In Politik und Praxis gilt das Prinzip der Schwammstadt zunehmend als Dachkonzept für eine klimaresiliente Stadtentwicklung. Eine aktuell veröffentlichte Fachbroschüre von UBA KomPass schlägt Politikinstrumente vor und zeigt Beispiele für kommunale Ziele klimaresilienter Schwammstädte auf: Ziele und Instrumente verbessern die Umsetzung des Konzepts Schwammstadt. Die Überschwemmungen in der Folge von Starkregenereignissen im Südwesten Deutschlands im Mai und Juni 2024 sowie Hitze und Trockenheit in anderen Regionen des Landes verdeutlichen wiederholt den Anpassungsbedarf in Siedlungen. Der Umgang mit diesen Risiken ist heute eine grundlegende Herausforderung für den Erhalt der urbanen Lebensqualität. Das zum 1. Juli 2024 in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz des Bundes stärkt die ebenenübergreifende Klimavorsorge und stellt gleichzeitig klar, dass Klimaanpassung zukünftig zum verbindlichen Aufgabenkanon der Kommunen gehört. Ehemals ein Nischenthema des urbanen Niederschlagsmanagements ist die Schwammstadt heute als Dachkonzept für eine klimaresiliente Stadtentwicklung zunehmend etabliert. Die Schwammstadt impliziert einen Paradigmenwechsel im Management von urbanem Niederschlagswasser und bietet ein großes Potenzial für einen klimagerechten Umbau von Städten durch naturbasierte Lösungen. Niederschläge sollen verstärkt vor Ort versickern und für die Versorgung von Stadtgrün genutzt werden. Lokale naturnahe Wasserkreisläufe kühlen Städte in Hitzeperioden und erhöhen für ihre Bevölkerung die Aufenthaltsqualität. Die potenziellen Vorteile der Schwammstadt sind unumstritten, dennoch besteht ein Umsetzungsdefizit. Hauptsächlich zeigen sich Unsicherheiten in zweierlei Hinsicht: Einerseits ist unklar, wie der urbane Bestand an Gebäuden, Infrastrukturen und Freiflächen möglichst flächendeckend mit einer für Schwammstädte typischen blau-grünen Infrastruktur ausgestattet werden kann. Bisher werden Maßnahmen oft punktuell realisiert. Andererseits sind klare Ausbau- und Leistungsziele für klimaresiliente Schwammstädte bisher kaum definiert und es mangelt an gut handhabbaren Orientierungswerten für solche Ziele. Die erfolgreiche Umsetzung einer klimaresilienten Stadtentwicklung in der Breite wird durch ein Gefüge aus Lokalpolitik, unterschiedlichen Fachgesetzen, wirtschaftlichen Handlungsanreizen, lokalen Verwaltungskapazitäten, Motivationen, Erfahrungen und Wissensvoraussetzungen bestimmt. Ein Policy Mix aus sich gegenseitig verstärkenden bundespolitischen Instrumenten kann lokales Handeln für die Umsetzung der Schwammstadt deutlich erleichtern. Durch die multikriterielle Bewertung eines größeren Sets an Politikinstrumenten hat eine interdisziplinäre Expertengruppe des Umweltbundesamtes einen passenden Policy Mix auf Bundesebene für die Schwammstadt erarbeitet. Dieser kombiniert gezielt regulative, ökonomische, strategisch-planerische und informatorische Instrumente, um Hemmnisse der Umsetzung der Schwammstadt abzubauen und ein Momentum für die Umsetzung zu schaffen. Acht zentrale Politikinstrumente helfen künftig bei kommunalen Entscheidungen: Novellierung des §55 Abs. 2 Wasserhaushaltgesetz (WHG) Novellierung des § 9 Baugesetzbuch (BauGB) durch die Erweiterung des Festsetzungskataloges Verstärkung der bundesweiten finanziellen Förderung von lokalen Bau- und Forschungsprojekten zur Schwammstadt mit Fokus auf Evaluierung von Maßnahmen Integration von nachhaltigen Außenanlagen und die Begrünung von Gebäuden in Programmen zum klimafreundlichen Neubau Empfehlungen durch den Bund zur Festsetzung von Orientierungs- und Kennwerten für die quantitative und qualitative Grün- und Freiraumversorgung auf kommunaler Ebene Entwicklung kommunaler politisch-planerischer Leitstrategien zur Umsetzung der Schwammstadt Verbesserung der Daten- und Informationsgrundlage für die Umsetzung der Schwammstadt Fort- und Weiterbildung zur wassersensiblen Stadt, blau-grüner Infrastruktur sowie zur Anpassung an den Klimawandel im urbanen Raum Anders als im Klimaschutz existiert für Klimaanpassung keine singuläre Zielgröße zur Reduzierung von Klimarisiken. Urbane Klimaanpassung erfolgt lokal und auch die Voraussetzungen für den Umbau von Städten zu Schwammstädten sind ortsabhängig. Umso wichtiger ist es, Ausbau- und Leistungsziele klimaresilienter Schwammstädte zu konkretisieren, um der klimagerechten Stadtentwicklung einen klaren Weg vorzugeben. Zu diesem Zweck diskutiert die UBA Fachbroschüre „Ziele und Politikinstrumente für klimaresiliente Schwammstädte“ anhand konkreter Beispiele, wie Ziele zum Umbau von Städten zu klimaresilienten Schwammstädten auf kommunaler Ebene formuliert und erreicht werden können. Anhand dieser Vorbilder lassen sich Erkenntnisse für Kommunen bundesweit ableiten. Neben nützlichen Formulierungen von Zielen für klimaresiliente Schwammstädte finden sich entsprechende qualitative und quantitative Kenngrößen. So verdeutlicht ein jüngerer Stadtratsbeschluss in Offenbach am Main , wie lokalpolitische Beschlüsse zur Umsetzung der Schwammstadt es ermöglichen, qualitative Ziele zu den Funktionen der Schwammstadt festzuschreiben. Der Beschluss zeigt, wie das Ziel, sich einem naturnahen Wasserhaushalt in der Stadtentwicklung anzunähern, Klimarisiken durch Starkregen , Hitze und Trockenheit reduzieren kann. Raumbezogene Informationen zu Klimarisiken wie etwa Hitze-Hotspot-Karten helfen, qualitative Ziele zur räumlichen Wirkung von Schwammstadt-Praktiken zu definieren. Ein weiteres Beispiel aus Hessen offenbart, wie an einzelne Maßnahmen gebundene qualitative Ziele klimaresilienter Schwammstädte festgelegt werden können. Hierfür legt eine 2023 veröffentlichte Muster-Zisternensatzung die Wiedernutzung von Niederschlagswasser für die Gartenbewässerung als wichtige Funktion der Schwammstadt fest. Die parzellenbezogene Bilanzierung des Wasserkreislaufes durch einen sogenannten Regenwassermanagementfaktor in der Stadt Wien gibt q uantitative Schwammstadt-Ziele für einzelne Parzellen vor, auf denen ein möglichst naturnaher Wasserhaushalt geschaffen werden soll. Das Förderprogramm „ Klimaresiliente Region mit Internationaler Strahlkraft “ der Zukunftsinitiative Klima .Werk im Ruhrgebiet verbindet die Förderung von Schwammstadtmaßnahmen mit quantitativen Zielen zu Funktionen der Schwammstadt für die Klimaanpassung . Konkret gibt das Programm vor, bis 2030 25% der befestigten Flächen in ausgewählten Betrachtungsräumen von der Mischkanalisation abzukoppeln und die Verdunstungsrate um 10% zu steigern. Auch über die quantitative Abschätzung von Umsetzungspotenzialen für Maßnahmen der Schwammstadt können Ausbauziele definiert werden. Beispielsweise ermittelt die Hamburger Gründachstrategie das Dachbegrünungspotenzial innerhalb des Stadtgebiets und koppelt Ausbauziele daran. Eine zentrale Hürde für die Entwicklung klimaresilienter Schwammstädte stellt die Finanzierung dar. Ein weitreichender Umbau von gewachsenen Stadtstrukturen benötigt ein enormes Investitionsvolumen. Bund und Länder prüfen seit Frühjahr 2022 Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Gemeinschaftsaufgabe Anpassung an den Klimawandel analog der Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz. Die Forschungskonferenz „Klimaresiliente Schwammstadt: Naturbasierte Konzepte und Maßnahmen als Baustein urbaner Transformation“ setzte im Juni 2022 den Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Auseinandersetzung des Umweltbundesamtes mit dem Thema klimaresiliente Schwammstädte. Im Kern zielen die Aktivitäten darauf ab, Hemmnisse und Unsicherheiten bei der Umsetzung klimaresilienter Schwammstädte abzubauen. Die Broschüre „Ziele und Politikinstrumente für klimaresiliente Schwammstädte“ bündelt erste Ergebnisse aus dem laufenden Eigenforschungsprojekt AdNEB „Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken“ 1 . Darin werden Möglichkeiten untersucht, Ziele klimaresilienter Schwammstädte zu schärfen sowie Treiber und Hemmnisse des Umbaus zu Schwammstädten identifiziert. Das 2025 anlaufende Folgeprojekt erforscht Wege der Skalierung von Schwammstadtansätzen und nimmt Stadt-Umland-Dimensionen sowie solche des täglichen Lebens in der Schwammstadt in den Blick. Das Vorhaben „Umsetzung der Schwammstadt“ 2 führt Arbeiten zu einem Policy Mix fort und erarbeitet nachhaltige Musterlösungen für Dächer der blau-grünen Stadt. Ein weiteres Vorhaben 3 setzt sich mit potenziellen gesundheitlichen Nebenwirkungen von Schwammstadt-Maßnahmen auseinander, damit solche in Planungsprozessen frühzeitig berücksichtigt werden können. Schließlich zielt das Vorhaben „Natürlich Klimaanpassung“ 4 darauf ab, die Nutzung naturbasierter Lösungen für die lokale Klimaanpassung durch Kommunikations- und Entscheidungsunterstützungsformate zu unterstützen. Noch sind mit der Umsetzung klimaresilienter Schwammstädte neben praktischen Herausforderungen der Finanzierung und in der kommunalen Praxis auch weitere Forschungsbedarfe verbunden. Offen sind Fragen des kosteneffizienten und gleichzeitig nachhaltigen Managements von Stadtgrün sowie des Denkmalschutzes in der Schwammstadt. Auch das Zusammenwirken von öffentlichem und privatem Raum in der Schwammstadt ist rechtlich und hinsichtlich der Governance oft noch unklar. Nicht zuletzt stellt sich die Frage der Umweltgerechtigkeit in der Klimaanpassung. Dahingehend braucht es sozialökologische Analysen zu möglichen Ungleichheiten in der Schwammstadt und Instrumente der sozialgerechten Ausgestaltung dieser urbanen Transformation. Die Chancen, die sich für die Klimaanpassung ergeben, sind jedoch Treiber für weitere Bemühungen in Forschung und Politik, dem Umbau heutiger Städte hin zu klimaresilienten und lebenswerten Schwammstädten den Weg zu bereiten. 1 Langtitel: „Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken: Nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität ,“ FKZ 3722 15 1040 2 Langtitel: „Umsetzung der Schwammstadt: Identifikation der 10 wirksamsten Hebel der notwendigen Transformation und nachhaltige Musterlösungen für Dächer der blaugrünen Stadt,“ FKZ 3723 48 3010 3 Langtitel: „Gesundheitliche Risiken bei der Planung klimaresilienter Städte und Gemeinden vermeiden,“ FKZ 3723 48 4010 4 Langtitel: „Resiliente naturbasierte Lösungen für Städte und Gemeinden,“ FKZ 3722 48 1030 Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 90 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
