Die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer und die Tierärztliche Vereinigung
für Tierschutz e.V. zur Immunokastration in der Ökobranche:
Die Immunokastration von Mastschweinen als Methode der
Wahl für den Tierschutz auch im ökologischen Landbau
ermöglichen
Stuttgart, 26.08.2020 – Die EU-Kommission vertritt die Auffassung, dass die
Immunokastration mit den Prinzipien der ökologischen Erzeugung nicht
vereinbar wäre. Leider folgt dieser Fehleinschätzung der EU-Kommission auch
die Länderarbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (LÖK). Damit würde
ökologisch arbeitenden Schweinebetrieben als Alternative zur Ebermast nur
eine chirurgische Kastration zur Verfügung stehen.
Die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer und die Tierärztliche Vereinigung
für Tierschutz e.V. fordern auf, gerade ökologisch erzeugenden Betrieben nicht
die tierschonendste Methode zur Verhinderung des Geschlechtsgeruchs des
Fleisches von männlichen Schweinen zu verwehren.
Die EU-Kommission gibt an, dass die Immunokastration nicht mit den Regeln zur
ökologischen Erzeugung vereinbar sei, eine weiterführende Erläuterung bleibt sie
schuldig. An diesem Standpunkt hält sie auch fest, nachdem der Sachverhalt bei der
Implementierung der neuen EU-Ökoverordnung VO (EU) 2018/848 umfangreich
debattiert worden ist. Ein möglicher Ablehnungsgrund könnte sein, dass bei
ökologischer Erzeugung der Einsatz von externen Produktionsmitteln auf natürliche
oder naturgemäß gewonnene Stoffe zu beschränken ist. Dass bei ökologischer
Erzeugung eine chirurgische Kastration mit Schmerz- und/oder Betäubungsmitteln
zulässig ist, entkräftet diese Argumentation, da auch Schmerzmittel wie Meloxicam
oder Betäubungsmittel wie Isofluran keinesfalls natürlich oder naturgemäß gewonnen
werden. Als weiterer Ablehnungsgrund steht im Raum, dass bei der ökologischen
Erzeugung immunologische Arzneimittel nur im Rahmen der Krankheitsvorsorge und
einer tierärztlichen Behandlung zulässig sind. Dem ist das Gebot der
Leidensminimierung, welches auch bei der ökologischen Erzeugung rechtlich
verankert ist, entgegenzusetzen. Dieses gebietet, stets die tierschonendste Methode
zu verwenden – dies ist nach übereinstimmender Auffassung aber die
Immunokastration, da hier der chirurgische Eingriff am Tier ausbleibt.
Die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer und die Tierärztliche Vereinigung für
Tierschutz e.V. appellieren deshalb – auch im Hinblick auf das in Deutschland im
Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz –, die Abwägung zu Gunsten des
Tierschutzes zu treffen und die Anwendung der Immunokastration auch für ökologisch
arbeitende Betriebe zu ermöglichen. Denn sie sind sich einig: „Es kann nicht sein, dass
ausgerechnet der Biobranche die Immunokastration als Alternative zur chirurgischen
Kastration verwehrt wird. Denn damit würde man ökologisch erzeugende Betriebe
dazu zwingen, Methoden einzusetzen, die aufgrund des Tierschutzes aber auch des
Umweltschutzes weniger geeignet sind, wie die Isoflurannarkose.“
So fordern die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer und die Tierärztliche
Vereinigung für Tierschutz e.V. die Bundesländer dazu auf, von ihren Möglichkeiten
zur Auslegung Gebrauch zu machen, um die Immunokastration in der Biobranche zu
ermöglichen und sich also nicht der Auffassung der EU-Kommission anzuschließen,
da diese auch nicht rechtlich bindend ist.
Dr. Julia Stubenbord
Prof. Dr. Thomas Blaha
Landestierschutzbeauftragte von
1. Stellvertretender Vorsitzender der TVT
Baden-Württemberg
Sprecherin der Tierschutzbeauftragten von
Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,
Hessen,
Niedersachsen,
Saarland,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
Dr. Marco König
Landestierschutzbeauftragter von
Sachsen-Anhalt
Sprecher der Tierschutzbeauftragten von
Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,
Hessen,
Niedersachsen,
Saarland,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein