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Glyphosat: Schritt zurück beim Schutz der biologischen Vielfalt?

Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vernichten nahezu alle wild wachsenden Pflanzen auf Äckern. Eine Bedrohung für den Artenreichtum: Denn auch Insekten und Wirbeltieren wird dadurch die Lebensgrundlage genommen. Die Europäische Union wird in den nächsten Monaten über eine Wiedergenehmigung des Wirkstoffes entscheiden. Die Europäische Kommission macht mit ihrem aktuellen Vorschlag beim Artenschutz einen großen Schritt zurück und kommt ihrer Verantwortung für eine sichere Verwendung von Glyphosat nicht nach. In den aktuellen Dokumenten wird – anders als im letzten Vorschlag der EU-Kommission – der Schutz der biologischen Vielfalt durch die Beachtung sogenannter indirekter Auswirkungen von Glyphosat auf die Nahrungsnetze in der Agrarlandschaft nicht berücksichtigt. Auf dieser Grundlage lehnt das Umweltbundesamt (⁠ UBA ⁠) eine Wiedergenehmigung des Wirkstoffes Glyphosat ab. Glyphosat ist ein sogenanntes Totalherbizid: Das ⁠ Pflanzenschutzmittel ⁠ (PSM) wirkt nicht nur bei sogenannten Schadkräutern, sondern tötet flächendeckend den gesamten Ackerwildkrautbewuchs ab. Und genau darin liegt das Problem - mit der nahezu vollständigen Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem Acker wird nicht nur die Vielfalt der ⁠ Flora ⁠ stark reduziert, sondern allen anderen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie z.B. Insekten oder Feldvögeln flächenhaft die Nahrungsgrundlage entzogen. In der Folge können ganze Nahrungsnetze von der Pflanze über Insekten bis zu den Feldvögeln zusammenbrechen. Deutschland als berichterstattender Mitgliedsstaat für die Wiedergenehmigung von Glyphosat hatte bereits in seinem ersten Bericht an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten darauf hingewiesen, dass mit einer Wiedergenehmigung von Glyphosat ein eindeutiger Auftrag an die Mitgliedsstaaten verbundenen sein muss, die direkten und indirekten Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz – also die Häufigkeit – von Nichtzielarten zu prüfen . Ziel ist es, den Schutz der biologischen Vielfalt bei der Zulassung und dem Risikomanagement von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln zu berücksichtigen. Insbesondere in intensiv genutzten Agrarlandschaften wird die Störung der Nahrungsketten durch Glyphosat zum Problem, denn dort stehen den Arten neben den Äckern, auf denen Glyphosat eingesetzt wird, kaum Alternativen zur Nahrungssuche zur Verfügung. Unter den Wirkstoffen, die auf diese Weise der biologischen Vielfalt schädigen, kommt Glyphosat eine Sonderrolle zu, da es das am häufigsten eingesetzte Herbizid darstellt. Glyphosathaltige PSM werden immerhin auf rund 40 Prozent der Felder mindestens einmal im Jahr eingesetzt, wobei im Raps sogar fast 90 Prozent der Felder betroffen sind . Studien des Umweltbundesamtes und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zeigen, wie die Intensivierung der Landwirtschaft, die auch mit einem starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in ausgeräumten Landschaften einhergeht, eine stetige Abnahme der Diversität von Pflanzen, Insekten und Wirbeltieren zur Folge hatten und haben. Mit circa 50 Prozent der Landesfläche stellen Agrarlandschaften einen Hauptteil unserer Landschaft dar, sie sind für die Artenvielfalt in Deutschland von großer Bedeutung. Pflanzenschutzmittel sind ein treibender Faktor des beobachteten Biodiversitätsschwunds: Mittel, welche die Artenvielfalt schädigen sollten daher nur zugelassen werden, wenn ihre negativen Umweltauswirkungen auf ein vertretbares Maß begrenzt werden. Ökologische Ausgleichsflächen – wie Brache- oder Blühflächen – können die indirekten Effekte der Anwendung von Glyphosat zumindest abfedern, wo es keine Alternative zum Einsatz des Pflanzenschutzmittels gibt. Daher muss das Vorhalten bzw. Vorhandensein eines ausreichenden Anteils an solchen Flächen auch als eine unmittelbare Zulassungsvoraussetzung gelten. Die Mitgliedsstaaten sollten für die EU-weite Genehmigung von Glyphosat aufgefordert werden, die Relevanz von indirekten Auswirkungen beim Einsatz von Glyphosat zu prüfen und, wenn erforderlich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mit der Zulassung kann allerdings nur sichergestellt werden, dass die negativen Auswirkungen eines jeden PSM durch geeignete Umweltauflagen auf ein vertretbares Ausmaß reduziert werden. Mit der Einhaltung von Mindeststandards zur Umweltsicherheit bei der Anwendung eines PSM ist allerdings noch nicht erreicht, dass die gesamte derzeitige Pflanzenschutzpraxis in der Intensivlandwirtschaft als nachhaltig bezeichnet werden kann. Anforderungen an einen nachhaltigen Pflanzenschutz hat das Umweltbundesamt in einem 5-Punkte-Programm aufgezeigt . Aus Sicht des Umweltbundesamt braucht es sowohl beim Pflanzenschutz generell als auch der Genehmigung von Glyphosat im konkreten Fall einen entschlossenen Schritt nach vorn, um einen angemessenen Schutz der biologischen Vielfalt der Agrarlandschaft vor direkten und indirekten Auswirkungen von PSM sicherzustellen. Bei der Wiedergenehmigung von Glyphosat sollte auch die Europäische Kommission zeigen, dass sie das übergeordnete Ziel ihres gesetzlichen Auftrages, ein hohes Schutzniveaus für Mensch und Umwelt sicherzustellen, wirklich ernst nimmt.