Mit dem „Dialog KlimaAnpassung“ haben das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt im Herbst 2023 einen breiten Beteiligungsprozess durchgeführt. Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute unterstützen die neue vorsorgende Klimaanpassungsstrategie der Bundesregierung mit konkreten Anregungen für Ziele und Maßnahmen der Klimaanpassung. Die Weiterentwicklung der Deutschen Anpassungsstrategie wurde im Koalitionsvertrag 2021-2025 der Bundesregierung beschlossen. Mit einer komplett neu konzipierten vorsorgenden Anpassungsstrategie soll die Klimaanpassungspolitik in Deutschland vor allem an messbaren Zielen ausgerichtet werden. Die neue Strategie soll dazu beitragen, Maßnahmen des Bundes und möglichst auch weiterer Akteurinnen und Akteure noch zielgerichteter aufzusetzen. Erfolge der Klimaschaden-Vorsorge – und gegebenenfalls Lücken – sollen so besser zu bewerten sein, damit im Bedarfsfall nachgesteuert werden kann. Zur Entwicklung der neuen, vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie der Bundesregierung fand frühzeitig ein umfassender informeller Beteiligungsprozess statt. Im „Dialog KlimaAnpassung“ wurden Stakeholder aus Ländern, Verbänden und der Wissenschaft sowie Bürgerinnen und Bürger aktiv einbezogen. Mit dem Start der „Woche der Klimaanpassung“ konnten vom 18. September bis 22. Oktober 2023 bundesweit Bürgerinnen und Bürger an einem Online-Dialog teilnehmen und ihre Ideen und Anliegen zu einem klimaangepassten Deutschland einbringen. 1749 Personen nahmen die Möglichkeit wahr, eine Umfrage zu beantworten und sich frei an einer digitalen Pinnwand zu äußern. Parallel dazu fand eine Online-Jugendbeteiligung statt, die sich speziell an junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren richtete. Deren langfristige Betroffenheit durch die Folgen des Klimawandels und ihre Zukunftsvorstellungen sollten gesondert erhoben werden. An der Jugend-Umfrage und Ideenpinnwand beteiligten sich 230 Personen; die Resonanz blieb damit unter den Erwartungen. Im Oktober und November 2023 fanden zudem fünf regionale Dialogveranstaltungen in den unterschiedlich vom Klimawandel betroffenen Regionen Ostseeküste (Wismar), Mittelelbe (Dessau-Roßlau), Rhein-Ruhr (Duisburg), Rhein-Main (Worms) und Bayerischer Wald (Zwiesel) statt. Jeweils zwei Tage lang erarbeiteten insgesamt 331 Bürgerinnen und Bürger Ideen und Empfehlungen dazu, wie sich ihre jeweilige Region in Zukunft an die Folgen des Klimawandels anpassen und somit lebenswert gestalten ließe. Sehr engagiert diskutierten die Teilnehmenden anhand der Leitthemen „Unser Wohnen“, „Unser Arbeiten und Wirtschaften“, „Unsere Gesundheit“, „Unsere Versorgung und Mobilität“, „Unsere Freizeit, Reisen und Naherholung“, „Unsere Lebensgrundlagen“ sowie „Unsere Bildung, Kommunikation und Beteiligung“. Bürgerdelegierte aus den verschiedenen Regionen haben die finalen Empfehlungen am 7. März 2024 dem Bundesumweltministerium übergeben. Im Dezember 2023 wurde die Fachwelt einbezogen: Stakeholder aus Ländern, Verbänden und der Wissenschaft gaben in einer zweitägigen Dialogveranstaltung sowie einer Online-Konsultation Rückmeldungen zu ersten Ziel- und Maßnahmenentwürfen der Bundesministerien für die neue Anpassungsstrategie und formulierten ihre Ergänzungs- und Änderungsbedarfe. Hier ging es vor allem um spezifische Ziele und Maßnahmen in den Clustern Wasser, Infrastruktur, Land & Landnutzung , Gesundheit, Wirtschaft, im Cluster Stadtentwicklung, Raumplanung und Bevölkerungsschutz sowie im Cluster Übergreifendes. Auch Fragen zum Umgang mit etwaigen Zielkonflikten wurden behandelt. Ebenso wurde thematisiert, welche Beiträge Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Zielerreichung leisten können und sollten. An der Veranstaltung nahmen 60 Stakeholder teil, online nutzten 95 Akteurinnen und Akteure das Angebot. Die Ergebnisse aus dem umfangreichen Beteiligungsprozess werden zu einem Synthesebericht aufbereitet und durch das Umweltbundesamt veröffentlicht. Die Empfehlungen aus den unterschiedlichen Beteiligungsformaten wurden inhaltlich den einzelnen Clustern zugeordnet. Dabei ging es unter anderem um Fragen wie: Wurden im Beteiligungsprozess neue Ziele und Maßnahmen vorgeschlagen, gewichten Bürgerinnen und Bürger sowie Expertinnen und Experten Ziele und Maßnahmen anders als die Bundesministerien? Die Beteiligungsergebnisse konnten von den Bundesministerien bereits für die Weiterentwicklung der Anpassungsstrategie genutzt werden. Es zeigt sich: Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachleute haben bei vielen Themen – unabhängig voneinander – ähnliche Vorstellungen zu Anpassungszielen und wie diese Ziele durch Maßnahmen erreicht werden können. Die Teilnehmenden betonten zum Beispiel, dass vulnerable Personen besser zu schützen und natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten seien. Das zeigt, dass die Folgen des Klimawandels in direktem Zusammenhang mit Umwelt- und Lebensqualität gesehen werden. Hier einige zentrale Anliegen aus dem Beteiligungsprozess: gesundheitlicher Hitzeschutz, insbesondere für vulnerable Personen wie Ältere, junge Menschen, Kinder, Erkrankte und im Freien Arbeitende Erhöhung der Vielfalt von Lebensräumen in der Landschaft mehr Stadtbegrünung Umsetzung einer wassersensiblen Stadtentwicklung („Schwammstadt“) Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit Reduzierung der Bodenversiegelung und Förderung der Entsiegelung Diversifizierung landwirtschaftlicher Betriebe Entwicklung resilienter Mischwälder Förderung der Grundwasserneubildung Renaturierung von Flüssen, kleinen Fließgewässern und Mooren stärkere Berücksichtigung vulnerabler Gruppen bei der Kommunikation im Bevölkerungsschutz Wesentliche Ergebnisse der Beteiligung decken sich auch mit den Handlungserfordernissen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland 2021. Diese stellt eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für die Ausrichtung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie des Bundes dar. Insgesamt erhalten die Bundesministerien Rückenwind für die weitere Arbeit an der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie. Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses weisen aber auch auf einige Themen hin, die mehr in den Blick genommen werden sollten. Vorgeschlagen wurde unter anderem, die Klimafolgen im Arbeitsschutz sowie im Küstenschutz stärker zu berücksichtigen. Nach der Ressortabstimmung des Strategieentwurfs folgt im Herbst 2024 das formelle Konsultationsverfahren, das die Beteiligung abschließen wird: Bundesländer und Verbände können schriftliche Stellungnahmen zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf der neuen Klimaanpassungsstrategie einreichen. Anpassung an die Folgen des Klimawandels funktioniert am besten im Schulterschluss staatlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure. Durch die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit unter dem Titel „Dialog KlimaAnpassung – Leben im Klimawandel gemeinsam meistern“ sollte die Debatte zur notwendigen Anpassung an die Folgen des Klimawandels weiter in die Gesellschaft hineingetragen werden. Zahlreiche Rückmeldungen von Teilnehmenden der Dialogveranstaltungen zeigen: Durch die Beteiligung fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger darin bestärkt, Themen der Klimaanpassung auch privat weiterzutragen und sich konkret dafür zu engagieren. Im eigenen Garten, Verein, am Arbeitsplatz oder in der Lokalpolitik. Diese Motivation deckt sich mit Ergebnissen des Online-Dialogs: 71 Prozent der Befragten gaben die Bereitschaft an, sich ehrenamtlich für die Anpassung an den Klimawandel einzusetzen, beispielsweise bei Hitze Nachbarschaftshilfe für vulnerable Personen zu leisten. Hierin liegt eine große Chance, um Klimaanpassung auch vor Ort umzusetzen. Durch die verschiedenen Präsenz- und Onlineformate konnten im „Dialog KlimaAnpassung“ vielfältige Sichtweisen frühzeitig in die Erarbeitung der neuen Klimaanpassungsstrategie eingebunden werden. Die Beteiligungsangebote wurden insgesamt gut angenommen. In den regionalen Dialogveranstaltungen erarbeiteten die Bürgerinnen und Bürger fundierte Empfehlungen für die Erarbeitung einer vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie und konnten als Multiplikatoren für die Klimaanpassung vor Ort gewonnen werden. In Zukunft sollte bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern noch stärker auf die Einbindung von Personen mit geringem Bildungsstand sowie von Jugendlichen geachtet werden. Diese Gruppen waren – trotz sorgfältiger Auswahl der Teilnehmenden und breiter Bewerbung des öffentlichen Online-Dialogs – unterrepräsentiert. Es gilt zu überlegen, welche Formate diese Gruppen noch stärker abholen könnten. Der „Dialog KlimaAnpassung“ wurde zusammen mit den externen Auftragnehmenden Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), IKU – Die Dialoggestalter, ecolo – Agentur für Ökologie und Kommunikation, Bosch & Partner sowie polidia und ifok durchgeführt. Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 89 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
Innerhalb der Fördermaßnahme "RegIKlim" des Bundesforschungsministeriums (BMBF) wurden sechs Empfehlungen formuliert, die aufzeigen, wie die Forschung zur Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen in Kommunen und Regionen beitragen und effektiv weiterentwickelt werden kann. Dabei wird deutlich, dass die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis nötig ist, um Klimaanpassung zu stärken. BMBF -Fördermaßnahme RegIKlim vereint Wissenschaft und Praxis für kommunale und regionale Klimaanpassung Im Rahmen der Fördermaßnahme RegIKlim (Regionale Informationen zum Klimahandeln) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeiten Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Praxisakteuren in sechs Modellregionen – von der ostfriesischen Küste bis ins bayerische Alpenvorland – regional angepasste Lösungen für die Auswirkungen von Klimaveränderungen. Das Umweltbundesamt, das Climate Service Center Germany (GERICS) und das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart (IREUS) koordinieren, begleiten und vernetzten die Modellregionen in einem Querschnittsvorhaben. Das Ziel von RegIKlim ist es, benötigtes (Forschungs-)Wissen für die kommunale und regionale Anpassung an den Klimawandel zu generieren und in entscheidungsrelevante Prozesse in der Praxis zu integrieren. Im Querschnittsvorhaben WIRKsam der BMBF Fördermaßnahme wurden nun gemeinsam mit den Koordinierenden der Modellregionen sechs Empfehlungen für den Bund, die Länder, Kommunen und die Forschung erarbeitet, die aufzeigen sollen, wie diese Zielsetzung effektiv erreicht werden kann. Wichtige Kernpunkte des Empfehlungspapiers werden folgend mit Praxisbeispielen aus den Modellregionen des Forschungsvorhabens vorgestellt. Empfehlung 1: Erarbeitung wissenschaftsbasierter Handlungsanleitungen Die Vielzahl an Leitfäden für kommunale Klimaanpassung sollte durch konkrete, anwenderorientierte, mit behördlichen Prozessen kompatible Entscheidungs-unterstützungstools ergänzt werden. Die Verfasser*innen des Papiers empfehlen diese in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis erarbeiten zu lassen. Kommunen sollen somit dazu befähigt werden mit sogenannten „Instrumenten der Klimaanpassung“ selbstständig und zielführend mit regionalisierten Klimadaten und -informationen arbeiten zu können. Auch die Festlegung von einheitlichen, praxistauglichen Indikatoren bzw. Ziel- und Schwellenwerten für die Klimaanpassung sowie Anleitungen zu deren einfacher Handhabung würden die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen in der kommunalen Praxis fördern. An diesen Punkten setzt beispielsweise das Projekt KlimaKonform an. Forschende und Praxisakteure der Modellregion erarbeiten hier gemeinsam einen integrativen und handlungsorientierten Ansatz zur Ermittlung und Bewertung von Kapazitäten und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel im Flussgebiet der Weißen Elster. Die innerhalb dieses Prozesses entstehenden digitalen Produkte dienen der Wissensvermittlung und Maßnahmenplanung. Sie sollen nach Fertigstellung über eine Erweiterung in das Regionale Klimainformationssystems ReKIS integriert werden und Kommunen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Verfügung stehen. Empfehlung 2: Klimaanpassung in Planungsinstrumenten und Genehmigungsverfahren Die Belange der Klimaanpassung sowie verbindliche Anpassungsziele sollten verpflichtend in die Raumplanung bzw. kommunale Politikgestaltung integriert werden. Auch der Stadtumbau sowie Stadtumbaumaßnahmen sollten einen ambitionierteren Beitrag zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz leisten. Das Projekt IAWAK-EE zeigt, wie eine solche Verpflichtung umgesetzt werden kann. Die in der Modellregion erarbeiteten Ergebnisse und Maßnahmen sollen in den sich im Aufstellungsprozess befindlichen Integrierten Regionalplan der Region Lausitz-Spreewald aufgenommen werden. Die Pilotkommunen Liebenwerda und Amt Schlieben des Landkreises Elbe-Elster wurden hierfür in das Projekt mit eingebunden und beabsichtigen, das Thema Klimaanpassung auch in ihre kommunale Planung zu integrieren. Teile dieser Empfehlung setzt ebenso das Projekt ISAP um: Es bereitet Informationen zum Klima der Region Stuttgart sowie Bewertungen von Klimaanpassungsmaßnahmen für die Stadt- und