Die versauernden Schwefel- und Stickstoffeinträge aus der Luft in Land-Ökosysteme haben in den letzten Jahren stark abgenommen. Zur Bewertung dieser Belastung stellt man ökosystemspezifische Belastungsgrenzen (Critical Loads) den aktuellen Stoffeinträgen aus der Luft gegenüber. Ammoniumstickstoffeinträge aus der Landwirtschaft sind mittlerweile die Hauptursache für Versauerung. Situation in Deutschland 2019 Der Anteil der Flächen, auf denen die kritischen Eintragsraten für Versauerung deutlich bis sehr deutlich überschritten wurden, nahm zwischen 2005 und 2019 von 58 auf 26 % ab. Die Abnahme der Belastungen spiegelt den Rückgang der Emissionen in Folge von Luftreinhaltemaßnahmen wider (siehe Abb. „Flächenanteile mit Überschreitung der Belastungsgrenzen für Versauerung“). Besonders Einträge versauernder Schwefelverbindungen haben deutlich abgenommen. Für versauernde Stickstoffeinträge ist eine so deutliche Abnahme hingegen nicht zu verzeichnen. Sie sind hauptverantwortlich für die andauernden Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen ( Critical Loads ) für Versauerung in Deutschland (siehe Karte „Überschreitung des Critical Load für Versauerung durch Schwefel- und Stickstoffeinträge im Jahr 2019“). Bis Mitte der 1990er Jahre waren die Einträge versauernder Stoffe und die Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen in verursachernahen Waldgebieten Thüringens und Sachsens am höchsten. Inzwischen werden die Extremwerte im norddeutschen Tiefland auf empfindlichen Böden als Folge hoher Einträge von Ammoniumstickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen, vor allem aus der Intensivtierhaltung, erreicht. In diesen Regionen werden auch die ökologischen Belastungsgrenzen für Eutrophierung am stärksten überschritten. Im Rahmen eines UBA -Vorhabens zur Modellierung der Stickstoffablagerung (PINETI-4, Abschlussbericht in prep.) konnte die Entwicklung der Belastung methodisch konsistent für eine lange Zeitreihe (2000-2019) rückgerechnet werden. Flächenanteile mit Überschreitung der Belastungsgrenzen für Versauerung Quelle: Kranenburg et al. (2024) Diagramm als PDF Diagramm als Excel mit Daten Karte: Überschreitung des Critical Load für Versauerung durch Schwefel- und Stickstoffeinträge ... Quelle: Kranenburg et al. (2024) Was sind ökologische Belastungsgrenzen für Versauerung? Ökologische Belastungsgrenzen ( Critical Loads ) für Versauerung sind kritische Belastungsraten für luftgetragene Stickstoff- und Schwefeleinträge. Nach heutigem Stand des Wissens ist bei deren Einhaltung nicht mit schädlichen Wirkungen auf Struktur und Funktion eines Ökosystems zu rechnen. Betrachtet werden meist empfindliche Ökosysteme wie Wälder, Heiden, Moore und angrenzende Systeme (zum Beispiel Oberflächengewässer und Grundwasser). Ökologische Belastungsgrenzen sind somit ein Maß für die Empfindlichkeit eines Ökosystems und erlauben eine räumlich differenzierte Gegenüberstellung der Belastbarkeit eines Ökosystems mit aktuellen Luftschadstoffeinträgen. Das dadurch angezeigte Risiko bedeutet nicht, dass in dem betrachteten Jahr tatsächlich schädliche chemische Kennwerte erreicht oder biologische Wirkungen sichtbar sind. Es kann Jahrzehnte dauern, bis Ökosysteme auf Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen reagieren. Dies ist abhängig von Stoffeintragsraten, meteorologischen und anderen Randbedingungen sowie (bio)chemischen Ökosystemeigenschaften. Folgen der Versauerung Die Einträge versauernd wirkender Schwefel- und Stickstoffverbindungen aus der Luft führen bei Überschreitung der Pufferkapazität des Bodens zu einer Auswaschung basischer Kationen (Calcium, Magnesium, Kalium und Natrium) und zu Nährstoffungleichgewichten. Hierdurch verändern sie neben anderen chemischen Parametern auch die Nährstoffverfügbarkeit im Boden. Zusätzlich werden Bodenorganismen und die Bodenstruktur negativ beeinflusst. Ein lange anhaltender Säurestress führt über unausgewogene Ernährung zur Minderung der Vitalität von Pflanzen. Dies kann unter anderem zu einer Verschiebung der Artenzusammensetzung oder zu eingeschränkten Abwehrkräften gegenüber sekundären Stressfaktoren (zum Beispiel Dürre , Frost, Herbivorie) führen. Viele Ökosystemfunktionen können dann nur noch eingeschränkt erfüllt werden. Die atmosphärischen Einträge führen weiterhin zu einer weiträumigen Angleichung der Bodenverhältnisse auf einem ungünstigen, versauerten Niveau. Die Versauerung der Böden kann wiederum die Artenzusammensetzung von Pflanzengesellschaften verändern: Auf neutrale Bodenverhältnisse angewiesene Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften werden von im sauren Milieu konkurrenzstärkeren Arten und Gesellschaften verdrängt. Da viele Tierarten auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind, wird durch die Versauerung auch die Fauna beeinflusst: indirekt (über Verschiebung der Pflanzenartenzusammensetzung) und direkt (durch das geänderte Milieu; beispielsweise können Regenwürmer in versauerten Böden mit pH unter 4 nicht mehr existieren). Strategien zur Emissionsminderung Der möglichst umfassende und langfristige Schutz der Ökosysteme vor Versauerung ist weiterhin ein wichtiges politisches Ziel. International wurden deshalb in der sogenannten neuen NEC-Richtlinie ( Richtlinie (EU) 2016/2284 vom 14.12.2016) für alle Mitgliedstaaten weitere Minderungsverpflichtungen der Emission von Schwefel- und Stickstoff (SO 2 , NH x , NO x ) vereinbart, die bis 2030 erreicht werden müssen. Für Deutschland ergeben sich folgende nationale Reduktionsziele für das Jahr 2030 und darüber hinaus im Vergleich zum Basisjahr 2005: • Ammoniak (NH 3 ): minus 29 % • Stickstoffoxide (NO x ): minus 65 % • Schwefeldioxid (SO 2 ): minus 58 % (siehe auch „Emissionen von Luftschadstoffen“ ). Konkrete nationale Maßnahmen, zur Erreichung der oben genannten Ziele werden derzeit in einem Nationalen Luftreinhalteprogramm zusammengestellt. Maßnahmen zur Minderung der negativen Auswirkungen von reaktivem Stickstoff, zu denen auch die Versauerung von Ökosystemen zählt, sind in der Veröffentlichung des Umweltbundesamtes "Stickstoff - Element mit Wirkung" enthalten. Auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ( BMU ) verfolgt den Ansatz einer nationalen Stickstoffminderungsstrategie . Weitere Informationen bietet auch das Sondergutachten des SRU "Stickstoff: Lösungen für ein drängendes Umweltproblem" . Hintergrundwissen zur Modellierung von atmosphärischen Stoffeinträgen bietet der Bericht zum Forschungsvorhaben „PINETI-4: Modelling and assessment of acidifying and eutrophying atmospheric deposition to terrestrial ecosystems“.