Pflanzenschutz: Am besten weniger und mit weniger Risiken

Umweltbundesamt legt „5-Punkte-Programm für nachhaltigen Pflanzenschutz“ vor Das Umweltbundesamt (UBA) rät in einem „5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ zum Umdenken beim Pflanzenschutz auf dem Acker. „Chemischer Pflanzenschutz ist ohne Zweifel risikobehaftet, denn wenn die Mittel wirken, dann nicht ohne Nebenwirkungen für die Umwelt. Deshalb können viele der Mittel nur mit hohen Umweltauflagen zugelassen werden. Besonders wichtig ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insgesamt deutlich zu minimieren und stärker auf Alternativen zu setzen. Immerhin werden die Mittel großflächig in erheblichen Mengen ausgebracht – etwa 100.000 Tonnen pro Jahr in Deutschland“, sagt UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Der massive Einsatz von Ackergiften lässt die Tier- und Pflanzenwelt auf Feldern und Wiesen immer weiter verarmen. Denn die meisten dieser Gifte wirken nicht nur auf die Schädlinge allein. Beispiel Rebhuhn: Weil ⁠ Pflanzenschutzmittel ⁠ auch Ackerkräuter und Insekten vernichten, finden die Rebhühner nicht genügend Nahrung für sich und ihren Nachwuchs. Für Maria Krautzberger ist klar: „Der massive Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ist einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt auf unseren Äckern. Dass es anders geht zeigt der Ökolandbau, der weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichtet. Mit unserem 5-Punkte-Programm wollen wir vor allem ein Umdenken bei der konventionellen Landwirtschaft anstoßen. Wir definieren fünf Grundprinzipien für einen für die Umwelt nachhaltigen Pflanzenschutz und geben Empfehlungen, wie diese konkret umgesetzt werden können.“ Nötig seien neben der Minimierung des Einsatzes vor allem Änderungen in der Risikobewertung und im Risikomanagement von Pflanzenschutzmitteln. Hierzu zählt für das ⁠ UBA ⁠ insbesondere die bessere Berücksichtigung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in der Zulassungspraxis: Für die ⁠ Biodiversität ⁠ gefährliche Mittel sollten nur dort eingesetzt werden dürfen, wo genügend unbehandelte ökologisch wertvolle Flächen vorhanden sind. Unvermeidbare Auswirkungen auf den Feldern, wie beispielsweise die Störung der Nahrungsketten beim Rebhuhn oder bei anderen Tierarten, könnten somit weitestgehend ausgeglichen werden. Für eine verbesserte Risikobewertung ist es zudem wichtig, einzelne Pflanzenschutzmittel nicht isoliert zu betrachten. „Denn es ist nicht das einzelne Pflanzenschutzmittel“, erläutert Maria Krautzberger, „sondern der intensive Einsatz in seiner Gesamtheit, der ökologisch nicht nachhaltig ist und unsere Tier- und Pflanzenwelt gefährdet.“ Weiterhin sieht Krautzberger eine Risiko-Nutzen-Diskussion als geboten: „Wir kommen nicht umhin, auch darüber nachzudenken, wer die Kosten, die der chemische Pflanzenschutz durch Schäden an der Umwelt anrichtet, tragen soll. Bislang sind das vor allem die Steuerzahler. Das sollten wir ändern.“ Eine Möglichkeit könnte eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel sein, die jüngst von Länderseite und von Forschungseinrichtungen ins Spiel gebracht wurde; sie würde das ⁠ Verursacherprinzip ⁠ auch beim Pflanzenschutz umsetzen. Wichtig dabei ist, dass die Gelder für eine nachhaltige Gestaltung des Pflanzenschutzes und Kompensation der bereits entstandenen Schäden eingesetzt werden.

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