoch in einer schwierigen Situation, da es noch keine neue Regierung gibt.

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