Regionalplanung auf. Diese sollen in einem nächsten Schritt in formelle und informelle Planungs- und Abwägungsprozesse einfließen. Das zu entwickelnde Online-Tool soll Planenden und (kommunal-) politischen Entscheidungsträger*innen, aber auch Bürger*innen als Informations- und Beratungsplattform zur Klimaanpassung dienen. Empfehlung 3: Klimaanpassung als kommunale und partizipative Pflichtaufgabe Klimaanpassung sollte als kommunale Pflichtaufgabe verankert und Ämter-übergreifend bearbeitet werden. Relevante Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft sollten an diesem Prozess beteiligt werden. Verantwortlichkeiten und Rollen sowie geeignete Kommunikationsformate sollten bei der Umsetzung von Klimaanpassung von Beginn an klar sein. Alle Modellregionen der BMBF-Fördermaßnahme RegIKlim arbeiten mit partizipativen Forschungsansätzen. Die Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren bildet einen zentralen Baustein im Projekt WAKOS , das sich mit der Anpassung an sogenannte Ereignisbündel, wie dem gleichzeitigen Auftreten von Starkregenereignissen und Sturmfluten an Ostfrieslands Küsten, befasst. In einem transdisziplinären Prozess arbeiten Forscher*innen mit regionalen Praktiker*innen und Entscheidungsträger*innen aus dem Bereich Wassermanagement und Küstenschutz zusammen, um gemeinsam Strategien zur Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Empfehlung 4: Klimaanpassung kommunal unterstützen und regional koordinieren Insbesondere kleine Kommunen benötigen aufgrund mangelnder personeller und finanzieller Ressourcen Unterstützung bei der Klimaanpassung, vor allem bei der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Diese Unterstützung sollte auf übergeordneter Ebene, etwa durch Landkreise, wissenschaftliche und beratende Institutionen bzw. regionale Planungsträger erfolgen. Hierbei ist es zentral, dass das von der Wissenschaft generierte Anpassungswissen lokal übersetzt und die Anforderungen der Bundes- und Landesebene für Kommunen vermittelt werden. Die Pilotkommunen Garmisch-Partenkirchen und Weilheim im Bayerischen Oberland erhalten bei ihren Bemühungen zur Klimaanpassung zum Beispiel Unterstützung von Wissenschaftler*innen des Projekts KARE . In enger Zusammenarbeit mit den Forschenden entwickeln und erproben die Gemeinden Instrumente für das Risikomanagement und die Anpassung an die Folgen von Starkregen . Empfehlung 5: Wissenschaftsbasierte Risikokommunikation Die private Eigenvorsorge bspw. von Bürger*innen und Unternehmen spielt neben den Anpassungsbemühungen der Kommunen ebenfalls eine entscheidende Rolle für die Klimaanpassung. Kommunen sollten hierfür die Rolle als Kommunikator von Themen wie Klimarisiken, Anpassungsbedarfen und Anpassungsmöglichkeiten übernehmen. Dieses Wissen zur Klimaanpassung sollte von der Forschung in Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen in zielgruppenspezifische Formate gebracht und adressatengerecht übermittelt werden. Dadurch trägt die Risikokommunikation im besten Fall dazu bei, die Akzeptanz für kommunales Klimahandeln zu erhöhen sowie die Eigenvorsorge von Bürger*innen und Unternehmen zu fördern. Das Projekt R2K-Klim+ zeigt wie dies funktionieren kann: Mit Hilfe eines interaktiven 3D-Landschaftsmodells konnten sich Duisburgerinnen und Duisburger auf dem Umweltmarkt über mögliche Klimawirkungen für ihre Stadt, wie Niedrigwasser, Hochwasser, Hitze, Dürre und Starkregen sowie über Anpassungsmaßnahmen informieren. Die Visualisierung von Klimafolgen und damit verbundener Schäden vermittelt auch Laien ein grundlegendes Verständnis von Klimaanpassung und macht Handlungsnotwendigkeiten deutlich. Empfehlung 6: Langfristige Finanzausstattung für Klimaanpassung Oft sind die Aktivitäten vieler Kommunen im Bereich der Klimaanpassung projektbezogen, wie etwa bei deren Mitwirkung in Forschungsprojekten. Dies erlaubt Kommunen und Regionen nicht langfristig zu planen, Personal dauerhaft einzustellen und das Thema Klimaanpassung fest in Planungs- und Entscheidungsprozesse zu integrieren. Die dringend benötigten langfristigen, strukturellen Veränderungen bleiben somit aus. Kommunen benötigen solide und auf Dauer angelegte finanzielle und personelle Ressourcen, um die Herausforderungen durch den Klimawandel, vor allem durch Extremereignisse, bewältigen zu können. Es sollte geprüft werden, ob und gegebenenfalls wie diese Ressourcen von Bund und Ländern bereitgestellt werden könnten. Die BMBF-Fördermaßnahme RegIKlim umfasst sechs Modellregionen und zwei Querschnittsprojekte. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis sowie die in den Projekten entwickelten Instrumente sollen nach Möglichkeit dauerhaft in Prozesse der Klimaanpassung auf kommunaler und regionaler Ebene verstetigt und in andere Regionen transferiert werden. Wie das am besten gelingen kann, soll in einer angestrebten zweiten Forschungs- und Entwicklungsphase der BMBF-Fördermaßnahme in den Jahren 2023-2026 analysiert und getestet werden. Autorin und Autor: Henriette Schubert und Dr. Andreas Huck (Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung, Umweltbundesamt) Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 81 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
Der Klimawandel betrifft die ganze Welt. Die konkreten Folgen und deren Schwere sind jedoch verschieden. Um den Herausforderungen des Klimawandels treffend zu begegnen, sind daher lokal und regional angepasste Strategien gefragt. Eine neue Veröffentlichung des Umweltbundesamts liefert praxisnahe Handlungsempfehlungen für Klimarisikoanalysen in Kommunen. Der Klimawandel betrifft die ganze Welt. Dessen Folgen und deren Schwere sind jedoch verschieden. Um den Herausforderungen des Klimawandels treffend zu begegnen, sind daher lokal und regional angepasste Strategien gefragt. Klimarisikoanalyen helfen dabei, Klimarisiken richtig bewerten und priorisieren zu können. Eine neue Veröffentlichung des Umweltbundesamts liefert praxisnahe Handlungsempfehlungen für Kommunen. Grundlage dafür ist die Norm DIN EN ISO 14091:2021-07. Die Handlungsempfehlung enthält dieselben Begriffe und verwendet dasselbe methodische Vorgehen wie die Norm. Damit verfolgt das UBA das Ziel, bundes- und bestenfalls europaweit einheitlich vorzugehen und dadurch möglichst große Effekte in der Klimaanpassung durch Klimarisikoanalysen zu erzielen. Manche Regionen leiden unter häufigeren und intensiveren Überschwemmungen, andere kämpfen mit anhaltender Dürre und Hitze: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gegenden der Welt sind verschieden. Das gilt auch für Deutschland. Klimatische Hotspot-Karten der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 (KWRA) für Deutschland zeigen etwa, dass mit fortschreitendem Klimawandel insbesondere im Osten und Südwesten vermehrt das Auftreten von Extremen erwartet wird. Die Küsten bedroht ein beschleunigter Anstieg des Meeresspiegels, Gewässer und ihre Umgebung werden stärker von Hoch- und Niedrigwasser betroffen sein. Die beschriebenen Unterschiede verdeutlichen, dass pauschale Lösungen nicht weiterhelfen. Stattdessen sollten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel vor allem auf lokaler und regionaler Ebene stattfinden. Sogenannte Klimarisikoanalysen spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Klimaeffekte besser verstehen lernen Klimarisikoanalysen helfen zu verstehen, wie die Klimaänderungen eine Gegend betreffen werden und welche Systeme – etwa Ökosysteme oder Branchen – einem Klimarisiko infolge von Hitze, Überflutungen oder Starkregen ausgesetzt sind. Wie kleinteilig die berechneten Risikobereiche sind, hängt vom Anwendungsbereich sowie der Datenverfügbarkeit und der räumlichen Auflösung der Daten ab. Der Mehrwehrt einer Klimarisikoanalyse ist für Kommunen vielfältig. Sie bietet zum einen eine lokalspezifische Grundlage, um geeignete Maßnahmen zur Klimaanpassung festzulegen und widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu werden. Daneben schafft sie durch solide Entscheidungsgrundlagen eine langfristige Perspektive, um den Anpassungsprozess zielgerichtet und planvoll vorbereiten zu können. Dank einer sektorübergreifenden Analyse können obendrein kommunale Fachbereiche identifiziert werden, die gemeinsam Anpassungsmaßnahmen planen und umsetzen sollten. Dabei können Synergieeffekte genutzt und Konflikte durch unterschiedliche Herangehensweisen vermieden werden. UBA-Handreichung erleichtert kommunale Klimarisikoanalyse Um Klimaeffekte möglichst treffen zu berechnen, berücksichtigen Klimarisikoanalysen zahlreiche Aspekte. Da künftige Veränderungen jedoch nicht hundertprozentig vorhersagbar sind, ist deren Betrachtung mit Ungewissheiten behaftet und macht die Analyse umso komplexer. Die neue UBA -Publikation „ Klimarisikoanalysen auf kommunaler Ebene – Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der ISO 14091 “ gibt Kommunen ein Tool an die Hand, wie Beteiligte die Klimarisikoanalyse angehen können. Dabei verfolgt das UBA einen möglichst pragmatischen Ansatz, der eine praxisnahe Umsetzung ermöglichen soll. Die Handlungsempfehlung orientiert sich hinsichtlich des methodischen Vorgehens und der Begrifflichkeiten an der DIN EN ISO 14091:2021-07 zur Bewertung von Risiken durch den KlimawandelDamit verfolgt das UBA das Ziel, bundes- und bestenfalls europaweit einheitlich vorzugehen und möglichst große Effekte in der Klimaanpassung durch Klimarisikoanalysen zu erzielen. Hinter dem Kürzel steht die internationale und europäische Norm „Anpassung an den Klimawandel – Vulnerabilität , Auswirkungen und Risikobewertung“. Die kostenpflichtige Norm wurde 2021 veröffentlicht und ist Teil einer Reihe von Normen unter dem Dach der DIN EN ISO 14090 „Anpassung an die Folgen des Klimawandels – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien“. Die Norm baut unter anderem auf den Sachstandsberichten des IPCC auf. In der UBA-Handlungsempfehlung wird die ISO 14091 knapp zusammengefasst und um Empfehlungen für die Durchführung von Klimarisikoanalysen und deren Umsetzung in Kommunen ergänzt –sei es durch einen externen Dienstleister, in einer einzelnen Kommune oder im Verbund. Letzteres ist laut Handreichung hilfreich, weil die Kommunen so gemeinsam Lösungen entwickeln können Klimarisikoanalyse führt in drei Phasen zum Ziel Angelehnt an die ISO 14091 teilt die Handlungsempfehlung das methodische Vorgehen bei der Klimarisikoanalyse in drei Phasen ein: Vorbereitung, Durchführung und Kommunikation der Ereignisse. Die Vorbereitung dient als Basis für die Klimarisikoanalysen. Dazu muss unter anderem ein Projektteam zusammengestellt und eine Bestandsaufnahme von bestehenden Klimadaten und bereits eingetretenen Extremereignissen gemacht werden, sowie Strukturen identifiziert werden, die besonders empfindlich auf den Klimawandel reagieren können – beispielsweise Naturschutzgebiete oder Krankenhäuser. Außerdem müssen die Entscheider*innen Rahmenbedingungen wie das zur Verfügung stehende Budget und ihre Erwartungen an die Analyse definieren. Die Handlungsempfehlung liefert dafür unter anderem exemplarische Kostenabschätzungen sowie Recherchetipps zu Daten über Klimarisiken. Wichtig ist laut Handlungsempfehlung auch, sich das Ziel der Klimarisikoanalyse klarzumachen, und, ob ein eher pessimistisches oder optimistisches Szenario durchgespielt werden soll. Bei der Durchführung der Klimarisikoanalyse analysiert das Projektteam die Klimaauswirkungen für verschiedene Sektoren und bewertet anschließend das Risiko. Die Handlungsempfehlung empfiehlt auf Basis der ISO 14091 eine erste Priorisierung des Handlungsbedarfs mit Hilfe einer Matrix, in der eine grobe und vorläufige Einschätzung des potenziellen Klimarisikos für die identifizierten Klimawirkungen erfolgt. Ergibt dieses Screening nur wenige Klimawirkungen oder eine sehr einfache Maßnahmenplanung aufgrund offensichtlicher Lösungen, kann die Klimarisikoanalyse