Nährstoffeinträge (vor allem Stickstoff) aus der Luft belasten Land-Ökosysteme und gefährden die biologische Vielfalt. Zur Bewertung dieser Belastung stellt man ökosystemspezifische Belastungsgrenzen (Critical Loads) den aktuellen Stoffeinträgen aus der Luft gegenüber. Trotz rückläufiger Stickstoffbelastungen in Deutschland besteht weiterhin Handlungsbedarf – vor allem bei den Ammoniak-Emissionen. Situation in Deutschland Im Jahr 2019 (letzte verfügbare Daten) wurden die ökologischen Belastungsgrenzen für Eutrophierung durch Stickstoff in Deutschland auf 69 % der Flächen empfindlicher Ökosysteme überschritten (siehe Karte „Überschreitung des Critical Load für Eutrophierung durch die Stickstoffeinträge im Jahr 2019“). Die zur Flächenstatistik dieser Überschreitung herangezogenen Ökosystemtypen stammen aus dem CORINE-Landbedeckungsdatensatz von 2012 und bilden vor allem Waldökosysteme ab (ca. 96 %). Besonders drastisch sind die Überschreitungen in Teilen Nordwestdeutschlands. Aufgrund der dort ansässigen Landwirtschaft und intensiv betriebenen Tierhaltung ist der Stickstoffeintrag dort besonders hoch. So sind etwa zwei Drittel der Stickstoffeinträge auf Ammoniakemissionen zurückzuführen. Im Rahmen eines UBA -Vorhabens zur Modellierung der Stickstoffdeposition (PINETI-4, Abschlussbericht in prep.) konnte die Entwicklung der Belastung methodisch konsistent für eine lange Zeitreihe (2000 bis 2019) rückgerechnet werden. Die nationalen Zeitreihendaten zeigen, dass der Anteil der Flächen in Deutschland, auf denen die ökologischen Belastungsgrenzen überschritten wurden, von 84 % im Jahr 2000 auf 69 % im Jahr 2019 zurückging (siehe Abb. „Anteil der Fläche empfindlicher Land-Ökosysteme mit Überschreitung der Belastungsgrenzen für Eutrophierung“). Die Abnahme der Belastungen spiegelt größtenteils den Rückgang der Emissionen durch Luftreinhaltemaßnahmen wider. Karte: Überschreitung des Critical Load für Eutrophierung durch Stickstoffeinträge im Jahr 2019 Quelle: Kranenburg et al. (2024) Flächenanteil empfindlicher Land-Ökosysteme mit Überschreitung der Belastungsgrenzen Eutrophierung Quelle: Kranenburg et al. (2024) Diagramm als PDF Diagramm als Excel mit Daten Handlungsbedarf trotz sinkender Stickstoffeinträge Auch in den nächsten Jahren ist wegen der bisher nur unwesentlich abnehmenden Ammoniak-Emissionen – vornehmlich aus der Tierhaltung – mit einer weiträumigen Eutrophierung naturnaher Ökosysteme zu rechnen. Bei der Minderung von diffusen Stickstoffemissionen in die Luft besteht daher erheblicher Handlungsbedarf. Was sind ökologische Belastungsgrenzen für Eutrophierung? Zur Bewertung der Stoffeinträge werden ökologische Belastungsgrenzen ( Critical Loads ) ermittelt. Nach heutigem Stand des Wissens ist bei deren Einhaltung nicht mit schädlichen Wirkungen auf Struktur und Funktion eines Ökosystems zu rechnen. Ökologische Belastungsgrenzen sind somit ein Maß für die Empfindlichkeit eines Ökosystems und erlauben eine räumlich differenzierte Gegenüberstellung der Belastbarkeit eines Ökosystems mit aktuellen atmosphärischen Stoffeinträgen. Das dadurch angezeigte Risiko bedeutet nicht, dass in dem betrachteten Jahr tatsächlich schädliche chemische Kennwerte erreicht oder biologische Wirkungen sichtbar sind. Es kann Jahrzehnte dauern, bis Ökosysteme auf Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen reagieren. Im Rückschluss ist auch die Erholung des Ökosystems auf vorindustrielles Niveau sehr langwierig, wenn nicht sogar eine irreversible Schädigung des Ökosystems vorliegt. Beide Prozesse sind abhängig von Stoffeintragsraten, meteorologischen und anderen Randbedingungen