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Berichte
5.2.4
des
Landesamtes
für
Umweltschutz
Sachsen-Anhalt,
Heft
4/2015:
597 – 602
Feinde und Krankheiten heimischer Lurche und Kriechtiere
Wolf-Rüdiger Grosse und Bernd Simon
Allgemeine Übersicht
Krankheiten und Parasiten spielen auch in der Biologie
der Lurche und Kriechtiere eine nicht zu unterschät-
zende Rolle. Für Lurche typisch treten verschiedene
niedere Pilze sowie Parasitoiden (Parasiten, die ihre
Wirte töten), bei den Kriechtieren eher Ektoparasiten
in Erscheinung. Wasserpilze der Gattung Saprolegnia
befallen Amphibien in allen aquatischen Entwicklungs-
stadien. Durch die Chytridiomykose, verursacht durch
die Chytridpilze Batrachochytrium dendrobatidis und
Batrachochytrium salamandrivorans, können enorme
Verluste eintreten (zu Frosch- u. Salamanderster-
ben s. u.). Zu schweren Hautschädigungen kann der
Befall mit dem Pilz Mucor amphibiophorum führen.
Auch Virusinfektionen (Infektion mit Ranavirus-Erre-
ger aus der Gruppe der Iridoviren) können bei Amphi-
bien auftreten. Das als „Bauchwassersucht“ bekannte
Phänomen ist dagegen auf ein sekundär eintretendes
Organversagen zurückzuführen. Zu den bekanntesten
Parasitoiden gehört die Krötenfliege. An Endoparasi-
ten wurden unter anderem ein Befall mit Lungenwür-
mern sowie Larven weiterer Rundwürmer (Nematoda)
nachgewiesen. An Lurchen parasitierend treten auch
Blut- und Pferdegel auf. Der Befall mit dem Gemei-
nen Holzbock ist der häufigste Fall im Auftreten von
Ektoparasiten bei Kriechtieren. Daneben können auch
andere Ektoparasiten wie Milben auftreten.
Feinde unter den Wirbellosen treten insbesondere
gegenüber der Laich- und Larvalphase aber auch gegen-
über Jungtieren von Lurchen auf. Hier sind vordergrün-
dig Libellenlarven, Wasserkäferlarven, Wasserskorpion,
Blutegel und räuberische Wasserwanzen zu nennen.
Fische treten dagegen als Räuber gegenüber allen
Entwicklungsstadien der Lurche auf. Hier sind einer-
seits durchaus typische Raubfische wie Wels, Hecht,
Zander oder Aal zu nennen, die bis hin zu erwach-
senen Seefröschen jeder amphibischen Lebensform
(einschließlich Ringelnattern) gefährlich werden kön-
nen. Anderseits spielen auch Karpfen und andere
„Friedfische“ eine nicht zu unterschätzende Rolle als
Laichräuber und verschmähen auch Larvalstadien
nicht. Neben den Wildfischen sind Zierfische, wie
Goldfische oder Koi-Karpfen insbesondere in Gar-
tenteichen ein wesentlicher Problemfaktor für die
Reproduktion von Molchen, Kröten und Fröschen.
Desweiteren sind Satzfische wie Regenbogenforellen
in Zucht- oder Mastgewässern ein Faktor, der oft zum
Totalverlust von Laich, Larven und Jungtieren führen
kann. Ergänzend zur Gruppe der aquatisch lebenden
Feinde sind die Krebse, insbesondere der Amerikani-
sche Flusskrebs, der Marmorkrebs und die Wollhand-
krabbe zu nennen, wobei die Rolle Letzterer bei Auf-
treten in großer Dichte nicht zu unterschätzen ist.
Breit ist das Spektrum an Prädatoren aus der Klasse
der Vögel. Auf der einen Seite spielen Wildenten, der
Häufigkeit entsprechend vordergründig die Stockente,
sowie andere Wasservögel wie Blessralle oder Lach-
möwe eine wesentliche Rolle als Laichräuber und
stehen mitunter auch auf der Liste der Feinde adulter
Lurche, wobei hier eher Arten wie Zwerg- und Hauben-
taucher und Kormoran zu nennen sind. Andererseits
kommt auch den Schreitvögeln eine wichtige Prädato-
renrolle zu. Weißstorch, Schwarzstorch und Graurei-
her erbeuten Lurche im Wasser und an Land sowie
auch Schlangen und Eidechsen, wobei der Weiß-
storch auch vor ausgewachsenen Ringelnattern nicht
zurückschreckt.