an diesem Punkt abgebrochen werden. In allen anderen Fällen geht es unter anderem damit weiter, eine Wirkungskette der Klimaeinflüsse zu erstellen. Diese soll die lokalen Gegebenheiten widerspiegeln und für jeden Sektor getrennt erfasst werden. Anschließend sollen alle relevanten Informationen für die Analyse zusammengestellt und strukturiert erfasst werden – darunter auch Literaturhinweise, Aussagen von Fachleuten, und Datensätze zu klimatischen Parametern. In einem Infokasten fasst die Handlungsempfehlung mögliche Datenquellen zusammen. Priorisierung von Handlungsbedarfen entscheidend Um ein möglichst umfassendes Bild über Klimaauswirkungen für den spezifisch festgelegten Kontext der Kommune zu erhalten, müssen die Daten anschließend analysiert, bewertet und interpretiert werden. Dabei rät die Handlungsempfehlung, die Klimawirkungen und gegebenenfalls Handlungsfelder in verschiedene Risikostufen (z. B. gering, mittel, hoch) einzuordnen, um einen Vergleich der Klimarisiken und damit eine Priorisierung des Handlungsbedarfs zu ermöglichen. Dieser priorisierte Handlungsbedarf ist das zentrale Ergebnis einer Klimarisikoanalyse und die Voraussetzung für eine zielgerichtete Maßnahmenplanung. Die Ergebnisse und Botschaften der Klimarisikoanalyse sollen dafür in der dritten Phase in einem Bericht zusammengefasst werden, der sowohl intern als auch extern verbreitet werden kann – etwa in der Verwaltung beziehungsweise in der Fachöffentlichkeit. Auch Bürger*innen sollen sich informieren können und auf die Analyse aufmerksam gemacht werden, beispielsweise über Social-Media-Meldungen. Um die Ergebnisse der Klimarisikoanalyse gegenüber politischen Mandatsträger*innen effektiv kommunizieren zu können, ist es laut Handlungsempfehlung sinnvoll, diese mitsamt des Anpassungskonzepts in Beschlussvorlagen zu integrieren. Bundesregierung unterstützt Investitionen in kommunale Klimaresilienz Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit ( BMUV ) fördert nachhaltige Anpassungskonzepte, zu denen auch Klimarisikoanalysen gehören. In diesem Jahr wird es noch eine Ausschreibung zum Förderschwerpunkt „Innovative Modellprojekte für die Klimawandelanpassung “ geben. Unterstützung erhalten Kommunen auch vom „ Zentrum KlimaAnpassung “. Dieses wurde auf Initiative des BMUV vom Deutschen Institut für Urbanistik gGmbH (Difu) und dem Beratungsinstitut Adelphi aufgebaut. Autor*innen: Franziska Matthiessen, Jenna Busanny - Deutsche-Presse-Agentur GmbH
Konsequenter Klimaschutz ist wichtig, um die Erderwärmung zu begrenzen und damit die Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen. Der IPCC beschreibt in seinem aktuellen Bericht die globalen Risiken und die Möglichkeiten zur Anpassung. Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes benennt für Deutschland die größten Klimarisiken, wie und wo wir uns dem Wandel am drängendsten anpassen müssen. Fragen, die uns in Deutschland und der Welt bewegen: Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Natur, unseren Alltag, unsere Lebensgrundlagen, Gesundheit und Wirtschaft aus? Wo können wir durch Anpassung die Klimarisiken verringern? Und wo müssen wir dringend etwas tun? Der IPCC antwortet: In allen Regionen der Welt hat der vom Menschen beeinflusste Klimawandel schon heute erhebliche negative Folgen für Ökosysteme und Gesellschaften. Extremereignisse wie Hitzewellen oder Starkregen und vielfach gleichzeitig auftretende Klimafolgen führen zu schwerwiegenden, teilweise irreversiblen oder kaskadenartigen Folgen. Ein weiter fortschreitender Klimawandel kann zu Folgen führen, die deutlich schwerwiegender wären, als die bisher beobachteten. Die Betroffenheit von Ökosystemen und Gesellschaften hängt vom Ausmaß des Klimawandels und von gesellschaftlichen Entwicklungen wie der Landnutzung ab. Aktivitäten zur Anpassung haben in den letzten Jahren weltweit zugenommen und einige negative Folgen des Klimawandels verringert. Dennoch gilt: Insgesamt müssen die Anpassungsaktivitäten gesteigert werden, um Klimarisiken wirksam und dauerhaft zu verringern. Sehr wichtig sind der Schutz und das Management von Ökosystemen: Verbunden mit Anpassungsmaßnahmen können hierdurch die Risiken für die biologische Vielfalt und damit auch für den Menschen verringert werden. Klimarisikoanalyse für Deutschland untersucht über 100 Klimawirkungen und regionale Betroffenheiten Für Deutschland liefert die Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) Antworten. Sie erscheint alle sechs Jahre. Die Ergebnisse der jüngsten Analyse wurden Mitte 2021 veröffentlicht und nun in einer Broschüre zusammengefasst, ergänzt mit den Schlussfolgerungen der Interministeriellen Arbeitsgruppe Anpassung an den Klimawandel der Bundesregierung. Bei der KWRA haben unter Federführung des Umweltbundesamt im Behördennetzwerk "Klimawandel und Anpassung" 25 Bundesbehörden aus neun Ministerien und ein wissenschaftliches Konsortium mitgewirkt. Insgesamt waren über 180 Personen daran beteiligt. Die Ergebnisse der Analyse gelten als wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der deutschen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Die KWRA entwirft zwei Szenarien bis zum Jahr 2100. Ein pessimistischer Fall geht von einem starken weltweiten Klimawandel aus: plus 3 Grad Celsius zur Mitte des Jahrhunderts als Jahresmittelwert und gegenüber der frühindustriellen Zeit. Ein optimistischerer Fall beschreibt einen schwächeren Klimawandel mit einem Anstieg der Temperatur um 2 Grad Celsius weltweit. Beide Szenarien hätten gravierende Auswirkungen für Deutschland. In der KWRA wurden mehr als 100 Wirkungen des Klimawandels in Deutschland und deren Wechselwirkungen untersucht. Unterteilt sind sie nach den Auswirkungen heute, zur Mitte und zum Ende des Jahrhunderts. Die leitenden Fragen waren: Welche Regionen und welche Lebensbereiche sind vom Klimawandel besonders betroffen? Wie können wir die Klimarisiken durch Anpassung reduzieren? Und wie lange haben wir noch Zeit um zu handeln? Die Studie zeigt: Alle Lebewesen und Systeme in Deutschland sind vom Klimawandel betroffen, aber räumlich und zeitlich unterschiedlich. Bisher zeigt sich eine intensive Betroffenheit von Hitze, Trockenheit oder Starkregen in nur wenigen Regionen in Deutschland. Bei einem starken Klimawandel würden bis Mitte des Jahrhunderts sehr viel mehr Regionen damit konfrontiert sein. Die Leidtragenden sind zukünftige Generationen. Eine Hotspotanalyse hat gezeigt, dass sich bei einem weiter fortschreitenden Klimawandel im Westen und Süden Deutschlands das Klima relativ zu heute am stärksten verändern wird. Im Südwesten und Osten werden klimatische Extreme am häufigsten vorkommen. Die Flüsse und Flusstäler werden durch Folgen von wasserspezifischen Risiken, wie Niedrig- und Hochwasser, betroffen sein. In der zweiten Jahrhunderthälfte werden an der Küste die Gefahren aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels deutlich steigen. Keine guten Aussichten: Ende des Jahrhunderts kann ganz Deutschland ein Hotspot sein Die natürlichen Systeme und Ressourcen, wie Wasser, Boden, Arten, Ökosysteme, sind vom Klimawandel besonders bedroht. Das hat Dominoeffekte etwa auf die Fischerei, die Land- und Forstwirtschaft sowie auf die menschliche Gesundheit. Die Studie sagt klar: Konsequenter Klimaschutz ist besonders wichtig. Zudem müssen die natürlichen Systeme von der von Menschen verursachten Verschmutzung und Übernutzung entlastet werden. Denn nur so können sie sich anpassen und Dominoeffekte verhindert werden. Das ist besonders herausfordernd, weil relativ wenige Anpassungspotenziale vorhanden sind und Grenzen der Anpassung schnell erreicht werden. Beispielsweise sind Ökosysteme wie in den Gebirgen und einzelne Arten an ein bestimmtes Klima und Umfeld angepasst und können nur langsam reagieren, teils zu langsam. Bereits zur Mitte des Jahrhunderts können die Klimarisiken erheblich sein, besonders wenn ein starker Klimawandel eintritt und keine Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Die gute Nachricht: Es gibt in Deutschland (noch!) viele Anpassungsmöglichkeiten. Die Studie zeigt aber auch: Bei einem starken Klimawandel benötigen wir weitere, teils tiefgreifende Anpassungsmaßnahmen. Risiken durch den Klimawandel werden in Zukunft immer mehr Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfassen. Bei einem starken Klimawandel werden sehr viele Lebensbereiche in Deutschland von hohen Klimarisiken bedroht sein. Dann könnten die in Deutschland bereits eingeleiteten Maßnahmen oft nicht ausreichen. Die Studie benennt 31 Wirkungen des Klimawandels mit sehr dringendem Handlungsbedarf. Zentral sind die Klimarisiken infolge von Hitze auf die Gesundheit, von Trockenheit und Niedrigwasser auf wasserabhängige Systeme wie Ökosysteme, von Starkregen und Sturzfluten besonders für Infrastrukturen und Gebäude sowie die Auswirkungen der graduellen Erderwärmung etwa auf den Meeresspiegel an den Küsten oder in den Gebirgen. Die Botschaft ist klar: Nur wenn wir unverzüglich handeln können viele Maßnahmen rechtzeitig wirksam werden In vielen Bereichen greifen bereits Anpassungsmaßnahmen oder sind geplant, beispielsweise Dachbegrünungen oder das Pflanzen von Stadtbäumen zur Kühlung der Städte. Es gibt eine gute Basis durch vorhandenes Wissen, aktive Netzwerke und gute Vorbilder. Eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen sind schon heute umsetzbar und können die Klimarisiken bis Mitte des Jahrhunderts für Deutschland wirksam mindern, wie die Humuswirtschaft und andere bodenschonende Landwirtschaftsformen. Doch bei einigen Klimawirkungen benötigen wir innovative, tiefgreifende Maßnahmen und verstärkte Forschung, wie wir beispielsweise unsere Städte zu Schwammstädten umbauen können. Besonders schnell sollte dort gehandelt werden, wo viele Kaskadeneffekte ausgelöst werden können, bereits heute hohe Klimarisiken bestehen oder wo hohe Klimarisiken erwartet werden, aber die Anpassung sehr viel Zeit benötigt, um wirksam zu werden. Allerdings besteht an vielen Stellen ein Umsetzungsdefizit und es muss mehr getan werden. Vor allem auf kommunaler Ebene fehlen finanzielle Mitteln, rechtliche Rahmenbedingungen und Akzeptanz, Klimaanpassungen voranzutreiben. Die KWRA ist für viele Akteure, insbesondere für Entscheidungsträger im Bund, den Ländern und Kommunen, von Interesse. Die Interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung an den Klimawandel (IMA-A) weist daher alle Akteure auf die Grundsätze für zukünftiges Anpassungshandeln hin: Ambitionierten Klimaschutz als die zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel vorantreiben. Natürliche Systeme und Ressourcen von anthropogener Verschmutzung und Übernutzung entlasten, um deren Anpassungsfähigkeiten zu stärken. Risiken durch den Klimawandel bei zukunftsweisenden Entscheidungen berücksichtigen. Die Anpassung an den Klimawandel als Chance für Nachhaltigkeit und Krisenfestigkeit ( Resilienz ) nutzen. Anpassungsmaßnahmen angesichts des gestiegenen und weiterhin steigenden Handlungsdrucks verstärkt und zügig umsetzen. Die Anpassung an den Klimawandel entsprechend der Dringlichkeit der Handlungserfordernisse laut KWRA 2021 vorantreiben. Es wird anerkannt, dass für eine verstärkte Umsetzung auf allen Ebenen ein verlässlicher finanzieller und gesetzlicher Rahmen geschaffen und entsprechende Kapazitäten bereitgestellt werden sollen. Im Angesicht der aufgezeigten Risiken beschloss die IMA-A auch zukünftig die Anpassung an den Klimawandel in Deutschland gemeinsam weiterzuentwickeln, bekannte Anpassungsmaßnahmen umzusetzen und die Forschung zu weiteren, auch tiefgreifenden Maßnahmen zu verstärken. Autorin und Autor: Dr. Inke Schauser, Dr. Achim Daschkeit (Umweltbundesamt) Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 77 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren. Hier finden Sie ein Text-Transkript des Videos im Sinne der Barrierefreiheit.