sowie von chemischen Ökosystemeigenschaften. Daher sind absolute Schadprognosen mittels der Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen prinzipiell nicht möglich. Stickstoffdepositionen – ein Treiber des Biodiversitätsverlusts Ein übermäßiger atmosphärischer Eintrag ( Deposition ) von Nährstoffen (vor allem Stickstoff) und deren Anreicherung in Land-Ökosystemen kann auf lange Sicht Ökosysteme stark beeinträchtigen. So kann es zu chronischen Schäden der Ökosystemfunktionen (wie der Primärproduktivität und des Stickstoffkreislaufs) kommen. Auch Veränderungen des Pflanzenwachstums und der Artenzusammensetzung zugunsten stickstoffliebender Arten ( Eutrophierung ) können hervorrufen werden. Außerdem wird die Anfälligkeit vieler Pflanzen gegenüber Frost, Dürre und Schädlingsbefall erhöht. Atmosphärische Einträge führen zu einer weiträumigen Angleichung der Stickstoffkonzentrationen im Boden auf einem nährstoffreichen Niveau. Die derzeit hohen Stickstoffeinträge in natürliche und naturnahe Land-Ökosysteme sind eine Folge menschlicher Aktivitäten, wie Landwirtschaft oder Verbrennungsprozesse. Diese sind mit hohen Emissionen von chemisch und biologisch wirksamen (reaktiven) Stickstoffverbindungen in die Luft verbunden. Aus der Atmosphäre werden diese Stickstoffverbindungen über Regen, Schnee, Nebel, Raureif, Gase und trockene Partikel wieder in Land-Ökosysteme eingetragen. Die resultierende Überdüngung ist eine der Hauptursachen für den Rückgang der Biodiversität . Fast die Hälfte der in der Roten Liste für Deutschland aufgeführten Farn- und Blütenpflanzen sind durch Stickstoffeinträge gefährdet. Ziele und Maßnahmen zur Verringerung der Stickstoffeinträge Ein langfristiges Ziel der Europäischen Union (EU) und der Genfer Luftreinhaltekonvention ( UNECE Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, CLRTAP) ist die dauerhafte und vollständige Unterschreitung der ökologischen Belastungsgrenzen für Eutrophierung . International wurden deshalb in der sog. neuen NEC-Richtlinie ( Richtlinie (EU) 2016/2284 vom 14.12.2016) für alle Mitgliedstaaten weitere Minderungen der Emission von reaktiven Stickstoffverbindungen (NH x , Stickstoffoxide (NO x )) vereinbart, die bis 2030 erreicht werden müssen. Für Deutschland ergeben sich folgende nationale Emissionsminderungsverpflichtungen für Stickstoff für das Jahr 2030 und darüber hinaus im Vergleich zum Basisjahr 2005: Ammoniak (NH 3 ): minus 29 % Stickstoffoxide (NO x ): minus 65 % (siehe auch „Emissionen von Luftschadstoffen“ ). Konkrete nationale Maßnahmen, die zum Erreichen der oben genannten Minderungsverpflichtungen geeignet sind, werden derzeit in einem Nationalen Luftreinhalteprogramm zusammengestellt. Maßnahmen zur Begrenzung der negativen Auswirkungen des reaktiven Stickstoffs, zu denen auch die Eutrophierung von Ökosystemen zählt, sind in der Veröffentlichung des Umweltbundesamtes "Reaktiver Stickstoff in Deutschland" enthalten. Auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ( BMU ) verfolgt den Ansatz einer nationalen Stickstoffminderungsstrategie . Weitere Informationen bietet auch das Sondergutachten des SRU „Stickstoff: Lösungen für ein drängendes Umweltproblem“ . Hintergrundwissen zur Modellierung von atmosphärischen Stoffeinträgen bietet der Bericht zum Forschungsvorhaben „PINETI-4: Modelling and assessment of acidifying and eutrophying atmospheric deposition to terrestrial ecosystems“.