Während die Wasservögel fast nur für Lurche von
Bedeutung sind, spielen im Nahrungsspektrum der
Schreitvögel auch die Kriechtiere eine Rolle. So auch
bei den Greifvögeln, die als Prädatoren gegenüber
beiden Artengruppen auftreten. Für den Schreiadler
sind Lurche und Kriechtiere entscheidender Teil sei-
ner Nahrung und auch Schwarzmilan und Rohrweihe
finden einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Nahrung
in der Herpetofauna, aber auch Arten wie Mausebus-
sard, Rotmilan und Turmfalke haben diese im Nah-
rungsspektrum. Unter den allesfressenden Krähenvö-
geln sind sowohl Kolkrabe und Krähenarten wie Elster,
Dohle und Eichelhäher zu nennen, deren Auftreten
unter Umständen bei „Krötenregen“ nicht untypisch ist.
Schließlich zählen für den Raubwürger Eidechsen, für
den Neuntöter junge Eidechsen sowie für Amseln und
Drosseln Metamorphoslinge an Land zum Nahrungs-
spektrum.
Eine wesentliche Rolle im Räuberumfeld der Herpeto-
fauna spielen die Säugetiere, wobei manche Arten zu
den Hauptwidersachern zählen und einzelne Vertreter
insbesondere unter den Neozoen zu erheblichen Ver-
lusten führen können. Als Allesfresser kann dabei das
Wildschwein für nahezu alle Arten in allen Entwick-
lungsformen wie auch im gesamten Lauf des Jahres
von Reproduktion über Sommerlebensraum bis Win-
terruhe als Fressfeind auftreten. Unter den Raubtieren
sind Fuchs, Dachs, Fischotter, Marderhund, Wasch-
bär, Mink, Iltis und andere Marder zu nennen. Dabei
können Waschbär und Mink zumindest lokal popula-
tionsgefährdenden Einfluss ausüben, was keinesfalls
unterschätzt werden darf. Weitere Feinde unter den
Säugetieren sind Igel sowie Wanderratten (zumindest
Alttiere), aber auch Nutrias wie auch in Einzelfällen
Wasserspitzmaus und Wasserfledermaus.
Keinesfalls unbedeutend als Feinde für Lurche und
Kriechtiere sind Vertreter der eigenen Artengruppe,
in Einzelfällen bis hin zum Kannibalismus. So haben
alle drei heimischen Schlangen Frösche, Kröten und
Eidechsen im Nahrungsspektrum. Ähnliches trifft für
die Sumpfschildkröte zu, die zumindest Lurche erbeu-
tet. Auch exotische Schmuckschildkröten können hier
eine Rolle spielen. Der Kammmolch frisst ggf. Larven
der eigenen Art, aber auch kleinere Molcharten. Der
Seefrosch frisst von Jungtieren der eigenen Art über
kleinere Teichfrösche bis hin zu Vertretern anderer
Lurche nahezu alles, wessen er habhaft werden kann,
was teilweise auch für den Teichfrosch zutrifft.
Im unmittelbaren Umfeld des Menschen lebende
Haustiere sind gleichfalls als Räuber wirksam. Dabei
haben Hauskatzen (verwildert im Außenbereich, in
Gartensiedlungen u. a.) speziell auf Eidechsen örtlich
nicht zu unterschätzende Auswirkungen; Hunde dage-
gen weniger. Im dörflichen Umfeld beeinflusst auch die
individuelle Geflügelhaltung die Vorkommen von syn-
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FEINDE und KRANKHEITEN
Krankheiten
Pilzerkrankungen werden seit langem für das Amphi-
biensterben verantwortlich gemacht. Die weltweit ver-
breiteten Vertreter der Gattung Saprolegnia, volkstüm-
lich Wasserpilze genannt, befallen Amphibien und ihre
Entwicklungsstadien in der aquatischen Lebensphase.Am häufigsten fallen sie in Gelegen der Erdkröte oder
des Grasfrosches auf. Trotz Verpilzung einzelner Eier
schlüpfen meist genügend Larven. Schwieriger wird
die Situation, wenn die Wasserqualität schlecht ist oder
in Moorbereichen mit niedrigem pH-Werten gelaicht
wird. Landesweit wurden solche Verpilzungen regist-
riert, selten die Ursachen wirklich untersucht. Auch bei
geschwächten, verletzten oder alten Individuen wurde
Pilzbefall beobachtet. Ein Weibchen des Bergmolchs
wurde am 17.04.2015 an der Wasseroberfläche trei-
bend in einem Tümpel in Ballenstedt/Harz gefangen.