Eine Analyse von Klimadaten zeigt, dass sich die Klimate aller Regionen in Deutschland bereits verschoben haben, so dass viele heute ein Klima aufweisen, das vor 50 Jahren 100 bis 600 km weiter im Südwesten herrschte. Hamburg mit einem Klima wie an der Adria, in der Lausitz das gesamte Jahr hohe Temperaturen wie in Nordspanien und in Frankfurt mit Kroatien vergleichbare klimatische Bedingungen. Vielen Menschen dürfte dieser Gedanke auf den ersten Blick gefallen. Doch was wie ein angenehmes Gedankenexperiment klingt, bedeutet eine enorme Herausforderung für die jeweiligen Regionen und betroffenen Systeme, wie Ökosysteme oder Infrastrukturen. Eine Analyse von Klimadaten hat jetzt gezeigt, dass sich die Klimate aller Regionen in Deutschland bereits verschoben haben, so dass viele heute ein Klima aufweisen, das vor 50 Jahren 100 bis 600 km weiter im Südwesten herrschte. Die mittleren Temperaturen in Deutschland steigen seit einigen Jahrzehnten stetig an, gleichzeitig verändern sich die Niederschlagsmuster: es gibt im Jahresdurchschnitt mehr Niederschlag, vor allem im Herbst und Winter. Solche lokalen Klimaveränderungen können durch räumliche Vergleiche veranschaulicht werden: sogenannte klimatische Zwillinge bzw. Analogien. Das sind europäische Regionen, die ein Klima haben, wie deutsche Städte es heute oder in Zukunft haben könnten. Für die Identifikation der Analogien wurde das Klima europäischer Regionen während der sogenannten WMO -Referenzperiode Mitte des vergangenen Jahrhunderts (1961-1990) mit dem heutigen (1986-2015) sowie einem zukünftigen Klima von deutschen Städten verglichen. Hierbei werden jedoch nur mittlere Klimaveränderungen und keine Extremwettereignisse berücksichtigt, die mit fortschreitendem Klimawandel zunehmen. Klimatische Verschiebung deutscher Regionen nach Südwesteuropa Durch den Vergleich des heutigen mit dem früheren Klima wird deutlich, dass sich die klimatischen Bedingungen aller Regionen Deutschlands bereits um circa 100 bis 600 Kilometer nach Südwesten verlagert haben. Heute (1986-2015) hat beispielsweise Hamburg ein Klima wie Köln es früher (1961-1990) hatte und Köln wiederum hat heute ein Klima wie früher die französische Stadt Tours, die circa 250 Kilometer südwestlich von Paris liegt. Berlin hat heutzutage ein Klima wie Karlsruhe früher und Karlsruhe eines, wie es früher Lyon im Süden Frankreichs hatte. Bei einem Klimawandel ohne Klimaschutzmaßnahmen ( Representative Concentration Pathways (RCPs) 8.5) werden sich die mittleren Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten (2031-2060) deutlich erhöhen, wobei die mittleren Niederschläge sich nur wenig verändern werden. Dies führt zu einer weiteren Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte in Richtung Südwesten, größtenteils nach Zentral-Frankreich, wo ähnliche Niederschlagsmengen wie in Deutschland existieren. Mit fortschreitendem Klimawandel können sich Ende des Jahrhunderts (2071-2100) die Klimate der meisten deutschen Städte zwischen den früheren (1961-1990) Klimaten der französischen Atlantikküste und der Adriaküste von Mittelitalien bis Kroatien befinden. Städte, die heute für deutsche Verhältnisse relativ kühl und feucht sind, wie Hamburg, Bremerhaven oder Stralsund, können klimatisch in der Nähe der französischen Atlantikküste – zwischen Nantes und Bordeaux – landen. Relativ heiße und sehr trockene deutsche Städte, wie Brandenburg, Magdeburg oder Cottbus, können Klimate wie in Nordspanien, in der Nähe von Pamplona, haben. Andere Städte können sich klimatisch größtenteils von Südfrankreich – von Toulouse bis Narbonne – über Norditalien – in der Nähe von Arcona – bis nach Kroatien – südlich von Split – verteilen: Klimatisch in Frankreich landen die Städte, die eher ein warm-trockenes (Jena, Leipzig) bis warm-feuchtes Klima (Kassel, Münster) haben. Die eher heiß-trockeneren (Mannheim, Berlin, Würzburg) bis heiß-feuchten Städte (Saarbrücken, Köln) werden sich im Adria-Klimaraum wiederfinden. Manche Städte und Regionen, beispielsweise München oder die Hochgebirge, könnten Ende des Jahrhunderts ein Klima haben, welches bisher in Europa nicht vorkommt: sehr warm, relativ feucht und mit einem sommerlichen Niederschlagsmaximum. Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft Quelle: Eurac Research Bild zum Download Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte 1961-1990 bis 1986-2015 Quelle: Eurac Research Bild zum Download Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte 1961-1990 bis 2031-2060 Quelle: Eurac Research Bild zum Download Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte 1961-1990 bis 2071-2100 Quelle: Eurac Research Bild zum Download Methodische Hintergründe zur Identifizierung klimatischer Analogien Die Identifizierung von klimatischen Analogien ist methodisch herausfordernd, da sie von der Wahl der Klimaparameter und der räumlichen Auflösung der verwendeten Daten bestimmt wird. Die in den Karten dargestellten Klimaanalogien von deutschen Städten beziehen sich daher auf Regionen und auf die Kombination von vier Klimaparametern: saisonale mittlere Temperaturen, sommerliche Maximum- und winterliche Minimumtemperatur sowie mittlere saisonale Niederschläge. Zudem wurden für die Analogiefindung nur Klimaparameter für mittlere klimatische Verhältnisse verwendet. Daher berücksichtigen die Analogien auch keine Extremereignisse, wodurch insbesondere sommerliche Starkregenereignisse unterschätzt werden könnten. Auch Hitzetage oder Tropennächte finden in den Analogien keine Berücksichtigung. Wenn nur Temperaturparameter verglichen würden, würden manche Regionen noch weiter im Süden verortet werden. Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass sich die europäischen Regionen seit den betrachteten Zeitabschnitten ebenfalls weiter verändert haben. Insgesamt wurden 41 Standorte in Deutschland in diesem Sinne analysiert. Die Standorte wurden so ausgewählt, dass sie in ihrer Verteilung alle Bundesländer abdecken sowie die sieben Klimaraumtypen, die in der Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland (KWRA) identifiziert wurden. Weitere Ergebnisse der KWRA werden in einem Kurzfilm erklärt. Herausforderung für Ökosysteme, Menschen, Städte und Regionen Mit den entstandenen Karten werden die Klimaveränderungen für die eigene Heimatstadt und Region plastisch und vergleichbar. Die klimatischen Analogien geben eine grobe Vorstellung davon, wie anders das zukünftige mittlere Klima sein könnte – und was das für jeden persönlich bedeuten mag. Jedoch sagen sie nichts über die Folgen aus. Sie zeigen also nicht, was es für ein System, zum Beispiel einen Menschen, ein Ökosystem , die Wasserversorgung, das Gesundheitssystem oder eine Stadt, bedeutet, in einem relativ kurzen Zeitraum ein gänzlich anderes Klima als das zu haben, in dem sich das System teils über Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und an das es angepasst ist. Für die Klimaanpassung bedeutet das: So plastisch die Analogien zwischen den einzelnen Städten und Regionen auch sein mögen, sie implizieren nicht, dass beispielsweise Gebäudestrukturen oder Ökosysteme einer anderen Stadt einfach "nachgebaut" werden können. In der Analyse wird durch die Karten ein Vergleich der vorhandenen Eigenarten der Klimaanalogien mit den Eigenarten deutscher Systeme und Städte angestoßen. Der Vergleich gibt Anregungen, was sich alles in Deutschland ändern müsste, damit wir uns auf ein zukünftig sehr viel wärmeres Klima vorbereiten können. Und es wird auch deutlich, was den Klimawandel so gefährlich und zu einer solchen Herausforderung für die Anpassung macht: die Geschwindigkeit der Veränderung. Datengrundlage : E-OBS dataset version 23.1e für Europa 1961- 1990 , Deutscher Wetterdienst hydrometeorologischer Rasterdatensatz (HYRAS) für Deutschland 1986-2015, Deutscher Wetterdienst bias-adjustizierte und herunterskalierte Median RCP8.5 DWD -Referenz-Ensembles v2018 Klimaprojektionsdaten für 2031-2061 und 2071-2100 auf Grundlage von EURO-CORDEX. Die Ergebnisse der Analyse befinden sich als interaktive Karte auf der Seite Klimavergleich: Interaktive Karte - welches Klima herrscht bald in deutschen Städten? (rnd.de) . Autorinnen: Inke Schauser ( UBA ), Kathrin Renner (EURAC) Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 76 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
In Normen und Regeln ist für viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft festgeschrieben, wie einzelne Dinge funktionieren sollen und beschaffen sein müssen. Dadurch soll Sicherheit sowie Kompatibilität gewährleistet werden. Die Klimawandelanpassung sollte dringend in solche Vorgaben Eingang finden. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes hat gezeigt, dass hier noch Nachholbedarf besteht. Standards in Deutschland Etwa 34.000 DIN und mehr als 20.000 ISO Normen sowie technische Regeln von Institutionen und Verbänden setzen in Deutschland Standards für Technik, Bauten, Produkte und Arbeitsprozesse. Wenn es nötig ist, beispielsweise im Zuge technischer Entwicklungen, werden diese Richtlinien überarbeitet oder sogar neu erstellt. Mit dem voranschreitenden Klimawandel müsste auch die Anpassung an seine Folgen, die fast alle Bereiche der Gesellschaft und der Infrastruktur betreffen, Eingang in Normen und Standards finden . Ebenso müsste deren Anwendung forciert werden, da Normen per se nicht verbindlich, sondern in ihrer Anwendung freiwillig sind, es sei denn sie finden Erwähnung in einem Gesetz. Die Studie „Adaptation Standard: Analyse bestehender Normen auf Anpassungsbedarfe bezüglich Folgen des Klimawandels“ im Auftrag des Umweltbundesamtes ( UBA ) hat deshalb untersucht, inwieweit die Folgen des Klimawandels in den Regelwerken bereits berücksichtigt werden. Das Resultat zeigt: Nur in 11 der 34.000 DIN-Normen findet das Thema bisher direkte Erwähnung und dann auch eher unverbindlich. Rechtsverbindlich ist laut der Studie keine dieser Normen. Das Problem ist zwar erkannt, wird aber noch selten in konkrete Umsetzung übertragen. Dabei wäre dies enorm wichtig, um in vielen Bereichen Sicherheit zu gewährleisten und langfristige Resilienz zu erreichen. Ein Büro- oder Wohnkomplex, der heute gebaut wird, sollte beispielsweise in verschiedenen Aspekten von den Materialien bis zur Begrünung darauf ausgerichtet sein, dass Mensch und Gebäude künftig häufiger auftretende Wetterextreme wie etwa Hitze oder Starkregen schadlos überstehen. Im Ergebnis sieht die Studie deshalb unter anderem die Notwendigkeit, Klimafolgen und die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen stärker in den jeweiligen Arbeitsbereichen als Stand der Technik zu etablieren. Zudem sollten Normungsgremien mit dem Einbezug von Klimadaten in ihre Arbeit vertrauter gemacht werden. Die Autoren der Studie sehen es außerdem als wichtig an, dass normende Organisationen dem Thema Klimaanpassung mehr strategische Priorität einräumen und durch Vorgaben an die Gremien die Sensibilitäten geschärft wird und eine Berücksichtigung begünstigt werden muss. Richtlinien werden teilweise erst alle 10 bis 15 Jahre überarbeitet Die Gremien, in denen die Regeln und Normen festgelegt werden, bestehen aus Fachleuten aus den dementsprechenden Bereichen, in der Regel aus der Wirtschaft. Die Arbeit an den Vorgaben leisten sie nicht häufig. „Nehmen wir die Planung für Versickerungsanlagen. Das Arbeitsblatt wurde 2006 veröffentlicht, dem voraus gehen ungefähr noch einmal fünf Jahre Prozess in der Arbeitsgruppe. Festgeschrieben wurde, was die Mehrheit der Ingenieure damals sowieso schon gemacht hat, was bedeutet: Auch das war schon 10 bis 15 Jahre Usus. Das heißt: Das Wissen, was heute in dem Arbeitsblatt steht, ist 30 Jahre alt“, erklärt Prof. Dr. Heiko Sieker, der die Studie mit durchgeführt hat und als Ingenieur u.a. auf alles, was mit Regenwasser zusammenhängt, spezialisiert ist. Parallel zu diesen Zeitverläufen konnte durch „Adaptation Standard“ auch festgestellt werden, dass gerade Normen, die die Klimaanpassung und den Klimawandel aufgreifen müssten, um Folgekosten zu vermeiden, dies noch nicht tun. Dr. Wiebke Meister, Seniorprojektmanagerin beim Deutschen Institut für Normung (DIN) für den Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (NAGUS) und die Koordinierungsstelle Umweltschutz (DIN-KU), engagiert sich seit langem für die Einbindung der Klimafolgen in Normen und stößt dabei an Grenzen: „Wir arbeiten strategisch für die Wirtschaft und versuchen, relevante und aktuelle Themen in den Normungsgremien zu verankern. Bezüglich der Folgen des Klimawandels reden wir über einen Zustand, den wir noch nicht in allen Ausmaßen kennen. Es entspricht aber nicht dem Prinzip der Normung, sich auf ungesicherte Daten zu beziehen. Wie schaffe ich da Rechtssicherheit? Da muss die Normung neue Ansätze finden, die sowohl Rechtssicherheit auf der einen als auch Projektionen auf der anderen Seite erlauben. Das verursacht bei den Betroffenen verständlicherweise Zögern und Kopfschmerzen.“ Darum würde sie sich mehr Rückmeldung aus und Austausch mit den Gremien wünschen, um sie bei ihren Bedarfen zu unterstützen und Hürden gemeinsam zu überwinden. Dass etwas getan werden muss, sei den meisten bewusst, allein das anzugehen falle jedoch schwer. „Adaptation Standard“ zeigt ähnliche Probleme in anderen europäischen Ländern wie etwa den Niederlanden oder Schweden, in denen auch nur von einem sehr geringen Integrationsgrad von Klimafolgen und Klimaanpassung in Normen gesprochen werden kann. Um das Thema stärker in die Normungsprozesse zu integrieren, sieht die Studie politischen Willen und politisches Engagement als einen ausschlaggebenden Faktor. Nur so ließen sich Gesetzgebungen und Handlungsrahmen schaffen, die die Dringlichkeit der Klimaanpassung verdeutlichen und Grundlage von Maßnahmen seien können. Darüber hinaus regt „Adaptation Standard“ dazu an, die Integration der Klimaanpassung in Normen mit einer von allen Akteuren getragenen Gesamtstrategie zu verknüpfen. Dies sei vor allem für eine effektive Umsetzung wichtig und könnte auch dazu beitragen die Akzeptanz als auch das Bewusstsein bei den involvierten Akteuren zu stärken. Erste Ansätze bei ISO und DWA Dr. Wiebke Meister hat die Entstehung der ISO-Norm 14091 „Anpassung an den Klimawandel – Vulnerabilität , Auswirkungen und Risikobewertung“ eine der ersten Normen der Internationalen Normungsorganisation (ISO) im Zusammenhang mit dem Klimawandel begleitet. Dieser Norm ging die ISO-Norm 14090 „Anpassung an die Folgen des Klimawandels – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien“ voran, die neben Städten und Gemeinden besonders Unternehmen Handlungsempfehlungen nahelegt. Das Problem: Es werden keine Daten darüber erhoben, wer sie inwieweit anwendet. Dadurch ließen sich jedoch künftige Normen und Regeln differenzierter und zielgerichteter ausgestalten. „Das ist prinzipiell schwierig hinsichtlich von Normen: Es wird nicht systematisch erfasst, wer sie benutzt und welche Erfahrungen er damit macht. Auch zur ISO 14090 und ISO 14091 gibt es bisher kaum Rückmeldungen aus der Wirtschaft, doch das wäre wichtig, um so anwendungsfreundlich wie möglich zu agieren und zu lernen wo Nachbesserungsbedarf besteht“, erklärt Meister. Ein zweites Beispiel für die Verankerung der Klimaanpassung in wichtigen Vorgaben, ist die „Klimakennung DWA-Regelwerk“, die die „Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.“ (DWA) als zentrale Maßnahme ihrer Klimastrategie in diesem Jahr veröffentlicht hat. Mit der „Klimakennung“ geht die DWA einen entscheidenden Schritt, ihr eigenes Regelwerk klimagerechter zu gestalten. Das DWA-Regelwerk stellt einheitliche technische Regeln für die Bereiche Wasserwirtschaft, Kulturbau, Bodenschutz, Abwasser- und Abfalltechnik auf und berührt damit Bereiche, in denen Klimaanpassung ein wichtiges Thema ist. Die „Klimakennung“ richtet sich deshalb an Expertinnen und Experten in den DWA-Fachgremien, die durch sie eine Hilfestellung bei der Planung neuer Publikationen sowie bei der Überarbeitung bestehender Regeln im DWA-Regelwerk erhalten. Durch die „Klimakennung“ können Anwender des Regelwerks schnell und einfach erkennen, in welcher Intensität sich eine technische Regel mit dem Thema Klimaanpassung und/oder Klimaschutz auseinandersetzt. Auf diese Weise will die DWA Nutzerinnen und Nutzer für die Herausforderungen des Klimawandels sensibilisieren und dazu beitragen, dass technische Maßnahmen in den betreffenden Bereichen klimarobuster umgesetzt werden. Diese Regelung hat es zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie noch nicht gegeben. Forderung nach Initiative der Gesetzgebung In einem Punkt sind sich auch Wiebke Meister und Heiko Sieker einig: Wenn die Anpassung von Normen und technischen Regeln an den Klimawandel gelingen soll, braucht es Vorgaben seitens des Gesetzgebers. Sieker liefert auch hierfür ein anschauliches Beispiel: „Wir müssen unbedingt etwas beim Thema Starkregen unternehmen, also wenn es in Städten zu viel regnet. Es gibt Geländesenken, die von Bebauung freigehalten werden müssen, weil das Wasser bei Starkregen dorthin fließt. Es besteht akuter Regelungsbedarf, dass sogenannte Starkregengefahrenkarten vorausschauend zur Pflicht werden, darin sind sich alle Experten einig.“ Andernfalls passieren Dinge wie der Bau einer Kita in einer solchen Senke, die bei Starkregen unter Wasser stehe. Durch die Normung würde im zweiten Schritt festgelegt werden, welche Daten die Starkregengefahrenkarten enthalten müssen. Städte wie Köln oder Hamburg haben sie bereits, Berlin ist dabei sie zu entwickeln – alle auf Eigeninitiative. „Teilweise formulieren Fachverbände ihre Ziele selbst, weil es seitens des Gesetzgebers keine Vorgaben gibt.“, so Sieker weiter. Zusammen mit dem Projektteam hat er fünf Normen herausgearbeitet, bei denen die Berücksichtigung des Klimawandels zu empfehlen wäre. Diese sind: DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz DWA A117: Bemessung von Regenrückhalteräumen DWA A138: Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser VDI 6004 Blatt 1: Schutz der technischen Gebäudeausrüstung - Hochwasser - Gebäude, Anlagen, Einrichtungen DIN 19700-11: Talsperren „Der Ball ist über den Scheitelpunkt hinweg“ Trotz aller Hürden bleibt Wiebke Meister zuversichtlich, gewinnt aktuell sogar an Optimismus hinzu, dass bezüglich der Anpassung an den Klimawandel auch in ihrem Bereich mehr in Bewegung kommt. Nicht zuletzt, weil das Thema parteiübergreifend hoch auf die politische Agenda gerutscht ist. „Der Ball ist über dem Scheitelpunkt hinweg, da kommt jetzt etwas ins Rollen. Es wird sicher ruckelig, wir werden Ansätze suchen und wieder verwerfen. Aber ‚Anpassung‘ ist politisch nach oben gerutscht, es ist einfach klar: Wir müssen anpassen“, stellt Wiebke Meister fest. Das sieht Ingenieur Sieker nicht anders. Seiner Ansicht nach liegt die Priorität darauf, dass es weniger wichtig sei, neue Regelwerke zur Anpassung an den Klimawandel zu erstellen. Sondern viel mehr die bestehenden, die die Klimaanpassung bremsen, abzuschaffen oder anzupassen. „Das ist entscheidend. Wir wissen ja, dass der Klimawandel passiert, das muss mir keiner in die Norm reinschreiben.“ Link zur Studie „Adaptation Standard: Analyse bestehender Normen auf Anpassungsbedarfe bezüglich Folgen des Klimawandels“: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/adaptation-standard-analyse-bestehender-normen-auf Autor: Sven Scheffler, dpa Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 75 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
Extreme Wetterereignisse nehmen spürbar zu, das Wissen um die Notwendigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, ebenfalls. Grund genug für die Bundesregierung, Know-how zu Anpassungsmaßnahmen zentral zu sammeln und zur Nachnutzung zu verbreiten. Das Deutsche Klimavorsorgeportal unterstützt seit 2018 beim Umgang mit Klimafolgen. Das Feedback zum Portal ist nach fast vier Jahren ein positives. Das von der Bundesregierung bereitgestellte Deutsche Klimavorsorgeportal „KLiVO“ bündelt mittlerweile mehr als 100 qualitätsgeprüfte Klimavorsorgedienste. Es hat sich seit seinem Start im September 2018 zu einem echten Service im praktischen Umgang mit den Folgen des Klimawandels entwickelt. Mit Such- und Filterfunktionen werden Leitfäden, Karten oder Daten empfohlen. Klimaanpassungsdienste zeigen auf, wie Klimafolgen in Planungen berücksichtigt werden können. Darüber hinaus trägt es sowohl unter Dienste-Anbietenden wie auch Anwender*innen zur Vernetzung bei und fördert den Austausch zum Thema Klimavorsorge in Deutschland. Ergänzend hat das Umweltbundesamt bislang acht Netzwerktreffen zu unterschiedlichen Themen mit rund 450 Teilnehmenden veranstaltet, um Dienste besser bekannt zu machen und ihre Anwendung zu diskutieren Insgesamt stehen derzeit 141 Dienste in mehr als 16 Handlungsfeldern auf dem Portal zur Verfügung. Von durchweg positiven Erfahrungen bei der Anwendung ausgewählter Dienste berichten uns beispielhaft ganz unterschiedliche Akteur*innen. Vorsorge-Tipps für den Katastrophenfall Neben Hitze und Trockenheit zählen Hochwasser und Starkregen hierzulande zu den Klimawirkungen, die besonders hohe Risiken auslösen. Das belegen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 des Bundes. Auf dem KLiVO-Portal finden sich deshalb allein 84 Dienste zu Starkregen und Sturzfluten sowie mittlerweile 66 Dienste zu Binnenhoch- bzw. Niedrigwasser. Dr. Peer Rechenbach, früherer Leiter der Abteilung Katastrophen-, Brand- und Bevölkerungsschutz in der Behörde für Inneres und Sport in Hamburg, ist Experte für Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen und Katastrophenschutz. Er referierte auf einem der Netzwerktreffen über die Herausforderungen für Einsatzkräfte bei Überschwemmungen und Hochwasser und sagt über das KLiVO-Portal: „KLiVO ist ein wertvolles Instrument, das viel genutzt werden sollte – auch von der Bevölkerung. Denn die hat sich meiner Erfahrung nach noch nicht ausreichend auf das vorbereitet, was der Klimawandel verursachen kann.