Es zeigte auf der äußeren Haut den Befall mit Algenpil-
zen. Die äußere Haut (Epidermis) befand sich im Kopf-
und Rumpfbereich zum Teil in Ablösung (F. Mutsch-
mann, pers. Mitt.). Eine Sektion ergab weitere multible
Mikronekrosen und granulomatöse Entzündungsherde
sowie bindegewebig ummantelte Bohrgänge von Lar-
ven von Rundwürmern (Nematoda). Der Totfund eines
Abb. 1: Bergmolch-Weibchen von Algenpilzen parasitiert (Foto:
W.-R. Grosse).Abb. 2: Oberhaut einer Kreuzkröte mit Chytridien, Färbung:
Haematoxilin-Eosin (Foto: F. Mutschmann).
Abb. 3: Von Saprolegnia befallener Erdkrötenlaich (Foto: S.
Meyer).Abb. 4: Lunge einer Kreuzkröte mit Lungenwürmern, Färbung:
May-Grünwald-Giemsa (Foto: F. Mutschmann).
Abb. 5: An Nierenversagen verendeter Teichfrosch (Foto: W.-R.
Grosse)..Abb. 6: Ein mit dem Ranavirus befallener Teichfrosch (Foto: W.-
R. Grosse).
anthropen Arten; gemeint sind sowohl Hausenten und
auf Dorf- oder Privatteichen gehaltenes Wassergeflü-
gel, das insbesondere den Laich dezimiert wie auch
Haushühner, die durchaus auch Methamorphoslinge
fressen.
Der Mensch spielt dagegen in der Gegenwart als
„Fressfeind“ keine Rolle mehr, was aber in prähistori-
scher Zeit oder auch in Zeiten mit großen Hungersnö-
ten (Mittelalter, Kriegsperioden) durchaus anders war.
Landespezifische Aspekte
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FEINDE und KRANKHEITEN
Teichmolchs mit schweren Hautschädigungen südlich
von Halle im Jahr 2009 war auf den Befall mit dem
Pilz Mucor amphibiophorum zurückzuführen (Grosse
2011b). Häufig sterben die Tiere allerdings an Organ-
versagen von Leber und Niere, was bei einem Teich-
molchweibchen aus der Kiesgrube Gröbers im Jahr
2010 der Fall war. Das Tier fiel durch einen ballonar-
tig aufgetriebenen Leib auf. Derartige Beobachtungen
einer „Bauchwassersucht“ konnten auch an Grasfrö-
schen im Selketal/Harz im Jahr 2008 gemacht wer-
den. Teichfrösche aus dem Norden von Halle zeigten
im Jahr 2006 nach der Metamorphose ähnliche Symp-
tome an Rumpf und Extremitäten.
Im Zusammenhang mit dem weltweit zu verzeichnen-
den Aussterben von Amphibienpopulationen wird die
Chytridiomykose als Ursache genannt (Mutschmann
2010). Der Chytridpilz Batrachochytrium dendroba-
tidis (kurz Bd genannt) gilt als Mitverursacher des
weltweiten Froschsterbens und Batrachochytrium
salamandrivorans (kurz Bs genannt) wird für das
Salamandersterben verantwortlich gemacht (vgl. Kap.
5.4 Forschungsbedarf). Auch in Sachsen-Anhalt wird
auf den erschreckenden Trend beim Rückgang der
Populationen der Geburtshelferkröten aufmerksam
gemacht (A. Westermann, pers. Mitt.). Über die Ursa-
chen lässt sich im Moment nur spekulieren, möglich
ist die Pilzerkrankung Chytridiomykose (vgl. Tobler
2015). Buschendorf (in diesem Buch) schreibt, dass
in zunehmendem Maße Erdkrötenbestände durch die
tödlich verlaufende Infektion (Chytridiomykose) mit
dem Pilz Batrachochytrium dendrobatidis dezimiert
werden, worüber allerdings in Sachsen-Anhalt noch
keine Beobachtungen vorliegen. Im März 2015 wur-
den in Halle im Bereich der Erdkrötenvorkommen
Talstraße und Kasernensumpf in der Dölauer Heide
gehäuft tote Erdkröten gefunden. Insgesamt fünf
Tiere wurden untersucht und auf Bd-Befall getestet,
was negativ ausfiel. Alle Tiere zeigten einen Befall mit
Lungenwürmern (Rhabdias bufonis), was höchstens
zu einer Schwächung der Tiere führte. Auffällig war
bei allen Tieren eine deutlich sichtbare Degeneration
der Leber, was zu einem Energiedefizit der Individuen
führt. Die Ursachen können u. a. in den milden Wit-
terungsverhältnissen im Winter 2014/2015 und dem
Frühjahr 2015 liegen. Spekulationen der Folgen eines
Klimawandels sind bei den Befunden nicht ganz von
der Hand zu weisen. Dabei können Amphibien auf-
grund ihrer komplexen Ansprüche an den Lebensraum
wichtige Bioindikatoren sein.
Auch Virusinfektionen werden bei Amphibien landes-
weit beobachtet, meist aber nicht erkannt oder gar
registriert. So liegen nur wenige Hinweise auf die
Infektion mit Ranavirus vor. Am 23.07.2007 wurde im
Bassin der Wasserpflanzenanlage im Botanischen
Garten Halle ein lebloser aufgetriebener Teichfrosch
gefunden. Auffälligstes Merkmal war der ausgestülpte
Vorderdarm einschließlich der Zunge. Der Erreger
aus der Gruppe der Iridoviren ruft den plötzlichen Tod
der Tiere hervor. Nach einer kurzen Inkubationszeit
erscheinen die Tiere apatisch, neigen zu Ataxien und
verändern ihre Farbe (die Beobachtung zeigt, wenn
sie am schönsten aussehen, sterben sie!). Ödembil-
dungen, Magenvorfälle, Nierendegenerationen und
flächige Hämorrhagien (Red Leg-Symptom) sind sicht-
bar. Die Gefahr für Freilandpopulationen besteht in der
Existenz latent infizierter Artgenossen, die ebenso wie
das Wasser als Infektionsweg in Frage kommen (Mut-
schmann 2010).
Prädatoren und Kannibalismus
Amphibien spielen mit einer Häufigkeit von 10 % an
der Gesamtnahrung neben Fischen, Kleinsäugern und
Vögeln eine bedeutende Rolle im Beutespektrum des
Minks. Im Rahmen einer Studie des Institutes für Zoo-
logie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
wurden 50 Minke mit Mageninhalt aus Sachsen-Anhalt
untersucht. Dabei konnten in den Mägen von fünf Tie-
ren Amphibienreste nachgewiesen werden (Zschille
& Grosse 2003). Als Nahrungsobjekte konnten Moor-
frosch (Deetzer Teich Zerbst) und Seefrosch (Zehnru-
tenkolk Dabrun und Deetzer Teich Zerbst) anhand von
Knochenresten (Ilium, Frontoparietale) bestimmt wer-
den. Der Nachweis der Erdkröte als Beute des Mink
(Alte Elbe Gallin sowie Korg’scher Busch Kleinkorga)
anhand von Hautresten ist deshalb interessant, weil
die Hautgifte adulter Erdkröten die meisten natürlichen
Fressfeinde vom Verzehr der Kröten (zumindest der
Haut und des Laichs) abhalten (Grosse 1999). Ver-
schiedene Untersuchungen zu Nahrungsgewohnhei-
ten des Minks im europäischen Raum weisen sogar
auf Bevorzugung von Fröschen gegenüber Kröten bei
semiaquatischen Marderartigen hin (Sidorovich &
Pikulik 1997). In Sachsen-Anhalt spielt entlang grö-
ßerer Flüsse wie der der Elbe, aber auch in größerer
Entfernung dazu, der Mink zunehmend eine nicht zu
unterschätzende Rolle als Prädator. Besonders betrof-
fen scheinen Arten zu sein, die zu größeren Laichge-
meinschaften neigen. Dokumentierte Funde von vom
Mink getöteter Tiere liegen von Erdkröte, Moorfrosch
und Kreuzkröte vor. Als Reste der Beutezüge des Minks
sind typischerweise von innen nach außen gewendete
Hautreste („Krötenhemden“) höchstens mit Resten
der Unterschenkel zu finden, aus denen der Mink die
Innereien herausgeschüttelt hat. Bei dieser Form der
Nahungsbeschaffung kommt dem Räuber die Ana-
tomie der Froschlurche entgegen, durch die sich der,
insbesondere in der Paarungszeit sozusagen in einem
Lymphbett schwimmende Körper, gut von der Haut löst.
Der Mink beißt die Tiere auf und schüttelt diese, bis er
den „Kern“ heraus hat, der Rest bleibt liegen. Typisch
für den Mink ist zusätzlich die Tatsache, dass er oft eine
größere Zahl (unter Umständen alle greifbaren) potenti-
eller Beutetiere tötet, als er dann frist.
Landesweit wird auch der Waschbär für den Rückgang
der Amphibienpopulationen verantwortlich gemacht.
Dafür liegen eigene Beobachtungen aus dem Harz
vor. Wie aus Untersuchungen von Knochenresten im
Abb. 7: Haut einer Erdkröte – Fraßreste des Mink; typischer-
weise werden Haut und Laich nicht gefressen (Foto: B. Simon).
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