“ Hilfsmittel bietet KLiVO sowohl für Praxiserfahrene – Vertreter*innen von Schutzorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk sowie zuständigen Behörden – aber auch für Bürger*innen. So wird beispielsweise Feuerwehren ihre Einsatzplanung und -vorbereitung durch einen regelmäßigen Blick auf das länderübergreifende Hochwasserportal, aufgenommen ins Deutsche Klimavorsorgeportal, erleichtert. Dabei handelt es sich um eine interaktive Deutschlandkarte, auf der tagesaktuell zu erkennen ist, an welchen Flüssen es Hochwasser gibt. Hier werden die Wasserstände an über 1.300 Pegeln angezeigt und Warnungen ausgesprochen. Ebenso empfehlenswert findet Peer Rechenbach das auf dem KLiVO-Portal hinterlegte Handbuch „Klimawandel – Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz“. „Es gibt Feuerwehrleute, die in ihrer Region noch nie ein Hochwasser hatten. Dennoch sollten sie einen Plan für den Ernstfall haben. Der Ratgeber zeigt auf, an was gedacht werden muss, was es zu prüfen und zu berücksichtigen gilt und welche Maßnahmen im Vorfeld zu treffen sind“, erklärt er weiter. Von guter Praxis profitieren Die Stadt Worms nutzte die Angebote des KLiVO-Portals bereits mehrfach: Seit einigen Jahren ist die Stadt in Rheinhessen besonders von extremen Starkregenereignissen betroffen. Grund genug für Reinhold Lieser und Selma Mergner aus der Abteilung Umweltschutz und Landwirtschaft der Stadtverwaltung Worms, einen durch das Umweltbundesamt geförderten Beteiligungsprozess anzustoßen und zusammen mit den Bürger*innen ein kommunales Konzept zur Starkregenvorsorge zu entwickeln. Gemeinsam mit dem kommunalen Abwasserentsorger führte die Stadt über mehrere Jahre eine Vielzahl von Veranstaltungen, Workshops und Bürgerberatungen sowie bauliche Maßnahmen durch. Neben begleitender Beratung durch Fachbüros diente das KLiVO-Portal als wichtige Informationsquelle: „Worms verfügt bereits seit 2016 über eine lokale Strategie zur Anpassung an den Klimawandel . Doch es gibt immer wieder neue Entwicklungen und praktische Lösungsansätze. Wissen anderer, von dem wir profitieren können“, berichtet Reinhold Lieser von seinen Erfahrungen mit KLiVO. Mit der Absicht, auch ihre Erkenntnisse in naher Zukunft auf dem KLiVO-Portal bereitstellen und teilen zu können, forscht derzeit Dr. Susanne Böll, Diplom-Biologin bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Sie ist Leiterin im Projekt „Stadtgrün 2021“ und prüft gemeinsam mit ihrem Team, welche ausgewählten Versuchsbaumarten den derzeitigen klimatischen Verhältnissen in den bayerischen Städten Kempten, Hof/Münchberg und Würzburg erfolgreich trotzen. „Ziel ist es, dass unsere Ergebnisse und die anderer Forschungsgruppen Eingang in das Deutsche Klimavorsorgeportal finden. Auch wenn sie immer nur auf einzelne Regionen hierzulande übertragbar sind: Je mehr Daten dazu gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht werden, desto erfolgreicher und nachhaltiger kann zukünftige Stadtbegrünung sein“, betont Susanne Böll. Dienste erfolgreich angewendet Als eine Hilfestellung bei der Suche nach Stadtbäumen der Zukunft gibt es bereits den Dienst „citree – Gehölze für urbane Räume“ auf dem KLiVO-Portal: Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die jenen, die Gehölze pflanzen möchten, die Auswahl von standort- und klimaangepasstem Grün erleichtert. Sie umfasst Informationen von mehr als 360 Baum- und Straucharten und schlägt für eine Vielzahl von Standorten in Deutschland mehrere passende Gehölze vor. Dienste wie diese sind laut Dr. Susanne Böll ein Gewinn für Kommunen. Die Kleinstadt Syke bei Bremen nutzte den Dienst bereits erfolgreich. Stadtbiologin Angelika Hanel schätzt zum Beispiel die citree-Kennzahlen zur Feinstaubabsorption, zu Frostempfindlichkeit, Astbruch- und Sonnenbrandgefahr oder zur Streusalztoleranz: „Eine für die eigene Region geeignete Art zu finden, die dann auch den Bedingungen vor Ort gerecht wird – also nicht zu hoch oder zu breit wächst, wenn wenig Platz vorhanden ist – gestaltet sich durchaus schwierig. Auch weil man das Ergebnis einer Anpflanzung erst nach vielen Jahren sieht. Und Bäume sind enorm wichtig, um die Klimakrise aufzuhalten. Sie binden CO2 und filtern Staub sowie Schadstoffe. Außerdem kühlen sie die Luft, indem sie Grundwasser über ihre Blätter verdunsten. Ein Straßenbaum versorgt durchschnittlich zehn Menschen pro Tag mit Sauerstoff.“ Hilfestellung für Kommunen und Unternehmen Zum Themenfeld Hitzeperioden und Trockenheit finden sich mittlerweile 89 Dienste auf dem Portal. Denn zunehmend heiße Sommer und lange Trockenperioden bedeuten nicht nur für die Natur eine große Herausforderung. Gerade in verdichteten Städten bergen sie gesundheitliche Risiken für kleine Kinder, kranke und ältere Menschen, und gehen mit einer starken körperlichen Belastung für alle Arbeitnehmer*innen einher. Kommunen, Unternehmen, Gesundheitsdienstleister*innen und Privatpersonen müssen deshalb vermehrt Gesundheitsvorsorge betreiben. Heme Mensen, Geschäftsführer von Der Pflegedienst Lilienthal GmbH in Niedersachsen, ist dank des KLiVO-Portals auf die Hitzewarn-App des Deutschen Wetterdienstes aufmerksam geworden. „Heiße Sommertage an sich sind ja nicht neu, aber wochenlange Hitzeperioden verlangen unseren Pflegekräften eine erhöhte Aufmerksamkeit ab und bedeuten zudem mehr Aufwand in der Pflege selbst. Bislang war in der Pflegebranche der Umgang mit den Folgen des Klimawandels noch kein großes Thema. Doch wir müssen umdenken und Arbeitsprozesse vor diesem Hintergrund optimieren und bestenfalls standardisieren.“ Einmal installiert meldet die Hitzewarn-App sich, wenn mit einer erhöhten Belastung aufgrund aufgeheizter Innenräume zu rechnen ist. So kann der Pflegedienstleiter diese Information rechtzeitig bei der Planung von Arbeitsabläufen berücksichtigen und sein Team darauf vorbereiten. Hilfreiche Impulse und Weiterentwicklung Das KLiVO-Portal wird vom Umweltbundesamt gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst im Auftrag der Bundesregierung betrieben. Während das Umweltbundesamt Dienste beisteuert, die im Umgang mit den Folgen des Klimawandels unterstützen, stellt der Deutsche Wetterdienst die nötigen Klimainformationen, d.h. klimatologische und klimaabhängige Daten, bereit. Besucher*innen des Portals finden so mit wenigen Klicks wichtige Informationen, die die Klimavorsorge in Bereichen wie z. B. Stadtplanung, Landwirtschaft, Gesundheit, Wasserwirtschaft oder Bevölkerungsschutz unterstützen. Die Netzwerke „KlimAdapt“ (angesiedelt beim UBA ) und „Deutscher Klimadienst“ (angesiedelt beim DWD ) unterstützen die Weiterentwicklung des Portals und die Anwendung der Dienste. Hilfreiche Impulse für den Ausbau des Portals zieht das Umweltbundesamt aus den regelmäßigen Netzwerktreffen, bei denen neue Dienste vorgestellt und Themen rund um Klimaanpassung sowie beispielsweise Fragestellungen zur rechtlichen Lage oder Risiko-Kommunikation von den Akteur*innen aus Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden, Verbänden und Wissenschaft erörtert werden. Autorinnen: Regan Mundhenke und Sandra Wagner, ecolo – Agentur für Ökologie und Kommunikation; Hanna Platte, Umweltbundesamt Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 73 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.“ www.klivoportal.de
Die Belastung insbesondere älterer Menschen durch Hitze nimmt von Jahr zu Jahr zu. Zeit also alte Gewohnheiten zu hinterfragen und Hitzeschäden zu minimieren. Die Mitmach-Kampagne „Schattenspender“ des Umweltbundesamtes befähigt Gemeinden sowie interessierte Verbände und Privatpersonen das Thema Hitzebelastung auf attraktive und öffentlichkeitswirksame Weise sichtbar zu machen. Öffentlichkeitswirksame Aktionstage, Netzwerke vor Ort, Online-Themenschwerpunkte: Die Bandbreite der Möglichkeiten ist groß, wenn Gemeinden Ihre Bürgerinnen und Bürger auf ein dringliches Problem hinweisen wollen. Klar ist aber auch, die Ressourcen sind knapp bemessen, die Aufmerksamkeit der Zielgruppen umkämpft und die Konkurrenz an Informationen groß. Gute Vorbereitung und Unterstützung sind daher besonders wichtig. Mitmach-Kampagne „Schattenspender“ Das Umweltbundesamt ( UBA ) bietet ab 2021 allen Gemeinden, aber auch privaten Initiativen, Vereinen und Netzwerken an, Ihre eigene Kampagne „Schattenspender“ durchzuführen. Hierfür stattet das UBA die potentiellen Kampagnenträger mit einem bunten Strauß an Materialien aus, die für die eigene Arbeit zum Thema Hitzebelastung für vulnerable Gruppen angepasst und genutzt werden können. Der Hitzeknigge – hilft wo er kann Zentrales Element der Kampagne ist die 14-seitige Broschüre Hitzeknigge . Eine für alle Zielgruppen einfach aber konkret formulierte Hilfe, die Hitzegefahren benennt, Empfehlungen zum Hitzeschutz gibt sowie Angebote zur Beobachtung der eigenen Verhaltensweisen und Anregungen zur Veränderung gibt. Der Clou: Mitmachende Gemeinden können die Broschüre selbstständig um ihr Logo, ihre Ansprechpartner und auch eigene Inhalte beliebig erweitern. Kontaktieren Sie das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung im Umweltbundesamt unter kompass [at] uba [dot] de (subject: Hitzeknigge%20individuell) mit dem Betreff „Hitzeknigge individuell“. Sie erhalten dann zeitnah ein digitales Paket zur individuellen Anpassung des Hitzeknigges mit Schritt-für-Schritt-Anleitung. Schritt für Schritt zur Kampagne – so wie es Ihnen passt Den Rahmen der Kampagne setzt der Aktionsleitfaden „Spenden Sie Schatten “. Er umfasst vielfältige Aktionsideen, Textbeispiele und Tipps & Tricks für eine schlagkräftige Kampagne, um die Bevölkerung vor Ort für den Schutz vor Hitzebelastung zu sensibilisieren. Die Vielfalt der Angebote bietet für verschiedene Anlässe eine Unterstützung. Sei es beim Aufbau eines lokalen Netzwerkes oder der Ansprache der Medien, sei es bei der konkreten Durchführung einer Aktionswoche oder dem aktivierenden Storytelling. Ob klein oder groß – in jedem Falle auffällig Das Materialpaket der Mitmach-Kampagne „Schattenspender“ beinhaltet neben der zentralen Hitzeknigge-Broschüre auch Klassiker der Kommunikation: Vorlagen für Poster, Postkarten und Aufkleber, genauso wie Online-Banner und Sharepics für die Sozialen Medien gehören zu einer guten Ausstattung. Ambitioniertere Umsetzende können auch auf die Illustrationen selbst zugreifen und diese direkt in eigene Materialien einsetzen. So wird vor Ort eine passgenaue Kampagne möglich, bei geringem finanziellem und personellem Aufwand. Mit den Kampagnenmachern sprechen Eine Kampagne von der Bundesebene aus zu planen, die vor Ort Gestalt annehmen soll, ist kein leichtes Unterfangen. Und vor allem birgt es die Gefahr an den Bedürfnissen der Empfängerinnen und Empfänger vorbei zu arbeiten. Genau dies wurde beim Schattenspender vermieden. Der Kampagnenkonzeption gingen eine Umfrage unter über 100 Entscheiderinnen und Entscheidern vor Ort sowie qualitative Interviews mit Einzelnen aus dieser Gruppe voraus. In beidem wurde abgefragt, was die Gemeinden sich wünschen, wo sie Unterstützung brauchen und welche Form diese haben soll. Die große Gemeinsamkeit waren das prinzipielle Interesse am Thema und seine Dringlichkeit, die mangelnden finanziellen und personellen Ressourcen, sowie der Wunsch nach professioneller Unterstützung bei der Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Genau hier bieten die Schattenspender erprobtes Wissen und praktische Anregungen an. Vorgeschichte Die Schattenspender-Idee ist nicht ganz neu. Bereits im Sommer 2015 hatte das UBA gemeinsam mit dem Institut adelphi und dem Klimaschutzmanagement des Klausenerplatz-Kiezes in Berlin-Charlottenburg eine erste Auflage des Hitzeknigges erstellt. Die Broschüre war seitdem im Netz abrufbar. 2020 entschied sich das UBA aus der „Aktion Schattenspender“ die Kampagne „Schattenspender“ werden zu lassen, durch eine ausführliche Aktualisierung und Erweiterung des Angebotes explizit für alle Gemeinden in Deutschland. Die Mitmach-Kampagne hat Erfolg – wenn Sie mitmachen! Das Umweltbundesamt ruft alle Gemeinden auf sich mit dem Thema Hitzebelastung auseinanderzusetzen und Ihre eigene Kampagne „Schattenspender“ durchzuführen. Unter www.umweltbundesamt.de/schattenspender finden Sie alle Informationen zum Mitmachen inklusive Aktionsleitfaden und Hitzeknigge. Autor: Miko Omietanski (neues handeln AG) Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 71 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
Vorreiter prämieren, Nachahmer animieren – das ist ein Ziel des Preises „Blauer Kompass“, der am 6.11.2020 von Bundesumweltministerin Svenja Schulze und dem Präsidenten des Umweltbundesamts Prof. Dr. Dirk Messner verliehen wurde. Drei herausragende Gewinner in drei Kategorien sowie ein Publikumspreis – die Projekt zeigen, wie innovative Anpassung an die Folgen des Klimawandels vor Ort gelingt. Nur vereinzelte Plätze waren im Lichthof des Bundesumweltministeriums besetzt, denn aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Preis „Blauer Kompass“ des Umweltbundesamtes in diesem Jahr digital verliehen. Was die Bedeutsamkeit nicht schmälerte: Als „Mutmacher“ bezeichnete Bundesumweltministerin Svenja Schulze die eingereichten Projekte zur Anpassung an den Klimawandel . Baustoff als Baustein zur Klimaanpassung Regale gefüllt mit Töpfen und Eimern, darin verschiedene Arten von Sand, Kies oder Granulat. Eine Kindergartengruppe hätte hier große Spielfreude, doch das Labor der norddeutschen Firma HanseGrand dient einem viel größeren gemeinschaftlichen Zweck: Es produziert Klimabaustoffe für Außenräume, wie zum Beispiel Wege in Parks oder Quartieren. Diese sind den veränderten klimatischen Bedingungen angepasst. „Wir brauchen heute Baustoffe, die Wasser, Luft und Temperatur aufnehmen und sie entsprechend zurückgeben können, um überhaupt noch ein vernünftiges Wohlgefühl in der Stadt zu ermöglichen“, erklärt Geschäftsführer Hans Pape. Denn die Versiegelung in Städten bereitet vor allem bei zunehmendem Starkregen Probleme: Die Wassermassen haben keine Möglichkeit zu versickern und werden abgeleitet. Doch dadurch sinkt der Grundwasserspiegel, was wiederum zu Wasserknappheit führt. Die hochbelastbaren, offenporigen Wegedecken des Baustoffunternehmens schaffen Abhilfe und gewährleisten eine optimale Wasser- und Luftdurchlässigkeit. Verwendet werden hierfür vorrangig reine Natur- und regionale Materialien. Das hat HanseGrand Klimabaustoffe zum Gewinner des „Blauen Kompass“ 2020 in der Kategorie „Private und kommunale Unternehmen“ gemacht. Laudatorin und Jury-Mitglied Prof. Dr. Andrea Heilmann von der Hochschule Harz begründete die Wahl: „Die Klimabaustoffe sind vielleicht nur ein kleiner, aber innovativer und vor allem praktikabler Baustein für neue Wege zur Klimaanpassung. Das Material gibt Straßenräumen mehr Wasser und Luft, auch in trockenen Zeiten. In regnerischen Phasen wird hier dagegen das Prinzip der Schwammstadt schon ganz erlebbar gemacht.“ „Blauer Kompass“ zeigt vorbildliche Maßnahmen der Klimaanpassung Damit ist das Unternehmen beispielhaft für das, wofür der „Blaue Kompass“ steht: Projekte und Initiativen zur Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, sie hervorzuheben und so auf das grundlegende Thema aufmerksam zu machen. Das betonte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze bei ihrer Ansprache auf der Preisverleihung am 6. November im Lichthof des Bundesumweltministeriums in Berlin: „Zum einen kann man den Klimawandel noch bekämpfen, das ist in unserer Generation noch möglich. Zum anderen kann man etwas tun, um sich an die Veränderungen anzupassen – das ist die wirklich kraftvolle Botschaft, die von den vielen Projekten des ‚Blauen Kompass‘ ausgeht.“ Diese Botschaft scheint mehr und mehr anzukommen: Mit 160 Einreichungen, die das Umweltbundesamt ( UBA ) erreichten, ist die Zahl im Vergleich zu 2018 um fast ein Drittel gestiegen. Alle zwei Jahre wird der Preis vom UBA verliehen, in diesem Jahr zum vierten Mal. Den drei Kategorien „Private und kommunale Unternehmen“, „Forschungs- und Bildungseinrichtungen“ sowie „Vereine, Verbände und Stiftungen“ stand eine sechsköpfige Jury verschiedener Disziplinen vor, die aus 15 nominierten Projekten drei Sieger auswählte. Ein vierter Blauer Kompass wird als Publikumspreis nach einer Online-Abstimmung vergeben. Auch hier beteiligten sich mit fast 20.000 Stimmen rund 7.000 Menschen mehr am Voting als noch beim letzten Mal. „Diese Zahlen zeigen, welche Aufmerksamkeit der ‚Blaue Kompass‘ inzwischen hat. Damit ist er auch im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie ein ganz zentrales Kommunikationsinstrument, mit dem wir Klimavorsorge noch weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken wollen“, erklärt Schulze. Diversität zur Stärkung des Ökosystems Wald Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht er bereits: der Wald. Denn er leidet stark unter den sich verändernden klimatischen Verhältnissen, sichtbar an immer mehr abgestorbenen Bäumen und erhöhtem Schädlingsbefall. Der Südkoreaner Kun Woo Ro, Studierender der „Global Change Ecology“, hat sich im Rahmen seiner Masterarbeit mit der Frage beschäftigt, wie der Wald den stressigen Bedingungen der Zukunft besser gewachsen sein kann. Die Antwort ist der „Klimawald Bayreuth“, für den das Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung BayCEER in der Kategorie „Forschungs- und Bildungseinrichtungen“ den „Blauen Kompass“ gewann. „Die Studierenden lernen Probleme des Klimawandels von vorn nach hinten und in die Tiefe. Ich kann gut verstehen, wenn sie ein bisschen gelähmt sind von der Größe des Problems“, sagt Dr. Birgit Thies von der Geschäftsstelle des BayCEER. Der „Klimawald Bayreuth“ ist ein kleiner Schritt im Kampf gegen das große Problem, das Ergebnis einer fruchtbaren Kooperation von Wissenschaft, Forstwirtschaft und bürgerlichem Engagement. Nach Studien im Labor über die unterschiedliche Hitzeresistenz verschiedener Baumarten pflanzten im Frühjahr 2019 insgesamt 250 Freiwillige mehr als 4.500 Bäume. Dieser Klimawald ist naturnäher, diverser und damit widerstandsfähiger. Laudatorin und Jury-Mitglied Dr. Cornelia Lawrenz von der Stiftung Technisches Hilfswerk wies in ihrer Danksagung auf einen zusätzlichen Punkt hin: „Nicht nur das grüne Herz begann dabei zu schlagen, sondern auch das des Katastrophenschutzes. Denn in der gezielten Aufforstung liegt auch die Chance, zum Beispiel brandhemmende Baumarten zu pflanzen, die für ein feuchteres Waldinnenklima sorgen und so auch die Gefahr von Waldbränden reduzieren können.“ Kommunales Coaching für Anpassungsstrategien an den Klimawandel Umwelt, politische Ökologie und die Transformation einer Sozialen zu einer Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft – das sind die Kernanliegen der Stiftung Ökologie und Demokratie. Für Konzeption und Umsetzung ihres Projekts „KlimawandelAnpassungsCOACH RLP“ erhält die Stiftung den „Blauen Kompass“ in der Kategorie „Vereine, Verbände und Stiftungen“. 15 ausgewählte Modellkommunen in Rheinland-Pfalz, darunter auch Städte wie Trier und Koblenz, werden im Zeitraum von April 2018 bis März 2021 hinsichtlich der Anpassung an den Klimawandel gecoacht. Dabei werden Strategien und Maßnahmen jeweils ortsspezifisch erarbeitet und umgesetzt, es fließen Aspekte wie klimaangepasstes Bauen oder optimale Begrünung im Straßenraum mit ein. Der Bedarf am „KlimawandelAnpassungsCOACH“ ist nach häufigeren Extremwetterlagen wie Hochwasser und Dürre stark gestiegen. „Handeln setzt Bewusstsein voraus. Durch die Ereignisse hat sich das Bewusstsein in den Kommunen und Gemeinden schlagartig verändert, sodass die Nachfrage riesig geworden ist“, erklärt Hans-Joachim Ritter, Vorsitzender der Stiftung für Ökologie und Demokratie, in seiner Dankesrede für den Preis. Das Projekt soll weiterentwickelt und auf andere Bundesländer übertragen werden. Grüne Landschaften mitten in der Stadt Weiterentwicklung und Verstetigung spielt bei vielen Projekten zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine Rolle. Dasjenige, dass bei der Online-Abstimmung die meisten Stimmen und damit den Publikumspreis „Blauer Kompass“ erzielen konnte, wurde bereits vor 11 Jahren initiiert und soll nie fertig, sondern immer weiter angepasst werden: „Grüne Lernlandschaften Eugen-Kaiser-Schule“, kurz GLEKS, heißt es und ist in Hanau sowohl Lernort als auch Begegnungsstätte zugleich. Die 6.000 Quadratmeter große Fläche, angeschlossen an eine Berufsschule, birgt Themen und viele Einzelteile, die sich zu einem Park zusammenfügen – an heißen Tagen auch zu einer kühlen Oase. 300 der insgesamt 1.900 Berufsschüler erlernen „grüne“ Berufe, sie können hier probieren und studieren. 2019 wurde ein intelligentes Bewässerungssystem installiert, das den resilienten Pflanzenarten ein Überleben auch während Hitzeperioden sichert. Jury-Mitglied Carel Mohn vom Online-Portal klimafakten.de hob die Bedeutung solch kleiner, lokaler Projekte in seiner Laudatio hervor: „Dieser Garten ist ein Ort des Lernens und des Unterrichts. Seine Vielfalt zeigt: Die Anpassung an den Klimawandel geht Hand in Hand nicht nur mit praktischem Klimaschutz , etwa der Bindung von CO2 durch gesunde Böden, sondern sie kann sich aufs Schönste verbinden mit dem, was uns als Menschen und unseren Mitgeschöpfen auf dieser Welt guttut.“ Weitermachen und Wahrnehmung steigern „Wenn ich mir die Projekte so ansehe, dann finde ich: Das sind echte Mutmacher. Sie zeigen, dass mit Innovationen, mit Kreativität eine wirksame Anpassung an den Klimawandel gelingen kann“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Zur Anpassung gehöre für sie auch funktionierende Vorsorge, die viel zu selten öffentliche Aufmerksamkeit bekomme. Der „Blaue Kompass“ soll sensibilisieren und zur Nachahmung animieren. Alle vier Preisträger erhalten neben der Trophäe und einer Urkunde einen professionellen Imagefilm, der das jeweilige Projekt und die Menschen dahinter vorstellt. Auch dessen digitale Verbreitung soll die Wahrnehmung erhöhen. „Für die Transformation zur Nachhaltigkeit brauchen wir viele Menschen, die Prozesse vorantreiben. Hier Gesichter und Initiativen herauszuheben, um zu zeigen, wie man sich besonders einmischen kann, das ist ein wichtiges Element des Wettbewerbs“, erklärte Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes. Und fügte hinzu: „Da müssen wir weitermachen, das ist doch klar!“ Autorin: Sandra Lindenberger (dpa) Mehr Informationen: Wettbewerb „Blauer Kompass“ und Gewinner Videoaufzeichnung der Preisverleihung Gewinnervideos : Preisträger HanseGrand Klimabaustoffe Preisträger BayCEER „Klimawald“ Preisträger KlimawandelAnpassungsCOACH RLP Preisträger GLEKS - Grüne Lernlandschaften Eugen-Kaiser-Schule Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 70 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.
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